Chinesische Arzneikräutertherapie
Besucht man in China ein Krankenhaus für Chinesische Medizin, so fällt einem die große Apotheke für chinesische Arzneikräuter auf. Vor mehreren Ausgabestellen stehen viele Patienten und warten, dass man ihnen die Kräuter nach individuellen Rezepten abwiegt und in Tagesportionen zusammenstellt.
Tatsächlich behandelt man in China schon immer viel mehr Patienten mit »Phytotherapie« als mit Akupunktur. Nicht weil die Phytotherapie viel wichtiger als die Akupunktur sei, wie manche behaupten, sondern vor allem wegen der leichteren Anwendbarkeit. So ist es wesentlich einfacher, einem Patienten, der von weither angereist ist, eine Arzneirezeptur für mehrere Wochen zu verschreiben, als ihn zweimal pro Woche zur Akupunktur einzubestellen. In Deutschland gewinnt die chinesische Phytotherapie ebenfalls an Popularität. Von den beschriebenen rund mehreren tausend pflanzlichen, tierischen und mineralischen Stoffen sind nur rund 500 wirklich wichtig für die Therapie. Tierische Stoffe spielen in Deutschland praktisch keine Rolle.
Auch in Deutschland sind chinesische Heilkräuter auf dem Vormarsch.
Tipp
Auf hochwertige Qualität achten
Wenn Ihr Arzt Ihnen eine Heilkräuterrezeptur verschreibt, achten Sie auf die garantierte Qualität der Substanzen. Keinesfalls dürfen die chinesischen Arzneikräuter mit Pestiziden und Insekten verunreinigt sein. Am besten beziehen Sie die von Ihnen benötigten Substanzen aus einer hierin erfahrenen Apotheke.
Wenn Sie Mischungen aus getrockneten Heilkräutern einsetzen, müssen Sie den Heilkräutertee selbst kochen, dafür ist die Wirksamkeit aber sehr hoch. Es gibt auch Fertigarzneipräparate, die Sie als Kapseln oder Tabletten einnehmen sowie gefriergetrocknete Mischungen, die Sie wie einen Instanttee aufgießen können.
Aus chinesischer Sicht eignet sich die Phytotherapie besonders zur Behandlung von Mangelzuständen des Yin, Yang, Qi oder Bluts, wie diese vorwiegend bei chronischen Erkrankungen zu finden sind. Hierzu zählen insbesondere: entzündliche Darmerkrankungen, chronische Infektanfälligkeit, Bronchitis, Neurodermitis, chronische Blasenentzündungen, Regelschmerzen, chronisches Müdigkeitssyndrom, bei Erkrankungen des Bewegungsapparats, vor allem chronisch degenerative und entzündliche Schultererkrankungen und chronische Kreuzschmerzen sowie verschiedene Sehnenerkrankungen.
Prinzip der Phytotherapie
Ähnlich wie in der chinesischen Diätetik sind für die Wirkung des Heilkrauts seine energetische Temperatur, sein Geschmack und seine Wirkung auf bestimmte Meridiane und Organe bedeutend. Bittere Kräuter wirken austrocknend und lenken die Energien in den unteren Teil des Körpers, der saure Geschmack wirkt zusammenziehend und konzentrierend, süße Kräuter entspannen und befeuchten den Körper und stärken das Qi, der scharfe Geschmack leitet die Energien nach oben und an die Oberfläche, salzige Kräuter hingegen leiten die Energien nach unten und wirken aufweichend.
Alle Heilkräuter müssen sorgfältig ausgewählt werden.
So bereiten Sie fachgerecht einen Dekokt zu
Um einen chinesischen Arzneikräutertee, den Dekokt, zu kochen, weichen Sie die Kräutermischung etwa 15 Minuten ein. Dann die Arzneikräuter in ¾ Liter Wasser mit gekipptem Deckel zum Kochen bringen und bei niedriger Hitze 30 Minuten köcheln lassen. Anschließend abseihen, den Sud beiseite stellen. Werfen Sie die Kräuter nicht weg, sondern verwenden Sie diese für einen zweiten Kochvorgang. Dazu die Kräuter in ½ Liter Wasser in gleicher Weise 30 Minuten köcheln lassen. Mischen Sie den Sud aus dem ersten und zweiten Abkochvorgang und bewahren Sie ihn in einer Thermoskanne oder Glasflasche im Kühlschrank auf.
Trinken Sie jeweils die Hälfte des Kräutertees einmal vormittags und einmal nachmittags.
Zum Kochen verwenden Sie am besten Edelstahltöpfe, Ton- oder Keramiktöpfe, Glaswaren oder rostfreie Stahltöpfe. Keine Eisen- und Aluminiumtöpfe!
Phytotherapierezepte
Um ein chinesisches Phytotherapierezept zu erstellen, muss Ihr Arzt absolut sicher in der chinesischen Syndromdiagnostik sein. In den Grundzügen besteht das Rezept aus 4 Teilen:
- Jun-(Kaiser-)Kraut – das wesentliche Kraut mit dem größten Wirkungsanteil
- Chen (Minister) – eine das Jun-Kraut unterstützende und eventuelle Nebenwirkungen dämpfende Substanz
- Zuo (Assistent) – verstärkt die Wirkung von Jun und Chen
- Shi (Übermittler) – harmonisiert die Wirkung der vorgenannten Kräuter und fokussiert sie auf einen bestimmten Meridian oder ein Organ
Berühmte chinesische Rezepturen
- Acht Schätze Dekokt (Ba Zhen Tang) – stärkt das Milz-Qi und das Blut. Diese Rezeptur eignet sich für Patienten, die etwas müde, appetitlos sind, eventuell weichen Stuhlgang haben und eine fahlblasse Haut zeigen. Häufig sind die Nägel weich, Arme und Beine schlafen immer mal wieder ein.
- Jade-Windschutz-Pulver (Yu Pingg Feng San) – stärkt die Abwehrenergie des Menschen (wie Qi) und wird in erster Linie bei Erkältungsanfälligkeit und »Windzugempfindlichkeit« und Allergien gegeben.
- Vier Gentlemen Dekokt (Si Jun Zi Tang) – stärkt Milz und Magen, stärkt die Mitte des Menschen und ist die grundlegende Rezeptur, um die Lebensenergie Qi des Menschen aufzubauen.
- Pulver der heiteren Ungebundenheit (Jia Wei Xiao Yao San) – beruhigt die Leber und harmonisiert die Milz. Gegeben wird es bei Reizbarkeit, geröteten Augen, verspannter Muskulatur und Regelschmerzen, Appetit- und Verdauungsstörungen. In den USA heißt diese Rezeptur »The Free and Easy Wanderer« und ist der Bestseller unter allen Phytotherapierezepturen.
- Rehmannia sechs (Liu Wei Di Huang Wan) – grundlegendes Rezept zur Behandlung eines Nieren- und Leber-Yin-Mangels. Hier kann man erfahrungsgemäß an Nachtschweiß, warmen Händen und Füßen, trockenen Augen, Knochenschmerzen, unregelmäßiger Menstruation und trockener Haut leiden. Ein übersteigertes sexuelles Verlangen kann die Symptome begleiten.
- Rehmannia acht (Jin Gui Shen Qi Wan) – grundlegendes Rezept zur Behandlung einer Nieren-Yang-Schwäche. Hier leidet man an kalten Füßen, Rückenschmerzen, allgemeiner Kälteempfindlichkeit und Wasseransammlungen im Bereich der Füße.