11

Das Gefühl der Ernüchterung, das Kommandant van Heerdens erste Reaktion auf Major Bloxhams Enthüllungen gewesen war, wich, während er zum Kurhaus zurückspazierte, mehreren neuen bösen Vermutungen. Wenn er auf seine Erlebnisse der letzten Zeit zurückblickte, die Einladung nach White Ladies und die nachträgliche Abschiebung ins Kurhaus Weezen, die himmelschreiende Vernachlässigung, die er nach seiner Ankunft mehrere Tage lang hatte erdulden müssen, und alles in allem das Gefühl, daß er auf irgendwie unerklärliche Weise nicht willkommen war, so wuchs in ihm die Überzeugung, daß er einigen Grund zur Klage hatte. Und das war nicht alles. Die Kluft, die zwischen dem Benehmen der Heathcote-Kilkoons und dem der Helden in Dornford Yates’ Romanen lag, war offenkundig. Berry & Co. endeten nicht sternhagelblau unter dem Tisch, es sei denn, irgendein französischer Hochstapler hatte ihnen irgendwas in den Champagner getan. Berry & Co. luden keine versoffenen Lesbierinnen zum Abendessen ein. Berry & Co. ritten nicht in Fummeln im Lande rum… Schön, wo er jetzt genau darüber nachdachte, gab es diese Geschichte in Jonah & Co. in der sich Berry als Frau verkleidete. Aber vor allem hatten Berry & Co. keinen Umgang mit Wachtmeister Eis, sei er tot oder nicht. Das war gewiß.

Der Kommandant lag in seinem Bett in »Dickdarmspülung Nr. 6« und hätschelte seine Bedenken, bis das, was als Ernüchterung begonnen hatte, eine ausgewachsene Wut war.

So lasse ich mich einfach von niemandem behandeln, dachte er, während er sich die verschiedenen Kränkungen in Erinnerung rief, die er sich hatte gefallen lassen müssen, besonders von dem Dicken beim Dinner. Farbige Familie, wirklich, dachte er, ich werde dir was färben. Er stand auf und blickte auf sein Bild in dem fleckigen Spiegel.

»Ich bin Kommandant van Heerden«, sagte er zu sich selbst und blähte seinen Brustkorb, um seine Autorität zu zeigen, und war erstaunt über die heftige Aufwallung seines Stolzes, die diesem Eingeständnis seiner Identität folgte. Einen Augenblick schloß sich die Kluft zwischen dem, was er war, und dem, was er gern gewesen wäre, und er faßte die Welt mit dem ganzen Spott eines Mannes ins Auge, der sich aus eigener Kraft nach oben gearbeitet hatte. Er dachte gerade über die möglichen Folgen dieser ungewohnten Selbstzufriedenheit nach, als es an der Tür klopfte.

»Herein«, rief der Kommandant und sah zu seiner Überraschung Mrs. Heathcote-Kilkoon in der Tür stehen.

»Na?« sagte der Kommandant forsch und außerstande, in so kurzer Zeit von schroffer Autorität auf normale Höflichkeit umzuschalten, die die neue Situation klar erforderte. Mrs. Heathcote-Kilkoon sah ihn zerknirscht an.

»Oh, Darling«, flüsterte sie, »ach, mein Darling«. Demütig stand sie vor ihm und sah auf ihre makellosen malvenfarbenen Handschuhe hinunter. »Ich schäme mich so. Ich schäme mich so schrecklich. Wenn ich denke, daß wir Sie so schlecht behandelt haben.«

»Ja. Schön«, sagte der Kommandant unsicher, aber es hörte sich immer noch so an, als verhöre er einen Verdächtigen.

Mrs. Heathcote-Kilkoon ließ sich auf das Bett nieder und starrte auf ihre Schuhe.

»Es ist alles meine Schuld«, sagte sie schließlich. »Ich hätte Sie niemals bitten sollen, hierher zu kommen.« Sie blickte sich in dem gräßlichen Zimmer um, zu dem ihr gastfreundliches Angebot den Kommandanten verdonnert hatte, und seufzte. »Ich hätte nicht so dumm sein und mir einbilden sollen, Henry werde sich anständig benehmen. Er hat was gegen Fremde, verstehen Sie?«

Der Kommandant verstand. Es erklärte ihm zum Beispiel die Anwesenheit von La Marquise. Eine französische Lesbierin mußte einem transvestitischen Colonel natürlich außergewöhnlich zusagen.

»Und dann sein armseliger Club«, fuhr Mrs. Heathcote-Kilkoon fort. »Es ist weniger ein Club als eine Geheimgesellschaft. Oh, ich weiß, Sie denken, das ist alles schrecklich unschuldig und harmlos, aber Sie müssen nicht damit leben. Sie begreifen ja nicht, wie unanständig das alles ist. Die Maskerade, die Verstellung, die ganze Schande.«

»Sie meinen, er ist nicht echt?« fragte der Kommandant, der die volle Tragweite von Mrs. Heathcote-Kilkoons Ausbruch zu erkennen versuchte.

Mrs. Heathcote-Kilkoon sah ihn überrascht an.

»Sagen Sie mir bloß nicht, sie hätten Sie auch reingelegt«, sagte sie. »Natürlich ist er nicht echt. Verstehen Sie nicht? Keiner von uns ist das, was er zu sein vorgibt. Henry ist kein Colonel. Boy ist kein Major. Er ist nicht mal ein Boy, wenn man’s genau nimmt, und ich bin keine Lady. Wir alle spielen bloß Rollen, alle sind wir schreckliche Schwindler.« Sie saß auf der Bettkante, und ihre Augen füllten sich mit Tränen.

»Was sind Sie dann?« fragte der Kommandant.

»Oh Gott«, stöhnte Mrs. Heathcote-Kilkoon, »müssen Sie unbedingt fragen?«

Sie saß da und weinte, während der Kommandant aus einem der vielen Waschbecken ein Glas Wasser holte.

»Hier, trinken Sie etwas«, sagte er und reichte ihr das Glas. »Es wird Ihnen guttun.«

Mrs. Heathcote-Kilkoon nahm einen kleinen Schluck und sah den Kommandanten entsetzt an.

»Kein Wunder, daß Sie Verstopfung haben«, sagte sie schließlich und stellte das Glas auf den Nachttisch. »Was müssen Sie nur von uns denken, daß wir Sie in diesem gräßlichen Haus wohnen lassen?«

Der Kommandant, für den der Tag zu einer einzigen langen Beichte zu werden schien, hielt es für besser, nicht zu sagen, was er dachte, obwohl er zugeben mußte, daß das Kurhaus Weezen nicht sehr hübsch war.

»Erzählen Sie«, sagte er. »Wenn der Colonel kein Colonel ist, was ist er dann?«

»Ich kann’s Ihnen nicht sagen«, sagte Mrs. Heathcote-Kilkoon, »ich habe versprochen, niemals irgend jemandem zu sagen, was er im Krieg gemacht hat. Er würde mich umbringen, wenn er glaubte, ich hätte es Ihnen erzählt.« Sie sah flehend zu ihm auf. »Bitte, vergessen Sie einfach, was ich gesagt habe. Ich habe schon genug Schaden angerichtet.«

»Ich verstehe«, sagte der Kommandant, der seine eigenen Schlüsse aus der Drohung des Colonel zog, sie umzubringen, falls sie sein Geheimnis verriete. Was Henry auch immer während des Krieges getan haben mochte, es war offensichtlich etwas sehr Verschwiegenes.

Als Mrs. Heathcote-Kilkoon schätzte, daß ihre Tränen und das soeben gemachte Eingeständnis den Kommandanten für die Unbequemlichkeit seiner Unterkunft genügend entschädigt hätten, trocknete sie sich die Augen und stand auf.

»Sie sind so verständnisvoll«, murmelte sie.

»Das würde ich nicht sagen«, sagte der Kommandant wahrheitsgemäß.

Mrs. Heathcote-Kilkoon ging zu dem Spiegel hinüber und begann, die genau berechneten Verwüstungen ihres Makeups wieder herzurichten.

»Und nun«, sagte sie mit einer Fröhlichkeit, die den Kommandanten überraschte, »fahre ich Sie zum Tee rüber ins Sani Pass. Es wird uns beiden guttun, wenn wir ein bißchen rauskommen, und Sie könnten anderes Wasser gebrauchen.«

Dieser Nachmittag war etwas, was der Kommandant nie vergessen würde. Als der große Wagen geräuschlos über die Hügel zu Füßen des Gebirges glitt und eine dicke Staubwolke hinter sich herzog, die über die Felder und Kaffernhütten hinwegwirbelte, an denen sie vorbeifuhren, kehrte etwas von der Gutmütigkeit zurück, die er vor erst so kurzer Zeit eingebüßt hatte. Er saß in einem Wagen, der einst einem Generalgouverneur gehört hatte und in dem der Prinz von Wales während seiner triumphalen Reise durch Südafrika 1925 zweimal gefahren war, und neben ihm saß, wenn auch, offenbar, keine richtige Lady, so doch zumindest eine Frau, die all die sichtbaren Attribute einer Lady besaß. Ohne Frage rief die Art, wie sie mit dem Wagen umging, die Bewunderung des Kommandanten hervor, und besonders beeindruckt war er von ihrem perfekten Timing, mit dem sie den Wagen sich leise von hinten an eine Schwarze heranschleichen ließ, die einen Korb auf dem Kopf balancierte, ehe sie auf den Gummiball der Hupe drückte und damit bewirkte, daß die Frau in den Straßengraben sprang.

»Ich war während des Kriegs bei der Army und habe damals fahren gelernt«, sagte sie, als der Kommandant ihr über ihr fahrerisches Können Komplimente machte. »Fuhr immer mit einem Anderthalbtonner rum.« Sie lachte bei dieser Erinnerung. »Jeder sagt doch immer, der Krieg war absolut schrecklich, aber ich habe ihn eigentlich enorm genossen. Hatte nie so viel Spaß in meinem ganzen Leben.«

Nicht zum ersten Mal dachte der Kommandant über die sonderbare Eigenart der Briten nach, an den verrücktesten Orten sein Vergnügen zu finden.

»Und wie steht’s mit dem… äh… Colonel? Hatte er auch Spaß?« fragte der Kommandant, für den die Tätigkeit des Colonel während des Krieges zum Gegenstand enormen Interesses geworden war.

»Was? Im Untergrund? Das glaube ich nicht«, sagte Mrs. Heathcote-Kilkoon, ehe ihr klar wurde, was sie eben getan hatte. Sie steuerte den Wagen an den Straßenrand und hielt. Dann wandte sie sich an den Kommandanten.

»Das war ein schmutziger Trick«, sagte sie, »mich so zum Sprechen zu bringen und dann zu fragen, was Henry während des Krieges gemacht hat. Das ist wohl ein Profitrick bei der Polizei. Na schön, nun ist es raus«, fuhr sie trotz der Einwände des Kommandanten fort, »Henry war Sicherheitsmann im Untergrund. Der innere Kreis, um genau zu sein. Aber versprechen Sie mir um Gottes willen, es niemals zu erwähnen.«

»Aber natürlich werde ich es nicht erwähnen«, sagte der Kommandant, dessen Respekt vor dem Colonel noch gewaltig gestiegen war, wo er nun wußte, daß er zum inneren Kreis im Untergrund gehört hatte.

»Und der Major? War er auch im Untergrund?«

Mrs. Heathcote-Kilkoon lachte.

»Du liebe Güte, nein«, sagte sie. »Er war sowas wie ein Barmann im Savoy. Was glauben Sie wohl, wo er seine tödlichen Gebräue zu mixen gelernt hat?«

Der Kommandant nickte verständnisvoll. Er hatte Major Bloxham nie für ein Muster an Gesetzestreue gehalten, aber möglich war es schon.

Sie fuhren weiter und tranken Tee im Sani Pass Hotel, ehe sie wieder nach Weezen zurückkehrten. Erst als sie sich schon wieder der Stadt näherten, brachte der Kommandant die Frage an, die ihn den ganzen Tag gequält hatte.

»Kennen Sie jemanden namens Els?« fragte er. Mrs. Heathcote-Kilkoon schüttelte den Kopf.

»Nein«, sagte sie.

»Sind Sie ganz sicher?«

»Natürlich«, sagte sie. »Ich würde wohl kaum jemanden vergessen, der Else heißt.«

»Das glaube ich gern«, sagte der Kommandant, der der Ansicht war, daß wohl kaum jemand, der Els unter welchem Namen auch immer kannte, dieses Scheusal jemals vergessen würde. »Er ist ein magerer Mann mit kleinen Augen und merkwürdig flachem Hinterkopf, so als hätte jemand mehrere Male mit einem stumpfen Gegenstand draufgehauen.«

Mrs. Heathcote-Kilkoon lächelte. »Das ist Forebode, wie er leibt und lebt«, sagte sie. »Komisch, daß Sie auf ihn zu sprechen kommen. Sie sind heute schon der zweite, der nach ihm fragt. La Marquise sagte beim Mittagessen irgendwas Merkwürdiges über ihn, als sein Name fiel. Sie sagte: >Wunderdinge könnte ich enthüllen.< Ulkig, sowas über Forebode zu sagen. Ich meine, er ist doch nicht gerade kultiviert, oder?«

»Nein, das ist er nicht«, sagte der Kommandant nachdrücklich und mit der scharfsinnigen Erkenntnis, daß La Marquise wohl eher »wunde Dinge« gemeint haben könnte.

»Henry hat ihn sich aus dem Gefängnis von Weezen geholt, verstehen Sie? Sie vermieten Sträflinge für ein paar Cent pro Tag, und wir haben ihn seither bei uns behalten. Er ist für kleine Gelegenheitsarbeiten da.«

»Ja, naja, das glaube ich gern«, sagte der Kommandant, »aber ich hätte trotzdem ein Auge auf ihn. Er ist kein Mensch, den ich hier einfach so herumhängen lassen würde.«

»Komisch, daß Sie das sagen«, sagte Mrs. Heathcote-Kilkoon noch einmal. »Er hat mir mal erzählt, daß er früher Henker war, bevor er sein Verbrecherleben begann.«

»Bevor?« fragte der Kommandant erstaunt, aber Mrs. Heathcote-Kilkoon war zu sehr damit beschäftigt, den Wagen durch die Toreinfahrt des Weezener Kurhauses zu steuern, um ihn zu hören.

»Sie kommen doch morgen zur Jagd raus?« sagte sie, als der Kommandant ausstieg. »Ich weiß, die Frage ist gräßlich nach allem, was Sie schon mitgemacht haben, aber ich würde mich freuen, wenn Sie kämen.«

Der Kommandant sah sie an und überlegte, was er sagen solle. Er hatte den Nachmittagsausflug sehr genossen und wollte sie nicht kränken.

»Was soll ich Ihrer Meinung nach denn anziehen?« fragte er vorsichtig.

»Gut, daß Sie das fragen«, sagte Mrs. Heathcote-Kilkoon. »Passen Sie auf, kommen Sie doch einfach mit, und wir probieren, ob Ihnen Henrys Rock paßt.«

»Rock?« sagte der Kommandant und fragte sich, um was für ein obskures weibliches Kleidungsstück es sich bei dem Rock wohl handeln würde.

»Reiterrock«, sagte Mrs. Heathcote-Kilkoon.

»In was für Sachen reitet Henry denn?«

»Normale Breeches, Reithosen.«

»Ganz normale?«

»Natürlich, was um Himmels willen soll er denn sonst Ihrer Meinung nach tragen? Ich weiß, er ist recht sonderbar, aber nackt oder so reitet er nicht in der Gegend herum.«

»Wissen Sie das genau?« fragte der Kommandant.

Mrs. Heathcote-Kilkoon sah ihn scharf an.

»Natürlich weiß ich das genau«, sagte sie. »Was um alles auf der Welt läßt Sie was anderes vermuten?«

»Nichts«, sagte der Kommandant, der entschlossen war, bei der nächstbesten Gelegenheit mit Major Bloxham ein paar Worte unter vier Augen zu wechseln. Er stieg wieder in den Wagen, und sie fuhren nach White Ladies hinaus.

»Na bitte«, sagte sie eine halbe Stunde später im Ankleidezimmer des Colonel. »Sie passen Ihnen perfekt.«

Der Kommandant besah sich im Spiegel und mußte zugeben, daß ihm die Breeches geradezu großartig standen.

»Sie tragen sie sogar auf der selben Seite wie er«, setzte Mrs. Heathcote-Kilkoon mit geübtem Blick hinzu.

Der Kommandant sah sich neugierig um.

»Auf welcher Seite tragen Sie sie denn?« fragte er und staunte über das Gelächter, das seine Bemerkung hervorrief.

»Sie ungeratener Mensch«, sagte Mrs. Heathcote-Kilkoon schließlich und küßte den Kommandanten zu dessen großer Überraschung leicht auf die Wange.

In Piemburg war das Problem mit ungeratenen Menschen eines, das Luitenant Verkramp Sorgen zu machen begann. Die Abschiebung seiner elf restlichen Geheimagenten hatte letztlich doch nicht das Ende seiner Schwierigkeiten bedeutet. Als er am Morgen nach ihrer Abreise im Polizeibüro erschien, fand er Sergeant Breitenbach ungewöhnlich aufgeregt vor.

»Da haben Sie uns jetzt aber schon in die Patsche geritten«, sagte er, als Verkramp fragte, was los sei.

»Sie meinen die Strauße?« fragte Verkramp.

»Nein, die nicht«, sagte der Sergeant, »ich meine die Beamten, denen Sie die Schockbehandlung verpaßt haben. Bei denen stimmt’s nicht mehr ganz.«

»Ich dachte, bei diesen Straußen hätte es nicht ganz gestimmt«, sagte Verkramp, der immer noch nicht den Anblick des Straußes verwunden hatte, der fast direkt vor seiner Nase explodiert war.

»Naja, sie haben die Beamten noch nicht gesehen«, sagte Sergeant Breitenbach und ging zur Tür. »Wachtmeister Botha«, rief er.

Wachtmeister Botha kam ins Büro.

»Da, bitte«, sagte Sergeant Breitenbach grimmig. »Da sehen Sie, was Ihre blödsinnige Aversionstherapie angerichtet hat.

Und er spielte mal Rugby für Zululand.«

An seinem Schreibtisch wurde Luitenant Verkramp nun klar, daß er verrückt wurde. Angesichts explodierender Strauße hatte er sich schon miserabel gefühlt, aber sie waren nichts gegen den Irrsinn, dem er sich nun in Gestalt des berühmten Rugbyspielers gegenüber sah. Wachtmeister Botha, der für Zululand gestürmt war, einsneunzig lang und hundert Kilo schwer, kam in das Zimmer getrippelt, eine blonde Perücke auf dem Kopf und den Mund widerlich mit Lippenstift beschmiert.

»Hallo, Süßer«, lächelte er Verkramp an und tänzelte wie ein affektierter Elefant durchs Büro.

»Hände weg von mir, du Saukerl«, schnauzte der Sergeant, aber Luitenant Verkramp hörte gar nicht mehr hin. Wieder waren die inneren Stimmen da, aber diesmal waren sie nicht zur Ruhe zu bringen. Mit aschfahlem Gesicht und starrem Blick brach Verkramp schreiend im Sessel zusammen. Er schrie noch immer und stammelte, er sei Gott, als der Krankenwagen von Fort Rapier eintraf und er wild um sich schlagend nach unten geschafft wurde.

Sergeant Breitenbach saß neben ihm im Krankenwagen, und da saß er auch, als sie vor dem Krankenhaus ankamen.

Frau Dr. von Blimenstein, in einem strahlendweißen Mantel, wartete bereits.

»Nun ist ja alles gut. Bei mir bist du ganz sicher«, sagte sie, und schon hatte sie Verkramp mit einer einzigen rasche n Bewegung den Arm zwischen die Schulterblätter gepreßt und führte ihn vor sich her in die Klinik.

»Armer Kerl«, dachte Sergeant Breitenbach, der erschreckt auf ihre breiten Schultern und den massiven Hintern sah, »das hast du dir selber zuzuschreiben.«

Er fuhr zur Polizeidienststelle zurück und versuchte, darüber nachzudenken, was er tun könne. Mit einer Sabotagewelle am Hals, sechsunddreißig wutschnaubenden Bürgern im Gefängnis und zweihundertzehn schwulen Beamten bei einer Gesamttruppe von fünfhundert Mann konnte er, das war ihm klar, die Situation unmöglich meistern. Eine halbe Stunde später gingen Eilmeldungen an alle Polizeireviere in der Gegend hinaus, in denen gebeten wurde, mit Kommandant van Heerden Kontakt aufzunehmen. In der Zwischenzeit gab er, um die fahnenflüchtigen Beamten zu isolieren, den Befehl, sie auf dem Paradeplatz nach Strich und Faden zu drillen, und schickte Sergeant de Haen zum Exerzieren hinunter. Das war keine besonders glückliche Entscheidung, wie Sergeant Breitenbach feststellte, als er hinunterging, um nachzusehen, wie die Dinge liefen. Die zweihundert Wachtmeister stöckelten und tänzelten ganz furchterregend über den Exerzierplatz.

»Wenn Sie sie nicht daran hindern können, so zu marschieren, sehen Sie besser zu, daß sie verschwinden«, sagte er zu dem Sergeant. »Genau diese Dinge sind es, die der Südafrikanischen Polizei einen schlechten Ruf eintragen.«

»Du hast was gemacht?« brüllte Colonel Heathcote-Kilkoon, als ihm seine Frau erzählte, sie habe den Kommandanten zur Jagd eingeladen. »Einen Menschen, der Füchse schießt? In meinen Reithosen? Bei Gott, dem brocke ich was ein.«

»Sieh mal, Henry«, sagte Mrs. Heathcote-Kilkoon, aber der Colonel war schon draußen und rannte hinüber zu den Ställen, wo Forebode eine Fuchsstute striegelte.

»Wie geht’s Chaka?« fragte er. Wie als Antwort versetzte ein Pferd in einer der Boxen der Tür einen geräuschvollen Tritt.

Der Colonel spähte vorsichtig in das abgedunkelte Innere und besah sich das gewaltige schwarze Pferd darin, das unablässig in Bewegung war.

»Sattle ihn«, sagte der Colonel rachgierig und ließ Forebode stehen, der sich fragte, wie zum Teufel nochmal er bloß einen Sattel auf das Vieh kriegen solle.

»Du kannst vom Kommandanten doch nicht verlangen, daß er auf Chaka reitet«, sagte Mrs. Heathcote-Kilkoon zum Colonel, als er ihr erzählte, was er getan hatte.

»Von einem Mann, der Füchse schießt, verlange ich nicht, daß er überhaupt auf einem meiner verdammten Pferde reitet«, sagte der Colonel, »aber wenn er es möchte, kann er’s auf Chaka versuchen, und ich wünsche ihm viel Glück!«

Ein furchtbares Getöse und Fluchen aus der Richtung der Ställe ließ vermuten, daß Forebode mit dem Satteln von Chaka keine leichte Aufgabe hatte.

»Es geht auf dein Konto, wenn der Kommandant zu Tode kommt«, sagte Mrs. Heathcote-Kilkoon, aber den Colonel beeindruckte das nicht.

»Jeder, der Füchse schießt, verdient zu sterben«, war alles, was er sagte.

Als Kommandant van Heerden eintraf, fand er Major Bloxham in einer roten Jacke strahlend auf der Treppe stehen.

»Ich meine, Sie sagten, Sie trügen immer Pink«, sagte der Kommandant leicht verärgert.

»Das tue ich doch, alter Junge, das tue ich doch. Sehen Sie das nicht?« Er drehte sich um und ging ins Haus, gefolgt von dem Kommandanten, der sich fragte, ob er farbenblind sei. In der großen Halle standen Leute herum und tranken, und der Kommandant stellte erleichtert fest, daß sie alle ihrem Geschlecht entsprechend gekleidet waren. Mrs. Heathcote-Kilkoon sah in ihrem langen schwarzen Rock ganz reizend, wenn auch ein bißchen blaß aus, und die Gesichtsfarbe des Colonel paßte zu seiner Jacke.

»Ich nehme an, Sie möchten wieder grünen Chartreuse«, sagte er, »oder vielleicht gefällt Ihnen heute morgen gelb etwas besser?«

Der Kommandant sagte, der Grüne gefalle ihm sehr gut, und Mrs. Heathcote-Kilkoon zog ihn alsbald in eine Ecke.

»Henry hat die fixe Idee, Sie laufen rum und schießen Füchse«, sagte sie, »und er ist furchtbar wütend. Ich glaube, Sie sollten wissen, daß er Ihnen das allerschrecklichste Pferd gegeben hat.«

»Ich habe einen Fuchs noch nicht mal von weitem gesehen«, sagte der Kommandant mit schlichter Aufrichtigkeit. »Ich möchte bloß wissen, wo er das her hat.«

»Na, das tut ja auch nicht viel zur Sache. Er hat die Idee, und Sie haben Chaka. Sie können doch reiten, oder? Ich meine, richtig.«

Kommandant van Heerden richtete sich stolz auf.

»Oh ja«, sagte er, »ich denke, das kann ich.«

»Na, ich hoffe wirklich, Sie täuschen sich nicht. Chaka ist ein fürchterliches Vieh. Lassen Sie ihn bloß um Gottes willen nicht los.«

Der Kommandant sagte, das werde er bestimmt nicht, und ein paar Minuten später versammelte sich alles im Hof, wo die Meute bereits wartete. Chaka ebenfalls. Mächtig und schwarz stand er ein Stück von den anderen Pferden entfernt, und an seinem Kopf stand die Gestalt eines Mannes mit kleinen Augen und einer nicht vorhandenen Stirn.

Für Kommandant van Heerden, der in der Aufregung über die bevorstehende Jagd Ex-Wachtmeister Els völlig vergessen hatte, war es schwer, sich zu entscheiden, welches der beiden Viecher ihm größeres Entsetzen einjagte. Gewiß war die Aussicht, ein so ungeheuerliches Pferd wie Chaka auch nur zu besteigen, kaum erfreulich, aber zumindest bot das eine Möglichkeit, Els aus dem Weg zu gehen, mangels anderer Möglichkeiten, wollte er gerade denken. Mit einer Geschwindigkeit und Energie, die den Colonel völlig überrumpelten, langte der Kommandant nach oben und schwang sich in den Sattel, und von dieser Kommandohöhe aus überblickte er das Gedränge. Unter ihm wuselten Hunde und Pferde durcheinander, während auch andere Reiter aufstiegen, und als dann Els auf einem kleinen Gaul kräftig ins Horn blies, brach die Jagdgesellschaft auf. Hinter ihnen trieb der Kommandant Chaka zaghaft an. Ich reite zur Fuchsjagd wie ein richtiger Engländer, dachte er, als er seine Hacken dem Pferd ein zweites Mal in die Seite grub. Das war für einige Zeit sein letzter zusammenhängender Gedanke. Mit einem teuflischen Ruck schoß das riesige schwarze Pferd aus dem Hof und in den Garten. Während sich der Kommandant verzweifelt an seinen Sitz klammerte, wurde offenbar, daß, wohin er auch ritt, es ganz bestimmt nicht die Jagd war. Die Meute war in eine völlig andere Richtung ausgeschwärmt. Während ein Steingarten unter ihm zerbröselte, ein Ziergebüsch zu ihm aufsah und sich auflöste und die Rosen des Colonel hinter ihm sowohl ihre Etiketten als auch ihre Blütenblätter fallen ließen, war dem Kommandanten lediglich bewußt, daß er sich in großer Höhe und mit einer Geschwindigkeit fortbewegte, die ihm unglaublich schien. Vor ihm tauchten die Azaleenbüsche auf, auf die Colonel Heathcote-Kilkoon so stolz war, und dahinter das offene Land. Kommandant van Heerden schloß die Augen. Zum Beten war keine Zeit. Im nächsten Augenblick sauste er durch die Luft.

Der überraschende Galopp des Kommandanten löste bei den Jägern unterschiedliche Reaktionen aus. In tadellosem Damensitz und den Zylinder auf die adretten blauen Locken gedrückt, beobachtete Mrs. Heathcote-Kilkoon mit einer Mischung aus Abscheu über ihren Mann und Bewunderung für den Kommandanten, wie dieser über die Azaleen hinweg verschwand. Was er auch sein mochte, der Kommandant war fraglos kein Mann, der Zäune scheute.

»Da siehst du, was du angerichtet hast«, schrie sie den Colonel an, der auf die Zerstörung starrte, die sein sich zurückziehender Gast hinter sich zurückgelassen hatte. Um seinem Ärger die Krone aufzusetzen, wendete Mrs. Heathcote-Kilkoon ihren Braunen und galoppierte dem Kommandanten hinterher, wodurch sie den Rasen noch mehr aufwühlte.

»Sind den Schuft los«, sagte fröhlich Major Bloxham.

»Verdammter Bure«, sagte der Colonel. »Schießt Füchse und zertrampelt meine besten Rosen.«

Hinter ihm stieß Forebode nochmal lustig ins Horn. Er hatte immer schon mal sehen wollen, was passieren würde, wenn er dem riesigen schwarzen Pferd ein Stück Kautabak in den Hintern steckte, und nun wußte er es.

Kommandant van Heerden gleichfalls, obwohl er sich über den tieferen Grund von Chakas Eile nicht im klaren war. Nach dem ersten kolossalen Satz noch immer im Sattel, versuchte er sich daran zu erinnern, was Mrs. Heathcote-Kilkoon darüber gesagt hatte, daß er das Pferd nicht loslassen dürfe. Das schien ihm ein völlig unnötiger Rat zu sein. Wenn dem Kommandanten irgendeine Möglichkeit eingefallen wäre, wie er das Pferd loslassen könne, ohne sich dabei das Genick zu brechen, dann hätte er es mit Freuden getan. Aber so wie die Dinge langen, bestand wohl seine einzige Überlebenshoffnung darin, bei dem Tier zu bleiben, bis diesem die Puste ausginge. Mit dem Mut eines Mannes, dem gar nichts anderes übrigbleibt, hockte der Kommandant im Sattel und sah eine Mauer auf sich zusausen, bei deren Bau man offensichtlich an Giraffen gedacht hatte. Ein Pferd schaffte sie jedenfalls bestimmt nicht. Als er auf der anderen Seite landete, hatte Kommandant van Heerden den unbezweifelbaren Eindruck, daß das Tier, auf dem er ritt, überhaupt kein Pferd sei, sondern irgendeine mythische Kreatur, die er auf Benzinzapfsäulen so sprechend dargestellt gesehen hatte. Vor ihm lag jetzt das offene Weideland, und in der Ferne sah er die schattige Silhouette eines Waldes. Zu einem nun war er entschlossen, und das war, daß kein Pferd, mythisch oder nicht, mit ihm auf dem Rücken durch einen Wald voller Bäume rasen werde. Da war es besser, sich das Genick im offenen Gelände zu brechen, als auf der anderen Seite eines dichten Waldes ohne Beine rauszukommen. Mit dem Entschluß, seinen Ritt so oder so zu beenden, packte der Kommandant fest die Zügel und richtete sich auf.

Mrs. Heathcote-Kilkoon, die verzweifelt hinter ihm her ritt, erschien der Kommandant in völlig neuem Licht. Er war nicht länger der ruppigattraktive Mann der Wirklichkeit, als den sie ihn früher gesehen hatte, sondern der Held ihrer Träume. Etwas an der Gestalt, die über diese Mauer hinwegsegelte, an die sich ihres Wissens noch nie jemand gewagt hatte, erinnerte sie an ein Gemälde, das sie einmal gesehen hatte und das Napoleon zeigte, wie er die Alpen auf einem springenden Roß überquerte. Mit einer Vorsicht, die durch ihr Verlangen nach ihrem neuen Idol völlig gerechtfertigt wurde, wählte Mrs. Heathcote-Kilkoon eine Pforte und kam auf der anderen Seite der Mauer heraus, um zu ihrer Überraschung festzustellen, daß der Kommandant und Chaka verschwunden waren. Sie galoppierte auf den Wald zu und fand zu ihrem Entsetzen Roß wie Reiter reglos auf der Erde liegen. Sie ritt näher und stieg ab.

Als Kommandant van Heerden zu sich kam, fand er seinen Kopf im dunklen Schoß von Mrs. Heathcote-Kilkoon geborgen, die sich mit dem Blick mütterlicher Bewunderung auf dem Gesicht über ihn beugte.

»Versuchen Sie bloß nicht, sich zu bewegen«, sagte sie. Der Kommandant wackelte mit seinen Zehen, um festzustellen, ob er sich das Rückgrat gebrochen habe. Seine Zehen wackelten ermutigend. Er hob das Knie, und das Knie bewegte sich. Auch seine Arme waren in Ordnung. Es schien nichts gebrochen zu sein. Der Kommandant machte die Augen wieder auf und lächelte. Über ihm lächelte unter einem Kranz gefärbter Locken Mrs. Heathcote-Kilkoon zurück, und es schien Kommandant van Heerden, als liege in diesem Lächeln ein ihm neues Eingeständnis tiefer Gefühlsbande zwischen ihnen, die Begegnung zweier Herzen und Seelen allein auf dem weiten Feld. Mrs. Heathcote-Kilkoon las seine Gedanken.

»Ameisenbärloch«, sagte sie mit unterdrückter Rührung.

»Ameisenbärloch?« fragte der Kommandant.

»Ameisenbärloch«, wiederholte Mrs. Heathcote-Kilkoon sanft.

Der Kommandant überlegte, was Ameisenbärlöcher wohl mit seinen Gefühlen für sie zu tun hätten, aber außer der recht bizarren Idee, daß sie zusammen in eines kriechen sollten, konnte er sich nichts vorstellen. Er begnügte sich damit, »Ameisenbärloch« mit soviel Gefühl wie nur möglich zu flüstern, dann schloß er wieder seine Augen. Unter seinem Kopf bildeten ihre runden Schenkel ein wunderbares Kopfkissen. Der Kommandant seufzte und drückte ihr seinen Kopf gegen den Magen. Das Gefühl höchster Glückseligkeit stieg in ihm auf, die nur von dem Gedanken beeinträchtigt wurde, daß er wieder auf dieses grauenhafte Pferd würde steigen müsse. Das war eine Aussicht, die zu beschleunigen er nicht vorhatte. Mrs. Heathcote-Kilkoon zerstörte seine Hoffnungen.

»Hier können wir nicht bleiben«, sagte sie, »es ist viel zu heiß.«

Der Kommandant, der so langsam den Verdacht hatte, irgendein großes Insekt krieche im Innern seiner Reithosen nach oben, mußte dem zustimmen. Zögernd hob er den Kopf aus ihrem Schoß und stand auf.

»Lassen Sie uns doch in den Wald gehen«, sagte Mrs. Heathcote-Kilkoon. »Sie brauchen Ruhe, und ich möchte mich davon überzeugen, daß Sie sich nichts gebrochen haben.«

Nun, da der Kommandant wieder auf den Beinen war, konnte er sehen, was sie mit Ameisenbärloch gemeint hatte. Das gewaltige schwarze Pferd lag mit gebrochenem Genick auf der Seite, ein Vorderbein tief in einem Loch. Mit einem Seufzer der Erleichterung, daß er das Vieh nie wieder würde reiten müssen und daß seine Reitkünste durch das Erdferkel letztlich bestätigt worden waren, ließ der Kommandant sich ganz unnötigerweise in den Waldesschatten führen. Dort, in einem offenen, von Bäumen beschatteten Tal, bestand Mrs. Heathcote-Kilkoon darauf, daß er sich auf die Erde lege, während sie ihn nach gebrochenen Knochen untersuchte.

»Es ist vielleicht eine Gehirnerschütterung«, sagte sie, während ihm ihre erfahrenen Hände die Jacke aufknöpften. In den nächsten paar Augenblicken begann Kommandant van Heerden zu glauben, daß sie recht haben müsse. Was die große englische Lady mit ihm tat, mußte irgendwie das Ergebnis eines Gehirnschadens sein. Als sie über ihm stand und ihren Rock aufschnallte, wußte er, daß sie Gesichte hatte. Ich bleibe am besten still liegen, bis es vorbei ist, dachte er und schloß die Augen.

Zwei Meilen entfernt hatte die Meute die Witterung des Fuchses aufgenommen und rannte quer durch die Gegend, die Jagdgesellschaft hart auf den Fersen, während Forebode hin und wieder in sein Horn stieß.

»Was wohl mit dem verdammten Buren passiert ist«, schrie Major Bloxham.

»Ich denke, er ist in Ordnung«, schrie der Colonel zurück. »Daphne kümmert sich wahrscheinlich um ihn.«

Plötzlich zog die Meute nach links und eilte auf ein Wäldchen zu, und zehn Minuten später hatte sie, noch immer stumm von der Verfolgung in Anspruch genommen, das offene Gelände verlassen und steckte tief im Unterholz. Hier war die Witterung stärker, und die Hunde beschleunigten das Tempo. Eine halbe Meile voraus folgte Kommandant van Heerden ihrem Beispiel.

Er war nicht ganz so stumm, aber nicht weniger in Anspruch genommen als die Meute. Über ihm, nur mit Stiefeln und Sporen und dem Zylinder bekleidet, der federnd auf ihren gefärbten Locken hing, rief Mrs. Heathcote-Kilkoon ihrem neuen Reittier ermunternd zu, wobei sie ihn ab und zu mit ihrer Reitgerte antrieb. Sie waren dermaßen miteinander beschäftigt, daß sie das Knacken im Unterholz überhaupt nicht wahrnahmen, das das Herannahen der Jagdgesellschaft signalisierte. »Jill, Jenny, Daphne, mein Schatz«, stöhnte der Kommandant, der nicht einmal jetzt imstande war, sich von der Vorstellung freizumachen, er befinde sich in einem der Romane von Dornford Yates. Mrs. Heathcote-Kilkoons Phantasien, durch jahrelangen Frust geschärft, bezogen sich eher auf das Reiten.

»Reite deinen Klepper nach Banbury Cross, da siehst du eine schöne Dame auf schneeweißem Roß«, rief sie und stellte zu ihrem Erstaunen fest, daß ihre Aufforderung befolgt wurde.

Aus dem Wald kam die Meute herbeigestürmt, und der Kommandant, der gerade drauf und dran gewesen war, zum zweitenmal den Gipfel der Lust zu erreichen, bemerkte plötzlich, daß die Zunge, die ihm das Gesicht leckte, von einer für eine Dame von Mrs. Heathcote-Kilkoons Herkunft ganz ungewöhnlichen Länge und Beschaffenheit war. Er machte die Augen auf und stellte fest, daß er einem großen Jagdhund ins Gesicht sah, der widerlich sabbelte und schnaufte. Der Kommandant blickte sich wütend um. Das kleine Tal war mit Hunden überschwemmt. Eine Woge von Schwänzen schwappte über ihm hin und her, und daraus hervor ragte Mrs. Heathcote-Kilkoon, die, auf ihn aufgespießt, mit einer Reitpeitsche um sich schlug.

»Platz, Jason! Platz, Knurrer! Platz, Memme! Platz, van Heerden!« schrie sie, und ihr Zylinder hüpfte so lebhaft auf und nieder wie ihre Brüste.

Kommandant van Heerden starrte wie von Sinnen zur Unterseite von Knurrer hinauf und versuchte, dessen Pfote aus seinem Mund zu kriegen. Noch nie war ihm bewußt geworden, wie rüde ein Hund roch. Seinem Frauchen gehorsam wie immer, setzte Knurrer sich hin – und stand sofort wieder auf, als der Kommandant, den Erstickungstod vor Augen, ihn biß. Für einen Augenblick von der drohenden Asphyxie erlöst, hob der Kommandant den Kopf, nur um ihn einen Moment darauf von dem Gewicht wieder nach unten gedrückt zu bekommen. Der kurze Blick, den er hatte auf die Umwelt werfen können, zeigte ihm eine so grauenhafte Aussicht, daß er das stinkende Versteck unter den Jagdhunden allemal vorzog. Colonel Heathcote-Kilkoon und die anderen Mitglieder der Jagdgesellschaft waren aus dem Wald aufgetaucht und besahen sich voll Verwunderung die Szene.

»Du großer Gott, Daphne, was um alles auf der Welt machst du denn da?« hörte der Kommandant den Colonel zornig rufen.

Mrs. Heathcote-Kilkoon zeigte sich der Situation hervorragend gewachsen.

»Was zum Teufel soll ich denn deiner Meinung nach hier machen?« schrie sie mit dem Ton berechtigten Zorns in der Stimme, den der Kommandant ungeheuer eindrucksvoll fand, der ihm jedoch dazu geeignet erschien, beim Gatten eine Frage aufzuwerfen, die der Kommandant lieber unbeantwortet gelassen hätte.

»Ich habe keine Ahnung«, rief der Colonel, der sich nicht einen Augenblick lang vorstellen konnte, was seine Frau mitten in einer Talmulde ohne ihre Kleider machte. Mrs. Heathcote-Kilkoon antwortete ihm. »Ich scheiße gerade«, schrie sie mit einer Grobheit, die Kommandant van Heerden für seine Person kränkend, aber sonst vollkommen angebracht fand.

Der Colonel hüstelte verlegen. »Großer Gott, das tut mir furchtbar leid«, murmelte er, aber Mrs. Heathcote-Kilkoon war entschlossen, ihren Vorteil zu nutzen.

»Und wenn ihr Gentlemen wärt, würdet ihr euch umdrehen und verdammt nochmal sehen, daß ihr von hier wegkommt«, schrie sie. Ihre Worte zeigten augenblicklich Erfolg. Die Jäger wendeten ihre Pferde und galoppierten dorthin zurück, woher sie gekommen waren.

Als die Jagdhundflut langsam verebbte, blickte der Kommandant, nackt und von modderigen Pfotenabdrücken bedeckt, zur Dame seiner und Colonel Heathcote-Kilkoons Wahl empor. Mit einem Widerstreben, das er sich als Verdienst anrechnete, löste sie sich von ihm und stand auf. Atemlos vor Angst und einer neuen Bewunderung für sie rappelte der Kommandant sich hoch und machte sich auf die Suche nach seinen Breeches. Er wußte nun, was britische Kaltblütigkeit bedeutete.

»Und ich habe eine steife Oberlippe«, sagte er und betastete die Spuren von Knurrers Hinterpfote.

»Ungefähr das einzige, was an dir steif ist«, sagte Mrs. Heathcote-Kilkoon frei heraus.

Im Gebüsch am Rande des Tales kicherte Forebode leise. Er hatte nie vorgegeben, ein Gentleman zu sein, und die Frau des Colonel hatte er schon immer mal nackt sehen wollen.