KAPITEL 18

In Jagrs Armen auf dem Bett liegend, schwebte Regan glückselig auf Wolke sieben.

Sie war verschwitzt und bebte immer noch vor Wonne.

Das war …

Sie fand nicht die richtigen Worte, um zu beschreiben, was gerade zwischen ihr und Jagr passiert war. Wild, zweifellos. Überwältigend. Erschütternd.

Und wahnsinnig wundervoll.

Mit einem reuevollen Lächeln sah sie sich im Zimmer um. Nach ihrer letzten Runde Sex war nicht mehr vieles übrig, was zerstört werden konnte, aber was übrig geblieben war, lag nun auf dem Teppich verstreut.

»Ich hoffe ernsthaft, dass dein Geschmack in deinem Versteck eher in Richtung Tupperware geht als in Richtung Tiffany, Meister«, murmelte sie, nicht imstande, ihre Finger davon abzuhalten, die Narben nachzuzeichnen, die über seinen ganzen Bauch verliefen. »Eine wilde Nacht könnte ziemlich kostspielig werden.«

Er veränderte seine Position, um ihr einen kurzen Kuss zu rauben, der ihr Herz heftig zum Pochen brachte. »Da du der einzige Auslöser für meine zerstörerischeren Tendenzen zu sein scheinst, werde ich darauf achten, das Porzellan wegzuschließen, wenn du mich besuchst.«

Seine Stimme war sanft, aber Regan verkrampfte sich sofort. Sie konnte bei seinem besitzergreifenden Tonfall einfach ihren instinktiven Rückzug nicht unterdrücken. Im Eifer des Gefechts hatte sie es geschafft, seine nervenzermürbende Bemerkung zu verdrängen, dass sie seine Gefährtin wäre. Verdammt, genau in diesem Moment wäre sie imstande gewesen, eine drohende Apokalypse zu verdrängen.

Jetzt erkannte sie, dass ihr diese Vorstellung das Atmen erschwerte. So, als ob sie erstickte.

»Nimmst du etwa an, dass ich dich in seinem Versteck besuche? «, versuchte sie ihn aufzuziehen und war nicht sonderlich überrascht, als seine Augen sich verengten. Er konnte ihre Gefühle viel zu gut wahrnehmen, um ihr Unbehagen nicht zu spüren.

»Ich halte dich nackt in meinen Armen, nachdem wir den intensivsten Orgasmus genossen haben, den wir beide je erlebt haben.« Er hielt ihren wachsamen Blick mit den Augen fest. »Was sollte ich sonst annehmen?«

Sie lächelte schwach. »Wer weiß, was die Zukunft bereithält? «

Er lächelte hingegen nicht. Tatsächlich hatte sein Gesicht einen geradezu grimmigen Ausdruck angenommen.

»Ja, wer weiß.«

»Wir sollten uns anziehen. Ich habe Styx versprochen, dass ich …« Sie presste ihre Hände gegen seinen Brustkorb und bemühte sich, sich von seinem harten Körper abzustoßen. Stattdessen rollte sich der riesige Vampir unvermittelt auf sie. »Jagr.«

Seine Augen schimmerten vor unterdrückter Verärgerung in der tiefen Dunkelheit. »Weshalb?«

Sein Körper, der sie intim in die Matratze drückte, war keine Hilfe gegen ihre Atemprobleme.

Sie wollte nicht über Gefährtinnen, gefühlsmäßige Verwicklungen oder die Angst davor nachdenken, ihm etwas anzubieten, von dem sie nicht einmal wusste, ob sie es überhaupt besaß.

Sie wollte nur ihre Beine spreizen und sich von ihren puren, unkomplizierten Gefühlen mitreißen lassen.

Das war so viel einfacher.

Leider schien Jagr eher darauf versessen zu sein, ihr eine unwillkommene Diskussion aufzuzwingen, als ihre kurze gemeinsame Zeit zu genießen.

»Was ist?«, zwang sie sich schließlich zu fragen.

»Weshalb kamst du heute Nacht hierher, so entschlossen, mich zu verführen?«

»Ich dachte, das war offensichtlich.«

»Kannst du es mir bitte erklären?«

Sie unterdrückte einen resignierten Seufzer. »Ich wollte dich. Du hast gesagt, du wolltest mich. Zugegeben, ich habe die meiste Zeit meines Lebens in einem Käfig verbracht, aber bin davon ausgegangen, das wäre der angemessene Grund für zwei Leute, Sex zu haben. Stimmt das etwa nicht?«

»Ja, ich wollte dich, ich will dich noch immer, aber nicht aus einem verdrehten Gefühl des Mitleids heraus.«

Mitleid? Sie zog die Brauen zusammen. »Worüber redest du, verdammt noch mal?«

Sein Kiefer war angespannt, als er sie wütend anfunkelte. »Du wolltest nicht, dass ich mich selbst dafür bestrafte, dich verletzt zu haben, also kamst du zu mir, entschlossen, alles Notwendige zu tun, um mich davon abzulenken.«

Es dauerte einen Moment, bis sie seine Worte verstanden hatte, aber als es so weit war, bekam sie sofort einen Wutausbruch.

»Du denkst, das war ein Mitleidsfick?«, stieß sie wütend hervor.

Er zuckte unter ihren unverblümten Worten zusammen. »Bitte nicht.«

»Was denn? Du bist doch derjenige, der andeutet, dass ich willens bin, meinen Körper gegen etwas Trost zu tauschen. Wirklich nett.«

»Weshalb hast du es dann getan?«

»Muss es dafür einen Grund geben?«

»Nein, es könnte genauso sein, wie du gesagt hast …« Er machte ganz bewusst eine Pause, dann rollte er sich mit einer übertriebenen Bewegung von ihr herunter und stellte sich neben das Bett. »Eine geistlose Kopulation, um ein körperliches Bedürfnis zu stillen. Vielleicht sollte ich dankbar sein, dass du nicht zu dem Entschluss kamest,Tane sei dafür geeignet.«

Regan glitt eilig von der Matratze, zog mit ruckartigen Bewegungen ihre Kleider an und beobachtete Jagr heimlich, als er das Gleiche tat. Ihr Magen machte einen merkwürdigen Satz, als Jagr die stonewashed Jeans über die kraftvollen Muskeln an seinen Schenkeln und seinen Po gleiten ließ. Heilige Scheiße. Sie wünschte sich, Stunden damit zu verbringen, diese harten Kanten und Flächen zu erforschen.

Nein, hör auf damit, Regan.

Jagr mochte absolut zum Anbeißen sein, aber er würde sie noch ins Irrenhaus bringen.

Stirnrunzelnd sah sie zu, wie Jagr ein schwarzes T-Shirt überstreifte, das sich an seinen perfekten Brustkorb schmiegte, und sich nach unten beugte, um ein Paar schwere schwarze Stiefel anzuziehen. Er beachtete sie immer noch nicht, als er seine Dolche einsammelte und sie effizient an verschiedenen Körperteilen befestigte.

»Verdammt, Jagr!«, knurrte sie.

Er steckte eine Handfeuerwaffe in den Bund seiner Jeans. »Ich denke, wir haben alles gesagt, was gesagt werden muss.«

»Gott, du bist so eine Nervensäge!« Sie warf die Hände in die Luft, stürmte zu ihm und baute sich direkt vor ihm auf. »Schön. Ich bin hergekommen, weil ich mir Sorgen um dich gemacht habe.«

»Also war es tatsächlich Mitleid …«

Sie legte ihm die Hand auf den Mund, bevor er ihr ihre Worte vorhalten konnte.

»Ich bin hergekommen, weil ich mir Sorgen gemacht habe, aber das ist nicht der Grund, warum ich dich verführt habe.«

Er griff nach oben und zog ihre Hand von seinen Lippen, wobei sein Daumen geistesabwesend einen zärtlichen Kreis auf der Innenseite ihres Handgelenks zeichnete.

»Wirst du mir auch sagen, aus welchem Grunde du es tatest? «

»Weil ich bei dir sein wollte«, murmelte sie ungeschickt. Gott. Sie legte doch keine Beichte ab! Das hätte ihr das Gefühl gegeben, eine billige Statistin in einer Seifenoper zu sein. »Du musstest es sein. Nur du. Niemand anders.« Sie schüttelte den Kopf, als er den Mund öffnete. »Frag mich bloß nicht, warum, weil ich das einfach nicht weiß.«

Er beugte den Kopf und ließ seine Lippen über den Puls gleiten, der innen an ihrem Handgelenk hämmerte.

»Wenn du mich brauchst, dann sollte die Vorstellung, mich in meinem Versteck zu besuchen, keine Panik in dir auslösen.«

Wieder erwachte ein Gefühl der Beunruhigung in ihr und sorgte dafür, dass sie sich losriss und einen Schritt nach hinten machte.

»Das wäre auch nicht passiert, wenn du nicht diese ganze Sache mit der Gefährtin erwähnt hättest.«

Er forschte in ihrem angespannten Gesicht. »Befürchtest du, es sei meine Absicht, dich einzuengen?«

»Es ist nur …« Sie umschlang sich selbst mit den Armen, unfähig, die richtigen Worte zu finden, um ihrem Unbehagen Ausdruck zu verleihen. »Bist du sicher?«

»Sicher?«

»Dass ich deine Gefährtin bin?«

»Du trägst noch nicht mein Mal, aber ja, ich bin mir sicher.«

Sie schüttelte den Kopf und sagte sich selbst, dass all das ein kosmischer Fehler sein musste. Dieses große, schöne, unglaublich erotische Raubtier verdiente eine Gefährtin, die ihm ungetrübte, rückhaltlose Hingabe bieten konnte. Keine verkorkste Werwölfin, die hin und her gerissen war zwischen Flucht in äußerstem Entsetzen und der atemlosen Angst, ihn nie wiederzusehen.

»Wie kann das überhaupt möglich sein? Ich meine, wir haben nichts anderes gemacht, als zu streiten, seit wir uns getroffen haben.«

»Es ist zweifelsohne einer der kleinen Scherze des Schicksals. «

Albernerweise spürte sie bei seinem spöttischen Ton einen Stich der Enttäuschung.

»Du klingst nicht gerade besonders glücklich.«

»Sollte ich das denn sein?« Er stemmte die Hände in die Hüften. Diese Bewegung sorgte dafür, dass das T-Shirt sich über seiner breiten Brust dehnte. »Nach Jahrhunderten, die ich allein verbrachte, finde ich endlich die Frau, die dazu bestimmt ist, meine Gefährtin zu werden, und dann hat sie Bindungsängste. Vergib mir, wenn ich keine Luftsprünge vor Freude mache.«

Sie reckte das Kinn vor, obwohl ihr Blick weiter nach unten zu dem verführerischen Muskelspiel unter diesem verdammten T-Shirt wanderte.

Sie mochte ja eine Dämonin sein, aber sie war ganz und gar Frau.

Wer wäre da nicht abgelenkt?

»Ich habe keine Bindungsängste, es ist nur …«

Goldene Brauen wölbten sich, als sie nach den richtigen Worten suchte. »Ja?«

»Ich bin einfach noch nicht bereit, an die Zukunft zu denken. «

»Du hast Culligan gefunden.Worüber solltest du sonst nachdenken außer über die Zukunft?«

Sie stürzte sich auf das Erste, was ihr in den Sinn kam. »Erst mal über meine Schwester.«

Er runzelte die Stirn. »Darcy?«

»Nein, die, die von Caine gefangen gehalten wird.« Sie begegnete seinem verärgerten Blick mit einem angespannten Lächeln. »Ich glaube, wir haben vielleicht ein Mittel, um sie aufzuspüren.«

 

Levet war kein glücklicher Gargyle.

Er war nach Hannibal gekommen, um Regan aus den Klauen des bösen Kobolds zu befreien. Er sollte eigentlich der Held sein, der die schöne Maid für sich gewann und überall in der Dämonenwelt gefeiert wurde.

Stattdessen hatte er nicht nur schon wieder das Mädchen an einen verschlagenen Vampir verloren, sondern er saß nun hier fest und spielte Kindermädchen für eine übellaunige Wolfstöle, die sich nicht entscheiden konnte, ob sie zu den Guten oder zu den Bösen gehören wollte.

Wo war da die Gerechtigkeit?

Und als Krönung steckte er in einer beengten Fischerhütte fest, die unter einem Gewirr aus Bäumen beinahe versteckt lag, und wartete darauf, dass Salvatore bei Tagesanbruch erschien.

Gegen einen vereinzelten Stein tretend, folgte Levet dem schmalen Pfad, der am Mississippi entlangführte.

Als Salvatore Duncan befohlen hatte, sich mit ihm an einem privaten Zufluchtsort zu treffen, der weniger als eine Stunde nördlich von St. Louis entfernt war, hatte Levet an der Hoffnung festgehalten, dieser Ort würde Hefners Playboy Mansion ähneln. Salvatore war zwar ein Hund, aber er war der König der Hunde, und Gerüchte besagten, dass er die Damen mochte.

Was für ein dummer Werwolf.

Das Spritzen von Wasser riss Levet aus seinem befriedigenden Anfall von Selbstmitleid. Mutlos wandte er sich dem Fluss zu und beobachtete, wie Bellas Kopf auftauchte, während der Rest ihres Körpers in den trüben Fluten verborgen blieb.

»Soso.« Ein selbstgefälliges Lächeln bildete sich auf ihrem hübschen Gesicht. »Wenn das nicht der verkümmerte Gargyle ist.«

»Sacrebleu.« Levet hob resigniert die Hände. »Werde ich jetzt bis in alle Ewigkeit von dir gequält? Weshalb verschwindest du nicht?«

Der Wassergeist schmollte. Wow. Es gelang ihr, selbst das in vollendeter Schönheit zu tun.

»Bis die Wolfstöle ihren dritten Wunsch ausspricht, bin ich frei und kann umherziehen, wie es mir gefällt.«

»Dann ziehe an einem anderen Ort umher, du lästiger Quälgeist. «

Sie schwamm näher an ihn heran. »Du bist nur deshalb wütend, weil ich es geschafft habe, dich in eine Falle zu locken.«

Levet schnaubte und weigerte sich zuzugeben, dass sein Stolz verletzt war, weil er sich so leicht von dem verführerischen Wassergeist hatte ablenken lassen.

»Ich bin wütend, weil du dafür gesorgt hast, dass mein Kopf schmerzt.« Er kniff die Augen zusammen, als ihm plötzlich ein Gedanke kam. »Warte. Duncan hat Wünsche frei?«

»Er hat mich beschworen«, erklärte sie, offenbar verärgert, dass er eine dermaßen offensichtliche Frage stellte. »So sieht der Handel aus. Wenn man mich beschwört, hat man drei Wünsche frei.«

Natürlich kannte Levet die Grundlagen der Beschwörung eines Wassergeistes. Er hatte das erst vor wenigen Wochen unabsichtlich getan. Sein Interesse galt der Tatsache, ob Duncan irgendein hinterhältiges Spiel trieb oder nicht.

»Weshalb wünschte er sich dann nicht einfach, dass du ihn unempfindlich gegen Verletzungen machst?«, blaffte Levet.

»Ich bin ein Geist, keine Göttin. Ich kann die physische Erscheinung verändern, wie ich es bei dir getan habe, oder materielle Besitztümer hervorzaubern.« Damit erinnerte sie ihn vorsätzlich an seine kurze Zeit als normal großer Gargyle. Einer, der imstande war zu Plünderungen und umfassenden Verwüstungen. Ah, was waren das für schöne Zeiten gewesen! »Aber ich kann niemanden unsterblich machen oder eine andere Person als diejenige, die den Wunsch ausspricht, beeinflussen. «

»Also könnte er seine Feinde nicht wegwünschen?«

»Nein.«

»Oder machen, dass Caine ihn vergisst?«

»Wieder nein.«

»Was hat er sich also gewünscht?«

Sie schnitt eine Grimasse. »Das Übliche.«

Levets kurzes Misstrauen begann sich zu verflüchtigen. »Reichtum?«

»Natürlich. Das ist so langweilig.«

»Was noch?«

»Seine eigene Privatinsel.«

»Weshalb sollte er eine Insel haben wollen?«

»Ich glaube, er hat den grandiosen Plan, das Regiment über die abtrünnigen Wolfstölen zu übernehmen und sein eigenes Rudel zu gründen, sobald Salvatore Caine für ihn getötet hat.«

Levets Flügel peitschten in spöttischer Belustigung. »Was für ein Hornstier.«

»Hornstier?« Bella blinzelte verwirrt. »Ach so … Meinst du Hornochse?«

»Hornstier, Hornochse, was auch immer«, winkte er ab. »Salvatore wird das niemals zulassen, dass die Wolfstölen in irgendeinen Garten Eden flüchten. Sie haben Glück, wenn ihnen nicht das Fell abgezogen wird. Der König der Werwölfe mag ja ein Rassewolf sein, aber er ist so tollwütig wie jeder andere Hund. Er hätte bereits vor Jahren eingeschläfert werden sollen, wenn du mich fragst.«

»Ich sage meinen Opfern nicht …« Hastig versuchte Bella ihren Versprecher zu überspielen. »Ich meine, ich sage meinen vom Glück begünstigten Herren nicht, was sie sich wünschen sollen. Ich gehorche einfach.«

Levet ließ sich nicht täuschen. Als vollblütiger Dämon war er vor dem Fluch des Wassergeistes sicher, aber die meisten Männer, die gierig genug waren, das Angebot der drei Wünsche anzunehmen, lernten sehr bald die Wahrheit in dem alten Sprichwort »Zu schön, um wahr zu sein« kennen.

»Weshalb hat Duncan seinen letzten Wunsch noch nicht ausgesprochen?«

Sie lächelte. »Er ist eine Wolfstöle, kein Dämon.«

Es dauerte einen Augenblick, bis er begriff. Dann riss Levet die Augen auf. »Ah. Sein letzter Wunsch wird ihn wie einen Menschen in die wässerigen Tiefen deines Nestes verdammen?«

»So ein kluger kleiner Gargyle«, murmelte Bella, schwamm auf ihn zu und stieg aus dem Fluss, um sich ihm in ihrer vollen Pracht zu präsentieren.

Und was für eine Pracht das war …

Levets Schwanz wurde steif, als das Mondlicht auf die winzige, perfekt geformte Frau fiel, die nicht mehr trug als eine hauchdünne Toga. Der Geist mochte ja die dümmste, lästigste Kreatur sein, die je seinen Weg gekreuzt hatte, aber mit ihrer weißen Haut, ihren schräg gestellten blauen Augen und ihrem hellgrünen Haar sorgte sie doch dafür, dass alles Mögliche zum Leben erwachte, einen Satz machte und wuchs.

Und wirklich hart wurde.

»Mon Dieu«, stöhnte er vor Schmerz.

Lächelnd stolzierte sie auf ihn zu und ließ ihre Hände an ihren großzügigen Kurven entlang nach unten gleiten. »Gefällt dir, was du siehst?«

Levet murmelte seine Lieblingsflüche. Dieser verdammte Wassergeist hatte ihn schon einmal zum Narren gehalten. Er war erregt (heiliger Fledermausdung, er war spitz wie Nachbars Lumpi), aber er war nicht dumm.

»Ich bin ein Mann – ich genieße ein gutes Angaffen so sehr wie jeder andere –, aber ich bin auch ein Gargyle mit Kräften, die die Dämonenwelt vor Angst erzittern lassen«, erwiderte er. »Meine … männlichen Teile haben nicht die Gewalt über mich.«

»Wie schade.« Sie schloss die kleine Lücke zwischen ihnen, die er durch sein Zurückweichen erzeugt hatte, und hüllte ihn in den Duft von Frühlingsregen ein. »Ich habe so oft an dich gedacht während meiner langen, einsamen Tage unter Wasser.«

»Oui, Gedanken darüber, wie du meine kostbaren Hoden in einen Schraubstock spannst.«

»O nein. Als ich an deine Hoden gedacht habe, waren sie an einer ganz anderen Stelle.«

Sie leckte sich ganz bewusst die Lippen, und Levet verschluckte beinahe seine Zunge.

Er wollte sich von seinen männlichen Teilen beherrschen lassen.

Eigentlich wollte er sie mit seinen männlichen Teilen beherrschen.

Diese ganze Sache mit der Vernunft ging ihm auf die Nerven.

»Bah«, brachte er krächzend hervor. »Denkst du, ich habe vergessen, dass du mich bei der ersten Gelegenheit verraten hast?«

Sie zog erneut ihren reizenden Schmollmund. »Ich gebe zu, ich war ein winziges bisschen ärgerlich, dass du mich wieder in mein Nest verbannt hast, nachdem ich dir geholfen hatte, deine Freunde zu retten. Kannst du es mir verdenken?«

Ein Anflug von Ärger stieg trotz seiner ungeheuren Lust in ihm auf.

»Ja, zum Teufel, ich kann es dir verdenken. Ich wurde von einer Zauberbombe getroffen … die von einer Wolfstöle stammte.« Er schlug sich mit der Faust gegen die Brust. »Ich. Weißt du, welche Erniedrigung ich erleiden muss, wenn meiner Familie diese kleine Blamage zu Ohren kommt?«

»Ach was.Wer sollte es ihnen erzählen?«

»Lass mich nachdenken …« Er deutete mit einer Klaue in ihre Richtung. »Du. Du wirst es ihnen erzählen. Was für eine bessere Rache könnte es geben, als mich bei meinen Brüdern zum Gespött zu machen?«

Sie sah ihn mit einem ausdruckslosen Blick an. »Aber ich dachte, du seiest schon …« Sie schlug sich die Hand vor den Mund. »Hoppla.«

Levet bebte vor Empörung. »Was bin ich schon?«

»Nichts.«

»Oh, es war nicht nichts.« Er drehte seine Hand um, und ein kleiner Feuerball tanzte auf seiner Handfläche. »Vielleicht sollte ich dich einfach in eine Kröte verwandeln. Zumindest werde ich mir dann keine Sorgen mehr um dein loses Mundwerk machen müssen.«

Statt vor Angst zu erzittern, beugte sich die lästige Nervensäge zu ihm, um mit ihren Fingern leicht über seine Flügelspitzen zu streichen.

»Lass uns nichts übereilen, mein winziger Gargyle.«

Ohhhhh. Das fühlte sich gut an. So ungeheuer gut.

»Ich bin nicht winzig«, widersprach er mit angespannter Stimme. »Ich bin auf majestätische Weise zierlich.«

Ihre Finger griffen zu, streichelten und liebkosten.

»Zierlich gefällt mir.«

Er stöhnte gegen seinen Willen. »Hör auf damit.«

»Deine Lippen sagen Nein, aber deine Flügel sagen Ja.«

Levet blickte sich um und bemerkte, dass diese verräterischen Dinger wie ein Neonlicht vor einer billigen Bar glühten.

»Dumme Flügel.«

»Und was ist mit diesen bezaubernden Hörnern?« Ihre Hände glitten nach oben, um mit den verkümmerten Stummeln zu spielen. »Was haben sie zu sagen?«

»Bella …« Sie berührte eine besonders empfindliche Stelle, und seine Knie gaben beinahe nach. Dies war einmal ein Wassergeist, der die Geheimnisse kannte, einen Gargylen zu befriedigen. »Oh. Sacrebleu. Wo hast du das gelernt?«

»Hier und da.« Sie beugte sich nach unten, um an der Spitze eines seiner Hörner zu lecken. »Möchtest du herausfinden, was ich sonst noch gelernt habe?«

Levet verdrehte die Augen und gestand seine Niederlage ein. Nein, er stürzte sich kopfüber in seine Niederlage.

Wenn dies eine Falle war, dann war ihm das vollkommen gleichgültig.

»Ja. Götter, ja …«

 

Die großen Philosophen, Dichter und Dramatiker widmeten ihr ganzes Leben der Enthüllung der Ironien des Lebens.

Jagr hatte sich eingehend mit ihren Werken beschäftigt.

Er hatte auf intellektuelle Weise ihre Schwierigkeiten verstanden, den Sinn in einer manchmal sinnlosen Existenz zu finden.

Jahrhundertelang hatte er sich von der Gesellschaft ferngehalten, sie aus den Schatten heraus beobachtet und kaum jemals mit ihr interagiert. In Frieden und Einsamkeit gehüllt, hatte er oftmals die Darstellung intimer Beziehungen für nicht mehr als melodramatischen Unsinn gehalten.

Wie konnte Liebe, oder auch nur Zuneigung, eine solche Ungewissheit hervorrufen, eine solche Verwirrung, ja, eine ausgesprochene Qual?

Nun begriff er es mit schmerzhafter Klarheit.

Seit Regan in seine Welt gekommen war, hatte sich alles verändert.

Es fühlte sich an, als existiere er inmitten eines Wirbelwindes, dachte er grimmig, als er Tanes Schlafzimmer mit ruckartigen Schritten durchmaß. In dem einen Augenblick ertrank er in sinnlichem Vergnügen, im nächsten kämpfte er gegen die trostlose Flut der Resignation an, wenn Regan bei dem Gedanken, seine Gefährtin zu sein, in Panik geriet.

Und dann wieder …

Dann wieder war er von unbändigem Zorn erfüllt, wenn Regan ihm von ihren dummen Wagnissen erzählte, die sie eingegangen war, während er in Gaynors Gefängnis eingesperrt gewesen war.

»Du hast dich ohne Tane auf die Suche nach Sadie gemacht? «, stieß er hervor. Seine Stimme hatte einen eiskalten Ton angenommen, als er versuchte, seine in ihm tobenden Emotionen in Schach zu halten.

Regan, die neben der Tür zum Badezimmer stand, zerrte unsanft eine Bürste durch ihre herrlichen Locken, das Kinn störrisch vorgeschoben, obgleich sie wissen musste, dass sie im Unrecht war.

»Er war etwas zu leicht entzündlich, um mitzukommen.«

Jagr weigerte sich heftig, sich daran zu erinnern, wie wunderbar es sich angefühlt hatte, seine Finger durch diese goldene Mähne gleiten zu lassen.

»Verdammt, als du sagtest, du habest Culligan gefunden, war mir nicht bewusst, dass du allein durch die Lande gezogen bist.«

In den grünen Augen schimmerte eine Warnung. »Weil eine Rassewölfin nicht selbst auf sich aufpassen kann, ohne dass ein Vampir Bodyguard spielt?«

»Weil es mir den Rest geben würde, wenn dir etwas zustieße«, brachte er die brutale Wahrheit mühsam hervor. »Und dann könnte nichts mich zurückholen.«

Er hörte, wie sie die Luft anhielt. Die Bürste fiel ihr aus den Fingern, während ihr defensiver Gesichtsausdruck weicher wurde.

»Hör mal, alles, was ich vorhatte, war herauszufinden, ob ich die Wolfstölen aufspüren könnte. Ich hatte nicht die Absicht, ihnen ohne Tane und Styx entgegenzutreten.«

Jagr hielt inne. Ganz plötzlich kam ihm die Erkenntnis, dass Regan das gelungen war, was er selbst versucht und nicht geschafft hatte.

»Wie hast du sie aufgespürt?«

Ihre Lippen zuckten angesichts der leisen Spur von Verärgerung, die er nicht unterdrücken konnte.

»Gaynor hat erwähnt, dass Sadie von seinen Erdnussbuttertoffees besessen war. Sobald ich die Fährte aufgenommen hatte, habe ich danach gesucht, bis ich den Duft wiedergefunden habe.«

»Erdnussbuttertoffees?«

»Es hat funktioniert.«

Er murmelte einen uralten Fluch. »Und dort fandest du Culligan?«

»Er war im Schuppen angekettet.« Sie zuckte mit den Schultern, aber diese Geste konnte ihren fortbestehenden Ekel nicht kaschieren. »Als ich ihn befragt habe, habe ich erfahren, dass Gaynors Portal nur schwach war und dass du wahrscheinlich ganz in der Nähe des Ortes, an dem du verschwunden warst, festgehalten wurdest. Ich habe mich dazu entschlossen, ihm sein Amulett wegzunehmen und zu sehen, ob ich dich finden konnte.«

Jagr schluckte seine harten Worte herunter. So zornig er auch sein mochte, er hätte sich lieber die Zunge herausgeschnitten, als Regan unnötigen Kummer zu machen.

»Und Duncan?«, verlangte er stattdessen zu wissen.

»Wir haben uns zufällig getroffen, als ich die Blockhütte verlassen habe.«

Die Vorstellung, dass diese Wolfstöle Regan nicht nur angegriffen, sondern sie tatsächlich sogar gefangen genommen hatte, reichte aus, damit seine Fangzähne sich verlängerten und der Raum sich mit einer eiskalten Machtexplosion füllte.

Es war kein Blutdurst, sondern einfach nur guter, altmodischer Zorn, den jeder Mann verspüren würde, wenn seiner Gefährtin Schaden zugefügt wurde.

»Er hätte dich töten können.«

Mit einem ungeduldigen Zungenschnalzen trat Regan direkt vor ihn.

»Noch ein Wort darüber, dass ich mich selbst in Gefahr gebracht habe, dann ist diese Unterhaltung vorbei, Meister.«

Meister. Absurderweise half ihm dieser Ausdruck dabei, sein Temperament zu zügeln. Er erinnerte ihn daran, dass Regan trotz all ihrer Proteste gefühlsmäßig nicht so distanziert war, wie sie es eigentlich sein wollte.

»Schön«, räumte er widerstrebend ein. Was für einen Sinn hatte es, mit ihr zu streiten? Regan würde das tun, was sie wollte. Prinzipiell.

Und auf eine verdrehte Weise gab es nichts, was er mehr an ihr bewunderte als das.

Das war in der Tat ironisch.

»Außerdem hat sich alles zum Guten gewendet«, hob sie hervor. »Jetzt können wir wenigstens hoffen, dass meine Schwester gerettet werden kann.«

Nun, das entsprach der Wahrheit. Jagr rieb sich mit den Händen das Gesicht. Er fühlte sich erschöpft, obgleich er erst kürzlich das Blut der Wolfstöle getrunken hatte.

Ein kleiner Teil von ihm wünschte sich, es sei ihm gelungen, seine Tasche zu packen und in die Unantastbarkeit seines Verstecks zurückzukehren. Jeder Augenblick, den er in Regans Gesellschaft verbrachte, vertiefte zwangsläufig das Gefühl des Verlustes, das ihm drohte, wenn sie aus seiner Welt verschwand.

Doch sobald der feige Gedanke in seinem Geist aufflackerte, schlug er ihn sich wieder aus dem Kopf.

Solange die schöne Werwölfin ihn brauchte, würde er ihr zur Seite stehen.

Das war zwar erbärmlich, aber wahr.

Jagr schüttelte ruhelos den Kopf und steuerte auf die Tür zu den äußeren Räumlichkeiten zu.

»Wir müssen Styx diese Neuigkeiten mitteilen.«

»Jagr.«

Er hielt an und warf einen Blick über seine Schulter. »Was gibt es?«

Regan leckte sich über die Lippen. Sie fühlte sich seltsam unsicher. So, als ob sie mit einem inneren Dämon kämpfte.

Schließlich schüttelte sie mit einer ruckartigen Bewegung den Kopf.

»Vergiss es.«

Jagr unterdrückte den ungeduldigen Fluch, der ihm auf den Lippen lag. Er mochte nicht der aufmerksamste Vampir sein, den es gab, doch er lernte aus seinen Fehlern. Und der Versuch, Regan zu drängen, würde nur dazu führen, dass sie noch störrischer wurde.

Dieses Wissen trug nicht gerade dazu bei, seine gereizte Stimmung zu heben, als er aus den Gemächern stürmte und sich auf die Suche nach seinem Anasso begab.

Indem er der unverkennbaren Fährte der Macht folgte, durchquerte Jagr die Überwachungsräume und kam zu einer großen Bibliothek, die mit einem Plasmafernsehgerät ausgestattet war. Es war nicht weiter überraschend, dass Styx in ein seltenes Buch über die Hugenotten vertieft war, statt fernzusehen. Der uralte Vampir hatte niemals Jagrs Interesse an der stetig im Wandel begriffenen Gesellschaft besessen, und nur, weil er entschlossen war, seiner neuen Gefährtin eine Freude zu machen, lebte er nicht mehr in einer feuchtkalten Höhle ohne moderne Annehmlichkeiten.

Als Jagr durch die Tür trat, erhob sich Styx. Seine gewölbte Augenbraue zeigte, dass er sich der gemischten Gefühle seines Kameraden bewusst war, obgleich er so klug war, dies nicht zu äußern.

Stattdessen hörte er schweigend zu, als Jagr ihm von Duncans Versuch berichtete, Verhandlungen mit den Rassewölfen zu führen, sowie dem Versprechen der Wolfstöle, den Aufenthaltsort von Regans verschollener Schwester zu enthüllen.

Als er seinen Bericht beendet hatte, zog Styx ein Mobiltelefon aus seiner Tasche und wählte rasch Salvatores Nummer.

Geistesabwesend lauschte Jagr dem kurzen, angespannten Wortwechsel. Sein Körper entflammte vor Begierde, als er spürte, wie Regan den Raum hinter ihm betrat.

Er hielt den Blick geflissentlich auf Styx’ stattliche Gestalt geheftet, als sie neben ihm stehen blieb. Aber das spielte keine Rolle. Sie musste nur in seiner Nähe sein, damit er in ihrer nach Jasmin duftenden Gegenwart ertrank.

Mit einem hörbaren Klicken schloss Styx sein Handy wieder und steckte es in die Tasche seiner Lederhose. Es war wohl keine Überraschung, dass Regan dichter an Jagr herantrat.

Styx war selbst unter den besten Bedingungen überwältigend. Angesichts des finsteren Blicks auf seinem herben Gesicht und seines riesigen Körpers, der vor Ärger angespannt war, wäre wohl jede Kreatur, die nicht gerade hirntot war, wachsam.

Styx, der das Prickeln in der Luft entweder nicht bemerkte oder einfach ignorierte, hob eine Hand, um sein rabenschwarzes Haar zu glätten, das er zu einem Zopf zusammengefasst hatte, der ihm beinahe bis zu den Kniekehlen reichte.

Darcy würde es nie schaffen, diesen stolzen Vampir vollständig in das einundzwanzigste Jahrhundert zu holen.

»Die Zusammenkunft mit Duncan ist für die Morgendämmerung angesetzt«, teilte Styx ihnen mit harter Stimme mit. »Er weigerte sich, den Ort anzugeben.«

»Er weigerte sich?« Jagr schüttelte den Kopf. »Dieser arrogante Hund.«

Styx verzog das Gesicht zu einer Grimasse. »Er erklärte es zu einer Werwolfangelegenheit und teilte mir mit, ich besäße keinerlei Befugnis, mich einzumischen, obzwar Darcy womöglich eine andere Meinung dazu haben wird, wenn ich ihr davon erzähle.«

»Großer Gott, hören Sie wirklich auf die Meinung Ihrer Gefährtin?«, fragte Regan in einem honigsüßen Ton.

Jagr runzelte die Stirn, doch Styx schien den Stich, der auf ihn abzielte, amüsant zu finden. »Glaube mir, dieses Talent ist sauer verdient«, gestand er mit einem leisen Lachen.

Jagrs Stirnrunzeln vertiefte sich, als er seinen König zornig anfunkelte. Verräter.

»Hegt Ihr die Absicht, nach Chicago zurückzukehren?«

Styx schloss für einen kurzen Moment die Augen und witterte. »Es ist zu spät, die Reise heute Nacht noch anzutreten«, schloss er und öffnete die Augen wieder. »Und ich zöge es vor, alles Unerledigte zu erledigen, bevor ich aufbreche.«

Jagr neigte den Kopf. »Da wir gerade von Unerledigtem sprechen – ich muss einen Kobold aufspüren.«

»In nur zwei Stunden graut der Morgen«, warnte ihn Styx.

Jagr klopfte auf einen der zahlreichen Dolche, die an seinem Körper befestigt waren. »Es wird nicht lange dauern.«

»Ich werde Euch Gesellschaft leisten.« Styx trat einen Schritt auf ihn zu. »Sobald der Kobold tot ist, können wir nach der Blockhütte suchen, die Regan gefunden hat. Es wäre möglich, dass die übrigen Wolfstölen dorthin zurückgekehrt sind.«

»Und das bedeutet, dass ihr mich braucht, um die richtige Stelle zu finden«, meinte Regan mit einem selbstgefälligen Lächeln.

»Dazu besteht keinerlei Notwendigkeit. Wir können deiner Spur folgen«, entgegnete Jagr. Er war nicht imstande, die vergeblichen Worte zurückzuhalten, obgleich Regan warnend mit dem Finger auf sein Gesicht deutete.

»Fang gar nicht erst so an. Ich komme mit.«

Die beiden standen da und funkelten sich gegenseitig an, bis Styx einen Schritt vorwärts machte, um Jagr auf den Rücken zu klopfen.

»Ich würde vorschlagen, dass Ihr es gut sein lasst, alter Freund«, riet ihm Styx und verließ das Zimmer.

Jagr gestand weniger seine Niederlage ein, als dass er sich in das Unabänderliche fügte. Regan war eine Naturgewalt, die er nicht kontrollieren konnte.

Schweigend folgte er Styx aus dem Versteck zu dem bereitstehenden Porsche. Es gelang ihm sogar, den Mund zu halten, als Regan auf den Rücksitz kletterte. Er setzte sich auf den Beifahrersitz.

Kaum hatte er die Autotür geschlossen, als Styx bereits den starken Motor aufheulen ließ und durch die leeren Straßen raste. Seine Lippen waren gekräuselt, und Jagr nahm stark an, dass es sich hier um ein amüsiertes Lächeln handelte.

Was zum Teufel war mit der Vampirsolidarität geschehen?

Bastard.

Zumindest war das Auto in der Lage, die Fahrt in einem Tempo zu bewältigen, das knapp unter Lichtgeschwindigkeit lag. Jagr wies Styx den Weg über die Nebenstraßen und hob schließlich eine Hand.

»Halt!« Er deutete auf das verschnörkelte Eckhaus. »Der Teeladen liegt direkt vor uns.«

Der Porsche hielt an, und sie stiegen aus und standen in den Schatten eines Hartriegelbaumes.

Eines Baumes, der im Augenblick mit einem vertrauten, wenn auch ziemlich mitgenommenen Lieferwagen geschmückt war.

Styx studierte das kaputte Fahrzeug mit hochgezogenen Augenbrauen. »Gehört der Wagen Tane?«

»Er gehörte Tane.« Jagr warf Regan einen Seitenblick zu, die entschieden schuldbewusst aussah. »Dein Werk?«

»Hey, ich war vorher noch nie gefahren!« Sie zuckte betreten mit einer Schulter. »Außerdem war es davor schon eine Schrottkarre.«

»Ich schlage vor, Ihr behaltet Eure Schlüssel in Reichweite, Mylord«, meinte er trocken.

»Haha, sehr lustig.« Regan warf den Kopf zurück und ging die Straße hinunter, wobei sie sich sehr gerade hielt.

Styx lächelte. »Obschon es mir nicht gefällt, Regans Zerstörungsgeschick anzuzweifeln, muss ich zugeben, dass sie im Vergleich zu Levet nur eine Amateurin in der Vernichtung von Autos ist. Dieser Gargyle verfügt über die erlesene Fähigkeit, selbst das großartigste Fahrzeug in einen Haufen Schrott zu verwandeln. Ihr müsst nur Viper fragen.«

»Wenn man bedenkt, wie unnatürlich besessen Viper von seinen Autos ist, möchte ich lieber keine unangenehmen Erinnerungen wecken.«

»Eine weise Entscheidung«, meinte Styx gedehnt.

»Gelegentlich habe ich auch Augenblicke der Selbsterhaltung. « Jagrs Blick wurde instinktiv von Regan angezogen, die ungeduldig direkt vor dem Teeladen auf der Straße hin und her lief. »Obgleich nicht annähernd so viele, wie zu hoffen wäre.«

Styx legte ihm überraschend behutsam eine Hand auf die Schulter. »Ich würde Euch ja sagen, dass es leichter wird, aber ich versuche nach dem Grundsatz zu leben, nicht mehr zu lügen als notwendig.«

Jagr zuckte zusammen, als er einen scharfen Stich in seinem Herzen spürte. »Unsere gemeinsame Zeit neigt sich dem Ende zu.«

»Nur die Orakel können in die Zukunft sehen. Cezar ist der Beweis dafür.«

Jagr verzog die Lippen. Cezars Gefährtin hatte sich als eines der seltenen Orakel herausgestellt, ein Schicksal, das Jagr niemandem wünschte.

Es war schlimm genug, es mit einer übellaunigen Werwölfin mit Bindungsängsten zu tun zu haben.

»Ich benötige kein Orakel, das mir sagt, dass Regan entschlossen ist, eine einsame Wölfin zu bleiben.«

Regan, die das Warten offensichtlich satthatte, stemmte die Hände in die Hüften und funkelte die beiden Vampire gereizt an.

»Ziehen wir das jetzt durch, oder was?«

Styx warf Jagr einen amüsierten Blick zu. »Ein herrisches kleines Ding, nicht wahr?«

»Ihr habt ja keine Ahnung.«

Regan gab sich geschlagen. Sie drehte auf dem Absatz um und marschierte über die Straße auf den still daliegenden Teeladen zu.

»Vielleicht sollten wir dafür sorgen, dass sie nicht in Schwierigkeiten gerät«, murmelte Styx.

»Wenn das nur möglich wäre …« Jagr eilte hinter Regans kleiner Gestalt her. Das Gefühl der Dringlichkeit sorgte dabei für ein hohes Tempo, als sie durch das Tor in dem Palisadenzaun verschwand und um das Haus herumging. Selbst aus einiger Entfernung war deutlich der Geruch von verfaulenden Pfirsichen in der Luft wahrzunehmen.

»Regan!«

Sie hielt abrupt an, und ihr Gesicht hatte einen wachsamen Ausdruck angenommen. »Ich rieche es. Ist er tot?«

»Ja.« Jagr musste Gaynors Leichnam nicht sehen, um die Gewalt zu spüren, in die das Haus gehüllt war. »Und sein Tod war nicht angenehm. Es gibt eine Menge Blut.«

Styx löste sich aus den Schatten und untersuchte die zerbrochene Verandatür. »Dort liegen drei tote Wolfstölen sowie eine ohnmächtige, und außerdem der tote Kobold. Sonst kann ich niemanden wahrnehmen.«

Jagrs Blick schweifte durch den dunklen Garten, und seine Instinkte kribbelten warnend.

»Das bedeutet nicht, dass sich hier niemand herumtreibt«, knurrte er. »Diese verdammten Amulette machen es uns unmöglich, Gewissheit zu haben.«

Styx runzelte die Stirn. »Wir sollten das Haus rasch durchsuchen. «

»Geht Ihr.« Jagr setzte seine argwöhnische Untersuchung fort. »Wir werden hierbleiben.«

»Jagr …«

Er legte Regan einen Finger auf die Lippen, um ihren Protest zu unterbrechen. »Nein, Regan, das hat nichts damit zu tun, dass ich dich beschützen will.«

Styx trat näher an ihn heran. »Was gibt es?«

»Ich kann meinen Finger nicht darauf legen. Ich denke einfach, wir sollten wachsam sein.«

Der uralte Vampir nickte. Er zog Jagrs vages Unbehagen nicht in Zweifel.

»Ich vertraue Euren Instinkten, mein Bruder. Ich werde nicht lange fort sein.«