Kapitel 16
Lord Petrefact bereute es bereits. Was mit jener fatalen Auster begonnen hatte, die ihn reizbar gemacht und weitgehend außer Gefecht gesetzt hatte, wurde von Yapps katastrophalem Versuch, das synchronisierte Wellenbad in Betrieb zu nehmen, und dem darauffolgenden Amoklauf des Rollstuhls konsequent zu Ende geführt. Jetzt war er in doppelter Hinsicht von Croxley abhängig, nicht nur, weil dieser unfehlbar die den Petrefact- Konzern betreffenden Myriaden von Einzelheiten im Kopf hatte, sondern auch, weil er seinen Rollstuhl schieben mußte. Nachdem Lord Petrefact erlebt hatte, was so ein vollautomatisiertes Gefährt anstellen konnte, hatte er nicht die Absicht, seinen kostbaren Körper noch mal so einem Ding anzuvertrauen.
All das wäre schon schlimm genug gewesen. Aber dazu kam noch der Ingrimm darüber, daß er Yapp nicht annähernd so viel hätte bezahlen müssen. Anfangs war ihm dies als eine notwendige Vorsichtsmaßnahme erschienen. Es bestand nämlich die akute Gefahr, daß die Gewerkschaften Yapp wegen einer Lappalie – der Entlassung von achttausend Arbeitern in der Fabrik in Hull ohne Abfindungsgelder – als Schlichter anrufen würden, doch dieses Risiko wurde durch ein Feuer ausgeschaltet, das die Fabrik bis auf die Grundmauern niederbrannte. Jeder andere wäre dem verkohlten Witzbold, der sich im Brennstofflager eine Zigarette angezündet hatte, dankbar gewesen. Nicht so Lord Petrefact. Er fühlte sich betrogen. In seinem Alter konnte er es sich leisten, ein perverses Vergnügen an Streiks, Aussperrungen, der Ausbeutung streikbrechender Arbeiter, dem Mißbrauch von Angestellten und Gewerkschaftsbossen und der Bestürzung zu empfinden, die angesichts seiner Verstocktheit sogar in den Leitartikeln eindeutig rechter Zeitungen zum Ausdruck kam. Sie alle trugen dazu bei, seine Machtgier aufs neue anzustacheln, und da die Gewinne des Petrefact-Konzerns in erster Linie durch die Ausnutzung extrem billiger Arbeitskräfte in Afrika und Asien erzielt wurden, betrachtete er die Einbuße mehrerer Millionen Pfund aufgrund von Streiks, die er selbst geschürt hatte, als sinnvolle Ausgabe. Sie brachten seine Verwandten zur Weißglut und dienten seiner Ansicht nach dazu, die Moral anderer Industrieller wiederherzustellen.
Doch trotz seiner Bereitschaft, verschwenderisch zu sein, solange es um Streiks ging, ärgerte er sich maßlos, daß Yapp sich als Fehlinvestition erwies. Nachdem er miterlebt hatte, was dieser Irre an einem kurzen Wochenende in Fawcett angerichtet hatte, hätte er erwartet, daß Buscott Überschwemmungen und Verwüstungen erleben und alles in allem ein zweites Troja werden würde, wobei die Nachricht, daß Teile von Nordengland von einem leichten Erdbeben heimgesucht worden waren, kurzfristig zu Hoffnungen Anlaß gab. Doch nachdem mehrere Tage vergangen waren und keine heftigen Proteste von Seiten Emmelias eintrafen, mußte er allmählich befürchten, daß Yapp seinen Verpflichtungen als wandelndes Katastrophengebiet nicht nachkam. Das beunruhigte ihn um so mehr, als er Croxley nicht ins Vertrauen ziehen konnte. Die verdammte Ergebenheit dieses Mannes gegenüber der Familie machte ihn in diesem Fall vertrauensunwürdig. Es gab sogar Augenblicke, in denen nur die aus Selbsterkenntnis gewonnene Gewißheit, daß alle echten Petrefacts auf dem Grund ihrer Seele Betrüger waren und ihre Sippe haßten, ihn davon überzeugte, daß Croxley nicht selbst ein Mitglied dieser verfluchten Familie war. Aber wie dem auch war, er hatte nicht die Absicht, ihn in dieser Angelegenheit um Rat zu fragen. Während Lord Petrefact sich das Gehirn zermarterte, wie er Yapp zum Handeln antreiben könnte, wurde sein Lächeln von Tag zu Tag schiefer. Er hatte Yapp die familieninterne Korrespondenz über Großonkel Ruskin zugesandt, der zu einer Zeit, als er bereits mit Maude verheiratet und Sodomie durchaus nicht in Mode war, bigamistische Beziehungen zu mehreren Ziegen pflegte. Und für den Fall, daß das nicht ausreichen sollte, um bei Emmelia hysterische Ausbrüche hervorzurufen, hatte er noch Unterlagen über Percival Petrefacts unparteiische Waffen- und Munitionslieferungen sowohl an das deutsche Heer wie auch an die Alliierten im Ersten Weltkrieg beigelegt. Alles in allem verfügte Yapp über ausreichend Material, um die Petrefacts zehnmal aus ihrer diskreten Zurückgezogenheit ins Rampenlicht der Öffentlichkeit zu zerren. Und wenn das Schwein sich nicht bald daran machte, Reaktionen seitens der Verwandtschaft zu provozieren, dann würde er seine Anwälte bemühen müssen, um die zwanzigtausend Pfund, die Yapp bereits bekommen hatte, zu retten, von dem Rest ganz zu schweigen. Schließlich mußte Lord Petrefact an seinen Ruf als eiskalter und knallharter Finanzier denken. Um sich die Zeit zu vertreiben, knurrte er Croxley häufiger als sonst an, führte ohne ersichtlichen Grund mehrere Säuberungsaktionen in seinen Manageretagen durch und machte jedem, der ihm über den Weg lief, das Leben zur Hölle. Nachdem Yapp nichts dergleichen unternahm, rief er, nachdem er Croxley auf eine ergebnislose Irrfahrt geschickt hatte, in der Historischen Fakultät in Kloone an, wo er jedoch lediglich erfuhr, daß der Professor verreist sei und keine Adresse hinterlassen habe.
»Und wann erwarten Sie ihn zurück?« wollte er wissen. Die Sekretärin konnte es ihm auch nicht sagen. Professor Yapps Wege seien immer etwas unberechenbar, meinte sie. »Und sie werden noch verdammt unberechenbarer sein, wenn er sich nicht innerhalb der nächsten zwei Tage bei mir meldet«, brüllte Lord Petrefact, knallte den Hörer auf die Gabel und hinterließ bei der Sekretärin einige Zweifel hinsichtlich seiner Identität. Da sie ein wohlerzogenes Mädchen aus einer Arbeiterfamilie war, konnte sie sich nur schwer zu der Vorstellung durchringen, daß ein Peer fluchte.
Croxley hatte den Anruf in seinem Arbeitszimmer mitgehört.
Einer der wenigen Vorteile von Lord Petrefacts derzeitiger Ablehnung motorisierter Rollstühle bestand darin, daß der alte Satan, auch wenn er schlimmer denn je mit Verbalinjurien um sich warf, nicht mehr ohne Hilfe von Zimmer zu Zimmer flitzen konnte, was Croxley die Möglichkeit verschaffte, in Ruhe seiner Arbeit nachzugehen, ohne durch etwas anderes als den Summer an der Wechselsprechanlage gestört zu werden. Und den konnte er ignorieren. Im Lauf der Zeit hatten sich so die Schwerpunkte von Croxleys Arbeit verlagert. Lord Petrefacts Ärger über die Ergebenheit seines Sekretärs gegenüber der Familie war nur teilweise gerechtfertigt.
Die unflätigen Schmähungen der letzten Monate hatten die Toleranzgrenze des Sekretärs eindeutig überschritten. Croxley hatte ein Alter erreicht, in dem es ihm weder angemessen noch im mindesten schmeichelhaft erschien, als geiler Hundesohn einer syphilitischen Hure bezeichnet zu werden. Dazu kam, daß er sich angesichts der Beseitigung mehrerer außerordentlich kompetenter Führungskräfte die bange Frage stellen mußte, wie es um seine eigene Zukunft bestellt war, und zu dem Ergebnis gelangte, daß seine Aussichten auf einen angenehmen und sorgenfreien Ruhestand ernsthaft bedroht waren. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, hatte er seinen lebenslangen Vorsatz, nie an der Börse zu spekulieren, gebrochen. Und mit Hilfe seiner Ersparnisse, einer Hypothek auf sein Haus in Pimlico und der Angewohnheit, Lord Petrefacts private Telefongespräche abzuhören, hatte sich Croxley tapfer geschlagen. So tapfer, daß er die berechtigte Hoffnung hegte, in Kürze in der Lage zu sein, dem alten Schwein unverblümt ins Gesicht zu sagen, was er von ihm hielt. Doch obwohl seine eigenen Unternehmungen allmählich zu blühen begannen, bewahrte er sich die Loyalität gegenüber jener Fraktion der Familie Petrefact, die den Peer verabscheute. Ganz besonders verehrte er Miss Emmelia, und er bedauerte es unendlich, daß ihn seine gesellschaftliche Stellung daran gehindert hatte, sie noch glühender zu verehren.
So wanderten Croxleys Gedanken häufig nach Buscott, und als er aus jenem letzten Telefongespräch erfuhr, daß Lord Petrefact Waiden Yapp dorthin geschickt hatte, war er zutiefst beunruhigt. Damit erhielt das Rätsel um Yapps Besuch in Fawcett eine zusätzliche, noch verwirrendere Dimension. Der alte Teufel mußte etwas ungewöhnlich Häßliches gegen die Familie im Schilde führen. Nur was es war, davon hatte Croxley nicht die geringste Ahnung. Yapp in Buscott? Seltsam, sehr seltsam. Und daß die Fabrik mit der Herstellung ethnischer Bekleidung fette Gewinne abwarf, war auch seltsam. Er hatte Miss Emmelia nie als Geschäftsfrau betrachtet, aber bei den Petrefacts mußte man immer auf Überraschungen gefaßt sein. Gerade überlegte er, ob er sich in Buscott zur Ruhe setzen sollte – dort würde er vor dem alten Saukerl Ruhe haben und in Miss Emmelias Nähe sein –, als der Summer ertönte und Lord Petrefact seinen Lunch verlangte.
»Und sorgen Sie dafür, daß in der Ovomaltine ein doppelter Cognac ist«, brüllte er. »Gestern war das verdammte Zeug nicht mal zu riechen.«
»Eine Ovomaltine mit doppeltem Cognac, verstanden«, sagte Croxley und schaltete die Sprechanlage ab, bevor Lord Petrefact ihn anbellen konnte. Als er in die Küche hinunterging, kreisten seine Gedanken um Strychnin.
In der Rabbitry Road 9 saß Yapp im Bett und las widerwillig die Briefe durch, die Lord Petrefact ihm geschickt hatte. Er hatte sich von seinem plötzlichen grippalen Infekt erholt, aber der Inhalt dieser Briefe jagte ihm kalte Schauer über den Rücken. Obwohl seine eigenen proletarischen Neigungen weniger zu verbotenen zwischenmenschlichen Beziehungen wie zwischen Ziegen und Großonkel Ruskin tendierten, mußte er doch zugeben, daß die Enthüllungen ein völlig neues Licht auf die Familie warfen. Am meisten freilich faszinierten ihn die unvoreingenommenen Waffenlieferungen Percival Petrefacts im Ersten Weltkrieg. Das hier waren Unterlagen, die den multinationalen Kapitalismus der Petrefacts vor der ganzen Welt bloßstellen würden. Trotzdem konnte Yapp beim besten Willen nicht begreifen, wieso er diese außerordentliche Korrespondenz erhalten hatte. Aber eines zumindest stand fest: Er mußte die Papiere aus dem Museum in die Hand bekommen. Wenn sie auch nur einen Bruchteil der verheerenden Geständnisse dieser Briefe enthielten, war die Familiengeschichte schon so gut wie geschrieben. Als nächstes mußte er Miss Emmelia Petrefact aufsuchen, um sich von ihr die Erlaubnis zur Einsicht in diese Papiere zu holen. Das war jetzt das wichtigste. Er stieg aus dem Bett und begab sich voller Elan hinüber ins Badezimmer. Doch bis er mit dem Rasieren fertig war, hatte sich seine Entschlossenheit aufgrund der Geräusche, die aus der Küche nach oben drangen, verflüchtigt. Rosie Coppett weinte sich wieder mal kräftig aus, weil Willy noch immer nicht aufgetaucht war. Yapp seufzte. Sollte Willy tatsächlich mit einer anderen Frau durchgebrannt sein, wie Rosie von Tag zu Tag beharrlicher behauptete, dann war seine Moral ebenso restringiert wie sein Wachstum. Außerdem hätte er Yapp damit in eine äußerst heikle Situation gebracht, da dieser eine verlassene und geistig unterentwickelte Frau in der Stunde der Not schlecht im Stich lassen konnte. Gleichzeitig würde er, wenn er noch länger in diesem Haus verweilte, nur Ärgernis erregen und Gerüchten Vorschub leisten. Während er sich im Rasierspiegel betrachtete, ein Unterfangen, zu dem er sich erst hinknien mußte, weil Willy den Spiegel seinen Bedürfnissen entsprechend in knapp einem Meter Höhe angebracht hatte, gelangte Yapp zu dem Schluß, daß er nicht das Recht hatte, Mrs. Coppetts Ruf zu ruinieren. Dazu kam, daß seine höchst sonderbaren Gefühle für sie einen weiteren Aufenthalt unmöglich machten. Er würde ihr einen Scheck über zweihundert Pfund dalassen und sich heimlich aus dem Staube mache. Das war die einzige Möglichkeit. Nur so konnte er den herzzerreißenden Tränen eines offiziellen Abschieds entgehen.
Nachdem er sich rasiert und aufgrund des ungünstig plazierten Spiegels geschnitten hatte, kehrte er in sein Zimmer zurück, zog sich an, packte seinen Koffer und schrieb einen Scheck über dreihundert Pfund aus. Außerdem hinterließ er Rosie eine kurze Nachricht, die besagte, er werde sich nach angemessener Frist bei ihr melden. Getrieben von plötzlicher Kühnheit, die ihm zum Verderben werden sollte, unterschrieb er mit »Liebe Grüße, Waiden«.
Zwanzig Minuten später sah er Rosie mit einer Einkaufstasche aus dem Haus gehen. Nachdem sie in Richtung Buscott verschwunden war, verließ er das Haus samt Rucksack und Koffer, warf beides auf den Rücksitz des Vauxhall und fuhr in die entgegengesetzte Richtung davon. Die Sonne schien, und der Himmel war wolkenlos, aber Yapp stand der Sinn nicht nach der Schönheit der Natur. Er dachte darüber nach, was für ein trauriger Ort die Welt doch war und wie absonderlich seine eigene Natur, daß sie sich so ungeheuer von dem großen Körper und dem kleinen Verstand einer Frau wie Rosie Coppett angezogen fühlte.
Außerdem hing ein recht seltsamer Geruch im Wagen, ein ausgesprochen scheußlicher Geruch, der an verstopfte Abflußrohre erinnerte. Aber Yapp tat ihn in der Meinung, daß wahrscheinlich irgendein Bauer seine Felder mit Schweinemist düngte, als eine der weniger genüßlichen Seiten der Landwirtschaft ab und konzentrierte sich ganz auf die Frage, wie er Miss Petrefact am geschicktesten angehen sollte. Aufgrund dessen, was er bei seinen Spaziergängen durch Buscott aufgeschnappt und durch Rosie mitbekommen hatte, hatte er den Eindruck gewonnen, daß sie völlig zurückgezogen lebte, wohl etwas exzentrisch, aber ansonsten nicht unbeliebt war. Zumindest war sie offenbar nicht so widerlich wie ihr Bruder. Zwar hätte er es vorgezogen, seine Nachforschungen beim einfachen Volk fortzusetzen, aber nach seinen bisherigen Erfahrungen war ihm klar, daß ohne ihre Zustimmung gar nichts ging. Nachdem er gleichzeitig zu dieser Schlußfolgerung und zum Fuß des Hügels, auf dem das New House lag, gelangt war, fiel ihm ein, daß Rosie irgend etwas von einem Brief von Miss Emmelia gesagt hatte. Über seiner Krankheit hatte er den verdammten Wisch ganz vergessen. Und jetzt war es zu spät, um umzukehren und ihn zu holen.
Er fuhr den Hügel hinauf, bog in die Einfahrt ein und hielt auf dem Kiesplatz vor dem Eingang an. Zähneknirschend mußte er zugeben, daß Samuel Petrefact, der Begründer der Fabrik und des gewaltigen Familienbesitzes, mit diesem Haus erlesenen Geschmack und eine gewisse Bescheidenheit bewiesen hatte. Yapp empfand das fast als persönliche Kränkung, denn ein Grundsatz seiner Lebensphilosophie besagte, daß die Häuser von Unternehmerkapitalisten, die ihren Fabrikarbeitern ein Leben in Not und Elend bereiteten, diese Scheußlichkeit widerspiegelten. Auf Samuel Petrefact traf das nicht zu. Yapp stieg aus und wollte soeben läuten, als sich ganz hinten im Gebüsch jenseits des Rasens etwas bewegte. Wenig später tauchte eine Gestalt mit einer bis über die Ohren reichenden Stoffmütze, einer Mistgabel und völlig verdreckter Schürze und Händen auf. Sobald Yapp über den Rasen auf sie zuging, verschwand sie wieder im Gebüsch.
»Können Sie mir vielleicht sagen, ob Miss Petrefact zu Hause ist«, sagte er zu einem Cordsamtrücken, der sich über einen Schneeballstrauch beugte.
Der Cordsamt zog sich noch weiter ins Gebüsch zurück. »Genaugenommen nicht«, entgegnete er mürrisch. »Und wer sind Sie denn wohl?«
Yapp zögerte. Diese arrogante Anrede mißfiel ihm – auch aus dem Mund eines armseligen Gärtners. Aber es kam ja öfter vor, daß die Dienstboten der Reichen das Gehabe und den mangelnden Anstand ihrer Herrschaft übernahmen. »Mein Name ist Yapp. Professor Yapp. Ich möchte gern Miss Petrefact sprechen.«
Das unwillige Gebrumm aus den Tiefen eines australischen Lampenputzerbaums hörte sich an, als würde er sich gedulden müssen, bis sie zurück sei. Unschlüssig stand Yapp auf dem Rasen und ließ seinen Blick über den Garten wandern. Er war ohne Zweifel sehr gepflegt, wenngleich die Schrebergärten, die winzigen Kohlbeete und das Balkongemüse der sparsamen Armen eher seinem Geschmack entsprachen als kunstvoll angelegte Blumenrabatten, Zierbüsche und Steingärten. »Sich als Gärtner um den ganzen Kram da zu kümmern muß ein Stück harte Arbeit sein«, meinte er. »Ist es auch.« Diesmal kam die Stimme von einem Pfingstrosen-Stock und klang noch barscher als zuvor. Yapp, dem dies nicht entging, schrieb es den natürlichen Ressentiments kleiner Angestellter zu.
»Arbeiten Sie schon lange hier?«
»Fast seit ich denken kann.«
Yapp sann über ein Arbeitsleben nach, das darin bestand, auf Händen und Knien durchs dichte Buschwerk zu rutschen und Unkraut zu jäten, und fand es wenig angenehm. »Werden Sie denn wenigstens anständig bezahlt?« fragte er mit einem Unterton, der das Gegenteil suggerierte. Undeutlich kam unter einem Königsfarn hervor, daß es zum Leben nicht ausreichte. Yapp begann sich für das Thema zu erwärmen. »Und wie ich annehme, gibt Ihnen das alte Mädchen auch keinen Penny zusätzlich für Anfahrtszeit, Kleidung und Brotzeit?«
»Keine Rede davon.«
»Schändlich«, sagte Yapp, glücklich, in Buscott endlich einen echten, unter Mißständen leidenden Proletarier gefunden zu haben. »Was Sie brauchen, ist eine Gartenbaugewerkschaft, die für Ihre Rechte eintritt. Wie viele Stunden pro Woche müssen Sie denn arbeiten, damit dieser Garten so aussieht, wie die Alte ihn haben möchte?« wieder ertönte unwilliges Schnauben, das mit »Neunzig« endete, war entrüstet. »Neunzig? Das ist wirklich ungeheuerlich.«
»Manchmal sogar hundert«, sagte die Stimme, die inzwischen zu einer Fiederspiere weitergewandert war. »Aber ... aber das ist ja Fronarbeit«, sagte Yapp, der in seiner Empörung nach Worten rang. »Die alte Hexe hat absolut kein Recht, Sie so zu behandeln. In der Industrie würde kein Mensch auch nur im Traum daran denken, hundert Stunden in der Woche zu arbeiten. Und natürlich bekommen Sie auch keine Überstunden bezahlt, oder?«
Ein höhnisches Kichern aus den Tiefen der Fiederspiere war die Antwort. Während Yapp der Stimme nachging, ließ er seinem heiligen Zorn über das Ausbeutertum freien Lauf. »Und ich bin ziemlich sicher, daß es da unten in dieser dreckigen Fabrik dasselbe ist. Das ganze System ist durch und durch verrottet. Aber ich werde dafür sorgen, daß diese Stadt und die Machenschaften der Petrefacts in die Schlagzeilen kommen. Das hier ist das verkommene Beispiel dafür, zu welchen Mitteln die kapitalistische Klasse greift, um das Proletariat zu schröpfen. Nein, vielen Dank, Sie können der dreckigen alten Hexe sagen, daß ich auf ihre Hilfe verzichte und daß sie bald erleben wird, was gut eingefädelte Publicity alles bewirken kann.« Und nachdem sich Yapp aufgrund dieses einzigen und ziemlich einseitigen Gesprächs in eine begründete Empörung über die Misere der Arbeiter in Buscott hineingesteigert hatte, ging er zu seinem Wagen zurück, stieg ein und fuhr davon. Jetzt wußte er, was er zu tun hatte. Er würde nach Kloone zurückkehren und sein Forschungsteam losschicken. Es war zwecklos, sich länger mit Voruntersuchungen auf individueller Basis aufzuhalten. Die Leute waren zu eingeschüchtert, um offen zu reden, außer sie konnten, wie der alte Gärtner, ihre Anonymität wahren oder wußten, daß die Außenwelt hinter ihnen stand, um sie zu schützen. Und die Außenwelt würde geballt anrücken – mit Tonbändern und Kameras.
Als er abgefahren war, tauchte die dreckige alte Hexe hinter einem wilden Orangenbäumchen auf und sah ihm mit gemischten Gefühlen nach. Der Mann war ein Vollidiot, aber ein gefährlicher, und sie war froh, die Möglichkeit gehabt zu haben, statt der sicher höflicheren Maske beim Nachmittagstee sein wahres Gesicht gesehen zu haben. Außerdem freute sie sich, daß es ihr gelungen war, ihn hinters Licht zu führen. Sie wischte sich die Hände an der Schürze ab und ging voller Entschlossenheit ins Haus. Professor Waiden Yapp mußte um jeden Preis daran gehindert werden, seine Nachforschungen weiter voranzutreiben. Er war schon zu weit gegangen.