London, Großbritannien

Ihr seid doch vielleicht ein paar Versager!« schimpfte Christopher Collins. »Was soll das heißen: Sie ist verschwunden?«

Die drei Männer in seinem Büro zuckten die Achseln. »Na, sie ist einfach wie vom Erdboden verschluckt, Mr. Collins«, meinte der eine ratlos.

»Das ist ja vielleicht eine Gurkentruppe da drüben«, polterte Collins. »Sie haben doch mit den Amerikanern telefoniert, Martin. Wieso konnte sie ihnen durch die Lappen gehen?«

Der Angeredete machte eine unsichere Handbewegung. »Nach dem mißglückten ersten Versuch wollten die Amis sie noch mal im Hotel besuchen. Aber da war sie schon weg.«

»Haben die Kerls denn den Flughafen und so weiter nicht überwacht?«

»Doch, natürlich. Aber sie ist weder dort noch am Bahnhof noch am Bus-Service aufgetaucht. Auch in New York hat sie kein Flugzeug bestiegen.«

Collins schüttelte ungläubig den Kopf. »Das gibt es doch nicht! Und was ist mit ihrem Begleiter?«

»Der ist ebenfalls verschwunden«, mußte Martin zugeben.

Collins machte ein nachdenkliches Gesicht. »Dieser Begleiter macht mir sowieso zu schaffen. Wo hat sie den eigentlich aufgetrieben?«

»Hier in London«, antwortete Martin. »Sie hat sich mit einer Freundin getroffen. Dann sind die beiden ins Spaniard's Inn gefahren, und dort war dieser Unbekannte.«

»Hm«, machte Collins, »er scheint kein Anfänger zu sein. Ihrem Bericht zufolge, Martin, hat er sich in New Haven ja offensichtlich mit großem Erfolg zur Wehr gesetzt.«

Martin nickte zustimmend. »Die Amis waren ganz schön geschafft. Er hat zwei Leute mit Schußwaffen nur mit einem Messer angegriffen. Und er hat gewonnen!«

»Möglicherweise also ein Profi. Das hört sich nicht gut an. Dadurch erklärt sich auch, warum ihr keine Spur mehr von den beiden findet. Wahrscheinlich sind sie längst wieder in England.«

Martin schüttelte den Kopf. »In ihrer Wohnung ist die Dame auf jeden Fall nicht.«

»Na und?« schnaubte Collins wütend. »Es gibt noch viele andere Wohnungen hier.« Er versuchte sich wieder zu beruhigen. Aber die stümperhafte Arbeit der Amerikaner und auch seiner eigenen Leute trieb ihn einfach auf die Palme. »Nun zu der Freundin«, fuhr er nach einer kurzen Pause fort, »was wißt ihr über die?«

Martin zog ein kleines Notizbuch aus der Tasche. »Ihr Name ist Jeanne Lumadue. Sie arbeitet beim Daily Mirror

Collins' Stirn legte sich in Falten. »Bitte? Bei der Presse? Dann hat die Kleine vielleicht schon Wind gemacht, obwohl ich nichts in der Zeitung gelesen habe.« Er dachte einen Moment nach. »Wißt ihr, wo die Lumadue wohnt?«

»Kein Problem, das läßt sich schnell herausfinden.«

»Gut«, meinte Collins, »dann soll einer das Haus beobachten. Vielleicht hat sie die Kleine ja bei sich einquartiert.«

»Aber dann müßte sie schon wieder in England sein«, gab Martin zu bedenken. »Und nichts spricht dafür.«

Collins musterte seinen Mitarbeiter streng. »Sie sollten vielleicht erst einmal nachdenken, Martin, bevor Sie etwas von sich geben! Ihr Begleiter war eine Art Profi, der die Amis ohne große Action in den Griff bekommen hat. Kurz darauf sind die beiden wie vom Erdboden verschluckt. Meinen Sie, die hätten sich in New York, Washington oder Boston verkrochen? Quatsch! Zurück nach Hause! In Sicherheit! Das ist die Devise nach solchen Erlebnissen. Ich bin sicher, daß sie wieder hier ist.« Er schwieg kurz. »Was wissen Sie über ihren Begleiter?« fragte er dann.

»Nun, ehrlich gesagt: so gut wie nichts.«

»Dann zählen Sie eben die paar Kleinigkeiten auf, die Sie wissen, zum Teufel!« forderte Collins ungeduldig.

Martin sah wieder auf seinen Notizblock. »Also, der Mann ist etwa Mitte Dreißig, einsachtzig groß, dunkelblond, unrasiert, trägt lässige Kleidung und fährt einen dunkelgrauen Mercedes. Zumindest war er mit einem solchen Auto am Spaniard's Inn.«

Collins beschlich ein unbehagliches Gefühl. Aber er war noch nicht ganz sicher. »Wie hieß diese Frau von der Presse noch gleich?«

Martin suchte in seinem Block. »Lumadue, Jeanne Lumadue.«

Christopher Collins fühlte jetzt einen unangenehmen Druck in der Magengrube. Er glaubte zu wissen, wer der Unbekannte war, der die Aktionen der letzten Tage so durcheinandergewirbelt hatte. Wenn das stimmt, dachte er, dann haben wir aber mächtig in die Scheiße gegriffen.

»Also, ihr laßt das Haus dieser Lumadue nicht aus den Augen. Sollte der Unbekannte irgendwann dort auftauchen, was ich vermute, dann will ich ein Foto von ihm haben. Ist das klar?«

Die drei Männer nickten. »Ja, Chef.«

»Na, hoffentlich! Und seid gefälligst vorsichtig, daß ihr niemandem auffallt! Und jetzt an die Arbeit!«

Seine Männer erhoben sich und gingen zur Tür.

»Ach, Martin«, sagte Collins plötzlich.

»Ja, Chef?«

»Überprüfen Sie doch mal die Passagierlisten der letzten Tage, und zwar sowohl in Heathrow als auch in Gatwick!«

»Nach welchem Namen soll ich denn suchen?«

»Green«, antwortete Collins langsam. »Idwood Green, britischer Staatsbürger.«

Martin nickte und schloß die Tür.

Christopher Collins stützte den Kopf in die Hände und überlegte. Hoffentlich war seine Vermutung falsch. Ansonsten konnte der ganze stinkende Mist gewaltig ins Kochen geraten.

Er griff zum Telefonhörer. Vielleicht sollte er den Minister vorsichtshalber schon einmal informieren.