Tao – Lebensenergie Qi – Yin und Yang
Vor rund 2000 Jahren begründete sich der Taoismus, eine Naturphilosophie, mit der die Chinesen die Gesetze der Natur, ihre allgemein gültigen Muster, beschreiben. Von den Jahreszeiten über die Entwicklungsstufen des Menschen bis hin zu seinen Organen und seiner Psyche und letztlich auch das Auftreten von Krankheiten – alles folgt diesen Gesetzmäßigkeiten, den Gesetzen von Tao, Qi, Yin und Yang. Sie bilden die Grundpfeiler der Chinesischen Medizin, und man muss sie genau kennen, um die Chinesische Medizin verstehen zu können.
Das Tao
Anders als die westliche Medizin, deren grundlegende Wissenschaft das genaue Studium des Aufbaus der Organe (Anatomie) ist, wurzelt die Chinesische Medizin in den naturphilosophischen Anschauungen des Taoismus.
Der Taoismus entstand am Ende der Zhou-Dynastie (etwa 500 v. Chr.). Der Kern der taoistischen Naturphilosophie besteht in der Auffassung, dass die gesamte durch unsere Sinne wahrnehmbare Welt, so dingfest-materiell sie auch scheinen mag, nicht durch Konstanz, sondern durch ständigen zyklischen Wandel geprägt ist. Die Taoisten beobachteten sehr genau die Veränderungen der Natur im Lauf der Jahreszeiten und den Einfluss dieser Veränderungen auf den in der Natur lebenden Menschen. Sie bemerkten, wie sich Landschaft, Klima und Nahrung auf den Menschen auswirken und wie die Dinge, mit denen er sich in seiner Behausung täglich umgab, ihn beeinflussten. Im genauen Studium der wechselseitigen, sich stetig verändernden Abhängigkeiten von Mensch und Natur liegt der Ausgangspunkt für den Erfahrungsreichtum der traditionellen chinesischen Heilkunde.
Hinter der scheinbaren Welt des steten Wandels stand für die Taoisten eine letzte Realität: das Tao, das »Alleine«, dessen »Zentrum überall und dessen Peripherie nirgends ist«.
Eine genaue Beschreibung des Tao vermieden die Taoisten; die Bedeutung des Wortes war für sie nicht direkt aussprechbar und definierbar. So bedienten sie sich paradoxer Beschreibungen und Sinngedichte, wie man sie gesammelt in dem Buch Tao te King findet:
Das Tao, das begriffen werden kann, ist nicht das Tao des Unbegreiflichen. Der Name, der gesagt werden kann, ist nicht der Name des Namenlosen. Das Tao währt ewig.
Es ist die Mutter alles Todlosen … Das Tao ist Bewegung in sich selbst. Seine Bewegung ruht in sich selbst.
Das Qi
Eng verwandt mit dem Tao ist das Qi, die Lebensenergie. Das traditionelle chinesische Verständnis der Lebensenergie geht über das westliche, rein physikalische Konzept der Energie weit hinaus:
Man versteht in der Traditionellen Chinesischen Medizin unter Lebensenergie diejenige Energie, die alles Lebendige bedingt.
Qi bewegt die Lebewesen wie der Wind das Wasser, sie erzeugt die Körperwärme und die psychischen Aktivitäten und ermöglicht, Nahrung aufzunehmen und diese in Blut und andere Körpersäfte umzuwandeln. Das Qi bestimmt die Haltung und die Bewegung eines Menschen, seine Stimme, seine Sprache, es spiegelt sich im Glanz seiner Augen (hier wird es Shen genannt). Entweicht das Qi, so stirbt der Mensch.
Qi beschreibt die Lebensenergie. Es ist ein Prinzip. In der Biologie gibt es den Instinkt, in der Physik die Schwerkraft. Qi, Schwerkraft, Instinkt erkennt man an ihren Wirkungen, man kann sie nicht im Reagenzglas einfangen und unter dem Mikroskop beobachten. Manchen Medizinern macht das immer noch mehr Schwierigkeiten als den Biologen oder Physikern.
In allen Lebewesen, auch in Pflanzen, fließt die Lebensenergie „Qi“.
Yin und Yang
Hinter dem zyklischen Wandel und den verflochtenen Beziehungen der Welt stand das Tao, hinter den Lebensäußerungen alles Lebendigen die Lebensenergie Qi. Eine dritte grundlegende Erkenntnis der Chinesen war, dass in der wahrnehmbaren Welt nichts entstehen kann, ohne dass nicht auch gleichzeitig sein polares Gegenteil existiert.
Das universale Weltgesetz der Polarität nannten die Chinesen das Gesetz von Yin und Yang. Ursprünglich bedeutete Yin die Schattenseite und Yang die Sonnenseite eines Berghangs.
Yin symbolisierte also das Dunkle, Kühle, Yang eher das Warme, Helle. Wie das Kühle der Ruhe, der Besonnenheit, dem Festen entspricht, so entspricht Yin allem, was Struktur formt. So wie Wärme der Bewegung, dem Geist oder dem Geistesblitz, dem kreativ Möglichen entspricht, so entspricht Yang allem, was Struktur verändert. Yin und Yang sind also Symbole für einander entgegengesetzte Prinzipien. Normalerweise befinden sich Yin und Yang in einem regelmäßigen Wechsel: Auf Ruhe folgt Bewegung, auf Nahrungsaufnahme die Nahrungsausscheidung, auf Einatmen folgt Ausatmen. Nimmt einer der beiden Faktoren durch äußere Einflüsse erheblich zu, so wächst auch der andere, und beide stabilisieren sich wieder: Einer längeren Hitzeperiode (Yang) folgt in der Natur der Regen (Yin), und die Ruhe vor dem Sturm (Yin) weist auf das drohende Unwetter hin (Yang). Oder der Mensch, der seinen Körper der Sonne aussetzt (Yang), beginnt zu schwitzen (Yin).
Sonne und Winter, das Yang und Yin der Jahreszeiten.
Yin und Yang bezeichnen keine absoluten Zustände und können nicht unabhängig voneinander definiert werden. So ist das Wasser im Verhältnis zum Feuer zum Beispiel Yin; aber das Wasser im Verhältnis zum Eis, dem Gefrorenen und Harten, ist das flüssig bewegliche und wärmere Yang. Die einzelnen Zuordnungen zu Yin und Yang lassen sich nicht nach logischen Regeln vollziehen, doch ist die Bedeutung von Yin und Yang umso mehr der unmittelbaren Erfahrung, dem intuitiven Verständnis, zugänglich.
Yin- und Yang-Entsprechungen
Yin |
Yang |
Erde |
Himmel |
Mond |
Sonne |
unten |
oben |
Nacht |
Tag |
dunkel |
hell |
kalt |
warm |
feucht |
trocken |
innen |
außen |
weiblich |
männlich |
Reaktion |
Aktion |