27. Trauma

 

Vielleicht hätte ich mitgehen sollen. Aber irgendjemand muss hier sein, wenn Harro zurückkommt. Dralle stand mit gemischten Gefühlen am Zaun. Er beobachtete Tank, der erst zögerte und dann ins Hotelzimmer stürmte. Keine Frage, dass er sich überwinden musste, hineinzugehen.

Ich will nicht wissen, wie es in dem Zimmer aussieht! Dralle kehrte der Hotelfassade schaudernd den Rücken und wieselte eilends ins Haus zurück. Erst als er die Terrassentür wieder verbarrikadiert hatte, fühlte er sich sicherer. Hoffentlich bleibt das auch so, dachte er. Sonst scheiß´ ich mir nur wieder in die Hose. Aber es war keiner da, der mit ihm lachte.

Ein paar der Süßigkeiten auf dem Tisch schienen ihn anzulachen; sie zwinkerten ihm zu. Nimm mich, sagten zwei von ihnen. Nein mich, hauchte ein besonders brauner Schokoladenriegel mit großen Nussstücken. Wie unter Zwang griff er danach und biss hinein.

Igitt, ist das süß, schluckte er schwer daran. Der Rest des Riegels kicherte leise. Ich glaube, ich werde irre.

Angewidert warf er die überzuckerte und glutenverseuchte Süßigkeit auf den Tisch zurück.

Vielleicht sollte ich mir einen runterholen, dachte er schief grinsend. Quatsch, ich bin ja nicht Schrippe.

Ein kleiner Schluck Wasser spülte den ekelhaften Geschmack teilweise wieder aus seinem Mund. Ein zweiter größerer Schluck machte dem Ganzen dann ein Ende.

So, was mache ich jetzt mit dem angebrochenen Tag? Auf meine Freunde warten, was sonst?

Er packte sich einen Stuhl, platzierte ihn vor dem Fenster und machte es sich darauf bequem. Durch einen Minispalt im schweren Vorhang linste er hinaus auf die Straße. Ihm war klar, dass er sich auf eine lange Wartezeit einrichten musste.

Und so verrannen die Stunden, aber keiner seiner Freunde ließ sich blicken. Langsam keimte in ihm die Befürchtung, dass sie nicht mehr zurückkommen würden. Sie waren tot oder was noch schlimmer war, untot. Aber wenn er das glaubte, konnte er jetzt gleich, hier und jetzt ... Er senkte den Kopf und versuchte die destruktiven Gedanken zu verdrängen, was ihm natürlich nicht gelang. Das hatte er noch nie gekonnt. In seinem tiefsten Herzen war er ein Melancholiker und neigte zu Depressionen. Diese Scheiß-Zombie-Situation machte es auch nicht besser.

Jetzt kommt das Selbstmitleid, dachte er zynisch. Wär´ ich doch bloß zu Hause geblieben.

Frustriert rieb er sich das Gesicht, bis es brannte und ihn ablenkte. Wie erwartet half die Maßnahme ganze zwei Minuten.

Ungeduldig stand er auf, fing an mit pendelnden Armen und vor sich hin murmelnd im Zimmer umherzulaufen. Er fühlte sich einsam, allein gelassen. Wie damals, als er gerade mal sechs Jahre alt war. Sein Vater nahm ihn mit in die Stadt, und er hatte sich so auf den Ausflug gefreut, den Tag mit seinem Papa zu verbringen. Doch dann war Papa weggegangen. Ich bin gleich wieder da, hatte er gesagt. Es wurde Abend, dann wurde es Nacht. Schließlich schlief der kleine Dralle auf dem Rücksitz ein.

Jahre später erfuhr er, dass sein Papa in der Kneipe versackt war. Der Wirt kam mit einem neuen Fass Bier am Auto vorbei und entdeckte den kleinen Dralle zusammengerollt auf der Rückbank. Und so war es gekommen, dass seine Mutter ihren zurückgelassenen Sohn nur wenig später empört nach Hause holte.

Mit Schaudern dachte Dralle noch heute an diese Nacht, als ihn der eigene Vater im Stich ließ. Und jetzt fühlte er sich genauso; Harro, Tank und Schrippe hatten ihn auch im Stich gelassen. Seine Hände wurden feucht, er schwitzte unverhältnismäßig viel. Das ist die Hitze, dachte er und wischte sich die Stirn ab. Diese Scheiß Hitze.

Unruhig ging er auf und ab, wischte sich die Hände immer wieder an seiner Hose ab. Schnurstracks tappte er in eine neue Depression. Seine Gedanken trieben bizarre Kreisspiele. Sie drehten sich nur noch um seine Freunde, wie sie ihn einfach hier sitzen ließen. Draußen wankte der Tod umher und er war hier allein. Womöglich sogar ganz allein auf der Welt!

Dralle erschrak. Bleich wie die Wand taumelte er, strauchelte über die eigenen Füße. Dann kippte er wie ein gefällter Baum nach hinten. Im Fallen wirbelte er mit spastischen Bewegungen seine Arme durch die Gegend, in der Hoffnung sich an etwas festhalten zu können. Aber der böse Gott des Aufpralls meinte es nicht gut mit ihm. Er schlug so heftig mit dem Hinterkopf auf die Fliesen, dass sein Bewusstsein mit einem Schwall Blut aus seinem Kopf geschossen wurde. Dunkelheit erfasste ihn und dann war da nichts mehr.

 

 

 

Wird Harro einen angenehmen Schlaf finden? Verwandelt sich Robert Tucker in einen Zombie und attackiert Harro? Kommt Mrs. Santiago zum Tee? Kann er aus der Wohnung entkommen?

Schaffen es Tank, Schrippe und die anderen zurück zum Hotel? Und was erwartet sie dort? Lebt Mbele noch?

Wie ergeht es Dralle? Verschläft er die Zombie-Katastrophe? Oder wird er selbst zum Zombie? Oder was? Wo kommen die Zombies überhaupt her?

 

Diese und weitere dringende Fragen beantwortet wahrscheinlich Teil 2.

 

 

 

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