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Jonathan ließ den Computerbildschirm nicht aus den Augen. Der Balken war fast voll, die Suche so gut wie abgeschlossen.
Endlich: »Suche beendet. 68 Übereinstimmungen gefunden.«
Rasch tippte er: »Ephedrinmangel.«
Ungeduldig sah er zu, wie das kleine Lupensymbol sich im Kreis um das Wort »Suche« bewegte.
Und dann: »0 Übereinstimmungen gefunden.«
Nächster Versuch: »Ephedringehalt zu niedrig.«
»0 Übereinstimmungen gefunden.«
»Verdammt«, flüsterte er und klopfte mit dem Finger auf die Schreibtischplatte.
Er versuchte es mit: »Ephedrin, extra.«
»0 Übereinstimmungen gefunden.«
»Ephedrin, Übermenge.«
»0 Übereinstimmungen gefunden.«
Jonathan sah auf den Cursor, der stetig vor sich hin blinkte, und dachte nach. Dann tippte er »Suche nach Datum« und gab den Monat und die Tage an, innerhalb derer die verfälschten Präparate hergestellt worden waren.
»Zwei Übereinstimmungen gefunden.«
Er rief die beiden Übereinstimmungen auf und verglich die Daten. Die beiden ephedrinhaltigen Präparate waren am selben Tag hergestellt worden wie die veränderten Wonne-Kapseln und der Mei-ling-Balsam. Und es gab keinen Bericht über Ephedrinfehlmengen.
Nun holte er sich die Tätigkeitsberichte der ganzen Woche auf den Bildschirm und ließ die Liste der gesamten Produktionen ablaufen. Als er unten angekommen war, ging er zurück zum Anfang und folgte der Liste dann noch einmal ganz langsam bis zum Ende. Er las Tag und Uhrzeit jeder einzelnen aufgezeichneten Herstellung.
Drei Daten fehlten. Die Dateien waren gelöscht worden.
Jonathan ließ den Computer stehen und ging zum Überwachungsmonitor.
Charlotte war immer noch in Adrians Büro. In ihrem Gesicht stand helle Wut.
»Bleib ruhig, Charlotte«, murmelte Jonathan. »Wir sind dicht dran. Dreh jetzt nicht durch.«
Plötzlich erinnerte er sich an einen anderen Abend vor langer Zeit, als er und Charlotte gegen das Gesetz verstoßen hatten, und ihm fiel wieder ein, wie ruhig sie damals trotz großer Anspannung geblieben war. An diesem Abend hatte er ihr seine erste »Blue Box« gezeigt, ein kleines Gerät, das Wähltöne imitierte, so daß man umsonst telefonieren konnte. Natürlich war es verboten und deshalb um so aufregender. Die beiden Fünfzehnjährigen hatten sich nachts aus dem Haus geschlichen und zu zweit in eine Telefonzelle an der Ecke von Geary und Van Ness Street gezwängt. Dort hatte Jonathan Charlotte gezeigt, wie man die »Blue Box« am Hörer anbrachte, wählte und dann am anderen Ende das Telefon klingeln hörte, ohne einen einzigen Cent eingeworfen zu haben. Es war mitten in der Nacht, und als er ihr den Hörer ans Ohr hielt, hatte Charlotte ganz dicht neben ihm gestanden.
Der Spaß hatte noch in derselben Nacht ein Ende gefunden. Jonathan hatte in einem Müllcontainer hinter dem Gebäude der Telefongesellschaft herumgestöbert und Charlotte, die zitternd im Dunkeln auf ihn wartete, eine frierende, aber treue Komplizin seines Verbrechens, ein paar alte Handbücher und Ausdrucke zum Halten gegeben.
Als sie dann eine halbe Stunde später auf dem Polizeirevier saßen und darauf warteten, daß Jonathans Vater und Charlottes Großmutter sie abholten, hatte Jonathan Charlottes tapfere Miene bewundert.
Sie wußten beide, daß sie eine harte Strafe zu erwarten hatten – höchstwahrscheinlich würde man ihnen den weiteren Umgang miteinander verbieten.
Jonathan erinnerte sich, daß er davor die meiste Angst gehabt hatte. Mehr als alle Polizeistrafen, mehr als alles, was sein Vater mit ihm anstellen konnte, hatte er gefürchtet, man könne ihm Charlotte wegnehmen.