KAPITEL FÜNFZEHN
„Sie werden es schaffen", versicherte Ferus der buckligen alten Frau. Ein getrockneter Streifen Blut zog sich durch ihr Gesicht.
„Aktivieren Sie den Hyperantrieb, sobald Sie das Gravitationsfeld verlassen haben", instruierte Leia den Piloten, der gerade an Bord des Schiffes ging, das Soresh einen Monat zuvor gekapert hatte.
„Du musst jetzt tapfer für euch beide sein", sagte Ferus und legte einem kleinen Jungen die Hand auf das struppige braune Haar. „Sie braucht dich."
Die Siedler gingen einer nach dem anderen an Bord des Schiffes. Sie hatten wochenlang auf dem Mond festgesessen, zusammengepfercht in dunklen, feuchten Gefängniszellen, ohne Hoffnung auf ein Entkommen. Es schien, als glaube in Wirklichkeit niemand, dass man ihnen ein Schiff gegeben hatte - eine Fluchtmöglichkeit. Doch ganz gleich, ob sie weinten oder lachten, alle gingen an Bord.
„Das müssten die Letzten sein", stellte Leia fest.
Die Wachen schienen einander mit ihrer Verwirrung anzustecken. Nun, da Soresh nicht mehr da war, um ihnen Befehle zu erteilen, konnte man sie leicht aus ihrer Lethargie reißen. Leia und Ferus hatten sie zusammen mit den ersten Wachen, die Luke befreit hatte, zu einem separaten Schiff gebracht. Der Mond war gänzlich evakuiert, und die Sonne würde in achtunddreißig Minuten explodieren - damit blieb ihnen genügend Zeit zur Flucht.
Nach einem Kontrollgang durch die Basis zogen sich Ferus und Leia zum Hangar zurück, in dem das letzte Geiselschiff auf sie wartete.
Es war das erste Mal seit Ferus' Ankunft auf dem Mond, dass sie allein waren. „Ich war sehr erleichtert, Sie in Sicherheit vorzufinden, Prinzessin", sagte Ferus. Leia hatte keine Ahnung, wie erleichtert Ferus in Wirklichkeit war, denn sie wusste nichts von seinem Schwur, sie zu beschützen. Es gab so vieles, das er ihr nicht gesagt hatte - und so viele Lügen, die er ihr erzählt hatte.
„Ich war nicht diejenige, die in echter Gefahr war", sagte Leia, als sie zum Schiff zurückeilten. „Luke hat alles riskiert. Manchmal frage ich mich ..." Sie unterbrach sich.
„Prinzessin?" Ferus war verwundert. Es passte nicht zu ihr, dass sie nicht aussprach, was sie dachte.
„Ich frage mich, was ich an seiner Stelle getan hätte", gab sie zu. „Ob ich stark genug gewesen wäre, Soresh zu widerstehen."
„Natürlich wären Sie das gewesen!", versicherte Ferus ihr. „Prinzessin, Sie sind die stärkste Person, die ich kenne."
Da schüttelte Leia den Kopf. „Aber es ist nicht nur Stärke, habe ich recht? Luke besitzt noch etwas ... Eine Sicherheit, einen festen Glauben an seine Bestimmung. Auch wenn alles andere versagt, dann hat er immer noch ..."
„Die Macht?", fragte Ferus.
Leia lief rot an, und sie konnte nicht anders als lachen. „Ich weiß nicht einmal, warum ich Ihnen das erzähle", sagte sie. „Ich weiß, es ist lächerlich. Luke kann mit seinem Lichtschwert nichts ausrichten, das ich nicht auch mit meinem Blaster könnte. Ich frage mich manchmal nur, wie viel mehr ich für die Rebellion tun könnte, wenn ich seine Begabung hätte. Ich frage mich, ob ich Alderaan ..." Sie schwieg wieder.
Doch Ferus wusste, was sie dachte. „Was Alderaan zugestoßen ist, war nicht Ihre Schuld, Prinzessin. Sie hätten es nicht verhindern können."
„Sie haben recht", stimmte Leia ihm zu und wandte sich ab. „Ich nicht."
Ferus schwieg einen Moment. Er horchte nur auf ihre eigenen Schritte. Dann traf er eine Entscheidung. „Prinzessin, halt!", forderte er sie auf und packte sie am Arm.
„Uns bleibt kaum mehr als eine halbe Stunde", sagte Leia. „Nicht viel Zeit, um hier die Sehenswürdigkeiten zu genießen."
„Nur einen kurzen Moment", erwiderte Ferus. „Tun Sie einem alten Mann den Gefallen!"
Sie sah ihn voller Ungeduld an. „Also gut. Was ist?"
Es raubte Ferus jedes Mal erneut den Atem, wenn er sie ansah. Sie war eine solch entschlossene, mutige Frau geworden. Und doch erkannte er immer noch das neugierige Kleinkind, das selbstbewusste Mädchen, den rebellischen Teenager - er sah ihr ganzes Leben vor sich. Und ihm wurde klar, dass alles auf diesen Moment hingeführt hatte. Sie war bereit.
Sie war bereit, die Wahrheit zu erfahren. Zu erfahren, was ihre Bestimmung war.
Er würde nicht länger zulassen, dass sie in Unwissenheit lebte. Er würde nicht mehr zulassen, dass sie sich machtlos fühlte - oder noch weniger als das. Er ertrug es nicht mehr, dass sie ständig ihre eigenen Kräfte infrage stellte. Er würde sich ihre Selbstzweifel nicht mehr anhören.
Obi-Wan hatte unermüdlich versucht, ihn davon zu überzeugen, es dabei zu belassen. Luke würde ihr Krieger sein und Leia die Verstärkung, falls irgendetwas schiefgehen sollte. Obi-Wan glaubte, dass Luke der Retter der Galaxis war und dass sich die Geheimhaltung eines Tages auszahlen würde. Doch Obi-Wan glaubte ebenfalls an Ferus' Instinkt und dass er darauf hören sollte.
Und Ferus' Instinkt sagte ihm, dass Luke und Leia zusammen stärker waren. Dass die Macht in ihr lebte und dass sie es verdiente, darüber Bescheid zu wissen, sich selbst zu kennen - und ihren Bruder.
„Es gibt da etwas, das ich Ihnen verschwiegen habe", sagte er mit dem vollen Bewusstsein, dass nach diesem Augenblick nichts mehr so sein würde wie zuvor. „ Etwas, das Sie wissen müssen."
„Und das wäre?", fragte sie ungeduldig. „Wir müssen hier verschwinden."
„ Leia, ich ..." Plötzlich blieb ihm der Atem weg. Es war, als lägen stählerne Klammern um seine Brust. Ein Vorhang der Dunkelheit senkte sich über sein Blickfeld. Es fühlte sich an, als hätte sich die Luft in Gift verwandelt und als würde jeder Atemzug ihn dem Tod näher bringen.
Und dann, als er mit der Macht hinausgriff, hörte er das Atmen. Schwerfällig und gleichmäßig. Jeder keuchende Atemzug bedeutete den Tod.
Vader war hier.
Und er befand sich ganz in der Nähe.
„Ich habe etwas gehört", sagte er schnell. „Hinten in der Basis. Im unteren Bereich." Sie standen im Eingang zum Hangar. „Es klang wie ein Hilfeschrei. Das könnten noch mehr Gefangene sein."
„Ich höre nichts", antwortete Leia. „Und die Zeit läuft uns davon. Sind Sie sicher?"
„Ich bin mir sicher", sagte Ferus drängend. Er musste sie hier weglocken, bevor Vader so nahe kam, dass er ihre Gegenwart spürte. Sie hatten sich schon einmal gegenübergestanden, und Ferus war immer noch unklar, warum Vader nicht schon damals die Wahrheit herausgefunden hatte. Auf keinen Fall würde er ihm eine zweite Chance gewähren. Fand der Dunkle Lord jemals heraus, wer Leia in Wirklichkeit war, würde er sie mit Sicherheit gefangen nehmen - oder gar töten.
„Dann müssen wir wieder hineingehen und ihnen helfen", sagte Leia.
„Nein, ich gehe allein", antwortete Ferus. Er hätte alles getan, um Vader aufzuhalten und damit Leia einen Vorsprung zu verschaffen. Nur so konnte er sicherstellen, dass sie überlebte.
„Ich lasse Sie nicht allein gehen!", sagte Leia widerspenstig.
Sie hatten wirklich keine Zeit für Diskussionen. „Leia, bitte", sagte Ferus. „Ich habe Ihrem Vater versprochen, Sie zu beschützen. Bitte, hindern Sie mich nicht daran, dass ich dieses Versprechen halten kann! Wenn da unten noch jemand ist, dann helfe ich ihm. Ich werde es schaffen. Bitte, gehen Sie!"
Er spürte, dass sich alles in ihr sträubte. Vielleicht bemerkte sie seine Verzweiflung.
Denn sie sagte plötzlich: „Also gut. Aber wenn Ihr Schiff in zehn Minuten nicht startet, komme ich Sie holen."
Ferus nahm ihre Hände und drückte einmal fest zu. In der kurzen Zeit, die ihnen blieb, war kein anderer Abschied möglich. Hätte sie seinen Plan gekannt, hätte sie ihn niemals ziehen lassen.
Leia ging an Bord des Frachters, während Ferus ins Innere der Basis zurücklief. Zurück zu Vader. Er musste nicht weit gehen. Nach zwei Biegungen wurde der Gestank des Bösen unerträglich. Die von Dunkelheit geschwängerte Luft. Und dann sah er ihn, kurz vor der nächsten Biegung. Darth Vader. Der Dunkle Lord stand mitten im Gang, als wartete er auf etwas. Als wisse er genau, wer da kommen würde.
Ferus erstarrte am anderen Ende des Korridors. Seine Beine verweigerten ihm jeden weiteren Schritt.
„Ich hatte gehofft, dass du tot bist", sagte Darth Vader in seinem tiefen Bariton.
„Tut mir leid, ich muss dich enttäuschen." Wut kochte in Ferus hoch. Seit dem Tag vor vielen Jahren, als die Sith ihn einfach dem Tod überlassen hatten, hatte er Vader nicht mehr gegenübergestanden. Damals, als es Ferus nicht gelungen war, Roans Tod zu rächen. Vader war am Leben geblieben und hatte noch so viele Wesen getötet. Ferus' Versagen hatte es Vader ermöglicht, Obi-Wan niederzustrecken. Der Dunkle Lord hatte fast jedes Wesen, mit dem er in Kontakt kam, umgebracht. Und nun, da Ferus vor Vader stand, begriff er die wahre Naturseines Hasses.
Er hatte sich eingeredet, dass er Vader nur aufhalten wollte, um Leia einen Vorsprung zu verschaffen. Doch das war nur die halbe Wahrheit.
Er versprach sich eine neue Chance, den Dunklen Lord zu töten. Er wollte neben Vaders gefallenem Körper stehen und ihn sterben sehen.
„ Ich könnte dich einfach an Ort und Stelle töten ", sagte Vader. „Ich könnte dich mit einem einzigen Gedanken töten."
„Das wäre vielleicht einfacher", antwortete Ferus unbeschwert. Er wusste, dass er seinen Hass überwinden musste, wenn er diese Begegnung überleben wollte. Er konnte Vader nicht besiegen, wenn er der Dunkelheit seine eigene Dunkelheit entgegensetzte. Seine Wut würde seine Verbindung mit der Macht trüben. Er musste einen klaren Kopf behalten. „Und du warst ja schon immer derjenige, der den einfachen Weg gewählt hat, Ana- kin."
„Anakin ist tot", sagte Vader knapp.
„Das hast du mir schon einmal gesagt", erwiderte Ferus. „Du hast ihn umgebracht. Genau wie du Obi-Wan getötet hast. Und Padme." Er beobachtete Vader aufmerksam in der Hoffnung, ein Zucken oder sonst irgendein Anzeichen dafür zu entdecken, dass Padmes Name irgendetwas auslöste. Wenn Anakin wirklich tot war, dann hatte Ferus nicht die geringste Chance. Vielleicht hatte dann niemand mehr eine Chance. „Alles und jeden auslöschen, der an dein früheres Selbst erinnert, war das nicht dein Plan? Jede Erinnerung an das, was du getan hast und wie sehr es schmerzt."
„Du weißt nichts über Schmerz", sagte Vader. Dann hob er sein Lichtschwert und zündete es. Der rote Strahl leuchtete in der Dunkelheit. „Aber es wird mir Vergnügen bereiten, dir etwas darüber beizubringen."