Der Stand Ihrer erotischen Entwicklung

Sie sind jetzt in einer günstigen Situation. Sie haben alle Voraussetzungen, sich einen genauen Überblick über den Stand Ihrer erotischen Entwicklung zu verschaffen:

Sie haben sich mit der Frage auseinander gesetzt, ob für Sie mehr das sexuelle Können oder das sexuelle Wollen von Bedeutung ist. Ob Sie eher dem entsprechen möchten, was als normal gilt und was von einer Frau oder einem Mann erwartet wird, oder ob Sie Farbe bekennen zu Ihrem individuellen eigenen Begehren.

Sie haben den sexuellen Umgang mit Ihrem Partner neu durchdacht: ob Sie weiter versuchen, es Ihrem Partner recht zu machen und vor lauter Vor- und Rücksicht das zu kurz kommen lassen, was Ihre eigene Sexualität ausmacht. Oder ob Sie es darauf ankommen lassen, Ihr erotisches Profil zur Geltung zu bringen und sich mit dem Profil Ihres Partners auseinander zu setzen. Und ob Sie sich dem Unterschied Ihrer beiden erotischen Profile stellen wollen.

Sie wissen genauer, ob Sie sich darauf einlassen wollen, aus alten, unbefriedigenden Verhaltensmustern auszusteigen und neue Verhaltensweisen auszuprobieren. Vor allem ist Ihnen Ihre persönliche Spiel- und Experimentierfreude klarer geworden – ob Sie eher viel Sicherheit brauchen und schon vorher wissen müssen, wie alles ausgeht, oder ob Sie es auch drauf ankommen lassen. Ob Sie Probieren wichtiger als Studieren finden.

Sie können die Angst einschätzen, die es Ihnen macht, wenn Sie neue Schritte in Ihrer erotischen Entwicklung gehen. Und Sie haben die Güterabwägung vorgenommen, ob sich der Aufwand lohnt – oder ob Sie doch lieber alles so lassen, wie es ist.

So ist das bei Ihnen. Und bei Ihrem Partner? Erotische Entwicklungen verlaufen meist nicht genau synchron. Meist ist der eine Partner einen Schritt voraus und der andere zieht mit, wehrt sich, braucht Bedenkzeit, macht einen anderen Schritt. Jeder Partner folgt seiner eigenen Logik und seinen eigenen Gefühlen. Das kann dazu führen, dass Sie an manchen Stellen Ihres Weges weiter auseinander sind, als Ihnen lieb ist. Das muss nicht schlimm sein, wenn Sie in Bewegung bleiben und einigermaßen im Bild sind, wo Ihr Partner gerade steht. Und ob Sie noch in Sichtweite und in Hörentfernung zueinander sind.

Mit dem nächsten und letzten Test können Sie einschätzen, wie weit Sie miteinander gekommen sind. Wie bei allen Tests und Übungen in diesem Buch gibt es auch hier keine richtigen und falschen Antworten. Denn Sie sind es, der entscheidet, wie viel Gemeinsamkeit und wie viel Unterschied Ihnen gut tut und zu Ihnen passt.

Test 9: Unsere erotische Passung

Dieser Test ist für beide Partner gedacht. Füllen Sie die Fragen zunächst getrennt aus.

Im zweiten Schritt vergleichen Sie dann Ihre Ergebnisse.

Der Test komprimiert die Fragen, die sich auf die vier Kernbotschaften beziehen, die Sie ja bereits im Kapitel »Neue Freiheiten und selbstbestimmte Erotik«, Seite 8ff., kennen gelernt haben, und ist entsprechend kurz.

Nehmen Sie ein Blatt kariertes DIN-A4-Papier und teilen Sie es in eine obere und eine untere Hälfte.

In jede Hälfte tragen Sie vier Skalen ein, die jeweils von 1 bis 5 reichen. In die obere Hälfte kommen dann die Werte für Sie selbst, in die untere Hälfte die für Ihren Partner.

Test 9: Unsere erotische Passung

Frage 1: Können und Wollen

Ich sehe Sex als etwas Normales, das manchmal klappt, manchmal nicht. Ich sehe Sex als etwas sehr individuelles, das man selbst gestaltet.

1 – – – – – – – – 2 – – – – – – – – 3 – – – – – – – – 4 – – – – – – – – 5

Frage 2: Partnerbestimmt oder selbstbestimmt?

Mir ist vor allem wichtig, es meinem Partner beim Sex angenehm zu machen. Mir ist es wichtig, dem Partner auch dann zu zeigen, was ich sexuell will, wenn er nicht gleich damit einverstanden ist.

1 – – – – – – – – 2 – – – – – – – – 3 – – – – – – – – 4 – – – – – – – – 5

Frage 3: Neugier und Spielbereitschaft

Ich muss beim Sex zuverlässig wissen, wie wir miteinander umgehen. Ich bin zu allen möglichen sexuellen Experimenten bereit.

1 – – – – – – – – 2 – – – – – – – – 3 – – – – – – – – 4 – – – – – – – – 5

Frage 4: Risikobereitschaft

Wenn mir die Veränderung Angst macht, lasse ich mich nicht darauf ein. Veränderungen gehen nur mit Risiko. Das nehme ich in Kauf.

1 – – – – – – – – 2 – – – – – – – – 3 – – – – – – – – 4 – – – – – – – – 5

Kreuzen Sie für jede Frage an, welche Position Ihnen am ehesten entspricht. Die beiden Extrempositionen 1 und 5 sind kurz beschrieben. Wenn diese nur teilweise zutreffen, kreuzen Sie entsprechend 2 oder 4 an. Wenn beide zutreffen, kreuzen Sie 3 an.

Test 9: Unsere erotische Passung, Fortsetzung

Auf der unteren Seite des Blattes geben Sie an, wie Sie die Position Ihres Partners einschätzen.

Ich selbst

Können und Wollen

1 – – – – – – – – 2 – – – – – – – – 3 – – – – – – – – 4 – – – – – – – – 5

Partnerbestimmt oder selbstbestimmt?

1 – – – – – – – – 2 – – – – – – – – 3 – – – – – – – – 4 – – – – – – – – 5

Neugier und Spielbereitschaft

1 – – – – – – – – 2 – – – – – – – – 3 – – – – – – – – 4 – – – – – – – – 5

Risikobereitschaft

1 – – – – – – – – 2 – – – – – – – – 3 – – – – – – – – 4 – – – – – – – – 5

Mein Partner

Können und Wollen

1 – – – – – – – – 2 – – – – – – – – 3 – – – – – – – – 4 – – – – – – – – 5

Partnerbestimmt oder selbstbestimmt?

1 – – – – – – – – 2 – – – – – – – – 3 – – – – – – – – 4 – – – – – – – – 5

Neugier und Spielbereitschaft

1 – – – – – – – – 2 – – – – – – – – 3 – – – – – – – – 4 – – – – – – – – 5

Risikobereitschaft

1 – – – – – – – – 2 – – – – – – – – 3 – – – – – – – – 4 – – – – – – – – 5

Ihr Partner macht das Gleiche auf seinem Blatt.

Auswertung

1. Vergleich Selbsteinschätzung und Einschätzung durch den Partner: Vergleichen Sie zunächst, ob sich Ihre Selbsteinschätzung und die Einschätzung durch Ihren Partner in wesentlichen Punkten unterscheiden. Diskutieren Sie, wie diese Unterschiede zustande kommen. Lassen Sie sich von Ihrem Partner aber keinesfalls überreden. Bleiben Sie im Zweifelsfall bei Ihrer Selbsteinschätzung.

2. Selbsteinschätzung – mein erotischer Entwicklungsstand: Addieren Sie die vier Skalenwerte. Sie erhalten einen Wert zwischen 4 und 20

17 bis 20: Perfekt! Ihnen stehen alle Ihre erotischen Ressourcen zur Verfügung. Sie leben eine authentische Sexualität, die ohne falsche Kompromisse ist, und Sie verwirklichen das, was Ihnen entspricht.

14 bis 16: Sie sind auf dem Weg zu einer selbstbestimmten Erotik weit gekommen. Sie sind weitgehend Herr bzw. Herrin Ihrer erotischen Möglichkeiten.

11 bis 13: Sie sind unterwegs. Sie haben den einen oder anderen Schritt gemacht. Im Prinzip wissen Sie, worum es Ihnen geht. Dass Sie gelegentlich zögern, macht nichts. Gehen Sie Ihr eigenes Tempo!

8 bis 10: Sie sind sehr vorsichtig aufgelegt. Ihnen ist noch ein bisschen heikel zumute. Sie möchten den einen oder anderen Schritt wagen, aber Sie brauchen Zeit. Geben Sie sich die Zeit, die Sie brauchen!

4 bis 7: Ihre Zeit für eine Entwicklung zur selbstbestimmten Erotik ist noch nicht gekommen. Drängen Sie sich nicht: Gut Ding will Weile haben!

3. Erotische Passung: Vergleichen Sie jetzt Ihre eigene Selbsteinschätzung und die Selbsteinschätzung Ihres Partners. Dieser Vergleich ist natürlich nur dann aussagefähig, wenn Sie sich nicht heimlich aufeinander abgestimmt haben.

Berechnen Sie die Differenz zwischen Ihren beiden Werten: Mein Wert …… – Wert meines Partners …… = Passung ……

Damit haben Sie die Differenz Ihrer erotischen Selbstbestimmung errechnet. Je kleiner dieser Wert, desto besser die Passung. Da es um die Differenz zwischen Ihren Werten geht, brauchen Sie lediglich den Betrag zu beachten, nicht das Vorzeichen (– 7 ist also gleich zu bewerten wie + 7).

0 bis 2: Sie sind sich weitgehend einig, wie Sie die erotische Selbstbestimmung in Ihrer Partnerschaft gestalten wollen. Viel Spaß dabei!

3 bis 5: Ein Partner ist dem anderen etwas voraus, aber Sie sind beide noch im selben Boot. Bleiben Sie im Gespräch miteinander!

6 bis 8: Sie haben sehr unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie es erotisch miteinander weitergehen soll. Vorsicht! Sie haben dringenden Klärungsbedarf, wohin Sie miteinander gehen wollen!

9 und mehr: Alarm! Sie sind so weit auseinander, dass Sie eine partnerschaftliche Krisensitzung einberufen sollten. Legen Sie sich gegenseitig die Karten auf den Tisch, wo Sie den erotischen Kontakt zum Partner verloren haben! Mindestens einer von Ihnen beiden ist auf dem Weg in die erotische Emigration.

Wenn Sie mit dem Ergebnis unzufrieden sind oder wenn Sie den Eindruck haben, dass alles nichts genutzt hat, nicht die vier Kernbotschaften, nicht die Analyse Ihres sexuellen Profils, kein Spiel, nicht die Überlegungen zum Risiko, zur Angst und zu den Vorteilen der Nichtveränderung – und wenn Sie trotzdem weiterkommen wollen, dann haben Sie möglicherweise etwas Entscheidendes übersehen. Etwas, das so wichtig ist, dass es schon wehtut, weil es unromantisch und offensichtlich ist: Es liegt alles allein bei Ihnen. Bei allen Veränderungen in einer Partnerschaft fangen die beiden Partner nicht gleichzeitig an, Hand in Hand. Schön wär’s vielleicht. Aber so geht es nicht. Einer fängt an – und der andere wird schon darauf reagieren. Trauen Sie Ihrem Partner etwas zu! Und wenn Sie wollen, dass sich etwas rührt, dann fangen Sie selbst an. Nicht Ihr Partner. Sie!

Dass Sie selbst für Ihre Erotik verantwortlich sind, ist eine Sache. In vielen Sexratgebern ist zu lesen, dass Sie sich nicht unter Druck setzen sollen, weil er alles noch schlimmer macht. Das stimmt nur halb. Zutreffend ist, dass zu viel Druck Sinnlichkeit und erotischen Genuss verderben kann. Aber die andere Hälfte der Wahrheit ist, dass wir Menschen ohne irgendeinen Druck nichts ändern. Wenn es irgendwie so geht, wenn wir so halb zufrieden dahindümpeln – dann nehmen wir keine Veränderung in Angriff.

Das heißt auch: Ein gewisses Maß an sexueller Unzufriedenheit ist ganz hilfreich. Sie ist der Stachel, der einem keine Ruhe lässt. So ist die sexuelle Unzufriedenheit ein produktiver Ruhestörer – wenn man auf sie hört. Trauen Sie Ihren Gefühlen! Sie sind gute Ratgeber. Wenn sich Ihre sexuelle Unzufriedenheit meldet, nehmen Sie es als Hinweis, dass Sie versäumt haben, auf Ihre sexuelle Selbstbestimmung und damit auf die Erhaltung Ihrer Lebensqualität zu achten. Und was Sie dafür tun können, wissen Sie jetzt.

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Sam:

Nimm deine Unzufriedenheit ernst! Sie ist ein guter Berater.

Guter Sex trotz Liebe

Vergessen Sie bei allen Überlegungen die einfachste nicht: Die wichtigste Voraussetzung für guten Sex ist es, überhaupt Sex zu haben! Erotik lebt von der Variation. Dazu gehört auch der unsensationelle Alltag sexueller Begegnungen in langjährigen Beziehungen. Die aufregenden sexuellen Erlebnisse sind nur zu haben, wenn man die weniger aufregenden ebenso bejaht. Sex ist manchmal auch trivial, manchmal nicht mehr als nett und manchmal auch ein Flop. Der sexuelle Alltag verhindert nicht das erotische Fest – und umgekehrt auch nicht. Im Gegenteil: Das Fest braucht den Alltag. Erst im Kontrast zum Alltag macht das Fest einen Unterschied. Dauerfeten nutzen sich ab.

Wenn wir mit dem Menschen, den wir lieben, keinen Sex haben, weil wir auf besseren, anderen, stärker aufregenden oder besser befriedigenden Sex warten, wird sich der gute Sex nie einstellen. Guter Sex braucht mittelmäßigen, ja manchmal auch banalen Sex. Mit gutem Sex verhält es sich wie mit guten Partys: Wer nur auf die richtig guten Partys gehen will, geht selten auf Partys. Man weiß es ja nicht vorher. Aber wer in Kauf nimmt, dass Partys gelegentlich mittelmäßig ausfallen, der ist auch dabei, wenn es richtig gut abgeht.

Je länger Partnerschaften dauern, desto mehr ist Erotik eine Frage der Entscheidung und der aktiven Gestaltung. Während beim jungen Sex die Lust dem sexuellen Handeln vorausgeht, geht beim »reifen« Sex die Entscheidung der Lust voraus. Nicht das Warten auf den spontanen Sex, der das Paar überfällt, sondern die Schaffung einer erotischen Kultur ist hier die lohnende Perspektive. Und heute ist der erste Tag vom Rest Ihres erotischen Lebens!

Tests

1: Meine erotische Spielbereitschaft  27

2: Wollen und Können  39

3: Das unklare Nein  43

4: Kurz-Check »Geheime Fantasien«  65

5: Mein erotisches Potenzial  113

6: Meine erotischen Schwachpunkte  114

7: Unsere sexuelle Arbeitsteilung  215

8: Haben wir lösbare oder unlösbare Probleme?  242

9: Unsere erotische Passung  262

Übungen

1: Vom Zauber zur Prosa  60

2: Was wissen Sie vom sexuellen Profil Ihres Partners?  77

3: Ein unangenehmes sexuelles Erlebnis  80

4: Erzählen Sie die erotische Geschichte Ihres Partners  82

5: Meine sexuelle Lebensgeschichte als Gewinner- und als Verlierergeschichte  90

6: Unsere erotische Beziehungsgeschichte  92

7: Meine Das kommt-noch-Formel  96

8: Was wünsche ich? Was wünscht sich mein Partner?  102

9: Besuch vom Sexualforscher  106

10: Mein Repertoire  117

11: Selbstbefriedigung und Sex mit anderen  122

12: Was macht unsere erotische Gemeinsamkeit aus?  127

13: Die Geschichte unserer erotischen Beziehung!  129

14: Meine erotische Zwischenbilanz  132

15: Das ideale sexuelle Szenario  137

16: Musterunterbrechung A  159

17: Musterunterbrechung B  160

18: Erotischer Tratsch  169

19: Spielen Sie Ihre erste sexuelle Begegnung nach!  174

20: Erotische Liebesdienste  175

21: Gekaufter Sex  177

22: Fremdgehen, ohne zu betrügen  178

23: Blinddate im InternetChatroom  180

24: Probefantasien – ein Als-ob-Würfelspiel  182

25: Machen Sie richtig schlechten Sex!  186

26: Partnerschaftliche Pflichtübung  188

27: Gnadensex  189

28: Sexuelle Auszeit  190

29: Erotische Gutscheine  192

30: Erotische Briefe schreiben  193

31: Resignieren  194

32: Güterabwägung  200

33: (Streichel-)Übungen in der klassischen Sexualtherapie  230

34: Die Thrill-Übung  234