Was uns die Augen verraten
In meinen Vorträgen führe ich gelegentlich folgendes Experiment durch: Ein Zuschauer wählt aus drei verschiedenen und in einfachen und wenigen Worten gehaltenen Geschichten eine aus, jedoch so, dass ich nicht weiß, um welche es sich handelt. Ich bitte ihn dann, die Geschichte zu lesen und sich einzuprägen. Nun fordere ich den Zuschauer auf, sich an die soeben gelesene Geschichte zu erinnern. Dabei muss er sich voll und ganz auf den Inhalt des Gelesenen konzentrieren. Nach kurzer Zeit beschreibe ich dem Zuschauer, welche Geschichte er gewählt hat. Ein Zaubertrick? Hokuspokus? Übersinnliche Fähigkeiten? Keinesfalls, lediglich gute Beobachtung.
Die Geschichten sind vom Inhalt her grundverschieden. Jedoch ist jede in ihren Worten auf nur einen der drei primären Sinneskanäle ausgerichtet. So ist in der einen Geschichte etwas über den Eifelturm zu lesen. In der zweiten geht es darum, das Lieblingslied im Radio zu hören. In der dritten wird ein Erlebnis vermittelt und die damit verbundenen Gefühle.
Um nun herauszufinden, an welche Geschichte der Zuschauer gedacht hat, muss man ihn nur bitten, sich an das Gelesene zu erinnern, und seine Augen beobachten. Diese geben einen Hinweis, was der Zuschauer wahrnimmt.
Bei visuellen
Eindrücken bewegen sich die Augen im oberen Bereich. Erinnert sich
das Gegenüber an Bilder, die es real gesehen hat, so wandern seine
Augen in der Betrachterperspektive nach oben rechts. Beginnt man
aber, Bilder zu konstruieren, dann bewegen sich die Augen nach oben
links. Blickt das Gegenüber ins Leere oder starrt geradeaus, so ist
dies ein Hinweis darauf, dass er innerlich einen Film ablaufen
lässt. Manche Menschen schließen sogar die Augen, wenn sie sich
etwas vorstellen.
Wenn sich die Augen im
mittleren Bereich bewegen, erfolgt die Wahrnehmung auditiv. Wandern
die Augen des Gegenübers nach rechts, ruft es Töne und Geräusche
aus seiner Erinnerung ab. Nach links gerichtete Augen bedeuten,
dass Töne und Geräusche innerlich konstruiert werden. Anders
bewegen sich die Augen, wenn man mit sich selbst spricht. Dann
wandern die Augen nach unten rechts.
Blicken die Augen kurz
nach links unten, so spielen Gefühle eine Rolle. Eine solche
Blickrichtung bedeutet, dass Gefühle abgerufen und ausgelöst
werden.
Diese Augenbewegungen
geschehen unbewusst und sind meist nur für einen kurzen Moment gut
zu erkennen.
Diese Übersicht hilft dabei, die Wahrnehmung des Gegenübers zu deuten. Bei manchen Menschen sind die Zugangshinweise seitenverkehrt. Das lässt sich leicht herausfinden, indem man zum Beispiel nach einer visuellen Erinnerung fragt, wie zum Beispiel nach der Farbe seines Autos. Wird der Blick dabei nach links oben gerichtet, so sind die Zugangshinweise wahrscheinlich seitenverkehrt.
Wozu sind diese Informationen überhaupt nötig? Es erleichtert die Kommunikation, wenn man weiß, über welchen Kanal oder mit welchen Beispielen man sein Gegenüber erreicht. Dadurch wird Übereinstimmung erzielt. Man erkennt auf diese Weise, wie der Gesprächspartner tickt, und kann sich so in seiner Gedankenwelt bewegen.
An den Augenzugangshinweisen lässt sich beobachten, ob der Gesprächspartner den eigenen Worten folgen kann. Wenn man ihn zum Beispiel auffordert, sich etwas bildhaft vorzustellen, und er blickt dann nach unten, so muss man den Zugang wechseln, um ihn zu erreichen.
Die Zugangshinweise über die Augen ermöglichen aber auch, die Gedanken des Gesprächspartners direkt auszusprechen. Beobachtet man z. B., dass er gerade nach oben blickt, dann kann man sagen: »Vermutlich können Sie sich das schon vorstellen.«