Rede und Antwort!

Die brennendsten Fragen an den Autor

Warum haben Sie dieses Buch geschrieben?

Mit diesem Buch schaffe ich Bewusstsein für die Idee des Ökolandbaus und zeige gleichzeitig, wie dehnbar der Begriff geworden ist. Aufgeklärte Konsumenten sind gegenüber Werbeeinflüssen besser gewappnet. Ökologische Landwirtschaft ist ein wichtiges gesellschaftliches Anliegen, das nach Transparenz verlangt. Nur so kann sie authentisch umgesetzt und weiterentwickelt werden. Biolandbau darf kein Marketinginstrument bleiben!

Ist es ethisch vertretbar, Informationen über Konzerne publik zu machen, die von den Konzernen selbst nicht freiwillig der Öffentlichkeit preisgegeben werden?

Lebensmittelkonzerne sind öffentliche Akteure, die auch in der Öffentlichkeit kommunizieren und Werbeaussagen tätigen. Wenn es Abweichungen zwischen medialen Selbstdarstellungen der Unternehmen und vorgefundener Wirklichkeit gibt, so sind diese von öffentlichem Interesse. Vor allem im Bio-Bereich sind Erwartungen und Hoffnungen von Konsumenten involviert. Die Realität zu zeigen, ist ein legitimes Unterfangen im Sinne des Konsumentenschutzes. Meine Recherchen habe ich mit größter Sorgfalt durchgeführt und auch die Wiedergabe der Ergebnisse ist gewissenhaft erfolgt. Das öffentliche Interesse an den Ergebnissen ist als höherstehend zu bewerten als das Interesse der BioTM-Konzerne an der Verschleierung der Realität.

Ist es in Ordnung, einzelne Akteurinnen und Akteure der Bio-Marken persönlich beim Namen zu nennen?

Ich habe auf die Nennung von Personennamen aus dem Kreis der Lebensmittelkonzerne konsequent verzichtet. Ausgenommen sind jene Personen, die sich bereits von sich aus in die Öffentlichkeit gestellt haben. Alles, was im öffentlichen Raum gesagt wird, darf auch in diesem behandelt und diskutiert werden. Ich habe stets darauf geachtet, mich nur mit öffentlich getätigten Aussagen von Personen auseinanderzusetzen. Die Menschen selbst sowie deren Persönlichkeitsrechte bleiben unangetastet.

Sie schreiben unter anderem über die Bio-Marke Zurück zum Ursprung (Hofer). Sie haben im Qualitätsmanagement der Werner Lampert Beratung GmbH und somit im Dienste dieser Marke gearbeitet. Verstoßen Sie nicht gegen geltendes Recht, wenn Sie Insider-Information über Zurück zum Ursprung preisgeben?

Alles, was ich über Zurück zum Ursprung oder über deren Zulieferbetriebe geschrieben habe, ist das Ergebnis monatelanger Recherchen, die ich nach meinem Austritt aus der Firma getätigt habe. Sämtliche Informationen, die aus meiner Zeit als Qualitätsmanager für Zurück zum Ursprung stammen, halte ich strengstens unter Verschluss. Was ich in diesem Buch veröffentlicht habe, geht ausschließlich auf meine journalistischen Recherchen unter Zuhilfenahme legaler Mittel der Informationsbeschaffung zurück, nicht aber auf meine Insider-Kenntnisse.

Sie schildern in Ihrem Buch auch Szenen aus landwirtschaftlichen Betrieben des Bio-Massenmarktes. Kommt das nicht einem Angriff auf die Bauernschaft gleich?

Ich identifiziere mich selbst mit dem ökologischen Bauerntum. Dass ich Agrarbiologe geworden bin, hängt mit meinem Interesse für biologische Landwirtschaft zusammen. Es geht mir darum, das Bio-Bauerntum – im ursprünglichen Sinne der Bio-Idee – zu unterstützen. Dies verlangt zwangsläufig eine kritische Beschäftigung mit der Vertragslandwirtschaft unter der Schirmherrschaft von immer größer werdenden Lebensmittelkonzernen. Bio-Bauern werden in diesem »Feldzug« der Wirtschaftsstrategen zu Hühnerfütterern, Lohnarbeitern und Vertragsgemüseproduzenten degradiert. Ich betrachte das »echte« Bio-Bauerntum als an der Kippe stehend. Bäuerinnen und Bauern, vor allem in Klein- und Mittelbetrieben, sind nicht als »Täter«, sondern eher als »Objekte« der Lebensmittelkonzerne zu betrachten. Es liegt mir fern, sie für die Entwicklungen am Bio-Massenmarkt verantwortlich zu machen.

Aber schaden Sie mit Ihrem Buch nicht dem Ökolandbau?

Unter ökologischen Agrarwissenschaftlern wird die »Konventionalisierung« der ökologischen Landwirtschaft schon lange diskutiert. Es ist Zeit, die berechtigte Sorge auch den Betroffenen mitzuteilen, nämlich den Konsumentinnen und Konsumenten. Ökologische Landwirtschaft liegt mir am Herzen. Das, was aber auf dem Massenmarkt aus ihr gemacht wird, stellt (trotz Bio-Zeichen) eine Verwässerung der Idee des Ökolandbaus dar. Mein Buch richtet sich daher gegen die Bio-Industrie, nicht aber gegen die biologische Landwirtschaft.

Sind die Betriebe und Fabriken, die Sie in diesem Buch geschildert haben, repräsentativ für den Bio-Massenmarkt?

Ja! Der konventionelle Lebensmittelhandel, zu dem die hier behandelten Bio-Marken gehören, funktioniert nur über Massenproduktion, Bündelung und Zentralisierung. BioTM-Hühnerställe mit weniger als 3000 Legehennen oder 4800 Masthühnern sind kaum zu finden – und dann höchstens als Vorzeigebetriebe. Bio-Fruchtgemüse aller Supermarktketten in Österreich wird von nur einer Handvoll großer Gemüseproduzenten hergestellt. BioTM-Brot ist grundsätzlich Industriebrot und nicht »traditionelle Handwerksware« und so weiter. Die Fotos und Angaben in diesem Buch, aus denen Betriebsgrößen und Wirtschaftsweisen hervorgehen, sind – im Gegensatz zur Werbung – ausgesprochen repräsentativ für den Bio-Massenmarkt.

Sind die Bio-Produkte in Supermärkten und bei Discountern also nun biologisch oder nicht?

Alle Produkte mit dem EU-Biozeichen (oder mit gleichwertiger Kennzeichnung) sind unter Berücksichtigung der gesetzlich-formalen Vorgaben für die »kontrolliert biologische Landwirtschaft« hergestellt worden. Da bestimmte Pflanzenschutzmittel, Düngemittel oder beispielsweise auch Lebensmittelzusatzstoffe und andere Betriebsmittel in der Bio-Produktion verboten sind, ist davon auszugehen, dass jedes gekennzeichnete Bio-Lebensmittel vom gesundheitlichen Standpunkt aus als besser zu bewerten ist als herkömmliche Ware.

In diesem Buch wird nicht infrage gestellt, dass Bio-Produkte den gesetzlichen oder verbandsabhängigen Vorgaben der biologischen Landwirtschaft entsprechen. Vielmehr geht es darum, zu zeigen, welche Spielräume zur »Konventionalisierung« des Bio-Marktes das Gesetz zulässt und wie der Bio-Massenmarkt in der Realität aussieht. Diese Realität ist im Kontext mit den inszenierten Selbstdarstellungen der Unternehmen sowie mit der Werbung zu beurteilen, die darauf abzielt, Vorstellungen entstehen zu lassen, die dieser Realität nicht entsprechen. Die gesetzlich-formalen Rahmenbedingungen für die »kontrolliert biologische Landwirtschaft« lassen ausreichend Platz, die ursprüngliche Idee des Ökolandbaus sowie die Vorstellungen der Bio-Konsumenten zu durchbrechen. Stellt man diese Entwicklung des Bio-Massenmarktes dem Öko-Nischenmarkt oder den Positionen der Ökolandbaubewegungen gegenüber, zeigen sich deutliche Abweichungen.

Wie laufen Bio-Kontrollen eigentlich ab?

Bio-Kontrollen werden meist durch autorisierte, privatwirtschaftlich organisierte Kontrollstellen durchgeführt. Die Überprüfung findet auf jedem Bio-Betrieb einmal pro Jahr statt und erfolgt üblicherweise nach vorhergehender Anmeldung des Kontrolleurs. Es wird nach Spuren gesucht, die auf den Einsatz verbotener Betriebsmittel und Praktiken hindeuten könnten (Verpackungsmaterial, Sackanhänger von Futtermitteln, Flaschen, Kanister etc.). Der Hauptteil der Kontrollen besteht jedoch in einer Überprüfung der Warenflüsse und des Betriebsmittelzukaufs. Die Betriebsleiter legen Rechnungen und Belege des Einkaufs vor: Saatgut, Futtermittel, Pflanzenschutz- und Düngemittel, Jungtiere etc. Auch der Verkauf muss belegt werden. Am Papier kann der Kontrolleur dann überprüfen, ob die vom Landwirt verkauften Erzeugnisse mit den Angaben zu seinem Betrieb übereinstimmen. Ein Beispiel: Der Bauer verfügt über eine Ölkürbisfläche von zehn Hektar, aus der sich rechnerisch ein Ertrag von etwa 7,5 Tonnen Kürbiskernen ergibt. Liegt die Menge verkaufter Kürbiskerne laut Aufzeichnungen deutlich darüber, muss die Herkunft der überschüssigen Ware erklärt und belegt werden. Der Schwerpunkt der Bio-Kontrolle liegt also in der Überprüfung von Warenflüssen, die aus den Aufzeichnungen der Betriebe und deren Partner hervorgehen. Ähnlich geht man auch vor, wenn man beispielsweise die Auslauftage von Rindern oder die Einsatzdauer des elektrischen Kuherziehers überprüft. Auch in diesen Fällen zieht man die Aufzeichnungen, die sogenannten »Auslauftagebücher«, heran. Bio-Kontrolleurinnen und Bio-Kontrolleure leisten gute Arbeit im Rahmen des Möglichen. Je größer ein Betrieb und je mannigfaltiger die Warenflüsse – beispielsweise durch regen Zukauf, Export oder Import –, desto komplexer und schwieriger gestalten sich die Kontrollen. Besonders schwer haben es die Kontrollstellen, wenn es um Großbetriebe der Lebensmittelindustrie geht, in denen vor allem konventionell produziert wird und die Bio-Produktion nur einen verschwindend kleinen Anteil ausmacht. Dort erfordert die Warenflusskontrolle größeren Aufwand; eine Begehung der Produktionsstätten und die Suche nach Spuren konventioneller Betriebsmittel ergibt keinen Sinn mehr: Das Konventionelle steht in diesen Betrieben ohnedies im Mittelpunkt.

Ist am ökologischen Nischenmarkt »alles besser«?

Der Öko-Nischenmarkt (Direktvermarkter, Bio-Läden, Bio-Bauernmärkte etc.) ist nur ein rudimentärer Teil dieses Buches. Er ist wesentlich weniger einheitlich als der BioTM-Massenmarkt, weil er eben nicht so zentral dominiert ist wie dieser. Letztendlich hängt in der Öko-Nische viel vom individuellen Engagement des jeweiligen Bauern oder des Bio-Händlers ab, weshalb es empfohlen ist, sich gezielt Ansprechpartner des Vertrauens zu suchen. Konzerninteressen spielen in der ökologischen Nische keine Rolle. Alte, auch regionale Rassen und Sorten sind vorwiegend am Nischenmarkt anzutreffen. Das bedeutet aber nicht, dass moderne Leistungssorten ausgeschlossen sind. Die Betriebsgrößen des Nischenmarktes sind deutlich kleiner, da es meist keine Verträge mit Großkonzernen gibt. Die Schlachtung ab Hof ist nur unter diesen entspannten Bedingungen möglich. Der Öko-Nischenmarkt ist von einem deutlich höheren Anteil an Handarbeit, geringeren Produktionsmengen und höherem Aufkommen von Mischkultur dominiert. Massenwerbung und Desinformationsmarketing fallen völlig aus, man tritt eher für verschärfte Mindeststandards ein. Einblicke und weitere Hinweise können den Kapiteln »Von echten Bio-Pionieren – Wofür der ökologische Landbau eigentlich stehen sollte« und »Der Weg zum aktiven Bio-Konsumenten – Was Sie tun können, um den Ökolandbau mitzugestalten« entnommen werden. Gänzlich unbehandelt bleiben in diesem Buch die »Bio-Supermärkte«, die vor allem in Großstädten zu finden sind und zum Bio-Fachhandel zählen. Sie sind irgendwo zwischen Massenmarkt und Nischenmarkt angesiedelt, doch sie im Detail zu behandeln, würde den Rahmen dieses Buches bei Weitem sprengen.

Kann die Menschheit durch Mischkultur und ökologische Landwirtschaft überhaupt ernährt werden? Ist ein hoher Industrialisierungsgrad nicht notwendig, um die Mengen zu produzieren?

Dass man die Menschheit nur durch zentralisierte Massenproduktion aus den Händen weniger Großkonzerne ernähren könne, ist ein Märchen, das insbesondere der Lebensmittelindustrie wunderbar ins Konzept passt. Es ist aber nicht wahr. Grundsätzlich gibt es zwei Wege zur Verbreiterung des Öko-Marktes. Neben dem BioTM-Massenmarkt wird in den Agrarwissenschaften der dezentrale Ausbau des Versorgungsnetzes als ernst zu nehmende Alternative diskutiert. Die Vervielfältigung der Klein- und Mittelbetriebe (»multiplying Davids«) und deren Einbindung in ein – ebenfalls nicht zentral gesteuertes – Vermarktungswesen, wäre ein gangbarer Weg, die biologische Gesamtproduktion ansteigen zu lassen. Agrarwissenschaftler an der Wiener Universität für Bodenkultur berichten: In ökologischen Mischkulturen lassen sich mindestens gleich hohe Erträge pro Flächeneinheit erzielen, wie in Monokulturen. Meistens sind Mischkulturen sogar ertragreicher.89 Insbesondere auf lange Sicht haben sie die Nase vorn, da sie nachhaltiger sind und sich günstig auf das ökologische Gleichgewicht der Böden sowie auf deren Nährstoff- und Wasserhaushalt auswirken. Wenn wir nach einer wirklich zukunftsfähigen, ertragssicheren Form der Landwirtschaft suchen, die die Bezeichnung »ökologisch« verdient hat, sollte die Mischkultur in unsere engere Wahl kommen. Der Einsatz angepasster Technologien und Maschinen ist auch in Mischkulturen möglich. Lediglich industrielle Methoden entfallen. Aus all dem ergibt sich, dass es in einer konsequent ökologisch wirtschaftenden Gesellschaft keinen Engpass an Nahrungsmitteln gäbe. Außerdem würde in einem solchen System, in dem auch die Handelsgewohnheiten anders wären, weniger Nahrung weggeworfen wird. Wer den österreichischen Dokumentarfilm »We feed the World« gesehen hat, weiß, dass allein in Wien jeden Tag so viel frisches Brot entsorgt wird, wie in Graz, der zweitgrößten Stadt Österreichs, täglich konsumiert wird. Viele Tonnen von Obst, Gemüse, Eiern und Fleisch landen jedes Jahr in den Mülltonnen, weil sie optisch nicht den Ansprüchen des Handels entsprechen, die logistischen Standardvorgaben nicht erfüllen oder sonstige »Schönheitsfehler« aufweisen. Solche Waren können qualitativ völlig in Ordnung sein. In den Müllräumen der Supermärkte stapeln sich jeden Abend nicht nur konventionelle, sondern auch biologische Lebensmittel, die noch genusstauglich sind. Nein, wir haben keinen Lebensmittelmangel! Wir leben – ohne jeden Zweifel – mit einer Überschussproduktion an Lebensmitteln.90 Eine angepasste, ökologische Produktion wäre allemal im Stande, uns Menschen zu ernähren.

Aber wer soll die Versorgung mit Lebensmitteln für die Zukunft sicherstellen? Sind nicht zentrale Konzerne und Bündelungsbetriebe als Einzige in der Lage dazu?

Apropos Zukunft der Menschheit: Ein dezentrales, reich strukturiertes Versorgungsnetzwerk ist wesentlich krisensicherer als der zentral diktierte Massenmarkt. Gerade, wenn es um die Sicherstellung unserer Ernährung geht, werden wir nicht umhin kommen, ein System aufzubauen, das eben nicht von wenigen Großversorgern, ihren kommerziellen Interessen und ihrer enorm energie- und technologiebasierten Wirtschaftsweise abhängt. Dezentrales Öko-Marketing, das vor allem von regionalen Klein- und Mittelbetrieben getragen wird, ist nicht nur sicherer, sondern ist auch in der Lage, die Vielfalt an Lebensmitteln, Sorten und Rassen zu erhalten. Nur so ist es möglich, einen genetischen Pool, ein Reservat zu schaffen, in dem das zehntausend Jahre alte Menschheitserbe, die Landwirtschaft, überleben kann. Es gäbe wieder mehr Bauern, die ihr vielfältiges Können und Wissen einbringen würden. Politik und Pädagogik könnten sich der spannenden Herausforderung widmen, den Berufsstand »Bauer« wieder attraktiv zu machen, weil es dann für Landwirtinnen und Landwirte eine Zukunft gäbe. Anstatt einer Handvoll industrieller Backgoliaths hätten wir zum Beispiel wieder viele, individuelle Regionalbäckereien. Es fänden mehr Menschen Arbeit in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelherstellung. (Dass Industrialisierung zu einem Abbau an Arbeitsplätzen führt, wurde bereits im Kapitel über Milchverarbeitung verdeutlicht.) Die Zukunft unserer (biologischen) Nahrungsmittel ist dezentral. Machen wir die Lebensmittelproduktion krisensicher!

Welche Reaktionen erwarten Sie seitens der Supermärkte und Discounter auf Ihr Buch?

Diese Frage, die schon im Vorfeld häufig an mich herangetragen wurde, ist schwer zu beantworten. Kritische Bücher – oder, wenn man sie so nennen will: »Schwarzbücher« – werden naturgemäß von den betroffenen Konzernen nicht gerade mit Freude aufgenommen, da sie ihr mühsam aufgebautes Image untergraben. Dennoch sind solche Bücher im Sinne des Konsumentenschutzes als wichtig zu betrachten. Es ist schon vorgekommen, dass Autorinnen und Autoren kritischer Literatur persönlich angegriffen und diffamiert wurden, so als würden ihre menschlichen »Fehler« irgendetwas an der Richtigkeit ihrer Aussagen ändern. Man nennt das dann »Schmutzkübelpropaganda«. Aber Hand aufs Herz: Den Vertretern unserer Bio-Marken traue ich persönlich ein deutlich höheres Niveau zu. Wie wird man also reagieren? Das frage ich mich auch. Wird man die Fehlaussagen, beispielsweise im Internet, bereinigen und so tun, als wäre nichts gewesen?

Zwei Beispiele: Kann man etwas, das gar kein ökologischer Fußabdruck ist, auch in Zukunft im Marketing noch als solchen bezeichnen? Können Apfelchips, die in Slowenien hergestellt werden, weiterhin »Apfelchips aus der Steiermark« sein? Ich denke nicht. Werden solche irreführenden Aussagen vielleicht als »ganz und gar unbeabsichtigte und versehentliche Ausrutscher« heruntergespielt werden? Wie viel »unbeabsichtigte« Desinformation kann man sich leisten, bevor das Ganze nach System aussieht? Möglicherweise wird man dieses Buch auch nach außen hin völlig ignorieren und so tun, als fühle man sich nicht betroffen. Eventuell wird man mit vermehrter medialer Aktivität antworten. Wir könnten dann in Medienbeiträgen noch mehr Hühner streichelnde Bauern präsentiert bekommen, noch mehr idealistische Handwerksbäcker oder noch mehr »Bauerntum«, Natur und Idylle. Falls es zu solchen Reaktionen kommen sollte, würde ich mir diese Beiträge genau ansehen und für mich persönlich die richtigen Fragen stellen: Wie ist die Kamera positioniert und welche Perspektiven werden gezeigt? Werden etwa nur Ausschnitte wiedergegeben? Wenn ja, was würde ich sehen, wenn die Kamera nach links oder rechts in die Ferne schwenkte? Ist das, was mir medial vorgeführt wird, wirklich repräsentativ für den Bio-Massenmarkt?

Mir ist beispielsweise ein »Informationsbeitrag« über Bio-Brot bekannt, der in einer konventionellen Industriebäckerei gedreht wurde. Alles, was dort irgendwie maschinell erledigt werden kann, wird den Robotern überlassen. Dennoch ist im »Informationsbeitrag« großtönend von »Handarbeit« die Rede – ein alter Hut. Die schnellen Fließbänder und der riesige Durchlauf-Ofen werden systematisch ausgeblendet. Gezeigt werden nur Winkel und Ecken der Hallen, die für den Gesamtbetrieb nicht sonderlich repräsentativ sind.

Der neueste Trend: Angebliche »Video-Blogger« propagieren im Internet Bio-Konzernprodukte. Die Beiträge wirken so, als handle es sich um private Videos von »Sonntagsausflügen« zu Bauernhöfen. Doch meine Fragen werde ich angesichts solcher Blogs auch in Zukunft vehement stellen: Handelt es sich bei den Bloggern vielleicht um Konzernangestellte oder bezahlte Dienstleister fürs Marketing?

Schon eine gewöhnliche Internetrecherche sollte in solchen Fällen Aufschluss geben.