KAPITEL 6
Der hohe Gebirgskamm mit Blick auf den Mississippi südlich von Hannibal war perfekt geeignet, um ein Rudel abtrünniger Wolfstölen zu verstecken. Die verlassene Blockhütte war kilometerweit vom nächsten Nachbarn entfernt, und das dichte Gewirr von Bäumen schreckte alle bis auf die entschlossensten Wanderer ab. Aber es war nicht nur die Isolation, die Sadie und ihr Rudel zu dem entlegenen Berggipfel geführt hatte.
Nein, es war die nachhallende Magie, die noch immer in der fruchtbaren schwarzen Erde spürbar war, und die Macht der aufgewühlten Gewässer unter ihnen. In längst vergangenen Zeiten hatte das Land den Indianern gehört, und die Überbleibsel ihrer Hingabe an die Natur waren noch immer mit großer Macht spürbar und hallten in Sadie wider wie der Klang einer Stimmgabel.
Es war nicht so, dass sie ein elegantes Herrenhaus inklusive unbezahlbarer Kunstwerke und einer Menge Marmor nicht vorgezogen hätte. Sie mochte im Herzen ein Tier sein, aber sie sehnte sich nach den schönen Dingen des Lebens. Genau wie damals vor beinahe dreißig Jahren, als sie in den scheußlichen Gassen von St. Louis auf den Strich gegangen war.
Damals war sie Caine zum ersten Mal begegnet, der Wolfstöle, die ihr versprochen hatte, sie zu einer Königin zu machen, bevor sie sie gebissen und ihre Welt für immer verändert hatte.
Sie wartete noch immer auf die Sache mit der Königin, dachte sie trocken, als sie durch den Hauptraum der Blockhütte ging, die zunehmend von der Dunkelheit verschluckt wurde. Die Hütte hatte nicht mehr zu bieten als eine verlotterte Couch, zwei gepolsterte Stühle und einen steinernen Kamin. Nicht einmal ein Bild hing an den einfachen Holzwänden.
Das war so weit von dem Palast entfernt, von dem sie träumte, wie die verwahrloste Pension, die sie früher mit drei anderen Huren geteilt hatte.
Aber andererseits liefen Revolutionen kaum jemals ohne Opfer ab.
Oder auch ohne Blut, wie ihr einfiel, als ein heiserer Schrei aus dem Schuppen hallte, der an die Blockhütte angeschlossen war.
Ein kleines Lächeln bildete sich auf ihren schmalen Zügen, die manche als grausam bezeichnen würden. Es gab allerdings nicht viele Männer, denen der Anflug von boshaftem Feuer, das tief in ihr brannte, etwas ausmachen würde. Menschen mochten sich von ihrer blassen, noch immer glatten Haut angezogen fühlen, die einen Kontrast zu ihrem taillenlangen, rabenschwarzen Haar und ihren glühenden Augen bildete, aber Wolfstölen wurden von den harten Muskeln ihres schlanken Körpers und ihrer gewalttätigen Ausstrahlung in die Knie gezwungen, die süßen Schmerz versprachen.
Sadie ließ ihre Hände über die schwarze Lederhose gleiten, die tief auf ihren Hüften saß und zu dem kaum vorhandenen rückenfreien Oberteil passte, und überlegte, ob sie in den Schuppen zurückkehren und eine hochwertige Folter mit ihrem Gefangenen genießen oder ob sie auf die Jagd gehen sollte. Doch da stieg ihr ein vertrauter Geruch in die Nase, der sie durch den Raum eilen ließ.
Sie riss die Tür auf und runzelte die Stirn, als die große, schlanke Wolfstöle aus den dichten Schatten unter den Bäumen trat.
Dieser Mann war mit seinem dunklen Haar, das er in der Mitte gescheitelt trug und das ihm bis an den kräftigen Kiefer reichte, ein leckeres Spielzeug. Seine Augen waren indigoblau und von dichten Wimpern umgeben, und seine Gesichtszüge waren fein gemeißelt, mit der Perfektion eines bösen Jungen. Er war ein Bild von einem Mann, was von dem präzise gestutzten Ziegenbart noch unterstützt wurde.
Einfach köstlich.
Heute Abend bestand ihr erster Gedanke jedoch nicht darin, ihn zu besteigen wie einen mechanischen Bullen, sondern sie empfand puren Zorn darüber, dass er offensichtlich seine Mission nicht ausgeführt hatte.
Sadie trat zur Seite und wartete darauf, dass Duncan die Blockhütte betrat, bevor sie die Tür zuschlug und sich gegen die Holzpaneele lehnte.
Draußen durchstreiften ein halbes Dutzend Wolfstölen und ihre persönliche Hexe die Wälder und bewachten ständig die Umgebung. Sie konnte das gelegentliche Rascheln des Unterholzes hören, als sie die Hütte umkreisten. Niemand würde ohne ihre Erlaubnis stören.
»Wo ist das Miststück?«, knurrte Sadie. Sie hatte nie zu dem Typ gehört, der sich mit Höflichkeitsfloskeln aufhielt. Warum sollte sie ein Skalpell benutzen, wenn ein Vorschlaghammer so viel mehr Spaß machte?
Mit der Ungezwungenheit eines langjährigen Liebhabers schlenderte Duncan durch den Raum, um eine Flasche Whisky vom Kaminsims zu nehmen. Er nahm einen tiefen Zug, bevor er sich umdrehte und ihr in die glühenden Augen sah.
»Es gab … Komplikationen.«
»Das interessiert mich einen Scheißdreck! Ich habe dir gesagt, du sollst mir die Werwölfin bringen.«
Duncan schnitt eine Grimasse. »Sie war nicht allein.«
Sadie fauchte und stieß sich von der Tür ab. »Salvatore ist ihr nach Hannibal gefolgt?«
Er nahm noch einen Schluck von dem Whisky. »Noch schlimmer. Sie hatte einen Vampir bei sich.«
»Was zum Teufel will sie mit einem Blutsauger?«
»Es ist nicht einfach irgendein Blutsauger.« Duncans scharfes Gelächter hallte beunruhigend durch den Raum. »Ich würde meinen Arsch verwetten, dass es der einsiedlerische, legendäre Jagr war. Ich habe ihn nur einmal kurz gesehen, als ich in Chicago war, aber er ist kein Dämon, den man vergessen würde.«
»Jagr? Ich dachte, er wäre ein Mythos.«
»Zahnfeen sind ein Mythos. Jagr ist eine Naturgewalt, die sogar von anderen Vampiren gefürchtet wird.«
Sadie stürmte durch den Raum, riss Duncan die Whiskyflasche aus der Hand und trank sie bis auf den letzten Tropfen aus.
Perfekt. Das war einfach absolut verdammt perfekt.
Es war schon schlimm genug, dass Regan jetzt unerreichbar für sie war, aber jetzt wurde sie auch noch von dem Hannibal Lecter der Vampire beschützt?
Scheiße, Caine würde sie bei lebendigem Leib häuten.
Und zwar buchstäblich, nicht im übertragenen Sinn.
»Warum sollte er die Werwölfin beschützen?«
Duncan lehnte sich gegen den Steinkamin und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Oh, ich weiß nicht«, meinte er gedehnt. »Vielleicht hat es irgendwas damit zu tun, dass ihre Schwester die momentane Königin der Vampire ist?«
Der Gedanke daran, dass Darcy nach so vielen Jahren entdeckt worden war, nur um ihnen vom König der lebenden Toten weggeschnappt zu werden, ließ eine neue Woge des Zorns in Sadie entstehen, wodurch sie gezwungen war, gegen den instinktiven Drang anzukämpfen, sich zu verwandeln.
»Diese verdammten Blutegel müssen sich in alles einmischen! Ich habe Caine gewarnt, dass es Ärger geben würde, wenn er diese hirnlose Werwölfin in den Händen der Vampire lässt.«
Duncan verzog die Lippen, während sein Blick an ihrem angespannten Körper entlang nach unten wanderte und an der Tätowierung einer zubeißenden Schlange hängen blieb, die sich um ihre Taille schlängelte.
»Ich habe deine Klagen gehört, aber ich habe auch bemerkt, dass du dich in der Auseinandersetzung zwischen denVampiren und den Rassewölfen nicht selbst als Kanonenfutter angeboten hast, Sadie-Schatz.«
Sadie trat einen Schritt von Duncan zurück, der eine pulsierende Hitze ausstrahlte. Es war nicht die richtige Zeit, sich ablenken zu lassen.
»Wo sind die anderen?«, fragte sie.
»Tot.«
Sadie wirbelte herum, um die leere Alkoholflasche in den Kamin zu schleudern. Das gläserne Klirren war befriedigend, aber half überhaupt nicht dabei, ihre kochende Wut zu mildern.
Es war nicht so, dass ihr die toten Wolfstölen irgendetwas bedeutet hätten. Sie waren nicht mehr als erneuerbare Ressourcen. Aber die Tatsache, dass sie ihre Pflicht nicht erfüllt hatten, weckte in ihr den Wunsch, ihre Leichen Stück für Stück auseinanderzureißen.
»Der Vampir?«
Duncan rieb sich die Seite, als ob er sich an einen schmerzhaften Schlag erinnere. »Nein, wir wurden von einem Zauber getroffen.«
Sadie sog scharf die Luft ein. »Sie haben eine Hexe?«
»Keinen Menschen. Irgendeinen Dämon.«
»Scheiße.Was für eine Art?«
»Ich habe den DNS—Test nicht abgewartet.«
Sadie packte Duncan am Vorderteil seines blauen Kaschmirpullovers, den er zu einer schwarzen Chinohose trug. Der Mann war süchtig nach TV-Modeshows.
»Bist du sicher, dass dir niemand gefolgt ist?«
Duncan spannte die Kiefermuskeln an, aber er war klug genug, sich Sadie nicht zu widersetzen. »Ich habe noch immer das Amulett, das die Hexe mir gegeben hat, und nur um ganz sicher zu gehen, habe ich mich direkt in Richtung Süden gehalten, bevor ich umgekehrt bin. Wenn mir jemand auf der Spur war, ist er inzwischen in St. Louis.«
Sadie dachte kurz darüber nach, ob sie der Wolfstöle die Faust ins Gesicht rammen sollte, und wenn auch nur, um die Frustration abzubauen, die sich in ihrer Magengrube angesammelt hatte. Es war zu schade, dass sie den inkompetenten Schwachkopf immer noch brauchte.
Sadie stieß die Wolfstöle von sich und lief in dem engen Raum hin und her. »Wir müssen die Werwölfin kriegen, bevor Caine zurückkehrt.«
»Sieh nicht mich an, Schatz.« Duncan strich seinen Pullover glatt. Seine natürliche Arroganz war vollständig zurückgekehrt. »Ich hatte bereits meine Nahtoderfahrung für diese Woche.«
Sadie lächelte verächtlich. »Sei vorsichtig, Duncan. Wenn deine Eier noch kleiner werden, verschwinden sie vielleicht noch ganz.«
»Wenigstens sind sie noch intakt.« Duncan legte die Hand zwischen seine Beine. Er war ziemlich gut bestückt. »Du willst die Werwölfin? Dann geh, und hol sie dir.«
»Oh, das habe ich auch vor.«
»Und was ist mit dem Vampir?«
Sadie zuckte mit den Achseln. Ihr gerissener Verstand plante bereits den nächsten Schachzug. »Unter all diesen Fangzähnen und dieser Wut ist er auch bloß ein Mann.«
»Krieg dich wieder ein, Sadie«, entgegnete Duncan gedehnt. »Du bist ja vielleicht der feuchte Traum der Wolfstölen, aber Vampire sind eine ganz andere Liga. Jeder Dämon weiß, dass sie nichts weniger als Perfektion akzeptieren.«
Sadie lächelte nur. Ihre Jahre als Hure hatten sie gelehrt, dass jeder Mann beherrschbar war. Es drehte sich alles darum, die Knöpfe zu finden, die man drücken musste.
»Ich könnte den Vampir in die Knie zwingen, wenn ich wollte«, schnurrte sie, »aber Männer haben noch mehr Schwächen außer nur der Unfähigkeit, mit irgendwas anderem als ihrem Geschlechtsteil zu denken.«
»Und die wären?«
»Ein übertriebenes Ego und das unstillbare Bedürfnis, ihr Testosteron spielen zu lassen.« Sadie warf ihre rabenschwarzen Locken nach hinten. »Ich stelle die Falle, und er tappt hinein. Und nimmt die süße, kleine Werwölfin mit.«
»Du hast doch nicht alle Tassen im Schrank, Schatz.«
»Im Gegensatz zu dir, Duncan, habe ich ein Rückgrat.«
»Bis Jagr es dir herausreißt.«
Sadies Lächeln verblasste, und ein kalter Schauder lief ihr über den Rücken mit dem noch vorhandenen Rückgrat. Mit einem leisen Knurren unterdrückte sie das alberne Gefühl.
Die Jahre, in denen sie ein schwaches Opfer gewesen war, waren lange vorbei. Sie war jetzt die Jägerin und nicht die Beute.
Sadie schob die Hand in die vordere Tasche ihrer Lederhose, zog einen Schlüsselbund heraus und warf ihn dem erstaunten Duncan zu.
»Hier.«
Er hob die Augenbrauen. »Schatz, das wäre doch nicht nötig gewesen.«
»Witzbold. Die Schlüssel sind für das Wohnmobil des Kobolds. «
Duncans Zähne blitzten in der zunehmenden Dunkelheit weiß auf. »Ich bin mehr der Lamborghini-Typ.«
»Caine will, dass das Wohnmobil abgefackelt ist, bevor es von den Menschen entdeckt wird.«
Ein unheimliches Glühen entstand in Duncans Blick und verschwand wieder. Er war Alphatier genug, um Caine seinen höheren Rang im Rudel zu verübeln.
»Das ist unter meinem Niveau. Du kannst ja einen der Arbeitsknechte dazu bringen, Brandstifter zu spielen.«
»Na, hast du etwa Angst, Duncan?«, spottete Sadie und drehte sich um, um auf die Seitentür zuzugehen. Sie sehnte sich danach, jemandem wehzutun. Und sie hatte ein schönes Spielzeug, das bereits gefesselt war und auf ihre Aufmerksamkeit wartete. Was für ein Glück. »Mach dir keine Sorgen, ich gebe dir Silk mit. Ihre Magie wird den großen, bösen Vampir fernhalten. «
»Miststück.«
Mit einem leisen Glucksen trat Sadie durch die Tür, die in den kleinen Schuppen führte. Die nackte Glühbirne, die an einem Kabel direkt vom Dachsparren hing, schaukelte hin und her, als sie den Raum betrat. Sie erfüllte den beengten Raum mit grellem Licht und ließ die zerbrochenen Schaufeln, Äxte, Hämmer sowie die mit Nägeln gefüllten Kaffeedosen erkennen, die in den Ecken dem Rost überlassen worden waren.
Sadie hatte kein Interesse an den zurückgelassenen Werkzeugen oder dem dichten Staub, der das Innere des Schuppens bedeckte. Ihre gesamte Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf den Kobold mit dem langen roten Haar und den grünen Augen, der nackt ausgezogen und an die Wand gekettet worden war.
Ein Lächeln der Vorfreude bildete sich auf ihren Lippen, als ihr Blick über den großen, muskulösen Körper schweifte. Abgesehen von einigen Spritzern aus getrocknetem Blut war Culligans Elfenbeinhaut geheilt und nun wieder ganz glatte Perfektion. Sadies Hände zuckten erwartungsvoll. Unversehrtes Fleisch aufzuschlitzen war ganz so, als ob sie ihren Finger in ein neues Glas Erdnussbutter steckte.
Apropos Erdnussbutter …
Ihr Grinsen wurde breiter, als sie zu dem umgedrehten Fass ging, in dem sie ihr Lieblingserdnussbuttertoffee, eingewickelt in Stanniolpapier, aufbewahrte. Sie steckte sich einen großen Happen in den Mund, bevor sie einen Silberdolch nahm, der an der Wand hing, und sich dem kauernden Kobold näherte.
Mit seinen ausgestreckten Armen und Beinen und dem Flammenhaar, das über seinen nackten Körper fiel, sah er wie ein Opfer aus uralter Zeit aus. Und … ah … sein Duft. Ein schwerer Pflaumenduft mit einer berauschenden Dosis wahnsinniger Angst.
Das reichte aus, um Sadies Herz vor Begeisterung höher schlagen zu lassen.
Sie blieb direkt vor dem zitternden Dämon stehen und beugte sich langsam nach vorn.
»Du warst ein sehr unartiger Junge, Culligan«, schnurrte sie und strich mit der Spitze des Dolches mitten über seine Brust. »Zuerst erlaubst du es Salvatore, dich aufzuspüren und das Mädchen zu entdecken, und dann führst du einen der gefährlichsten Vampire, der je auf Erden gewandelt ist, direkt vor meine Haustür. «
Er rollte mit den grünen Augen, als ob er ein Wildpferd sei, dem Zaumzeug angelegt wurde. »Bitte … Herrin …«
Sie stach mit dem Dolch zu, bis ein Blutstropfen die Elfenbeinhaut verunzierte. »Willst du um dein Leben betteln, du rückgratloser Wurm?«
»Ich habe getan, was von mir verlangt wurde.« Culligan leckte sich über die Lippen. Seine Stimme war heiser von all den Stunden, die er geschrien hatte. »Mir wurde gesagt, dass ich die Frau am Leben lassen sollte und dass ich ihr nicht erlauben sollte zu fliehen. Niemand hat mich davor gewarnt, dass der stinkwütende König der Werwölfe nach der Schlampe suchen würde.«
»Dir wurde gesagt, was du wissen musstest.« Sadie fügte ihm eine Schnittwunde vom Brustbein bis zum Nabel zu, und Culligans Schmerzensschreie waren Musik in ihren Ohren. So ein erbärmlicher Mistkerl. Er konnte nicht einmal jemanden vernünftig mit einem Fluch belegen, das Simpelste in der Koboldmagie. Trotzdem gab er die bezauberndsten Laute von sich, wenn er wie ein Thanksgiving-Truthahn tranchiert wurde. »Dachtest du, du könntest einen Pakt mit dem Teufel schließen und nicht mit Blut bezahlen?«
»Was wollen Sie von mir?«
»Vorerst reichen mir deine Schmerzen. Leider wurde ich darauf hingewiesen, dass wir dich vielleicht als Köder brauchen. Ich kann dir keinen dauerhaften Schaden zufügen, aber ich bin kreativ genug, um dafür zu sorgen, dass du in einem Stück bleibst.« Mit einem Lächeln zog sie den Dolch heraus, nur um ihn dem Kobold wieder in den Bauch zu rammen, diesmal bis zum Griff. »Na ja, vielleicht nicht in einem Stück, aber in einem Stück, das groß genug ist, um dein Herz am Schlagen zu halten. «
Als er mit dem Schreien fertig war, bemühte sich Culligan zu sprechen. »Köder? Was soll das heißen?«
Als ihr einfiel, dass der Kobold nicht nur die Werwölfin verloren, sondern ihr auch noch einen ganzen Haufen Ärger beschert hatte, drehte Sadie die Klinge herum.
»Du, mein Liebling, hast es geschafft, dir sowohl die Vampire als auch die Werwölfe zu Feinden zu machen«, fauchte sie. »Sie würden deiner Spur bis zu den Pforten der Hölle folgen, um das Vergnügen zu haben, dich zu töten.«
Sein Kopf hing herunter, und sein Haar fiel nach vorn wie ein blutroter Fluss. »Warum sorgt sich überhaupt irgendjemand um ein dummes Mädchen? Sie ist nichts weiter als beschädigte Ware. Die kann sich nicht mal verwandeln, um Gottes willen!«
»Was für ein Idiot du bist, Culligan. Das Mädchen ist unbezahlbar. Und du solltest besser hoffen, dass deine Stümperhaftigkeit nicht die Experimente meines Herrn in Gefahr gebracht hat, sonst kannst du beten, dass die Werwölfe dich zuerst zu fassen bekommen.«
»Wenn sie so viel wert ist, warum haben Sie sie mir dann verkauft?«
Sadie zog den Dolch heraus, legte die blutige Spitze unter sein Kinn und zwang ihn so, sein Gesicht zu heben. Sie beugte sich vor, bis sich ihrer beider Nasen beinahe berührten.
»Sie ist … eine Versicherung.«
» Eine Versicherung wofür?«
Sadie kicherte. »Die herrschende Elite in der Dämonenwelt steht kurz davor, eine Veränderung auf der Führungsebene durchzumachen, Kobold. Wie schade, dass du nicht dabei sein wirst, um die Umwandlung zu genießen.«
Mit einem ruhigen Stoß glitt der Dolch durch die weiche Unterhaut von Culligans Kinn und durch das Fleisch hindurch, um seine Zunge an seinem Gaumen aufzuspießen.
Der Schrei, der von unerträglichen Leiden kündete, war gedämpft, aber dadurch nicht weniger süß.
Hohe Steilküsten machten das Land südlich und westlich von Hannibal aus, dann wurde es allmählich flacher, bis es aus sanft ansteigenden Wiesen und stark bewaldeten Gebieten bestand. Als Jagr sich hinhockte, um den schmalen, unbefestigten Weg zu untersuchen, konnte er das Rascheln von Waschbären und Opossums ebenso hören wie das einheimischer Hirsche. Genau das Wild, das ein Rudel hungriger Wolfstölen anlocken würde.
Nur schade, dass in der Luft keine Spur von den Wolfstölen zu entdecken war. Es gab keinen Geruch, keine Fährte, nicht einmal ein vereinzeltes Haar.
Neben ihm raschelte es wieder, und der Duft von Mitternachtsjasmin reizte seine Sinne.
Regan.
Er spannte den Kiefer an, als sein Körper schmerzhaft auf ihre Nähe reagierte.
Götter, er hatte gedacht, dass die Tage seiner Folter hinter ihm lägen. Er hatte seine Feinde niedergemetzelt und war in die Sicherheit seines Verstecks zurückgekehrt. Sein Leben sollte eigentlich aus Frieden und stiller Besinnung bestehen.
Aber sicher.
Die Art und Weise, wie sein Körper für eine Werwölfin entbrannt war, die sich nicht entscheiden konnte, ob sie ihm die Kleider vom Leib reißen oder ihm einen Pflock ins Herz rammen sollte, hatte nichts Friedliches. Und ebenso wenig das Wissen, dass er sein Todesurteil riskierte, indem er Styx’ Befehl, Regan nach Chicago zurückzubringen, ignorierte, damit die von ihrer Rache besessene Frau ihren Feind töten konnte. Oder auch die Tatsache, dass sein sauer verdientes Misstrauen gegenüber anderen langsam und unablässig untergraben wurde.
Es war kein Wunder, dass er in der Stimmung war, etwas zu beißen.
Oder genauer, jemanden.
Jagr erhob sich geschmeidig und wandte den Kopf, um die Frau, die neben ihm stand, prüfend anzublicken.
Wie von Zauberhand schwächten sich sein Zorn und seine Frustration ab, sodass nur noch Resignation zurückblieb.
Womöglich hatte Regan ihn verzaubert. Oder vielleicht waren die brutalen Barrieren, die er um sich selbst errichtet hatte, einfach ihrer machtvollen Anziehungskraft nicht gewachsen.
Was auch immer davon zutraf, er wusste, dass er nicht annähernd so sehnsüchtig darauf wartete, in die dunkle Einsamkeit seines Verstecks zurückzukehren, wie es eigentlich der Fall sein sollte.
Regan, die von einem Fuß auf den anderen trat, räusperte sich schließlich. Seit sie die Höhle verlassen hatten, hatte sie sich grimmig geweigert, ein Wort zu sprechen, zweifelsohne in der Annahme, dass ihr Schweigen eine Art Bestrafung sei.
Er wollte ihr äußerst ungern sagen, dass er in der vortechnisierten Zeit Jahrzehnte verbracht hatte, in denen kein einziges Geräusch seine Studien gestört hatte. Abgesehen davon wusste er, dass ihr Schweigen nicht von Dauer sein würde. Sie gehörte nicht zu den Frauen, die ihre Emotionen unterdrücken konnten.
Sie gehörte eher zu den Frauen, die einem ins Gesicht spuckten und in den Hintern traten.
Ganz so, wie es ihm gefiel.
»Nun?«, fragte sie.
Jagr verkniff sich sein Lächeln über ihren scharfen Tonfall. »Hier habe ich die Fährte des Kobolds verloren.Wie sieht es bei dir aus?«
Sie sah sich mit gerunzelter Stirn auf dem freien Feld um. »Es war hier irgendwo.Vielleicht näher an den Bäumen da drüben. «
»Dann werden wir dort mit der Suche beginnen.«
Bevor er einen Schritt machen konnte, hatte Regan störrisch die Arme vor der Brust verschränkt.
»Es würde schneller gehen, wenn wir uns trennen.«
Bei ihrem Vorschlag warf er ihr einen ironischen Blick zu. »Damit ich den Rest der Nacht damit verbringen kann, dich aufzuspüren? Ich denke nicht. Du bleibst an meiner Seite.«
»Gott.« Ihre Augen glänzten im Mondlicht. Es war nicht das Glühen einer Werwölfin, die kurz davor stand, sich zu verwandeln, sondern das einer zornigen Frau. Ebenso gefährlich. »Reicht es nicht, dass ich die vergangenen dreißig Jahre eingesperrt war? Komme ich von einer Hölle in die andere?«
Er kniff die Augen zusammen. »Mein einziges Ziel ist es, dich in Sicherheit zu bringen, Regan, nicht, dich einzusperren.«
»Na ja, es fühlt sich erstaunlicherweise genau so an.«
Mit einem Fauchen packte Jagr sie an den Armen und betrachtete sie mit aufflammendem Ärger. Er würde viele Dinge aushalten, aber nicht, mit einem rückgratlosen Feigling verglichen zu werden, der eine junge Frau verletzte.
»Gib acht, meine Kleine!«
»Fahren Sie zur Hölle, großer Meister.«
Abrupt ließ er seine Hände sinken und trat einen Schritt zurück. Allein das Gefühl ihrer weichen Haut unter seinen Fingern sorgte dafür, dass sich sein Körper vor Begierde anspannte.
»Wenn du dich von mir befreien willst, so lasse zu, dass ich dich nach Chicago bringe«, forderte er sie heraus, wobei er eine kühle Selbstbeherrschung vortäuschte, die er ganz und gar nicht empfand. »Dann wirst du mich niemals wieder sehen müssen.«
Sie kniff die Lippen zusammen, während sie sich geistesabwesend die Stellen an den Armen rieb, an denen er sie berührt hatte.
»Ich gehe nicht, bis ich Culligan gehäutet und sein Herz an die Fische verfüttert habe.«
»Dann sind wir anscheinend aneinander gebunden.« Jagr drehte auf dem Absatz um und ging voran, auf die Baumgrenze zu.
Regan schloss sich ihm an, murmelte aber unflätige Drohungen vor sich hin, die das Abhacken seiner edelsten Körperteile ebenso einschlossen wie eine grausame Enthauptung.
Jagr ignorierte ihre Drohungen. Trotz ihrer einzigartigen Fähigkeit, ihn über alle Maßen zu ärgern, verstand er ihre Frustration. Sie war gerade erst Culligans Klauen entkommen und wollte von niemandem abhängig sein. Selbst wenn seine Anwesenheit bedeutete, dass sie am Leben blieb.
Als Jagr sich der Baumgrenze näherte, blieb er abrupt stehen, und seine Sinne erwachten zum Leben.
»Einen Moment.«
Regan lief zu ihm. Ihr Körper war angespannt und bereit zuzuschlagen. »Was ist los?«
»Ich rieche Blut.« Er deutete auf die Bäume. »Dort.«
»Menschliches Blut?«
»Koboldblut.«
Sie holte tief Luft. »Ist er immer noch da drin?«
»Unmöglich zu sagen.«
»Gehen wir.«
Jagr unterdrückte seinen instinktiven Protest. Regan hatte das Recht verdient, gegen Culligan zu kämpfen. Solange er sich in der Nähe befand, um eine Katastrophe zu verhindern.
»Hier entlang.«
Ohne zu reden, betraten sie den dichten Wald, und ihre Schritte wirbelten kaum ein Blatt auf, als sie sich lautlos ihren Weg bahnten. In der Ferne konnte Jagr das Rascheln von Nachttieren und das Geplätscher eines flachen Baches hören, aber er konnte in der Dunkelheit weder Menschen noch Dämonen spüren.
Indem er dem berauschenden Blutduft folgte, hielt sich Jagr in Richtung Westen. Mehrere Meter weit gab es nur Bäume, doch dann endeten sie ohne Vorwarnung, und es kam ein breiter Weg zum Vorschein, der mitten durch den Wald führte.
Es handelte sich offenkundig um eine Straße für den örtlichen Farmer, der darauf seine Ausrüstung von einem Feld zum anderen transportierte, doch Jagrs einziges Interesse galt dem langen Wohnmobil, das eindeutig fehl am Platz war.
»Scheiße.«
Jagr blieb abrupt stehen, da er deutlich die wilden Emotionen spürte, die die Frau neben ihm überfielen.
»Regan?«
Sie schüttelte den Kopf, die Arme schützend um ihren Körper geschlungen. »Ich kann nicht. Ich … Ich kann einfach nicht.«
Bevor er bemerkt hatte, dass er sich bewegte, hatte Jagr Regan in die Arme genommen. Eigenartig. Er hatte noch niemals zuvor den Drang verspürt, eine andere Person zu trösten, nicht einmal die Angehörigen seines Clans, aber in diesem Augenblick gab es nichts Wichtigeres.
Er strich mit der Hand über die verspannten Muskeln an ihrem Rücken und senkte den Kopf, um ihr etwas zuzuflüstern.
»Bleib doch hier, und halte Wache. Kannst du das tun, meine Kleine?«
Es folgte eine angespannte Pause. Dann nickte sie ruckartig. »Ja.«
»Gut.«
Jagr beachtete sein irrationales Widerstreben, sie allein zu lassen, nicht weiter. Er lockerte seinen Griff und machte einen Schritt nach hinten. Dieses besitzergreifende Gefühl, Regan beschützen zu müssen, war nicht nur gefährlich, sondern auch ablenkend.
Ein Krieger musste kalt und logisch bleiben, Herr über seine Emotionen.
Diese gärende Angst um Regans Sicherheit konnte dazu führen, dass er nachlässig wurde.
Und nachlässig zu sein bedeutete den Tod.
Jagr ignorierte seine unwillkommenen Instinkte, betrat den unebenen Weg und näherte sich dem Wohnmobil.Als er sich in der Nähe der Tür befand, zog er einen Dolch aus seinem Stiefel. Seine Sinne mochten ihm mitteilen, dass das Fahrzeug leer war, aber er wusste, dass er besser nicht blindlings hineinging. Die Wolfstölen hatten bereits bewiesen, dass sie in der Lage waren, ihre Präsenz hinter einem Zauber zu verbergen. Er würde kein Risiko eingehen.
Er umkreiste das lange Wohnmobil und spähte vorsichtig durch die Fenster. Leer. Falls es den Wolfstölen nicht gelungen war, außerdem noch unsichtbar zu werden.
Schließlich näherte sich Jagr der Tür und hüllte sich in Dunkelheit, als er sie öffnete und lautlos hineinglitt. Er duckte sich und wappnete sich für einen Angriff. Als dieser nicht erfolgte, richtete er sich auf und ließ seinen Blick über die Einbauküche und das Wohnzimmer schweifen, die in den beengten Raum gestopft worden waren.
Das alles wirkte …
Menschlich.
Es entsprach überhaupt nicht dem verschwenderischen Lebensstil, den die Kobolde bevorzugten.
Allerdings hatte Regan behauptet, Culligan sei schwach. Wenn er keine Zauber oder Portale erschaffen konnte, war er abhängig von anderen Mitteln, um Reichtum anzuhäufen.
Zum Beispiel, eine verletzliche junge Werwölfin in seiner geschmacklosen Schau zu missbrauchen.
Mit einem leisen Knurren ging Jagr auf den hinteren Bereich des Wohnmobils zu. Er wusste bereits, was er vorfinden würde, als er die Tür zum Schlafzimmer öffnete.
Allerdings waren Wissen und Sehen zwei sehr verschiedene Dinge.
Der kleine Raum war von Gitterstäben aus reinem Silber umgeben. Die Wände, die Decke, die Fenster und selbst die Innenseite der Tür.
Noch schlimmer war die Tatsache, dass es silberne Handfesseln und Ketten gab, die auf ein schmales Feldbett geworfen worden waren, bei dem es sich um das einzige Möbelstück handelte, abgesehen von einem winzigen Fernsehgerät und einem Regal mit zerlesenen Büchern.
Dort hatte Regan die vergangenen dreißig Jahre gelebt. Dort war sie von einem brutalen Herrn und Meister aufgezogen und regelmäßig missbraucht worden.
War sie gezwungen gewesen, die Handfesseln zu tragen, immer wenn sie in diesem Raum gewesen war?
Die zerstörerischen Verbrennungen mussten beinahe unerträglich gewesen sein und hatten sie wohl so sehr geschwächt, dass sie kaum hatte funktionieren können.
Kalter, tödlicher Zorn brannte in ihm.
Jemand würde dafür bezahlen.
Mit seinem Blut.
So gefangen in seinen düsteren Gedanken, wie er war, war es der Jasminduft, der dafür sorgte, dass er sich abrupt umdrehte und in den vorderen Teil des Fahrzeugs zurückkehrte.
»Nicht, Regan«, sagte er heiser zu ihr. Seine Stimme klang belegt, und sein muttersprachlicher Akzent war herauszuhören, als er zusah, wie sie durch die Tür kletterte.
Ungeheure Furcht umgab sie und erfüllte den beengten Raum, doch ihr schönes Gesicht war hart vor Entschlossenheit.
»Ich muss es sehen.«
»Wenn es etwas zu entdecken gibt, werde ich es finden. Es ist nicht notwendig …«
»Es ist sehr wohl notwendig, Jagr«, unterbrach sie ihn. Ihre Stimme war leise und rau.
»Weshalb?«
»Um zu beweisen, dass ich es kann.«
Jagr trat auf sie zu und umfasste ihr kaltes Gesicht mit der Hand. »Du musst nichts beweisen, Regan. Niemandem.«
»Ich tue das für mich. Ich werde mich nicht von den Erinnerungen an Culligan oder der Hölle verfolgen lassen, die er mich hat erleben lassen.« Sie holte zitternd Luft. »Ich gebe ihm diese Macht nicht.«
Eine düstere, durchdringende Erinnerung daran, wie er durch eine tiefe Höhle geschlichen war, um seine Feinde ohne Gnade niederzumetzeln, blitzte in Jagrs Gedanken auf, bevor es ihm gelang, sie aus seinen Gedanken zu verdrängen.
Hier ging es um Regan.
Und den gärenden Schmerz, der wie Gift durch ihr Blut strömte.
»Er verlor alle Macht über dich, als du überlebtest«, meinte Jagr heiser und wünschte sich mit aller Macht, dass sie die Wahrheit in seinen Worten glaubte. »Deine Stärke und dein Mut überwanden alles, was er dir antun konnte. Du hast deinen Dämon besiegt.« Ein Lächeln lag auf seinen Lippen, und die immer präsente Hitze funkelte in seinen Augen. »Ich wette, das ist nicht der letzte Dämon, den du besiegen wirst.«
Wie er es beabsichtigt hatte, ließ sich Regan schnell ablenken, und Röte stieg ihr in die Wangen, als sie ruckartig vor seiner innigen Berührung zurückwich.
»Sie haben gesagt, Sie riechen Blut.«
»Ja.« Jagr begab sich in den vordersten Teil des Wohnmobils und war gezwungen, sich vorzubeugen, als er einen prüfenden Blick auf den Fahrersitz warf. »Ich weiß nicht, weshalb Culligan nach Hannibal kam, doch sein Empfangskomitee war in schlechter Stimmung.«
»Er ist tot?«
»Er war noch am Leben, als er das Wohnmobil verließ, doch er war verletzt.«
»Verdammt.«
In einem unerwarteten Tempo drang Regan tiefer in den Wohnbereich des Wohnmobils vor und schlug Löcher in die Wandpaneele aus Holzimitat.
Jagr ging zu ihr. Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, als Splitter durch die Luft flogen. Es gab nichts Erregenderes als eine mächtige Frau.
»Nicht, dass ich einer umfassenden Zerstörung nicht zustimmen würde, aber es gibt befriedigendere Methoden, deine Enttäuschung zu vertreiben«, murmelte er.
»Culligan hat sein Geld und seine privaten Papiere in einem Safe aufgehoben … ah.« Regan warf Jagr ein selbstzufriedenes Lächeln zu und zog einen kleinen Metallkasten aus dem Loch, das sie gerade in dem Paneel aufgerissen hatte. Das Lächeln verblasste allerdings, als sie sich abmühte, den Kasten zu öffnen. »Scheiße.«
»Wenn du gestattest.« Ohne um Erlaubnis zu bitten, nahm Jagr Regan den Kasten fort und riss den schweren Deckel auf.
Es war nicht weiter überraschend, dass er mit einem finsteren Blick belohnt wurde. »Soll ich von Ihren prallen Muskeln und der rohen Gewalt beeindruckt sein?«
»Du kannst von allem beeindruckt sein, was dir beliebt, meine Kleine, obgleich die meisten Frauen etwas anderes vorziehen, und zwar meinen prallen …«
»Igitt.« Regan hielt eine Hand hoch. »Das reicht.«
Jagr wäre möglicherweise gekränkt gewesen, wenn er nicht den unverkennbaren Duft ihrer Begierde wahrgenommen hätte, wann immer er sich in ihrer Nähe befand.
Er warf einen Blick in den Kasten, schnitt eine Grimasse und schob ihn Regan zu. »Ich denke, du hast das verdient.«
»O Gott«, keuchte sie, und ihre Augen weiteten sich, als sie den geheimen Vorrat an Edelsteinen, Uhren und ordentlich gestapeltem Geld zu Gesicht bekam. »Menschen. Man sollte meinen, Tausende von Jahren der Evolution sollten ihnen dann doch irgendwann die Gabe verleihen, einen offensichtlichen Betrug zu erkennen.« Regan erschauderte und starrte auf den Kasten, als sei er kontaminiert. »Ich will das nicht. Es ist schmutziges Geld.«
»Dann spende es für einen wohltätigen Zweck, oder wirf es in den Fluss.Vorausgesetzt, Culligan oder seine Freunde können es nicht in die Finger bekommen.«
Regan verzog das Gesicht. »Sie haben recht.«
»Ich habe recht?« Jagr presste in gespieltem Erstaunen eine Hand auf sein Herz. »Gesegnete Heilige, ist der Himmel eingestürzt? «
»Klugscheißer …«
Regan riss die Augen auf, als Jagr auf sie zueilte und ihr eine Hand auf den Mund presste.
»Jemand nähert sich uns«, flüsterte er nahe an ihrem Ohr. Sie zog seine Hand von ihrem Mund, aber passte auf, dass sie leise sprach.
»Culligan?«
»Ich kann es nicht sagen. Er scheint durch einen Zauber geschützt zu sein, der seinen Geruch überdeckt.«
Als Jagr sich darauf vorbereitete, den Jäger zu seiner persönlichen Beute zu machen, erstarrte er. Er hatte nur einen kurzen Augenblick Zeit, um den Geruch von Feuer wahrzunehmen, bevor eine Flasche durch das Fenster des Wohnmobils flog und in Flammen aufging. Instinktiv wich Jagr zurück. Feuer war der einzige Feind, den ein Vampir nicht bekämpfen konnte.
»Es ist an der Zeit für dich zu gehen, Regan.« Er schob sie auf die Flammen zu, die sich mit tödlicher Geschwindigkeit ausbreiteten. »Lauf!«
Sie wirbelte herum, um ihn schockiert anzufunkeln. »Sind Sie übergeschnappt?«
»Das Feuer ist nicht magisch, die Brandwunden werden heilen«, stieß er mit rauer Stimme hervor, wobei sein Körper vor Verlangen danach bebte, sie auf schnellstem Wege in Sicherheit zu bringen.
»Klar, nur um von dem verdammten Vampirkönig gekillt zu werden, wenn er entdeckt, dass ich wie ein Jammerlappen abgehauen bin und seinen Lieblingsschoßhund habe zu Toast verbrutzeln lassen.«
»Styx würde dir niemals etwas antun, und ich bin nicht der Liebling des Anasso, geschweige denn sein Schoßhund. Nun verschwinde von hier, verdammt!«
Der Rauch verdichtete sich, und die Hitze brachte auf Regans Gesicht bereits Schweißtropfen hervor, aber diese Frau weigerte sich halsstarrig zu fliehen.
»Vergessen Sie das, Meister. Das wird nicht passieren.«
»Verdammt!«
Uralte Flüche murmelnd sowie mit mehr als nur ein paar abfälligen Äußerungen über die Gehirne von Werwölfen im Allgemeinen und das einer Werwölfin im Besonderen, schlang Jagr die Arme um seinen persönlichen Dorn im Auge und durchbrach mit einem großen Sprung die Wand des Wohnmobils.