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Absolute Verzweiflung überkam mich. Ich hatte versagt! Die Herren der Sterne enttäuscht! Eine Katastrophe!

Diese unberechenbaren und unduldsamen Überwesen duldeten keine Fehler.

Ein blauer Schein hüllte mich in diesem Schlafgemach des Todes allmählich ein. Ich schwöre, der blaue Schein um mich herum wuchs und verdichtete sich. Ich stand da mit leeren Händen; mein Schwert steckte noch im Hals San Hargons, der vor dem Bett lag, auf dem Boden neben ihm die unbewegliche Gestalt Pulvias, das Gesicht nach unten. Auf dem Bett befand sich der kurz zuvor getötete San Mishuro, der Mann, mit dessen Schutz, wie ich geglaubt hatte, mich die Herren der Sterne beauftragt hatten. Also stand ich da und wartete darauf, daß die große, blaue, geisterhafte Gestalt des Skorpions erschien, um mich in die wirbelnde Kälte zwischen den Sternen zu schleudern. Die Everoinye würden ihren Skorpion schicken, um mich zurück auf die Erde zu entreißen, um mir alles zu nehmen, was ich auf Kregen liebte – vielleicht für immer.

Ich schwöre, daß dieses Schlafgemach von der blauen Strahlung beleuchtet wurde.

Vielleicht konnte ich den Herren der Sterne nicht so trotzen, wie ich es eigensinnig und dumm einst getan hatte, um für einundzwanzig Jahre zur Erde verbannt zu werden. Aber konnte es mir möglicherweise diesmal gelingen; die geistige Abwehr zu bilden, an der ich gearbeitet hatte, und so den Zorn der Herren der Sterne abzuwehren und ihr Vorhaben zu vereiteln? Während ich keuchend dort stand, die Leichen und das Blut wie durch einen blauen Nebel sah, schrie ich lautlos in meinem Innern: »Nein! Nein! Ich will auf Kregen bleiben!«

Schließlich benötigten die Herren der Sterne meine Hilfe hier. Das hatten sie mir mitgeteilt. Es gab so viele Dinge, die erledigt werden mußten, daß das Problem darin lag, den richtigen Anfang zu finden.

Eine Stimme durchschnitt meine verworrenen Gedanken, schrill vor Wut.

»Da ist er! Er hat den San getötet! Streckt ihn nieder!«

Der blaue Schein verschwand, der Nebel löste sich auf.

Zwei schwarzgekleidete Männer, vermummt mit schwarzen Masken, sprangen durch die offene Tür des Schlafgemachs und schwangen Schwerter. San Hargon, der mit meinem Schwert im Hals neben dem Bett lag, hatte tatsächlich Verstärkung mitgebracht, und da war sie, bereit, den Tod ihres Herrn zu rächen.

Das Schwert, das in Hargon steckte, war eine hiesige Waffe, ein lohischer Lynxter, den mir die Kregoinya Mevancy, meine Kameradin, gegeben hatte. Den beiden Meuchelmörder mußten meine leeren Hände aufgefallen sein, als sie auf mich zustürmten, und es gefiel ihnen zweifellos.

Zugegeben, ich spürte, wie mir das Blut im Kopf pulsierte. Ich riß mein Rapier heraus, in dieser Gegend eine fremde Waffe, und stürmte den Meuchelmördern mit aller Kraft entgegen. Ich gebe es zu. Ich brüllte vor grimmiger Bosheit, getrieben von der furchtbaren Erwartung einer schrecklichen, von Kregen getrennten Zukunft; ich schrie wie ein angstgeschüttelter Speerträger in der Schlachtenreihe. Ich war beträchtlich aufgebracht. Ich glaubte immer noch, daß ich verächtlich zurück zur Erde geschleudert werden sollte, und ich hatte nicht vor, schwerverwundet dort zu landen. Nein, bei Vox!

Also stürzte ich mich auf die beiden Meuchelmörder, Stikitches von nicht geringem Können, und unsere Klingen trafen mit dem gänsehauterzeugenden Kreischen von Stahl auf Stahl aufeinander.

Sie hatten sichtlich keine Ahnung von der Rapiertechnik. Ihre Hiebe und Stiche stockten und kamen zu kurz, als ich ihnen ein paar Fechttricks zeigte, die ihnen dort, wo sie hingingen, wahrscheinlich keinen Nutzen brachten. Das Rapier glitt weiter – einmal, zweimal –, und ich trat zurück. Die Körper polterten auf die dicken Teppiche. Ich verspürte nur geringe Scham (weit weniger, als eine ähnliche Vorstellung unter anderen Umständen gerechtfertigt hätte), gering wegen dieser unbedeutenden Vorstellung. Es wäre sinnlos gewesen, sie zu verhören. Was hier geschehen war, war deutlich an den blutverschmierten Leichen abzulesen.

Das Rapier wurde mit einer schwarzen Gesichtsmaske gesäubert, dann ging ich zu Hargon hinüber und holte mir meinen Lynxter. Während ich dastand und mit dem schwarzen Stoff die Klinge abwischte, um auch den letzten Blutfleck zu entfernen, hörte ich die trampelnden Geräusche gerüsteter Männer, die sich draußen auf dem Korridor dem Schlafgemach näherten.

Möglicherweise gab es einen geheimen Ausgang, aber es blieb mit Sicherheit keine Zeit mehr, den verborgenen Riegel, der die Geheimtür öffnete, zu suchen und zu finden. Ich blickte mich wie ein in die Enge getriebenes Raubtier um, entschlossen, mir einen Weg durch die selbstbewußten, gerüsteten Männer zu bahnen, und links und rechts um mich schlagend direkt in die Dunkelheit hineinzustürmen. Das war der Plan.

Trylon Kuong war der erste Mann, der durch die Tür kam.

Mein Schwert vollzog einen kurzen Bogen als Salut, dann schob ich die saubere Klinge zurück in die Scheide.

»Was geht hier vor, Drajak ...?« begann er. Dann sah er das wüste Durcheinander und hielt inne. Männer versammelten sich hinter ihm, und alle blieben stehen, um in das Schlafgemach des Todes zu starren.

»Wir wurden überlistet, Kuong.« Ich sprach mit scharfem Tonfall. Er war ein Trylon, ein höherer Adelsrang, und ich wollte mich so schnell wie möglich auf der gleichen Ebene mit ihm verständigen. Ich wollte nicht vor ihm kriechen. Er war noch sehr jung, und ich mochte ihn allmählich. Mit seinen klaren Augen, den rosigen Wangen und festen Lippen verkörperte er jeden Zentimeter den jungen kühnen Draufgänger, den tollkühnen Schwertkämpfer, den edlen Galan. Ich konnte mir vorstellen, daß er das alles zu gegebener Zeit sein würde; aber bis jetzt hatte die Erziehung durch seinen Vormund San Caran einen jungen Burschen hervorgebracht, der schwermütiger war, als er es sich eigentlich erlauben konnte, selbst wenn man die seltsamen Umstände seiner vielen Leben auf Kregen in Betracht zog.

»San Tuong ist tot. San Hargon auch. Drajak ... Was?«

Meine Handbewegung schloß den ganzen Raum ein. Der scharfe Gestank vergossenen Blutes hatte schon immer meinen Geruchssinn beleidigt, obwohl ich, Zair möge mir verzeihen, ihm schon wahrlich oft ausgesetzt gewesen war. Die Wärme des Ortes war erdrückend. »Wie du siehst, Kuong, hat San Hargon diese arme Frau als Werkzeug benutzt. Sie hat sich an den Wachen vorbeigestohlen und Tuong Mishuro ermordet. Dann hat Hargon sie erstochen. Die eine Hälfte des Plans lag darin, daß wir alle zu deinem Haus eilen sollten, um deinen feinen San Caran daran zu hindern, dich zu töten. Dieser Teil ist gelungen.« Ich musterte ihn. Ich hatte keine Bedenken, ihn daran zu erinnern, was er mir schuldig war, denn ich erkannte, daß er mir und den Herren der Sterne in Zukunft von Nutzen sein konnte. »Der andere Teil, der deinen Tod zur Folge haben sollte, ist erfreulicherweise gescheitert.«

»Sei bedankt, Drajak!« sagte er sofort impulsiv und offenherzig. »Meine Dankbarkeit sei dir gewiß. Wenn es etwas gibt ...«

»Zuerst müssen wir uns darüber klar werden, was wir mit den Leichen anfangen. Bist du sicher, daß wir keine Vergeltung zu erwarten haben, weil wir Dikaster getötet haben?«

Er lachte verächtlich, und ich bin sicher, er durchlebte noch einmal die noch gar nicht lange zurückliegenden gefahrvollen Momente, da die Meuchelmörder versucht hatten, ihn zu töten. Sein Lachen klang brüchig. Er legte eine Hand auf die Wange, wo das helle Blut die Schramme verriet, die er sich bei dem Kampf in der Villa zugezogen hatte. »Absolut, Drajak. Durch ihre Taten sind Hargon und Caran nicht länger wert, Dikaster zu sein. Sie haben auf dem Kollegium den Schwur abgelegt, um Bewahrer zu werden und den Geboten Tsung-Tans treu zu dienen. Sie haben diesen Schwur gebrochen. Ich bezweifle sogar, daß sie ein normales Begräbnis erhalten.«

Chiako der Bauch, der Hauptmann der Leibwache des toten Tuong Mishuro, polterte: »Werft sie in den Fluß!«

Der Fluß der Treibenden Blätter, an dem die Stadt Makilorn errichtet worden war, enthielt neben vielen verschiedenen Arten von Fischen die doppelflossigen und gefräßigen Stranks. Jeder, der versuchte, im Fluß ein Bad zu nehmen, würde schnell zu Strankfutter werden.

»Aye!« knurrten die Wachen, die sich in der Tür drängten.

Ich war nicht überrascht.

Dikaster wurden als heilig angesehen, sowohl Bewahrer wie Hargon und Caran als auch Seher wie Tuong Mishuro. Der bedauernswerte Mishuro hatte nicht geglaubt, daß ein Dikaster seinen heiligen Schwur brechen werde. Nun hatte die Verschwörung ihr Ziel erreicht, und sein Vertrauen hatte ihm den Tod gebracht.

Wieder berührte Kuong seine blutverschmierte Wange. »Hier ist es sehr heiß«, sagte er. Ich sprang vor und fing ihn auf, als er stürzte. Seine Augenlider flatterten.

»Wasser!« brüllte ich laut.

Der Zusammenbruch des jungen Trylon schien den Bann im Schlafgemach des Todes zu brechen. Chiako, zweifellos von Sorgen über seine persönliche Zukunft erfüllt, übernahm das Kommando. Für ihn war ich Walfger Drajak, ein Freund Mishuros. Er erkannte mich nicht als Chaadur wieder – ein Namen und eine Verkleidung, die ich angenommen hatte – und eilte Befehle erteilend umher. Trylon Kuongs eigene Wächter trugen ihn zurück in seine Villa. Ich hatte Verständnis für ihn. Die Ereignisse dieses Abends reichten aus, um einen grauhaarigen Veteran aus dem Gleichgewicht zu bringen, wenn man dabei in Betracht zog, daß die grundsätzlichen religiösen Dogmen dieser Menschen gebrochen worden waren.

Erst da überkam mich die Erkenntnis, daß ich mich immer noch in Mishuros Villa befand, in der Stadt Makilorn am Fluß der Treibenden Blätter, im Land Tsungfaril auf dem Kontinent Loh der Welt Kregen.

Eigentlich hatte ich erwartet, zu diesem Zeitpunkt nackt in irgendeinen gottverlassenen Winkel der Erde geschleudert worden zu sein.

Die Herren der Sterne hatten angefangen, in dem Raum die blaue Strahlung zu erzeugen; davon war ich überzeugt. Aber man hatte mich nicht zwischen den Sternen zurück auf den Planeten meiner Geburt versetzt. Unter dem guten Dutzend Personen, die für unseren Schutz in Frage kamen, war San Tuong Mishuro jedoch der aussichtsreichste Kandidat gewesen. Ich nenne Mevancy einen Kregoinye; tatsächlich war sie eine Kregoinya, eine Frau, die den Everoinye diente. Sie würde ein bißchen daran zu beißen haben, daß ich bei Mishuro falsch gelegen hatte. Es würde ihr zwar sehr leid tun, daß der alte Junge tot war, aber sie mußte um so begieriger sein, herauszufinden, wer das tatsächliche Objekt war. Die Herren der Sterne wollten, daß wir hier irgend jemanden beschützten. Nun hatte sich – so dachte ich – herausgestellt, daß es nicht Mishuro war. Wer war es dann?

Draußen im Säulengang atmete ich durch. Ich mußte dafür sorgen, daß Llodi die Stimme, ein Kamerad, den Pulvia niedergestochen hatte, bevor sie dann Mishuro niederstach, die richtige Pflege erhielt. Dann wollte ich quer durch die Wüste zurück nach Westen reisen, zu den Quellen von Benga Annorpha, Mevancy finden und sie über den neuesten Stand der Ereignisse in Kenntnis setzen.

O ja, sie würde sich ziemlich sarkastisch über meine Meinung äußern, daß Mishuro der Auftrag gewesen war. Vielleicht war er es dennoch – und die Herren der Sterne ließen sich mit meiner Bestrafung einfach nur Zeit. Die Everoinye waren unberechenbar. Sie waren einst menschliche Wesen gewesen und hatten sich jetzt weit über die normale Daseinsform aus Fleisch und Blut hinausentwickelt. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie sie aussahen, wie sie lebten, ob sie immer noch essen und trinken mußten. Ich wußte, sie machten Fehler. Wenn sie so alt waren, wie ich annahm – und sie gaben zu, alt zu sein –, vielleicht wurden sie senil? Das war, wie Sie sich sicher vorstellen können, ein äußerst unangenehmer Gedanke. Äußerst, bei Krun!

Sie wollten, daß Mevancy und ich hier unten in Tsungfaril in Loh etwas taten. Jetzt konnte ich erkennen, wie einfältig ich in der Vergangenheit gewesen war. Ich hatte mich einfach daran orientiert, was die Herren der Sterne verkörperten. Ich hatte versucht, mich ihnen zu widersetzen, und sie hatten mich für einundzwanzig schreckliche und elende Jahre zur Erde zurückgeschleudert. Sollte mein verzweifelter Versuch, ihre Bemühungen zu vereiteln und mich nicht zurückschicken zu lassen, erfolgreich gewesen sein? Ich beschloß, mich nicht darauf zu verlassen, sondern entschied, daß meine Arbeit für die Herren der Sterne noch nicht abgeschlossen und ich ihnen weiterhin von Nutzen war. Das, so überlegte ich, war eine logischere Erklärung der Ereignisse.

Also war es zwingend notwendig, daß ich so bald wie möglich mit Mevancy sprach.

Aus dem Tod San Hargons und der Aufdeckung seiner Verbrechen resultierte unter anderem, daß mir das Gesetz nicht mehr auf den Fersen war. Ich war kein gesuchter Flüchtling mehr. Dafür war ich dankbar. Eine Verkleidung anzulegen und sich versteckt zu halten, ist zwar ein interessanter Zeitvertreib, aber man schafft sich dadurch doch unnötige Probleme, wenn man für die Everoinye arbeitet.

Llodis herrlich gespaltene Nase wies nicht den üblichen Glanz auf, als ich ihn auf dem Rücken liegend auf einem Sofa vorfand. Ein Nadelstecher machte sich konzentriert an der Dolchwunde in Llodis Seite zu schaffen; sein gelber Kittel war bereits von seinem Blut befleckt.

»Wird er leben, Doktor?« sagte ich.

»He!« kreischte Llodi. »Schreib mich nicht so schnell ab, Dom.«

Der Nadelstecher sprach, ohne sich umzudrehen. »Die Wunde ist nicht ernst.«

»Tsung-Tan sei Dank dafür.«

»Aber nicht dieser mörderischen Teufelin!« platzte es aus Llodi heraus.

»Du hast es gehört?«

»Ich habe es gehört.«

»Ich glaube nicht, daß sie im wesentlichen eine böse Frau war, Llodi – nur irregeführt und damit leicht auf einen bösen Pfad zu lenken.«

»Mich hat sie auf jeden Fall mit ihren bezaubernden Reizen hereingelegt.«

»Du mußt schnell wieder gesund werden. Ich glaube nicht, daß die Sache beendet ist. Noch lange nicht, bei Zair.«

Er nickte und gähnte dann, als der Nadelstecher geschickt eine Nadel einführte und die Kräuter an ihrer Spitze anzündete. Llodi verspürte keine Schmerzen. Sobald seine Seite geheilt war, würde er so gut wie neu sein. Llodis Augenlider schlossen sich.

Der Arzt stand auf und bürstete sich die Knie ab.

»Er wird zwölf Clepsydras schlafen. Dann wird er heilen.«

»Dein Name, Doktor?«

»Wei Fwang. Ich diene Trylon Kuong.«

»Du wärest nicht beleidigt, wenn ich dich bitten würde, diese Kleinigkeit Gold anzunehmen?«

»Ich wäre es vielleicht gewesen, als ich jünger war. Jetzt nicht mehr.«

Ich gab ihm das Gold. Er war aufmerksam, hatte ein schmales Gesicht, dafür aber überraschend großen Tränensäcke unter den Augen. Er war, wie ich, ein Apim.

Er ging munter weg, um nach Kuongs Ohnmacht zu sehen, und ich ging langsam auf das Haupttor von Mishuros Villa zu.

Es gab keine Möglichkeit, noch in dieser Nacht zu den Quellen von Benga Annorpha aufzubrechen. Ich würde zum Drinnik der Reisenden gehen müssen, um eine Karawane zu finden, die nach Westen zu den Quellen reiste. Ich dachte nach. Vielleicht konnte ich die Reise allein auf einem guten Reittier wagen. Vielleicht. Ich war allein von den Quellen hierhergeritten und nicht getötet worden, also gab es keinen guten Grund, warum ich nicht zurückkehren sollte. Außer einem: Es hatte Gerüchte über Plünderer aus dem Norden gegeben, die am Fluß entlang eingesickert waren, und mindestens zwei Karawanen waren angegriffen worden. Ein einsamer Reisender forderte einen Überfall förmlich heraus.

Nun, ich würde diese Entscheidung dem Morgen überlassen.

Jetzt, da die Leute aus Mishuros Villa fleißig aufräumten, dachte ich mir, daß ich dringend einen Schluck brauchte. Als ich den gerade zu mir nehmen wollte, holte mich der Alarm zu Kuongs Villa. Ich hatte mich etwas beruhigt und konnte die Ereignisse aus dem Abstand heraus besser einschätzen. Sie hatten uns prächtig hereingelegt. Carans Angriff auf Kuong hatte uns, mit mir an der Spitze, alle dorthin eilen lassen, und der Weg für Pulvia war frei, den armen Llodi niederzustechen – zweifellos beim Küssen. Dann waren Hargon und seine Muskelmänner hereingeplatzt, und das Endresultat war das Schlafgemach des Todes gewesen. All das stand in Einklang mit den Gesetzen der Logik. Was nicht dazu paßte, war die Unvermeidbarkeit dieses Ereignisses, das jetzt seinen Abschluß gefunden hatte.

Caran und Hargon waren beide darin verwickelt gewesen. Sie hatten unter einer Decke gesteckt, wie man so sagt.

Ich war mir ziemlich sicher, daß in die Sache noch andere und weitaus mächtigere Kräfte und Personen verwickelt waren. Im Schatten verborgene Gestalten, die im Hintergrund lauerten und an den Schnüren ihrer Marionetten zogen. Marionetten wie die Sans Caran und Hargon!

Das Nachtleben der Flußstadt Makilorn war sehr farbig, und unter den Sternen spielte sich ein buntes Treiben ab, auch wenn es nicht so rauh wie in Vondium oder so zügellos wie im heiligen Viertel von Ruathytu zuging. Mit Sicherheit hatte es nichts mit dem Nachtleben von Sanurkazz gemein. Bei Zair! Gibt es irgendeinen Ort auf der Erde oder auf Kregen, wo es so wüst zugeht wie in Sanurkazz, wenn die Schnellen Segler anlegen?

Ich kam zu einem Haus, dessen Fassade mit Stuck verziert war und wo die Leute an kleinen runden Tischen saßen und die örtlichen Getränke zu sich nahmen. Natürlich konnte man importierte Weine bekommen, aber sie kosteten etwas. In diesem Land mit seiner durch die nahe Wüste bedingten Trockenheit, dessen Seele der Fluß war, war importiertes Ale sehr beliebt. Ich bestellte einen Krug Shenlitz, setzte mich in eine versteckte Ecke und sah mich um.

Mein Rücken juckte.

Das bedeutete, daß mir etwas, das ich nicht näher benennen konnte, Sorgen bereitete.

Also gut. Die Herren der Sterne hatten Mevancy und mich hier nach Tsungfaril versetzt. Ich hätte gewettet, daß wir Mishuro beschützen sollten, doch jetzt war Mishuro tot, und ich war immer noch hier, was bewies, daß ich falsch gelegen hatte. Da waren die anderen, die zusammen mit unserer Karawane eingetroffen und von Mevancy gerettet worden waren, was sie deshalb logischerweise ebenfalls für einen weiteren Schutz in Frage kommen ließ.

Das war unwiderlegbar. Ich war absolut davon überzeugt, daß die Herren der Sterne an diesem abgelegenen Land mit seinem unerschütterlichen Glauben an das kommende Himmlische Paradies interessiert waren. Warum sich die Herren der Sterne dafür interessierten, wußte ich nicht. Was sie wußten und taten, war ihre Sache. Letzten Endes lief es auf folgendes hinaus: Mevancy und ich mußten die Person oder die Personen finden, um die sich die Everoinye kümmern wollten, und sie mit unserem Leben beschützen.

Leicht.

Ha!

Es gab folgendes zu tun: den Krug leeren, einen Happen zu essen besorgen, dann zu Mishuros Villa zurückkriechen, mein Lager aufsuchen und schlafen gehen.

Am nächsten Morgen würde sich alles aufklären.

Der letzte Tropfen Shenlitz rann mir durch die Kehle, und ich stand von dem Tisch auf, den Krug noch immer in der Hand.

Ein Mann blieb bei dem Tisch stehen. Er trug das hier allgegenwärtige hellbraune Gewand, einen gelben Turban über dem dunkelhäutigen Gesicht, hatte leuchtende Augen und eine Hakennase.

Mir fiel die Spange auf, die eine Ecke seines Umhangs zusammenraffte – glitzernder Tand, der einen Schwertfisch in einem Ring darstellte. Im nächsten Augenblick schoß eine Hand aus dem Ärmel des Gewandes, und ich sah das bösartige Glitzern von Stahl. Er warf mit unfehlbarer Treffsicherheit. Der Dolch blitzte direkt auf meine Kehle zu.