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Wir hatten wenig Gepäck dabei und ritten schnell. Da ich das war, was meine irdischen Freunde einen alten Fuchs nannten, hatte ich vorsichtshalber einen Bogen mitgenommen. Es war ein großartiger lohischer Langbogen, den Chiako auf Lunkys Befehl hin besorgt hatte. Ich hatte nichts dafür bezahlt. Der prachtvolle Bogen, den ich von Meister Twang gekauft hatte, befand sich unter meinen Besitztümern bei San Chandro.

Unsere kleine Gruppe ritt schnell, aber nach einer gewissen Zeit mußten wir absteigen und die Zorcas zu Fuß weiterführen. Zorcas sind wunderbare Satteltiere, mit großen spindeldürren Beinen, feurig und temperamentvoll; es sind keine magischen Kreaturen, und sie müssen, wie jedes andere Reittier auch, richtig behandelt werden. In der Wüste kam es gelegentlich zu einer Sandverwehung, wenn eine zufällige Brise wehte. Ich hatte das unbehagliche Gefühl, daß wir in einen Sturm geraten könnten. Wenn das der Fall war, war es zwingend nötig, daß die Zorcas ausgeruht und frisch blieben.

Wir eilten Makilorn und dem Fluß entgegen, während wir unsere Reittiere über den Sand führten. Und natürlich gingen wir gerade zu Fuß, als die Glitch-Reiter zuschlugen. Wie sollte es auch anders sein!

Sie kamen schreiend über eine Düne, die abseits unseres Steuerbordbugs lag. Offenbar hatte einer von ihnen dort unsichtbar gelegen und unser Näherkommen beobachtet.

»Aufsitzen! Aufsitzen!« Chiako schrie es heraus. Er hatte Probleme mit seiner Zorca; das Tier bockte und trat mit den Hufen aus, während er die Zügel festhielt. »Halt still!« schrie er. »Aufsitzen!«

Nun, der Cadade versuchte seiner Aufgabe gerecht zu werden und das Nötige zu tun. Zweifellos hatte er noch immer Mevancys scharfe Worte im Ohr. Lunky versuchte der Dame Telsi beim Aufsteigen zu helfen, und Mevancy mischte sich ein und wollte Lunky helfen. Ein paar Mann von Chiakos Wachabteilung saßen bereits im Sattel, andere versuchten ungeschickt aufzusteigen.

Ich entschied mich, vor dem Aufsitzen einen Pfeil loszuschicken.

Da der Langbogen aus lohischer Herstellung stammte, war er erstklassig. Er war nicht aus der gleichen Klasse wie der, den ich von Meister Twang gekauft hatte – der war unübertrefflich, da gab es keinen Zweifel. Ich spannte den ersten Pfeil ein und dachte ziemlich unbewußt an Seg. Ich sagte mir leise: »Erthanfydd der Pingelige, der Schuß ist für dich«, und ließ ihn fliegen.

Der Pfeil flog gut. Er traf den Glitcher an der Spitze, der mit einem klagenden Aufschrei zur Seite aus dem Sattel kippte. Der nächste Pfeil war in der Luft, der dritte in meinen Fingern. Verglichen mit einem gewöhnlichen Bogenschützen, hielt ich meine Schüsse für recht gut. Seg hätte vier Pfeile auf die Reise geschickt, bevor man blinzeln konnte.

Neben mir herrschte ein ziemliches Chaos, und zwischen dem leisen Scharren der Zorcahufe im Sand und dem dummen Gebrüll konnte ich hören, wie Mevancy rief: »Hör sofort damit auf, Schwachkopf! Steig sofort auf, wenn du nicht allein zurückbleiben willst!« Ich ließ den dritten Pfeil los.

Nun, diesmal hatte sie recht. Es waren etwa zwanzig Glitcher, und drei lagen am Boden. Wenn wir alle geschossen hätten, hätten wir ihre Anzahl drastisch verringern können. Doch ich verstaute den Bogen, rief meine Zorca und schwang mich in den Sattel.

Jetzt würden wir losgaloppieren und sie abzuhängen versuchen. Ich nehme an, Mevancy hatte wieder recht, da wir an Lunky und Telsi denken mußten.

Ich erwartete bei der Flucht keine Probleme. Wir ritten Zorcas und die Glitcher sechsbeinige spitzköpfige Satteltiere mit schmalen Flanken, die man Wegener nannte; sie hatten wüstengelbes Fell und tückische Augen. Wir würden die Wegener mit Leichtigkeit hinter uns lassen – nun, das ist eine dumme Bemerkung. Wie ich damals glaubte, vermochte eine Zorca jedes Tier auf Kregen hinter sich zu lassen.

Die Glitch-Reiter ritten parallel zu uns und schwangen ihre Waffen. Sie benutzten bei ihren Raubzügen die gelben Wegener wegen ihrer tarnenden Färbung. Ihr eigenes Land bestand hauptsächlich aus Wüste und Grasland, und dort verwendeten sie jedes Reittier aus dem wunderbaren Artenreichtum, der den Kregern zur Verfügung stand. Einer oder zwei schossen uns hinterher; niemand wurde getroffen.

Trotz meiner Vorliebe für den Langbogen und meines Wissens um seine Macht in den Händen eines erfahrenen Bogenschützen – von den Wundern einmal abgesehen, wie sie ein Meister wie Seg zustande bringt – weiß ich doch, daß es Fälle gibt, in denen der kurze Bogen nützlich ist. Sehen Sie, sogar jetzt vermeide ich es, ihn als besser zu bezeichnen. Der kurze, zusammengesetzte und gebogene Bogen, wie ihn die valkanischen Bogenschützen benutzen, ist eine Waffe für den Sattel. Darüber, wie Seg den großen zusammengesetzten Bogen mit den geschickt verarbeiteten Sehnen und dem eingezogenen Horn einschätzte, wollte ich nicht nachdenken. Das war eine Angelegenheit für die Zukunft. Gerade jetzt, da wir durch die Wüste galoppierten und das Stampfen der Hufe uns zum Schweigen brachte, das Klirren der Rüstung und die wilden Schreie der Verfolger in unseren Ohren gellte, war die Zeit gekommen, um ein paar Schüsse auszuprobieren.

Was sollte das ganze Gerede, daß für den Kavalleristen der kurze Bogen leichter zu bedienen ist als der lange – nun, der Kavallerist kommt mit einem langen Speer oder einer Lanze gut genug zurecht, und einen Bogen kann man schräg halten, um zu verhindern, daß man das Tier berührt. Ich ließ mich ans Ende des Trupps zurückfallen und spannte einen Pfeil ein. Wie ein echter Parthianer drehte ich mich im Sattel um und schoß mit dem Langbogen. Der führende Glitcher stürzte von seinem Wegener, und ich nahm den nächsten Pfeil.

»Du Fambly, Schwachkopf – konzentrier dich auf das Reiten!«

Ich suchte den Glitcher aus und ließ die Sehne los. Da mir nichts Höfliches einfiel, das ich Mevancy sagen konnte, hielt ich meine alte faulzahnige Weinschnute geschlossen.

»Ach, du!« Sie ritt jetzt neben mir, und ein Pfeil des Feindes grub sich zwischen uns in den Sand. Also ließ ich mir etwas Nützliches einfallen und fauchte: »Reit an die Spitze und paß auf Lunky auf!«

Ein einzelner schneller Blick auf ihr Gesicht zeigte mir einen kregischen Sonnenuntergang, in dem die rote Sonne den Himmel beherrschte. Sie schäumte vor Wut. Mein dritter Schuß traf einen Glitcher, und ich griff nach einem weiteren Pfeil.

»So kannst du nicht mit mir reden, Drajak! Du vergißt, daß ich diejenige bin, den die Everoinye als Anführerin ausgewählt haben ...« Sie sagte nicht mehr, weil ihre Zorca stürzte. Das Wesen stieß einen schmerzerfüllten Seufzer aus. Es stürzte nieder, rutschte weiter vorwärts und zog eine Furche in den Sand. Ein Pfeil ragte heraus, häßlich und obszön an diesem schönen Tier. Mevancy fiel mit wehenden Gewändern Hals über Kopf hinunter und landete auf dem Rücken.

Ich hatte die Knie benutzt, um meine Zorca zu kontrollieren, eine alte Klansmanngewohnheit, und jetzt senkte ich zögernd den Bogen und besänftigte das Tier mit der rechten Hand. Ich redete ihm zu, wie ein Klansmann mit seinem Tier spricht, und wir kamen rutschend zum Stehen und kreisten umher; zweifellos boten wir dabei mit den Sandfontänen und den flatternden Gewändern ein hübsches Bild. Wir drehten uns und ritten zurück, wo sich Mevancy gerade erhob und ihr Schwert zog. Die Glitcher schrien triumphierend auf und kamen mit glänzenden Waffen herangefegt.

Wir hatten gerade eben genügend Zeit. Es müßte schnell gehen, aber wenn sie nicht herumdiskutieren und gleich aufsteigen würde, würden wir noch rechtzeitig wegkommen.

Nun, so wie Mevancy nun einmal war, wollte sie natürlich diskutieren, als ich sie erreichte.

Ich beugte mich hinunter, umgriff ihre Taille und hievte sie gewaltsam hoch. Sie war nicht leicht, aber doch nicht so schwer, wie ich erwartet hatte. Sie ritzte mich beinahe mit dem Schwert, fluchte, schrie und benahm sich im allgemeinen gräßlich.

Ich warf sie kopfüber vor mich hin und setzte die Zorca in Bewegung.

Ein Pfeil zischte an meiner Nase vorbei, ein anderer traf einen Steigbügel.

Die Zorca reagierte heftig, und wir ritten los.

Sie war ein prächtiges Tier. Ihr Name war Sandfresser und machte ihr auf vorbildliche Art und Weise Ehre, als wir durch die Wüste sausten. Die wilden Schreie der Glitcher ertönten hinter uns. Unser Trupp galoppierte immer noch vor uns; nicht ein einziger hatte sich zu unserer Hilfe umgewandt.

»Laß mich rauf! Laß mich rauf!«

Sie wand sich und versetzte mir einen donnernden Treffer mit dem Bein, als sie herumschwang, um aufrecht zu sitzen. Sie hatte ihr Schwert nicht fallen lassen und schob es in die Scheide; ich war nicht so dumm, irgend etwas Zustimmendes über dieses großartige Benehmen zu sagen. Nun ist eine Zorca nicht allzu lang. Ein einzelner Reiter kann bequem im Sattel sitzen. Wenn zwei reiten, zwingt sie der begrenzte Platz, eng hintereinander zu sitzen. Der enge und intime Kontakt störte mich nicht, und ich dachte auch nicht weiter darüber nach. Die Glitcher folgten uns immer noch und schossen, auch wenn ihre Pfeile zu kurz kamen, und ich beschäftigte mich vorrangig damit, was geschehen würde, wenn sie Sandfresser trafen.

Mevancy rutschte herum. »Sitz still, Gimpel! Sandfresser ...«

»Dann überlaß mir die Zügel, Fambly!«

Bevor ich schoß, hatte ich sie dort festgesteckt, wo sie nicht im Weg waren. Da sie vor mir saß, erschien es logisch, daß sie die Zügel übernahm. Sie hielt ihr Gleichgewicht hervorragend, aber dann rutschte sie wieder herum und schwankte hin und her. Ich nahm meine Füße aus den Steigbügeln und sagte: »Benutz die Steigbügel!«

Danach eilten wir so voran, wie es sein sollte. In unserer Nähe gingen keine Pfeile mehr nieder, aber ein vorsichtiger Blick nach hinten verriet, daß die Glitcher uns noch immer folgten. Zweifellos rechneten sie sich aus, daß ein doppelte Last tragendes Tier schnell ermüden würde.

Wir hatten es noch nicht geschafft, nein, bei Krun, noch lange nicht!

Da ich so dicht hinter Mevancy saß, konnte ich ihr Parfüm riechen; es war beinahe nicht zu bemerken und sehr gut. Geschickt angewandtes Parfüm ist bezaubernd, übertrieben benutzt ist es abstoßend. Wieder schaute ich zurück und sah, daß unsere Verfolger aufholten. So amüsant Mevancy nal Chardaz auch sein mochte, ihr Schicksal würde alles andere als amüsant sein, wenn sie in ihre Hände fiel. Wenn ich vielleicht versuchte, einen weiteren Pfeil ...

»Sitz still, Schwachkopf! Du wirst uns noch beide abwerfen!«

Sandfresser schien mühelos zu laufen, aber schließlich würde sie ermüden. Und dann ... »Wenn du dich nach vorn lehnst, Gimpel, kann ich auf sie schießen. Jeder, der fällt, ist ...«

»Ja, ja, das weiß ich. Aber du kannst so nicht schießen!«

Geduldig sagte ich: »Wenn du dich ein bißchen nach vorn beugst und meinem rechten Ellbogen etwas Platz machst. Ja, so. Gut.« Ich spannte den Pfeil ein, drehte mich um und schoß auf den führenden Verfolger. Ich verfehlte ihn.

Mevancys Augen glänzten, als sie nach hinten blickte. Sie öffnete den Mund, und genau da tat Sandfresser – die offensichtlich genauso von Mevancy eingenommen war wie ich – einen plötzlichen zusätzlichen Sprung nach vorn, und Mevancy keuchte, klammerte sich fest und fiel beinahe hinunter.

Als es ihr gelungen war, wieder aufrecht zu sitzen, hatte ich den nächsten Pfeil in den Fingern. Ich sagte: »Halt still und beug dich vor, Gimpel!« Und diesmal traf mein Pfeil den Burschen, der die Verfolgung anführte. Ich hörte seinen Schrei, als er stürzte. Bei Vox, die anderen ritten trotzdem weiter.

Es war sinnlos, den offensichtlichen Gedanken zu denken, der mir kam: Wie schön wäre es, wenn Seg neben uns ritte! Er würde den ganzen Haufen hinter uns spicken, bevor man nur blinzeln konnte. Und Inch mit seiner Axt würde die Köpfe der Kerle abschlagen, die immer noch nicht aufgeben wollten. Nun, die Herren der Sterne hatten mich meinem Zuhause und meinen Kameraden entrissen, und ich mußte mich so gut schlagen, wie ich es ohne sie vermochte.

»Du hast nur noch neun Pfeile übrig«, sagte Mevancy scharf, als sie mir über die Schulter blickte.

»Ich denke, zehn.«

Es hatte nichts mit Nachdenken zu tun; jeder Bogenschütze, der etwas taugt, weiß, wie viele Pfeile er noch im Köcher hat. Aber ich wollte nicht unhöflich sein.

»Es sind noch dreizehn von den Shints übrig.«

»Ich glaube nicht, daß sie uns weiter verfolgen, wenn wir ihre Zahl noch ein bißchen reduzieren.«

»Du bist so verdammt von dir überzeugt, Drajak! Es überrascht mich, daß dein Arm stark genug ist, um einen Bogen zu spannen.«

Bei der ganzen Aufregung hatte ich vergessen, daß sie mich für einen Schwächling hielt.

»Ich glaube, es ist ein Talent.«

So ging der nächste Pfeil natürlich daneben.

»Wenn«, sagte sie und spuckte es deutlich aus, »wenn diese Shints vor uns anhalten und wir alle zusammen schießen würden ...«

»Es gäbe trotzdem ein Handgemenge. Und da ist Lunky.«

»Und er kann nur an Telsi denken. Welch ein Schlamassel!«

»Es ist keine Schande für einen Mann, wenn er eine Frau beschützen will«, sagte ich etwas bissiger als beabsichtigt. »Oder die Frau den Mann. Selbst wenn die beschützte Person sich einbildet, ihre Selbstachtung nähme dadurch irgendwie Schaden.« Ich spürte, wie sich ihr Rücken versteifte, aber sie unterbrach mich nicht. »Ich habe nicht vergessen, wie du dich um mich gekümmert hast, Gimpel.«

»Und glaubst du nicht, ich hätte das nur getan, weil die Everoinye ...«

»Nein, das tue ich nicht. Oh, sicher, die Everoinye haben dich damit beauftragt, meine Haut zu retten. Ich glaube, du hättest auf jeden Fall so gehandelt.«

Da kam ihr Temperament – und meine Dummheit – zum Vorschein. Ruhig sagte sie: »Du wirst sentimental, Schwachkopf.«

Bei Val! Sie hatte recht!

Ich drehte mich um, spürte ihren Rücken an meiner Seite und ließ mit beträchtlicher Gehässigkeit einen Pfeil fliegen. Ein weiterer Glitch-Reiter stürzte in den Sand.

Die Reiter vor uns bauten stetig einen immer größeren Abstand zwischen uns auf. Das verriet mir ein schneller Blick in ihre Richtung; er zeigte mir auch, daß Lunky sich umdrehte und zurückschaute. Als ich mich nach hinten drehte, um einen weiteren Pfeil auf die uns verfolgenden Teufel abzuschießen, schien Lunky mit den Armen zu winken. Mein Pfeil traf, und ich griff nach dem nächsten.

Die ganze Wüste kippte um; die Welt Kregens stellte sich auf den Kopf, wirbelte mit mir herum und ließ mich mit einem Knall landen. Es gelang mir gerade eben, mich abzurollen und die Wucht des Falls abzufangen.

Mevancy stieß einen erstickten Schrei aus. Sie landete auf mir.

In meinen Augen war Sand, in meiner Nase war Sand. Sand, der sich in meinem Mund zusammenklumpte. Ich spuckte aus. Ich schüttelte den Kopf, und die berühmten alten Glocken von Beng-Kishsi spielten einen einzelnen klingenden Ton in meinem Schädel. Nachdem ich mir heftig über die Augen gerieben hatte, konnte ich die heranpreschenden Glitch-Reiter sehen; Sand wurde von den Hufen ihrer Reittiere hochgeschleudert, ihre Waffen funkelten, ihre Sandtücher flatterten mit der Schnelligkeit ihres Angriffs. Es war eine grausame Horde. Mevancy rollte von mir herunter und wand sich im Sand wie ein Fisch im Netz. Der Langbogen war nicht zerbrochen – Opaz sei Dank! –, und ich riß ihn hoch und legte einen Pfeil ein.

Einmal – zweimal – dreimal –, dann würde es zum Handgemenge kommen.

Es gelang mir, viermal zu schießen – und mir kam flüchtig der Gedanke, daß es Seg mit seiner alten spöttischen Art gefallen hätte –, dann war es Zeit für den Schlagabtausch.

Der Langbogen wurde zu Boden geschleudert. Der führende Reiter lehnte sich weit über den plumpen Hals seines Wegeners vor, den Speer hielt er tief. Die Spitze sah entschieden häßlich aus.

Da bäumte er sich schreiend auf. Sein Gesicht war eine blutige Maske. Ich erhaschte einen flüchtigen Blick auf Mevancy neben mir; sie hatte die Arme ausgestreckt. Ihr gerötetes Gesicht bot einen Anblick solch konzentrierter Furcht und Abscheu, daß ich für die hartnäckigen Glitcher fast ein wenig Mitleid verspürte. Der nächste Reiter stieß mit dem ersten zusammen, Sand wurde hochgeschleudert, die Wegener kippten zur Seite und gingen mit einem wirren Knäuel aus Gliedern zu Boden.

Es ergab keinen Sinn, darauf zu warten, daß der nächste freien Zugang zu uns hatte, also stieß ich eine Art schrillen Schrei aus, ein zusammenhangloses Kreischen, und sprang vor.

Ein Bursche mit einem ledernen Helm unter der Reitkapuze versuchte mich aufzuspießen. Ich wich dem Speer aus, packte ihn mit der Linken und riß an ihm. Während der Reiter eine Rolle vorwärts machte, schlitzte ich ihm die Kehle auf.

Mevancy schrie. »Nein, Lunky, nein! Weg da!«

Es blieb keine Zeit, um nachzusehen, was da los war. Obwohl ich es mir vorstellen konnte, bei Vox!

Der nächste Reiter hielt an, und die Hufe des Wegener peitschten im flachen Bogen Sand auf. Er zog sich zurück und fing an, mich zu umkreisen, und ich drehte mich mit ihm. Gleichzeitig schlug sich der nächste auf die andere Seite. So sollte es also ablaufen!

Sie würden uns umkreisen und mit den Speeren dort aufspießen, wo wir standen. Ich konnte vielleicht einige von den übriggebliebenen herunterholen, aber am Ende würden sie uns erwischen. Es war eindeutig, daß die Glitcher einer Gesellschaft entstammten, die menschlichem Leben keinen hohen Wert beimaß, weder dem eigenen noch dem fremder. Sie würden Lunky und mich töten und sich das Mädchen nehmen.

Ich rammte das Schwert in den Sand und hob den Langbogen auf.

»Lunky! Du Fambly! Du wirst umkommen!« Mevancy klang jetzt eher ärgerlich als verängstigt, also nahm ich an, daß sie sich etwas beruhigt hatte. Sie hatte mit ihren Depots zugeschlagen, den tödlichen Pfeilen aus ihren Unterarmen, und sie hatte einen von ihnen erwischt; die anderen würden außer Reichweite bleiben.

»Ich konnte nicht wegreiten und zusehen, wie du getötet wirst, Mevancy«, sagte Lunky.

Er kam zu uns und glitt von seiner Zorca. Die arme alte Sandfresser kämpfte auf dem Sand hinter uns darum, wieder auf die Beine zu kommen. In ihrer hinteren Flanke steckte ein Pfeil. Wenn wir sie zu einem Tierheiler bringen konnten, würde sie sich wieder erholen. Ich faßte Lunkys Zorca ins Auge. »Gimpel! Du und Lunky müßt losreiten! Jetzt!«

»Aber ...«

»Beim Schwarzen Chunkrah, Mädchen!« Dann legte ich los. »Wenn deine immerwährenden Everoinye wüßten, was sie tun, würden sie ihren verdammten großen blauen Skorpion schicken, um uns alle hier herauszuholen!«

»Drajak! Sei vorsichtig, was du über sie sagst ...!«

»Was, jetzt?« Ich stieß eine Art ersticktes Lachen aus. »Jetzt, da wir alle niedergemacht werden?«

Die Glitcher umkreisten uns und ließen den Sand aufstieben. Sie boten Ziele dar, die sie zweifellos als schwierig zu treffen einstuften. Wir standen ungeschützt da. »Sieh zu, daß du zu der Zorca gelangst! Lunky auch.« Der alte Teufel ertönte aus meiner Stimme, als sie Lunky packte und ihn gegen seine Zorca stieß. Ich trat vor sie. Jetzt mußten wir uns nur um eine Seite Sorgen machen, von der Pfeile kommen konnten, und wir mußten auf heimtückische Angreifer aufpassen, die sich hinter der Deckung der Zorca anschleichen konnten.

Die Glitcher sahen Leben und Tod auf fatalistische Weise. Zweifellos hatte keiner, der von der Gruppe von Kriegern übriggeblieben war, einen einzigen Gedanken an seine toten Kameraden verschwendet. Solange das Mädchen zu haben war, würde jeder von ihnen um sie kämpfen. Als sie um uns herum ritten und die ersten Pfeile heranflogen, zog ich in Betracht, daß es hier weder um Tapferkeit oder Dummheit, sondern einfach um Gelüste ging.

Die alte Krozairtechnik, Pfeile aus der Luft zu schlagen, würde mich in dieser Lage am Leben erhalten. Ich konnte entweder das Schwert oder den Bogen für die listigen Drehungen und Beugungen benutzen. So würde mir nichts passieren. Mevancy und Lunky – nun, sie mußte ich retten. Deshalb würde ich vor sie springen, und ich mußte verdammt aufpassen, daß kein abgewehrter Pfeil die Zorca traf. Während ich das tat, konnte leicht ein Pfeil angeflogen kommen und sich in mich bohren. Ich konzentrierte mich und fing an, Pfeile aus der Luft zu schlagen.

Lunky wollte nichts damit zu tun haben.

Er stellte sich neben mich und fuchtelte mit dem Schwert in der Faust herum, so daß ich aus dem Weg springen mußte.

»Lunky!« schrie Mevancy.

Sie zerrte ihn zurück, und er schüttelte sich wie ein nasser Hund. Ein Pfeil bohrte sich vor seinen Füßen in den Sand, als ich ihn aus der Bahn schlug.

»Laß mich an sie heran!« schrie er und fuchtelte schäumend mit dem Schwert umher.

Welch ein Zirkus! Jedesmal wenn ich einen Pfeil abwehrte, konnte ich das Bild sehen, das wir abgaben. Und ich war froh, daß einige meiner Kameraden an diese Farce nicht teilnahmen. Turko! Bei Val! Er würde nie aufhören, von diesem ausgesuchten Beispiel einer Prescot-Narretei zu erzählen. Das war sicher!

Es war ziemlich offensichtlich, daß es nicht mehr lange so weitergehen konnte. Entweder würde ich einen Pfeil verfehlen, und einer von uns würde getötet werden, oder Lunky würde sich von Mevancy losreißen und vorstürmen, um sich spicken zu lassen. Das Ende war schließlich so gewöhnlich, daß der ganze Witz meiner Meinung nach aus allen Fugen geriet. Die Glitch-Reiter hörten auf, uns zu umkreisen, drehten sich um und galoppierten weg. Kurz darauf trabte ein Trupp Kavallerie vorbei und nahm die Verfolgung auf. Trylon Kuong und sein Gefolge hielten vor uns an. Er war sehr überrascht, uns unter solchen Umständen hier in der Wüste vorzufinden, und als er abstieg und uns begrüßte, sagte er: »Ich bin gekommen, um dich zu holen, San Lunky Mishuro. Das Kollegium versammelt sich.« Seine Stimme klang freudlos. »Die Königin ist tot.«