Kapitel 12
Waiden Yapp verbrachte eine unruhige Nacht. Schuld daran waren zum Teil die Geräusche von nebenan. Sie ließen darauf schließen, daß die Coppetts einander nicht gerade freundschaftlich gesonnen waren und daß Willy üble Laune hatte. Hätte Yapp nicht um Mrs. Coppett unverhältnismäßig kräftigen Körperbau gewußt, hätte er sogar angenommen, daß ihr winziger Ehemann sie windelweich prügelte. Aber dieser Gedanke war nicht der einzige, der ihn beunruhigte. Die anderen kreisten um Sex.
An dieser Stelle muß gesagt werden, daß Waiden Yapps Ruf als Einzelgänger vollauf gerechtfertigt war. Nie war er der Verlockung erlegen, sich einer Studentin zu nähern. Andere Dozenten und sogar einige verheiratete Professoren hatten die Eintönigkeit von Tutorenkursen und Familienleben dadurch belebt, daß sie – vorgeblich im Namen progressiven Denkens, radikaler Politik und fanatischen Liberalismus – mit ihren Studentinnen schliefen. Nicht so Yapp. Dank der Vernachlässigung durch seine nach Höherem strebende Mutter und der protestantischpietistischen Ethik seiner Tante betrachtete er solche Affären mit puritanischer Verachtung. Soweit schön und gut, aber mit seiner eigenen Sexualität mußte er trotzdem zurechtkommen. Und wenn er ehrlich war, mußte er zugeben, daß er da nicht ganz so puritanisch war. Sie drückte sich auf der einen Ebene in zarten Gefühlen für bereits verheiratete Frauen aus, die er aus sicherer Entfernung anbetete, ohne daß sie auch nur Notiz von ihm nahmen, während sie auf einer tieferen, dunkleren Ebene in Visionen und unbezähmbaren Tagträumen zum Ausbruch kam, in denen sein Handeln von einer derart uferlosen Lüsternheit bestimmt war, daß er unter schweren Schuldgefühlen und dem starken Verdacht, pervers veranlagt zu sein, litt. Trotz seiner dreißig Jahre war Waiden Yapp in sexueller Hinsicht ein pubertierender Jüngling.
Als Gegengift gegen diese unbezähmbaren Phantasien arbeitete er härter den je und nahm, wenn die Spannung unerträglich wurde, Zuflucht zu dem, was seine Tante stets als Selbstbefleckung verteufelt hatte. Zum Glück hatte er im Rahmen eines Seminars über »Sexuelle Diskriminierung in der Baumwollindustrie von 1780 bis 1850« zwangsläufig R. D. Laing gelesen und dort zu seiner Beruhigung erfahren, daß der berühmte Psychologe die Ansicht vertrat, daß das Masturbieren bei einigen Individuen die ehrlichste Handlung in ihrem Leben darstelle. Nicht, daß Yapp diese Sicht restlos überzeugt hätte. Individualismus geriet mit seinen kollektivistischen Anschauungen in Konflikt, und trotz semantischen Gerangels mit Doris, die meinte, beim Masturbieren ließen sich diese zwei Standpunkte durchaus verbinden, glaubte Yapp fest daran, daß zwischenmenschliche Beziehungen, vorzugsweise auf kommunaler Basis, für die menschliche Erfüllung unerläßlich waren. Seine Instinkte waren da anderer Ansicht und fuhren mit ihren einsamen und erschreckend irrationalen Eruptionen fort. Als er jetzt, erlöst von Mrs. Coppetts realer und ausufernder Gegenwart, die ihm solche Angst eingejagt hatte, im Bett lag, verwandelte seine Phantasie sie in das leidenschaftliche Geschöpf seiner Träume. Und tatsächlich kam sie der eingebildeten Geliebten ungeheuer nahe, nicht zuletzt wegen ihre mangelnden Intelligenz. Das war so eine Sache, die Yapp ungeheuer verblüffte. Aus der Ferne verehrte er zwar Frauen mit makelloser Moral und hoher Intelligenz, doch seine Begierde weckten reife Frauen, die keinerlei Moral und keinen Funken Intelligenz besaßen. Mrs. Coppett paßte haargenau in dieses Schema. Er stellte sich vor, mit ihr im Bett zu liegen, ihre ausladenden Brüste zu küssen, ihr Mund auf dem seinen und ihre Zunge ...
Yapp setzte sich im Bett auf und drehte das Licht an. So ging es nicht. Diese irrationalen Träume mußten ein Ende haben. Er griff nach dem Ordner mit der Familienkorrespondenz, die Lord Petrefact ihm geschickt hatte, und versuchte, damit diese Bilder zu verjagen. Doch ließ sich Mrs. Rosie Coppett, gleich einem heimlich ersehnten Succubus, nicht verscheuchen. Am Ende gab er auf, löschte das Licht und versuchte so ehrlich zu handeln, wie er nur konnte. Doch stieß er dabei erneut auf ein Hindernis. Das Bett quietschte so rhythmisch, daß ersieh nicht konzentrieren konnte, und so gab er auch diesen Versuch auf. Schließlich fiel er in unruhigen Schlaf und wachte am nächsten Morgen mit dem Gefühl auf, daß ihm etwas Sonderbares widerfuhr.
Nachdenklich ging er ins Bad hinüber und versuchte, sich auf das zu konzentrieren, was er sich für diesen Tag vorgenommen hatte. Er wollte ins Museum gehen, den Kurator um Einsicht in die Unterlagen über die Petrefacts bitten und sehen, was er daraus über die Arbeitsbedingungen und die Löhne in der Mühle unmittelbar nach ihrer Erbauung durch Samuel Petrefact in Erfahrung bringen konnte. Ausgehend von dieser soliden statistischen Grundlage, wollte er sich dann zur derzeitigen Familie durcharbeiten. Auch wenn sich Lord Petrefact die Familiengeschichte als eher persönlichen und fast biographischen Bericht über Generationen von Petrefacts vorgestellt haben mochte, so hatte Yapp seine Prinzipien. Er würde auf seine Weise vorgehen – vom Allgemeinen zum Besonderen. Auch hatte er beschlossen, daß das Buch den Titel Das Petrefact-Erbe: Eine Untersuchung über das Auftreten des
multinationalen Kapitalismus bekommen sollte. Und falls er dem alten Mann nicht paßte, konnte er ihm den Buckel runterrutschen. Der Vertrag sicherte Yapp freie Hand in der Behandlung des Themas zu, und nicht umsonst war er Spezialist für proletarische Geschichtsschreibung. In einem etwas weniger aufgewühlten Zustand ging er anschließend zum Frühstück hinunter. Doch hier erhielt sein Rationalismus einen neuen Schlag. Willy war bereits zur Arbeit gegangen, und Mrs. Coppett wirkte, nachdem sie den dubiosen Putz vom gestrigen Abend abgestreift hatte, frisch und häuslich und war gefährlich besorgt und zurückhaltend. »Ich weiß nicht, was Sie von mir denken müssen«, sagte sie, während sie ihm eine große Schüssel Porridge vorsetzte, »ausgerechnet Sie als Professor und so.«
»Nicht der Rede wert«, meinte Yapp bescheiden. »O doch. Willy hat es mir gestern abend erzählt. Er war furchtbar wütend.«
»Das tut mir aber leid. Hat er denn gesagt, warum?« Mrs. Coppett schlug zwei Eier in die Pfanne. »Weil Sie ein Professor sind. Drunten im Pub wurde darüber geredet.« Yapp unterdrückte einen Fluch. Sobald sich das in Buscott herumgesprochen hatte, würden sich die Petrefacts wundern, warum er sich noch nicht bei ihnen gemeldet hatte. Andererseits wüßten sie ohnehin bald Bescheid, und er mußte zugeben, daß es naiv gewesen war, sich einzubilden, daß er seine Recherchen anstellen konnte, ohne daß sie davon erfuhren. Während er so über seinem Frühstück saß und nachdachte, wanderte seine Aufmerksamkeit unweigerlich zur Mrs. Coppett zurück, die am Herd stand und vor sich hin plapperte, wobei ihr Gerede monoton um die Tatsache kreiste, daß er ein Professor war, ein Titel, mit dem sie wahrscheinlich nichts Konkretes verband, der sie aber mit ungeheurer Ehrfurcht erfüllte. In dieser Situation verschaffte sich Yapps Glaube an die Gleichheit aller Gehör.
»Sie dürfen mich nicht für jemand Besonderen halten«, sagte er in unmittelbarem Widerspruch zu seinen Gefühlen. Anständig gekleidet, war sie eine attraktive Frau aus der Arbeiterklasse, deren körperliche Vorzüge durch den Mangel an geistigen um so krasser zur Geltung kamen. »Ich bin nur Gast in Ihrem Haus. Es würde mich freuen, wenn Sie mich Waiden nennen würden.«
»Ooch«, sagte Mrs. Coppett und tauschte die Porridgeschüssel gegen einen Teller mit Rührei und Schinken aus. »Das könnte ich nie.«
Yapp konzentrierte sich auf die Eier und schwieg. Noch immer hing ein Hauch von Parfüm in der Luft, und diesmal erregte ihn, was es verhieß. Außerdem hatte Mrs. Coppett sehr hübsche Beine. Er schlang das restliche Essen hinunter und wollte schon das Haus verlassen, als sie ihm eine Blechdose in die Hand drückte.
»Belegte Brote. Sie sollen doch nicht hungern, oder?« Yapp murmelte ein Dankeschön und wurde erneut von einer Woge jenes fatalen Mitgefühls ergriffen, das ihre Herzlichkeit in ihm hervorrief. In Verbindung mit dem gefälligen Rest, insbesondere mit Mrs. Coppetts Beinen, übte es eine ausgesprochen verheerende Wirkung auf ihn aus. Mit verlegen gemurmelten Dankesworten, die sein Verlangen, sie in die Arme zu nehmen und zu küssen, kaschieren sollten, wandte Yapp sich um, eilte an den Gartenzwergen vorbei und schlug den Weg nach Buscott ein, schmerzlich hin- und hergerissen zwischen dem Gedanken an das, was er den Petrefacts antun würde, und dem, was er gerne für die Coppetts und mit ihr anstellen würde. Willy erwiderte dieses Wohlwollen durchaus nicht. Seine Gefühle spiegelten sich am ehesten in der Intensität, mit der er sein Messer am Gürtelende wetzte, während er dem Schlachthofdirektor erklärte, daß er heute ohne besonderen Grund frei haben wolle.
»Sie müssen aber doch einen Grund haben«, sagte der Boss zu Willys oberer Gesichtshälfte, die ihn über die Schreibtischkante hinweg anglotzte. »Fühlen Sie sich nicht wohl? Ich meine, wenn Sie krank sind...«
»Nein«, sagte Willy.
»Dann vielleicht Ihre Frau ...«
»Auch nicht krank.«
»Oder irgendwelche Verwandte ...«
»Nein«, sagte Willy, »hab’ ich keine.« Er wetzte sein Messer unter dem Schreibtisch heftiger, was den Manager, der nicht recht wußte, was Willy da machte, zu falschen Vermutungen veranlaßte.
»Hören Sie zu, Willy«, sagte er und beugte sich zu ihm hinunter, »ich bin jederzeit bereit, Ihnen freizugeben. Sie brauchen mir nur einen vernünftigen Grund zu nennen. Sie können doch nicht einfach hereinschneien und tun, was immer Sie da unten tun – und wo wir schon beim Thema sind, es wäre mir lieber, Sie würden es bleibenlassen –, und von mir erwarten, daß ich einfach so ›ja‹ sage.«
Willy erwog diesen durchaus vernünftigen Einwand, gelangte aber zu keinem brauchbaren Entschluß. In seiner ganz persönlichen Hierarchie rangierte Mr. Frederick ungleich höher als der Manager des Schlachthofs, und obwohl Mr. Petrefact ihm nicht ausdrücklich aufgetragen hatte, niemandem etwas über seinen Beschattungsauftrag zu erzählen, war er nicht gewillt, darüber zu reden.
»Geht nicht«, sagte er schließlich und prüfte unwillkürlich die Klinge seines Messers mit dem Daumen. Für den Manager war diese Geste ein ausreichender Grund.
»Also gut. Ich werde eben hinschreiben, daß private Gründe vorliegen.«
»Genau«, sagte Willy und ließ den etwas konsternierten Manager stehen. Er zuckelte die Straße in Richtung Rabbitry Road hinunter und entdeckte gerade noch rechtzeitig den entgegenkommenden Yapp. Willy ging hinter einer Frau, die einen Kinderwagen schob, in Deckung und wartete, bis Yapp vorbei war. Von da an blieb er ihm dicht auf den Fersen, obwohl er seine ganze Kraft aufbieten mußte, um mit ihm Schritt zu halten. Als Yapp schließlich ins Museum ging, war er froh über die Verschnaufpause. Er sah durch die Glastür, daß Yapp den Kurator ansprach, und schlüpfte hinein, um Genaueres zu hören.
»Die Unterlagen der Petrefact?« sagte der Kurator. »Ja, natürlich befinden die sich hier, aber ich furchte, Einblick gewähren kann ich Ihnen nicht.«
»Aber ich habe Ihnen doch erklärt, daß ich befugt bin«, sagte Yapp, »und außerdem habe ich hier einen Brief von Lord Petrefact ...«
Willy notierte sich die Tatsache und auch, daß sie den Kurator nicht im mindesten beeindruckte.
»Ich muß Ihre Bitte ablehnen. Ich habe ausdrückliche Anweisungen von Miss Emmelia, niemandem Einblick in die Familiendokumente zu gewähren, es sei denn, sie habe die Erlaubnis dazu erteilt. Es wird Ihnen nichts anderes übrigbleiben, als sich ihre Genehmigung zu holen.«
»Verstehe. Wenn das so ist, werde ich sie auch bekommen«, sagte Yapp. Und nachdem er sich kurz im Museum umgesehen und den Kurator zu einer Vitrine mit frühen Bauerngerätschaften beglückwünscht hatte, trat er hinaus auf die Straße. Willy folgte ihm. Diesmal führte sie ihr Weg hinunter zur Mühle, wo sie zu Willys großer Verwunderung und Yapps vorschneller Genugtuung eine Reihe Streikposten antrafen, die auf ihren Transparenten höhere Löhne für kürzere Arbeitszeit forderten und Drohungen gegen Streikbrecher ausstießen. Soweit Willy Coppett wußte, waren die Löhne in der Mühle hoch und die Arbeitszeit kurz, so daß er das Ganze beim besten Willen nicht begreifen konnte. Yapp hingegen glaubte, es zu können. Die Unterstellung allerdings, daß er ein Streikbrecher sei, mißfiel ihm gründlich.
»Mein Name ist Yapp, Professor Yapp. Vielleicht haben Sie schon von mir gehört«, erklärte er dem Anführer der Streikposten, einem großen, kräftigen Mann, der sein Transparent drohend schwenkte. »Ich würde nicht im Traum ans Streikbrechen denken.«
»Dann versuchen Sie auch nicht, die Streikpostenkette zu durchbrechen.«
»Das versuche ich ja gar nicht«, entgegnete Yapp. »Ich bin hier, um eine Untersuchung über eure Arbeitsbedingungen zu machen.«
»Und für wen?«
An dieser Stelle zögerte Yapp. Die Wahrheit, nämlich daß er für Lord Petrefact arbeitete, würde wohl kaum auf Gegenliebe stoßen, doch andererseits widersprach es seiner Natur, anderen Leuten, zumal einem Streikposten, plumpe Lügen aufzutischen. »Ich komme von der Universität Kloone«, wich er aus. »Ich bin Professor für Proletarische Geschichtsschreibung und interessiere mich ganz besonders für ...«
»Wir nicht. Das kannst du den Bossen erzählen.«
»Nicht was?«
»Besonders interessiert, verdammt. Und jetzt zisch ab.« Um seiner Aufforderung Nachdruck zu verleihen, erhob er drohend sein Transparent. Yapp zog ab, und Willy nahm voller Genugtuung darüber, daß Professor Yapp ungeachtet der Extras, die er gestern angeboten bekommen haben mochte, heute nirgends recht weiterkam, die Verfolgung auf. Nachdem sie eineinhalb Kilometer am Fluß entlanggegangen (beziehungsweise, was Willy betraf, gerast) waren, plan- und ziellos eine Straße mit Fabrikarbeiterhäuschen hinauf- und eine zweite hinuntergelaufen waren, in der es keine Vorgärten zum Verstecken gab, so daß Willy abwarten mußte, bis Yapp um die Ecke gebogen war, bevor er ihm, gefolgt von einer johlenden Meute kleiner Jungen, hinterherhetzen konnte, hatte Willy allmählich das Gefühl, daß er sich seine zehn Pfund recht hart verdienen mußte. Erschwerend kam hinzu, daß Yapp einige Male stehenblieb und Leute ansprach und Willy die Befragung jedesmal wiederholen mußte.
»Er wollte wissen, was ich über die verdammten Petrefacts weiß«, schimpfte ein alter Mann, nachdem es Willy gelungen war, ihn davon zu überzeugen, daß er es nicht mit einem vorwitzigen Kind zu tun hatte, sondern mit einem wißbegierigen, echten Zwerg. »Ich habe ihm gesagt, ich kenne diese Scheißkerle nicht.«
»Sonst noch was?«
»Wie es in der Fabrik ist, wieviel sie mir zahlen und so Zeug.«
»Haben Sie’s ihm gesagt?«
»Wie zum Teufel hätte ich, Kerl? Bin nie dort gewesen. Hab’ mein Leben lang bei der Eisenbahn in Barnsley gearbeitet. Bin hier zu Besuch bei meiner Tochter.«
Willy raste weiter, schoß um die Ecke und war nur mäßig erleichtert, als er feststellte, daß ihm seine Beute nicht entwischt war. Yapp saß auf einer Bank mit Blick auf den Fluß und stellte – oder genauer: plärrte – Fragen in das Hörgerät eines betagten Rentners. Willy bezog Horchposten hinter einer Briefkastensäule.
»Haben Sie Ihr ganzes Leben lang hier gewohnt?« brüllte Yapp. Der alte Mann zündete mit zitternder Hand seine Pfeife an und nickte.
»Und in der Mühle gearbeitet?«
Der Mann nickte weiter.
»Können Sie mir sagen, wie es war – Arbeitsbedingungen, Überstunden, niedrige Löhne und so weiter?« Der Mann nickte noch immer. Anscheinend sah Yapp seine Chancen steigen. Er öffnete seine Blechbüchse und holte ein belegtes Brot heraus.
»Wissen Sie, ich mache eine Untersuchung über die Ausbeutung der Arbeiterklasse durch Fabrikbesitzer zur Zeit der Wirtschaftsdepression, und man hat mir gesagt, daß die Petrefacts als miese Arbeitgeber berüchtigt sind. Ich wäre Ihnen für jede Information dankbar, die Sie mir dazu geben können« Willy hinter seinem Briefkasten lauschte aufmerksam. Jetzt hatte er wenigstens etwas zu berichten, und da er in dem alten Mann Mr. Teedle erkannt hatte, der nicht nur stocktaub war, sondern sich infolge eines langen Ehedaseins mit einer charakterstarken und stimmgewaltigen Frau auch angewöhnt hatte zu nicken, anstatt den Mund aufzumachen, wußte er den Professsor in sicherer und uninformativer Gesellschaft. So verließ Willy sein Versteck, überquerte die Straße und kehrte im Anker ein, wo er sich eine Hackfleischpastete und ein paar Biere zu Gemüte führen und gleichzeitig ein Auge auf Yapp werfen konnte. Aber zuerst wollte er Mr. Frederick anrufen. Mit größter Selbstverständlichkeit, die nur der Tatsache zuzuschreiben war, daß er der stadtbekannte Zwerg war, schleifte er einen leeren Bierkasten zum Telefon, wählte die Nummer der Mühle und fragte nach Mr. Frederick.
»Und er tut nichts anderes, als die Leute zu fragen, was hier los ist?« fragte Frederick, als Willy seinen Bericht beendet hatte. Willy nickte, so daß Frederick die Frage wiederholen mußte, um den Zwerg aus seiner ehrerbietigen Sprachlosigkeit zu locken. »Ja«, nuschelte er schließlich.
»Und sonst stellt er keine Fragen?«
»Nein.«
»Nur, was wir hier machen?«
»Ja«, sagte Willy, der es vorzog, sich Mr. Fredericks frisch erworbene Sympathie nicht dadurch zu verscherzen, daß er niedrige Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen erwähnte. Diesmal war es Frederick, der schwieg. Er überlegte krampfhaft, was er tun sollte. Es gab mehrere Möglichkeiten, von denen ihm keine behagte.
»Na gut, dann müssen wir den verdammten Stier wohl bei den Hörnern packen«, murmelte er nach einer Weile.
»Welchen denn?« fragte Willy.
»Was welchen?«
»Stier.«
»Stier? Wovon zum Teufel reden Sie?«
Willy versank wieder in ehrfürchtiges Schweigen, und noch bevor die Frage zufriedenstellend beantwortet werden konnte, war sein Geld verbraucht und die Verbindung unterbrochen. Willy seufzte erleichtert auf, kletterte von seinem Bierkasten herunter und kehrte an den Tresen zurück. Yapp war noch immer intensiv mit Mr. Teedle beschäftigt, so daß Willy sich in aller Ruhe zum Essen und seinem Bier niedersetzen konnte. Unterdessen schenkte Frederick sich in seinem Büro einen doppelten Whisky ein und verfluchte zum hundertsten Mal seinen Vater. Der alte Satan mußte wissen, was er da anstellte und daß er nicht nur die übrige Familie in Gefahr brachte, sondern auch seine eigene gesellschaftliche Stellung aufs Spiel setzte, indem er Yapp nach Buscott schickte. Irgendwie paßte das alles nicht zusammen. Wenigstens die Idee mit dem Streik und den Streikposten, die Yapp verjagt hatten, war gut gewesen. Und mit der beruhigenden Überlegung, daß Tante Emmelia zum Glück ein Einsiedlerdasein führte und kaum jemals die Abgeschiedenheit ihres perfekt gepflegten Gartens verließ, begab er sich zum Lunch.