11. Pläne schmieden

 

Tank und Dralle betraten das Zimmer und sahen mich am Fernseher toben. Tank hob nur kurz eine Braue und überging meinen Wutausbruch. Wir waren schließlich alle gereizt und unsere Nerven gespannt wie Drahtseile. Da war Ausflippen nur noch eine Frage der Zeit.

Dralle war immer noch bleich wie die besagte Kalkwand, grinste aber erleichtert, als er Schrippe und mich wohlauf sah. "Das alte Ding stammt wohl noch aus dem letzten Jahrhundert? Würde ich auch draufhauen!"

Ein Seitenblick streifte die barbusige Brünette.

"Du warst die ganze Zeit beschäftigt, stimmt´s?", fragte er Schrippe anzüglich. "Du hast keine Ahnung, was läuft, oder?"

Ich hob beide Hände und rief: "Schluss mit dem Scheiß. Wir müssen uns überlegen, wie wir von der verdammten Insel runter kommen."

Dralle wirkte betroffen und nuschelte: "Du hast recht." Er ließ sich auf den einzigen Stuhl im Zimmer nieder.

Tank kam aus dem Badezimmer und sah wieder aus wie neu, bis auf sein blutverschmiertes T-Shirt und die verdreckten Bermudashorts. Er grinste schief. "Wir sollten zum Flughafen und versuchen in eine Maschine zu kommen. Ich bin überzeugt, dass die die Leute evakuieren werden."

Ich sah zu Dralle und Schrippe. "Was meint ihr?"

Dralles Gesicht nahm langsam wieder Farbe an, ein rötliches Grau. "Was bleibt uns denn übrig?"

"Zombies, sagt ihr? Wie im Film? Dann müssen wir so schnell ..." Schrippe wehrte immer wieder die aufdringlichen Avancen seiner brünetten Gespielin ab. Sie schlang die Arme um seine Beine, streichelte ihn im Schritt und stöhnte und jammerte.

"Lass das!" Ärgerlich schob er die Frau von sich weg, dann hielt er sie mit ausgestrecktem Arm auf Abstand. "Flughafen ist aber keine gute Idee, weil da jeder hingeht. Dort wird es von Zombies nur so wimmeln"

"Egal. Wir sollten jede Chance nutzen", warf ich amüsiert ein. Wie Schrippe sich wiederholt gegen die eindeutigen Angebote wehrte, war reinste Komik. Genauso schnell fasste ich mich aber wieder, denn es gab eigentlich nichts zu lachen.

"Ich glaube, wir kratzen jetzt das zusammen, was jeder von uns mitnehmen will und hauen dann von hier ab", schlug ich den Freunden vor.

Dralle erhob sich und ging geradewegs ohne ein weiteres Wort aus dem Zimmer. Ich ließ Tank und Schrippe stehen und folgte ihm, allerdings vorsichtig und nach allen Seiten sichernd.

Obwohl ich wusste, was sich noch vor ein paar Minuten draußen vor der Tür abgespielt hatte, erschütterte mich der Anblick der blonden Frau, die mit aufgerissenem Bauch an der Wand lehnte, zutiefst. Ihr Leib war weit geöffnet und die Eingeweide hingen auf und um die Leiche herum. Der Zombie lag mit eingeschlagenem Kopf, ebenfalls fürchterlich zugerichtet, neben der Frau, fast in ihrer Achselhöhle. Der ganze Fußboden war in weiten Umkreis um die zwei Leichen blutbesudelt. Große Lachen hatten sich gebildet.

Ich blickte stur geradeaus, als ich wieder Magensäure spürte, und stieg schnell über die beiden Toten hinweg. Meine Füße klatschten auf dem nassen Boden. Das war ein ekelerregendes Geräusch. Ich hetzte weiter und erreichte unbeschadet unser Zimmer.

Dralle hatte schon einen kleinen Rucksack hervor gezaubert und stopfte lebensnotwendige Dinge wie Unterwäsche, Toilettenbedarf, Zigaretten und Ähnliches hinein. Als ich das Zimmer betrat, schreckte er zusammen und fuhr entsetzt herum.

"Oh, Gott! Hast du mich erschreckt. Ich dachte ein Zombie ..." Seine Stimme zitterte und sein Gesicht war ein einziges graues Einerlei.

"Du siehst scheiße aus", kommentierte ich und griff mir meinen Rucksack. Ich zog mir eine Jeans über und ein neues T-Shirt an, dazu festes Schuhwerk. Meine Jeansjacke legte ich bereit. Aus dem Tresor nahm ich nur meine Papiere und meine Geldbörse. Beides passte in die Innentasche meiner Jacke.

Dralle hatte sich wieder beruhigt und sortierte weiter seinen Koffer aus. Anscheinend konnte er sich bei manchen Dingen schwer entscheiden, sie zurückzulassen.

Ich mischte mich da nicht ein, das war einzig und allein sein Bier. Stattdessen nahm ich den Hörer des Telefons ab und wählte die Zentrale an. Ich hörte es klingeln. War auch kein Wunder, warum sollte der interne Telefonverkehr nicht mehr funktionieren?

Doch in der Telefonzentrale saß niemand mehr; jedenfalls kein lebender Mensch.

Schließlich probierte ich aus, ob ich eine Direktverbindung nach draußen bekommen konnte. Tatsächlich klingelte es nach etlichen Sekunden. Ich zitterte vor Aufregung, musste den Hörer mit beiden Händen festhalten, sonst hätte ich ihn fallen gelassen.

Aber meine Freundin meldete sich nicht. Ob sie ... Der Gedanke erschreckte mich.

Nach mehrmaligem Klingeln brach die Verbindung dann ab. Ich wählte gleich noch mal, aber nun kamen nur noch Störgeräusche aus der Leitung.

Resigniert legte ich den Hörer zur Seite. Zitternd fuhr ich mir mit den Händen über das Gesicht. Ich musste so schnell wie möglich nach Hause; meine Freundin brauchte mich. Wahrscheinlich hatte sie ihr Handy liegen gelassen oder verloren, meines war ja auch weg, tröstete ich mich selbst.

Ich raffte mich zusammen und schnappte mir meine Jacke. "Wir müssen los!"

"Moment, bin gleich soweit", nuschelte Dralle vor sich hin und fummelte weiter in seinen Habseligkeiten herum.