Kapitel 4
Waiden Yapp fuhr mit einem Mietwagen nach Fawcett. Ansonsten fuhr er überallhin mit dem Zug. Doch bei Fawcett House gab es weit und breit keine Bahnstation, und eine Anfrage bei Doris, dem Computer, hatte ihm nur bestätigt, daß er weder mit dem Bus noch mit einem anderen öffentlichen Verkehrsmittel dorthin gelangen konnte. Einen eigenen Wagen besaß Yapp aus Überzeugung nicht, teils, weil er der Ansicht war, daß alles Staatseigentum sein sollte, teils aufgrund seiner Naturschützermentalität, die Lord Petrefact so zutreffend diagnostiziert hatte, vor allem aber, weil Doris ihn darauf aufmerksam gemacht hatte, daß die für den Unterhalt eines Autos erforderlichen zwölf bis fünfundsiebzig Pfund für die Ernährung und medizinische Versorgung von vierundzwanzig Kindern in Bangladesh ausreichen würden. Dann hatte sie dieses Argument jedoch wieder entkräftet, indem sie nachwies, daß er durch den Kauf eines Autos, je nach Fabrikat, Arbeitsplätze in der Autoindustrie für fünf Briten, zwei Deutsche oder einen halben Japaner schaffen würde. Nach einem heftigen Gewissenskampf entschloß sich Yapp, die Arbeitslosigkeit von fünf britischen Fabrikarbeitern in Kauf zu nehmen und gar kein Auto zu erwerben. Das auf diese Weise gesparte Geld stiftete er Oxfam, nicht ohne die traurige Überlegung anzustellen, daß es wahrscheinlich eher zwei Verwaltungsbeamte hinter ihrem Schreibtisch als irgendwo anders Verhungernde am Leben erhielt.
Doch als er in die Auffahrt von Fawcett House einbog, kreisten seine Gedanken nicht etwa um die Not in der Dritten Welt, sondern um die vulgäre, maßlose Selbstüberschätzung, die die Petrefacts mit dem Bau dieses gigantischen Landsitzes demonstriert hatten. Fawcett House war ein grauenhafter Palast, und die Vorstellung, daß es noch immer stinkreiche Leute gabdie derart weitläufige Besitzungen ihr eigen nannten, stieß ihn ab. Noch abstoßender fand er die affektierte Dame in Rock und Twinset, die ihm, kaum daß er ausgestiegen war, zwei Pfund Eintrittsgebühr abknöpfen wollte.
»Nichts da«, sagte Yapp, »ich bin geschäftlich hier.«
»Der Dienstboteneingang befindet sich hinten.«
»Bei Seiner Majestät.« Doch Yapps Sarkasmus war an das Twinset verschwendet.
»Da sind Sie fünfzig Jahre zu spät dran. Den letzten königlichen Besuch hatten wir hier im Jahr 1929.« Damit ging sie ins Haus zurück. Yapp holte seine geliehene Intourist-Tasche aus dem Wagen, warf einen geringschätzigen Blick auf die gebeugte Gestalt des Gärtners, der eine Blumenrabatte jätete, und folgte ihr.
»Falls ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt haben sollte ...«
»Geben Sie sich keine Mühe«, entgegnete das Twinset. »Ich bin hier, um den alten Knacker persönlich zu sehen«, sagte Yapp, um seine proletarische Herkunft gewaltsam zu demonstrieren.
»Kein Grund, vulgär zu werden.«
»In dieser Umgebung bleibt einem kaum eine andere Wahl«, gab Yapp mit einem vielsagenden Blick auf die Marmorsäulen und protzig goldgerahmten Gemälde zurück. »Dieser ganze Kasten stinkt nach üblem Mißbrauch von Reichtum. Aber wie dem auch sei, ich bin auf Einladung Seiner Lordschaft hier.« Er kramte in seiner Tasche nach dem Brief. »Wenn das so ist, dann finden Sie ihn im Privatflügel zu Ihrer Rechten«, sagte das Twinset. »Ich kann allerdings nicht behaupten, daß ich ihn um die Gesellschaft beneide, die er sich aussucht.«
»Und ich beneide ihn nicht um sein Personal.« Damit wandte Yapp sich um und folgte einem langen Gang bis zu einer mit grünem Boi bespannten Tür, an der »Privat« stand. Yapp drückte sie mit dem Fuß auf und trat ein. Wieder ein langer Gang, diesmal mit Teppich ausgelegt. Er wollte ihm schon folgen, als aus einer Tür zu seiner Rechten ein kleiner, adretter Mann trat, der ihn flüchtig musterte.
»Professor Yapp?« fragte er mit einer Ehrerbietigkeit, die auf ihre Weise ebenso beleidigend war wie die Arroganz der Dame am Eingang.
»Der bin ich«, sagte Yapp, nicht gewillt, sich einschüchtern zu lassen.
»Wenn Sie mir bitte folgen wollen, Sir. Ich rufe gleich einen Diener, der Ihnen Ihre Räume zeigen wird. Seine Lordschaft empfängt Sie um halb sieben. Sicher wollen Sie sich noch umkleiden.«
»Hör zu, Freundchen, eines wollen wir gleich mal klarstellen. In der Welt, aus der ich komme, also in der realen Welt, nicht in Poona um 1897 oder im Dschungel um Timbuktu, zieht sich der einfache Mann zum Essen nicht um. Und ich brauche keinen überfütterten, unterbezahlten Butler, der mir mein Zimmer zeigt. Sagen Sie mir, wo es ist, dann werde ich es schon alleine finden.«
»Wenn Sie meinen, Sir«, sagte Croxley, wobei er sich die Retourkutsche verkniff, daß sich der einfache Mann nie und nirgends zum Essen umzog und daß es in der Umgebung von Timbuktu gar keinen Dschungel gibt. »Wir haben Sie im ersten Stock in der König-Albert-Suite untergebracht. Wenn Sie irgend etwas brauchen, finden Sie mich hier unten.« Er ging ins Arbeitszimmer zurück und überließ Waiden Yapp seinem Schicksal, das ihn den Gang entlang, eine geschwungene Treppe hinauf und wieder einen Gang entlang führte. Zwanzig erfolglose Minuten später war er wieder unten. »Die Prinz-Albert-Suite ...«, begann er, nachdem er, ohne anzuklopfen, die Tür geöffnet hatte. Croxley betrachtete ihn mit unverhohlener Geringschätzung.
»Die König-Albert-Suite, Sir«, sagte er, während er voranging. »König Albert von Belgien hat sie im Jahr 1908 bewohnt. Seitdem ist sie für Gäste mit progressiven Ansichten reserviert.«
»Progressive Ansichten? Das soll wohl ein Scherz sein. Dieses Schwein war dafür verantwortlich, daß man Afrikanern im Kongo die Hände abgehackt hat, und für dergleichen Abscheulichkeiten mehr.«
»Ganz meine Meinung, Sir«, sagte Croxley. »Aber wir einfachen Leute haben auch so unsere kleinen Scherze, Sir. Das ist einer der Vorteile, wenn man zur Dienerschaft gehört.« Damit ließ er Yapp stehen und ging zufrieden mit sich selbst wieder nach unten.
Yapp nahm die König-Albert-Suite mit einer Mischung aus Abscheu, Neugier und dem beunruhigenden Gefühl, sich zu einer plumpen Taktlosigkeit verleitet haben zu lassen, in Augenschein. Schließlich war es das System, mit dem etwas faul war, während der adrette, kleine Mann – und, bei aller Herablassung, auch das Twinset – nur Bedienstete waren und wahrscheinlich Familien zu ernähren hatten. Und wenn sie im Lauf der Jahre der Versuchung »abgeleiteter Ego-Identität« erlegen waren, um einen Terminus zu gebrauchen, dessen er sich häufig in Vorlesungen bediente, so war das nicht weiter verwunderlich; überraschend war eher, daß sie sich überhaupt noch ein Gefühl für Menschlichkeit bewahrt hatten. Der kleine Mann in seinem dunklen Anzug mit Weste und den blitzblank geputzten Schuhen hatte damit, daß er sich als zur Dienerschaft gehörig bezeichnete, ganz erstaunliches Selbstbewußtsein bewiesen. Waiden Yapp beschloß, sich seine heftigeren Ausbrüche von Klassenbewußtsein für Lord Petrefact aufzusparen.
In der Zwischenzeit inspizierte er das Gemach, das einst den König beherbergt hatte, der das gesamte Belgisch-Kongo als sein persönliches Eigentum beanspruchte. Es war entsprechend üppig und geschmacklos eingerichtet: ein riesiges Bett, eine klotzige Frisierkommode, auf die Yapp seine Intourist-Tasche in der trotzigen Absicht stellte, das eingelegte königliche Wappen zu verdecken, und ein Kamin, über dem ein Gemälde des Königs in Uniform hing. Etwas wirklich Interessantes allerdings entdeckte er, als er durch einen kleinen Nebenraum, offenbar das Ankleidezimmer, das Bad betrat. Für einen Historiker mit einer besonderen Vorliebe fürs Objektive und, um ihn nochmals zu zitieren, für »substantielle Manifestationen des Klassenunterschiedes« enthielt dieses Badezimmer wahre Schätze an viktorianischer Sanitärinstallation. Badewanne, Wasserclosett und Toilettenschüssel waren in Mahagoni eingebettet, über dem Waschbecken hing ein riesiger Buntglasspiegel, daneben ein voluminöser, beheizbarer Handtuchständer und ein Wandschrank mit mehreren überdimensionalen Handtüchern. Doch am meisten faszinierte ihn die Badewanne oder vielmehr die seitlich angebrachte Batterie von Hähnen, Drehknöpfen und Hebeln. Die Wanne war außerordentlich groß, sehr tief und mit ihrem Baldachin und den wasserdichten Vorhängen einem Himmelbett nachempfunden. Yapp beugte sich darüber und betrachtete die verschiedenen Meßgeräte. Eines zeigte die Temperatur an, ein zweites den Wasserdruck, und neben dem dritten und größten befanden sich ein Hebel und eine Art Wählscheibe mit mehreren markierten Einstellungen. Yapp setzte sich auf den Rand der Wanne, um besser lesen zu können, und hatte einen schrecklichen Augenblick lang das Gefühl, als würde er seitlich abrutschen. Er sprang auf und blickte mißtrauisch auf das Ungetüm. Das verdammte Ding hatte sich bewegt. Vor seinen Augen kehrte es wieder in seine horizontale Lage zurück. Sonderbar. Vorsichtig streckte Yapp die Hand aus und drückte auf die Mahagoniverkleidung. Nichts rührte sich. Da er nicht riskieren wollte, die Wanne wieder in Bewegung zu versetzen, kniete er sich auf den Boden, um sich die Scheibe mit dem Hebel genauer anzusehen. Am einen Ende der Skala stand WELLEN, am anderen DAMPF. Und zwischen diesen beiden ziemlich beunruhigenden Kommandos – bei genauerer Betrachtung erinnerte ihn das Ganze an die Meßgeräte auf den Kommandobrücken großer Schiffe, die er freilich nur aus Filmen kannte – gab es noch andere. Nach WELLEN kam FLUT, gefolgt von STARKE WELLEN, dann RUHIG und schließlich drei Stärken DÜSENMASSAGE, nämlich STARK, MITTEL und SCHWACH. Es war einfach faszinierend, so daß Yapp einen Moment lang ein Bad zu nehmen erwog, um dieses außergewöhnliche Beispiel für die frühe Automatisierung im häuslichen Sanitärbereich auszuprobieren, das die imperialistische Zwangsvorstellung von der Überlegenheit auf See, vom Suezkanal und von Handelswegen nach Indien demonstrierte. Doch war es bereits nach sechs, so daß er, nachdem er diesen Kommentar in seinem Notizbuch festgehalten hatte, das er stets bei sich trug, wenn er nicht mit Doris in Verbindung stand, den Plan fallenließ. Statt dessen fertigte er eine Skizze von der ganzen Anlage mit genauen Maßangaben an und notierte sich die verschiedenen Hebelpositionen. Als er damit fertig war und das Bad verlassen wollte, fiel sein Blick auf ein vergilbtes Blatt Papier, das in einem Rahmen neben dem Waschbecken hing. Offenbar handelte es sich um die Bedienungsanleitung für DAS SYNCHRONISIERTE WELLENBAD. Yapp las sie durch und stellte fest, daß bei einer Kombination von WELLEN und WASSERVERDRÄNGUNG »die Höhe des Wasserspiegels in der Badewanne zwei Drittel« betragen mußte. Der nächste Satz war durch den Dampf und die Zeit unleserlich geworden. Yapp durchquerte das Zimmer, folgte dem Gang bis zur Treppe und ging hinunter. Croxley erwartete ihn in seinem Arbeitszimmer. Er trug ein sportliches Wollsakko, ein Flanellhemd und eine Strickkrawatte und fühlte sich sichtlich unwohl.
»Das wäre nicht nötig gewesen«, sagte Yapp ziemlich gereizt. »Wir möchten, daß unsere Gäste sich hier wie zu Hause fühlen«, erwiderte Croxley, der von Lord Petrefact Anweisung erhalten hatte, sich leger zu kleiden.
»Das wird mir in diesem Palast wohl kaum gelingen. Eigentlich sollte das hier ja ein Museum sein.«
»Ist es die meiste Zeit auch«, sagte Croxley und öffnete eine Tür. »Nach Ihnen.«
Yapp trat ein und kehrte damit zu seiner Überraschung in die Mitte der siebziger Jahre zurück. Der Salon wirkte ebenso unaufdringlich wohnlich, wie das Gegenteil auf den Rest des Hauses zutraf. Der Boden war mit einem rostbraunen Teppich ausgelegt, in einer Ecke flimmerte ein Fernsehapparat, und in einem schlichten, geschmackvollen Kamin, vor dem ein niedriger Tisch und eine große, moderne Couch standen, brannten dicke Holzscheite.
»Bedienen Sie sich«, sagte Croxley und wies auf ein Eckschränkchen, das die Hausbar beherbergte. »Ich hole inzwischen den alten Herrn.«
Als Yapp allein war, blickte er sich verwundert um. Rings an den Wänden hing moderne Kunst. Klee, Hockney, ein Matisse, zwei Picassos, mehrere abstrakte Bilder, die Yapp nicht zuordnen konnte, und, unglaublich in dieser Umgebung, sogar ein Warhol. Doch bevor sich seine Verblüffung in Widerwillen über diese finanzielle Ausbeutung des Kunstbetriebs verwandeln konnte, wurden Yapps Gefühle erneut aufgewühlt. Durch eine kleine Tür neben dem Kamin kamen eine mürrische Stimme, ein paar Hauspantoffeln und die Chromspeichen eines Rollstuhls. »Ah, mein lieber Junge, wie nett von Ihnen, daß Sie den weiten Weg gemacht haben«, begrüßte ihn Lord Petrefactdessen Versuch zu lächeln Yapp ebensowenig zu bezaubern vermochte wie die abstrakte Nackte in Stücken von Jaroslav Sowieso. Ein mit der Realität besser vertrauter Mensch hätte dieses Lächeln als grausiges Omen gedeutet; für Waiden Yapps tief verwurzelten Glauben an Mitgefühl und Anteilnahme beinhaltete es den tapferen Versuch, körperliche Gebrechen zu überspielen. Von einer Sekunde zur nächsten war Lord Petrefact in seinen Augen vom kapitalistischen Blutsauger zum alten, behinderten Mitmenschen geworden.
»Aber nicht doch«, murmelte er, während er verzweifelt versuchte, den Wirbel widersprüchlicher Gefühle zu entflechten, in den ihn Lord Petrefacts traurige Erscheinung gestürzt hatte. Und ohne sich dessen so recht bewußt zu sein, schüttelte er die schlaffe Hand eines der reichsten und, davon war er fest überzeugt, skrupellosesten Ausbeuter der Arbeiterklasse Großbritanniens. Wenig später saß er mit einem Whisky Soda auf der Couch, während der alte Mann sich des langen und breiten darüber ausließ, wie befriedigend es doch sein mußte, sich in einer Welt, der es an Menschen mit Professor Yapps Engagement bitter mangelte, mit Haut und Haaren jungen Menschen zu widmen.
»So würde ich das nicht sagen«, wandte Yapp ein. »Natürlich tut man sein Bestes, aber unsere Studenten sind nicht gerade die hellsten.«
»Ein Grund mehr, ihnen die beste Ausbildung angedeihen zu lassen«, meinte Lord Petrefact, der mit einer Hand ein Glas Milch umklammerte, während er in der anderen ein Taschentuch hielt, mit dem er sich ein Auge abtupfte, um diesen mageren Menschen genauer unter die Lupe nehmen zu können. In seinen Augen verkörperte er die gefährlichste und scheinheiligste Spezies der heutigen Zeit: die fanatischen Verfechter einer Ideologie. Wenn Yapp feste Vorstellungen von Kapitalisten hatte, so hatte Lord Petrefact ebenso extreme Vorurteile gegenüber Sozialisten. Aufgrund von Yapps Ruf hatte er allerdings etwas Eindrucksvolleres erwartet. Einen Augenblick lang geriet sein Entschluß ins Wanken. Es war wohl kaum der Mühe wert, einen Mann, der wie eine Kreuzung aus unerfahrenem Sozialarbeiter und Prälat aussah, als Bluthund auf die Familie zu hetzen, um ihr das Leben zur Hölle zu machen. Die Saukerle würden ihn bei lebendigem Leib auffressen. Andererseits konnte Yapps Auftreten täuschen. Seine Entscheidungen als Schlichter, insbesondere die neunzigprozentige Gehaltserhöhung für Garderobe– und Toilettenpersonal, waren so offensichtlich durch politische Vorurteile bestimmt, und die Forderung, daß Straßenkehrer genauso bezahlt werden sollten wie medizinische Gutachter, war derart absurd, daß sie keinerlei Zweifel daran ließen, daß Yapp ungeachtet seines Auftretens eine erhebliche subversive Macht darstellte. Diese Überlegungen stellte Lord Petrefact an, während er weiterhin an seiner Milch nippte und sich über die Notwendigkeit besserer Ausbildungschancen für junge Menschen mit einer leicht melancholisch angehauchten, gedämpften Begeisterung verbreitete, die er freilich nicht empfand.
Croxley, der sich in seinem Harris-Tweed-Jackett recht unwohl fühlte, saß in einer Ecke und hörte zu. Er hatte Lord Petrefact in der Rolle des menschenfreundlichen Invaliden schon früher erlebt. Nachdem er Waiden Yapp einen zweiten Whisky eingeschenkt und gesehen hatte, wie dieser ihn hinunterkippte, sobald der Mietbutler verkündete, daß angerichtet sei, bekam er allmählich Mitleid mit dem armen Esel. Um gegen dieses Mitgefühl gefeit zu sein, mußte er sich erst vergegenwärtigen, daß Yapp in Anbetracht seiner akademischen Karriere nicht so schwachköpfig sein konnte, wie er wirkte. Croxley, der vor der Einführung des kostenlosen Universitätsstudiums aufgewachsen war, beneidete Yapp um seine Chancen und seinen Erfolg.
Wenigstens war es Croxley gelungen, die magenfeindlicheren Konsequenzen des Dinners abzumildern. Er hatte dafür gesorgtdaß die Schildkrötensuppe aus der Dose kam und die Geflügelpastete so bescheiden wie möglich ausfiel. Nur das Spanferkel stellte ein Problem dar. Was der Metzger geliefert hatte, war nie und nimmer von den Zitzen seiner Mutter weggerissen worden – wenn doch, dann war es nie entwöhnt worden. Das Vieh war ein ausgewachsener Eber, der die Ausmaße des Backrohrs sprengte und die Kochkünste des Küchenchefs überstrapazierte. Gebraten konnte er überhaupt nur werden, nachdem man das Mittelstück herausgeschnitten und Kopf und Hinterteil wieder zusammengenäht hatte. Croxley, der diese Operation überwacht hatte, kämpfte schwer mit sich, ob er ihm einen Apfel zwischen die Hauer stecken sollte oder nicht. Am Ende entschloß er sich wie üblich dazu, in etwa das zu tun, was man ihm aufgetragen hatte. Aber schon jetzt graute ihm vor Lord Petrefacts Reaktion.
Als er Yapp ins Speisezimmer folgte, war er versucht, noch kurz mit seinem Herrn zu sprechen, aber Lord Petrefact hatte bereits seinen Platz oben an der Tafel eingenommen und betrachtete den Schildkrötenpanzer mit ehrlichem Bedauern. »Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht Gesellschaft leisten«, erklärte Yapp. »Die Ärzte haben mir strenge Diät verordnet, müssen Sie wissen. Und überhaupt bin ich ganz entschieden dagegen, daß man in freier Wildbahn lebende Tiere einfach für den menschlichen Verzehr abschlachtet.« Er warf Croxley einen vorwurfsvollen Blick zu. »Es erstaunt mich sehr, daß Sie echte Schildkrötensuppe geordert haben.«
Croxley gab den vorwurfsvollen Blick zurück. Was genug war, war genug. »Habe ich nicht«, sagte er. »Der Panzer stammt aus dem Aquarium in Lowestoft und der Inhalt von Fortnum & Mason.«
»Wirklich?« sagte Lord Petrefact. Dabei gelang es ihm, Yapp mit einer Gesichtshälfte zuzulächeln und gleichzeitig Croxley mit der anderen anzufunkeln. Letzteren bewahrte Yapp vor weiteren Unannehmlichkeiten, indem er sich in einen Exkurs über den Ursprung der Mockturtle-Suppe stürzte. Langsam begann er die Sache zu genießen. Trotz aller Vorbehalte hinsichtlich der Herkunft des Petrefactschen Reichtums – und an denen gab es nichts zu rütteln versöhnte ihn im Augenblick der faszinierende Gedanke, daß er Zeuge dessen wurde, wie die Reichen wirklich lebten. Es war, wie Croxley bereits gesagt hatte, als besuche man ein Museum; und sollte das am Ende alles gewesen sein, so hätte Yapp, aus erster und feinster Hand, zumindest einen unmittelbaren Eindruck von der interfamiliären Soziopsychologie der kapitalistischen Klasse gewonnen. Ganz besonders beeindruckte ihn das verschrobene Verhältnis zwischen Lord Petrefact und seinem Privatsekretär. Fast kam es ihm vor, als fordere der alte Mann Croxleys Trotz heraus. Jedenfalls schien die beiden eine auf gegenseitiger Antipathie beruhende Kameradschaft zu verbinden.
»Nein, ich möchte keine zweite Portion«, sagte Croxley, als er seine Suppe aufgegessen hatte. Aber Lord Petrefact bestand darauf. »Wir dürfen Sie doch nicht verhungern lassen, mein Lieber«, sagte er mit einem irritierend schiefen Lächeln, worauf der Sekretär die Demütigung einstecken mußte, daß ihm ein Diener den Teller zum zweitenmal füllte. Beim Kaviar war es dasselbe. Während Lord Petrefact in einem Zeug herumstocherte, das aussah wie gekochte Fischstäbchen, und Yapp die zweite Portion ehrlich genoß, wehrte Croxley sich heftig gegen eine dritte.
»Inzwischen sollten Sie wissen, daß ich immer ein leichtes Abendessen zu mir nehme«, sagte er. »Mit vollem Magen kann ich nämlich nicht schlafen.«
»Seien Sie froh, daß Sie überhaupt einen Magen haben, mit dem Sie schlafen können. Ich liege die ganze Nacht wach und versuche mich daran zu erinnern, wann ich zum letztenmal richtig gut gegessen habe.«
»Das muß damals gewesen sein, als Sie dieser Auster begegneten«, erwiderte Croxley – eine Bemerkung, die etwas ganz Bestimmtes bedeuten mußte, da sie bei Lord Petrefact ein derart reptilhaftes Lächeln hervorrief, daß sogar Yapp es als nicht ganz spontan erkannte. Einen Moment lang sah es aus, als würde der alte Mann gleich explodieren, doch dann erlangte er seine Fassung wieder.
»Und wie schmeckt Ihnen der Wein?« wandte er sich an Yapp, der erst jetzt überhaupt darauf achtete. »Ich bin kein Fachmann, aber er paßt sehr gut zum Kaviar.«
»Nein wirklich, tut er das? Nicht zu süß?«
»Wenn überhaupt, dann eher etwas trocken«, meinte Yapp. Mißtrauisch ließ Lord Petrefact den Blick von ihm zur Karaffe und schließlich zu Croxley wandern. »Chablis«, sagte Croxley geheimnisvoll. Wieder schoß ein vielsagender Giftblick zwischen beiden hin und her. Als dann das nächste Gericht aufgetragen wurde, schien sich Lord Petrefacts zusammengesunkene Gestalt aufzublähen und zu jener ungeheuerlichen Größe aufzurichten, die sich mit seinem Namen verband.
»Und was, sagt an, ist das?« wollte er wissen. Yapp entging weder das archaische »sagt an« noch die Tatsache, daß Croxley anscheinend verstanden hatte. Erst dann erblickte er das außergewöhnliche Ding, das der Oberkellner mit Mühe auf einem Silbertablett balancierte. Selbst in Waiden Yapps mit den exzentrischen Feinheiten der haute cuisine nicht vertrauten Augen war irgend etwas an diesem gebratenen Vieh faul. Einen Augenblick lang kam es ihm vor, als bilde er sich das Ganze nur ein.
Nicht so Lord Petrefact. Sein Gesicht war zu einem gräßlich krebsroten Ballon angeschwollen. »Spanferkel?« brüllte er den Kellner an. »Was soll das heißen, ›Spanferkel‹? Dieses Vieh hat nicht mehr Ähnlichkeit mit einem Spanferkel als ich.«
»Da gebe ich Ihnen ganz recht, Sir«, entgegnete der Kellner mit einem Mut, der Yapp Bewunderung entlockte. »Ich fürchte fast, der Metzger hat das in die falsche Kehle gekriegt.«
»Kehle? Der würde sich hüten, so was in die Kehle zu kriegen. Wahrscheinlich stammt das Ding aus derselben obskuren Quelle wie dieser verdammte Schildkrötenpanzer.«
»Ich meinte, er hat wohl den Auftrag falsch verstanden, Sir. Der Küchenchef hat am Telefon mit Sicherheit ein Spanferkel bestellt, aber vielleicht dachte der Metzger ...« Der Kellner hielt inne und blickte hilfesuchend zu Croxley. »Dachte?« röhrte Lord Petrefact, bevor sein Sekretär auch nur den Mund aufmachen konnte. »Der sollte sich lieber um sein verdammtes, blutiges Geschäft kümmern und das Denken anderen überlassen. Und Sie wagen es, mir so eine kastrierte Sau auch noch aufzutischen. Schauen Sie sich bloß diese verhunzten Füße an. Das Vieh muß ja auf Schritt und Tritt über seinen Rüssel gestolpert sein. Und wo ist eigentlich der verdammte Bauch?«
»Im Kühlschrank, Sir«, murmelte der Kellner. Lord Petrefact glotzte ihn an.
»Soll das vielleicht ein Scherz sein?« kreischte er. »Sie fahren da einen verhunzten Zwerg von Schwein auf und ...«
»Perg«, mischte sich Yapp ein, der unklugerweise glaubte, dem Kellner zu Hilfe eilen zu müssen. Lord Petrefact wandte ihm sein Gesicht in Totale zu.
»Perg? Was soll denn das heißen? Halten Sie sich gefälligst da raus«, schnauzte er ihn an.
»Ich bezog mich auf Ihre Verwendung des Wortes ›Zwerg‹«, sagte Yapp unerbittlich. »Das ist ein Begriff, den zu hören ich in zivilisierter Gesellschaft nicht erwartet hätte.«
»Nein? Ob wir wohl die Ehre haben zu erfahren, was Sie in zivilisierter Gesellschaft zu hören erwartet hätten? Und schaffen Sie mir dieses verkrüppelte Schwein aus den Augen.«
»Person restringierter Größe«, sagte Yapp. Lord Petrefact stierte ihn blöde an. »Person restringierter Größe? Man serviert mir ein Schwein, das aussieht wie eine zusammengequetschte Ziehharmonika, und Sie fangen von zivilisierter Gesellschaft und Personen restringierter Größe zu schwafeln an. Falls irgend jemandes Größe je restringiert wurde, dann die dieser armen Sau ...« Er gab auf und sackte in seinem Rollstuhl zusammen.
»Der Begriff ›Zwerg‹ hat einen pejorativen Beigeschmack«, fuhr Yapp unbeirrt fort, »wohingegen Person restringierter Größe oder kurz Perg ...«
»Hören Sie«, unterbrach ihn Lord Petrefact, »Sie sind zwar Gast in diesem Haus, und vielleicht ist es unhöflich von mir, aber wenn noch mal jemand etwas sagt, was auch nur im entferntesten mit Schwein zu tun hat, dann ... Entschuldigen Sie mich.« Und mit einer energischen Drehung wirbelte er seinen Rollstuhl herum und schoß aus dem Speisezimmer. Yapp stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
»Machen Sie sich deshalb keine Sorgen«, sagte Croxley, der sich für Yapp zu erwärmen begann, seit dieser Lord Petrefacts Zorn von ihm abgelenkt hatte. »Bis wir mit dem Essen fertig sind, hat er sich wieder völlig beruhigt.«
»Ich mache mir keine Sorgen. Ich finde es nur interessant, den Zusammenprall von Widersprüchen zu beobachten, der sich im gesellschaftlichen Verhalten der sogenannten Oberschicht ausdrückt, wenn sie sich mit den objektiven Erfahrungsbedingungen konfrontiert sieht.«
»Ach wirklich? Wobei das verkürzte Schwein die objektive Bedingung darstellt, wie ich annehme.«
Der Rest der Mahlzeit verlief schweigend, unterbrochen nur durch das gelegentliche Anschwellen von Stimmen in der Küche, wo Lord Petrefact nachforschte, wer im einzelnen für die Entstellung des Schweins und seinen Verstoß gegen die guten Manieren verantwortlich war.
»Ich denke, ich werde mich jetzt zurückziehen, wenn Sie nichts dagegen haben«, sagte Croxley, als sie sich endlich von der Tafel erhoben. »Sollten Sie in der Nacht etwas brauchen, dann läuten Sie einfach.«
Er schlüpfte auf den Gang hinaus und überließ Yapp sich selbst. Widerstrebend und mit dem festen Vorsatz, seinem Gastgeber bei der nächsten groben Bemerkung seine unverblümte Meinung ins Gesicht zu schleudern, kehrte Yapp in den Salon zurück. Doch nachdem Lord Petrefact die unnatürliche Herkunft jener ihm aufgetischten Spezies erkundet hatte, war ihm die Lust vergangen, mit Waiden Yapp zu streiten. »Sie müssen meinen Ausbruch entschuldigen, lieber Freund«, sagte er betont herzlich. »Daran ist mein verfluchtes Verdauungssystem schuld, wissen Sie. Es ist schon in guten Zeiten schlecht genug, aber ... schenken Sie sich doch einen Cognac ein. Aber natürlich trinken Sie einen. Ich werde mir auch einen Schluck genehmigen.« Und ohne auf Yapps Protest einzugehen, er habe bereits mehr getrunken als sonst in einem ganzen Monat, glitt Lord Petrefact zum Eckschränkchen hinüber und goß ihm einen dreifachen Cognac ein. »Und jetzt setzen Sie sich hin und nehmen eine Zigarre«, sagte er dann. Diesmal weigerte sich Yapp ganz entschieden mit dem Argument, daß er Nichtraucher sei.
»Sehr vernünftig. Sehr vernünftig. Trotzdem, es soll beruhigend auf die Nerven wirken.« Und mit einer dicken Zigarre und einem ansehnlichen Cognac in der Hand manövrierte er seinen Rollstuhl so, daß seine wohlwollende Gesichtshälfte Yapp unangenehm nahe kam. »Nun möchten Sie sicher wissen, warum ich Sie eingeladen habe«, flüsterte er beinahe verschwörerisch. »Sie deuteten an, ich solle die Geschichte Ihrer Familie schreiben.«
»Ganz genau. So ist es«, entgegnete Lord Petrefact, wobei er sich alle Mühe gab, geistesabwesend zu erscheinen, »aber zweifellos kam Ihnen diese Idee mehr als seltsam vor.«
»Allerdings. Ich frage mich, wie Sie ausgerechnet auf mich gekommen sind«, bestätigte Yapp.
Lord Petrefact nickte. »Verständlich. Und in Anbetracht Ihrer, sagen wir, extremen politischen Ansichten mußte Ihnen diese Wahl leicht exzentrisch erscheinen.«
»Ich fand sie ungewöhnlich, und ich glaube, ich sollte Ihnen jetzt und hier sagen, daß ...«
Lord Petrefact hob eine Hand. »Nicht nötig, mein Lieber, absolut nicht nötig. Ich weiß, was Sie sagen wollen, und ich bin ganz und gar mit Ihren Bedingungen einverstanden. Das ist genau der Grund, warum ich mich für Sie entschieden habe. Wir Petrefacts mögen zwar unsere Fehler haben, die Sie zweifellos Punkt für Punkt auflisten werden, aber eines werden Sie bei uns nicht finden, nämlich daß wir uns etwas vormachen. Man könnte es auch anders ausdrücken. Man könnte sagen, daß wir nicht eitel sind, aber das ginge denn doch zu weit. Sie brauchen sich bloß dieses grauenhafte Haus hier anzusehen, um zu erkennen, was meine Großeltern alles anstellten, um ihren hohen gesellschaftlichen Status zu demonstrieren. Und was hat es ihnen genützt? Gar nichts. Ich gehöre einer anderen Generation an, einer anderen Epoche, könnte man fast sagen, und wenn ich etwas mehr schätze als alles andere, dann die Wahrheit.« Und während er Zigarre und Cognacschwenker in einer Hand hielt, packte er Yapps Handgelenk beängstigend kräftig mit der anderen.
»Die Wahrheit, Sir, ist die letzte Domäne der Jugend. Was halten Sie von diesem geflügelten Wort?« Zu Yapps unsäglicher Erleichterung ließ Lord Petrefact sein Handgelenk los und lehnte sich sichtlich zufrieden in seinen Stuhl zurück.
»Nun, was sagen Sie dazu?« beharrte er. »Sie brauchen gar nicht erst bei La Rochefoucauld oder Voltaire nach dieser Maxime zu suchen. Sie stammt von mir ganz allein, und trotzdem ist sie wahr.«
»Ein interessanter Gedanke, gewiß«, sagte Yapp, ohne sicher zu sein, daß er vollkommen verstanden hatte, was der ungewöhnliche alte Mann damit meinte. Aber er spürte, daß es für ihn wichtig war.
»Ja, die Wahrheit ist die letzte Domäne der Jugend. Und solange ein Mann bereit ist, der Wahrheit ins Auge zu blicken und in diesem Spiegel seine Fehler zu erkennen, soll es keiner wagen, ihn alt zu nennen.«
Und nachdem er diese stark nach Churchill, Beaverbrook und womöglich Baldwin klingende Sentenz losgeworden war, blies Lord Petrefact einen vollendeten Rauchkringel in die Luft. Fasziniert blickte Yapp ihm nach, wie er gleich einer sich verflüchtigenden Gestalt auf den Kamin zudriftete »Wenn ich Sie recht verstehe«, sagte er, »dann wollen Sie damit ausdrücken, daß Sie gewillt sind, mir bei meinen Nachforschungen über die Familie Petrefact freie Hand zu lassen, mir sämtliche wirtschaftlichen und finanziellen Unterlagen zur Verfügung zu stellen und sich nicht in meine aus diesem Material gewonnenen sozioökonomischen Schlußfolgerungen einzumischen.«
»Genau«, sagte Lord Petrefact, »besser hätte ich es selbst nicht formulieren können.«
Yapp nippte an seinem Cognac und wunderte sich über diese erstaunliche Großzügigkeit. Er hatte sich fest vorgenommen, das Angebot bei dem leisesten Hinweis darauf, daß man von ihm eine Lobhudelei auf die Petrefacts erwartete, abzulehnen – und hatte sich eigentlich schon darauf gefreut, seine erhabenen Prinzipien unter Beweis zu stellen. Und nichts hatte er weniger erwartet, als daß man ihm völlig freie Hand lassen würde. Das mußte er erst einmal verdauen. Lord Petrefact musterte ihn eindringlich und genoß seine Verwirrung. »Völlig ungehindert, Sir«, sagte er in dem deutlichen Gefühl, daß sich das Schwein gelohnt hatte. »Sie können gehen, wohin Sie wollen, erhalten Zugang zu sämtlichen Dokumenten, die Sie sehen möchten, können mit jedem reden, bekommen Einblick in die gesamte Korrespondenz – und davon gibt es jede Menge, das kann ich Ihnen versichern, auch ziemlich aufschlußreiches Zeug –, und all das für die ...« Gerade noch rechtzeitig verkniff er sich die »fürstliche Summe«. Es hatte keinen Zweck, den jungen Esel jetzt, wo er ihn an der Angel hatte, vor den Kopf zu stoßen. Statt dessen griff er in die Tasche und zog einen Schriftsatz heraus. »Hunderttausend Pfund. Hier ist der Vertrag. Zwanzigtausend bei Unterzeichnung, weitere zwanzigtausend bei Fertigstellung des Manuskripts und sechzigtausend bei Veröffentlichung. Ein faireres Angebot kann ich Ihnen nicht machen. Lesen Sie alles genau durch, lassen Sie es überprüfen, von wem Sie wollen – Sie werden keinen Haken darin finden. Ich habe den Vertrag selbst aufgesetzt, also weiß ich Bescheid.«
»Das muß ich mir erst durch den Kopf gehen lassen«, meinte Yapp, wobei er gegen eine nie erlebte Euphorie ankämpfte. Als wollte er andeuten, daß er der letzte sei, der jemanden durch seine Anwesenheit unter Druck setzen wolle, rollte Lord Petrefact quer durchs Zimmer zur Tür, forderte Yapp nochmals auf, sich nach Belieben an der Hausbar zu bedienen und die Lichter ruhig anzulassen, da sich das Personal schon darum kümmern werde, wünschte ihm eine gute Nacht und war verschwunden. Yapp blieb sitzen, noch ganz benommen von den überraschenden Ereignissen des Abends und dem berauschenden Gefühl, einen der letzten großen kapitalistischen Räuberbarone erlebt zu haben. Zwanzigtausend Pfund bei Unterzeichnung und zwanzigtausend ... Und keine Auflagen. Absolut nichts, was ihn daran hindern würde, die Ausbeutungdas Elend und die Habgier, die hinter diesem Elend steckte, das die Petrefacts ihrem Arbeiterheer über ein Jahrhundert lang zugefügt hatten, zu dokumentieren.
Irgendeinen Haken mußte die Sache haben. Waiden Yapp leerte sein Glas, schenkte sich noch einen Cognac ein und machte es sich auf der Couch bequem, um den Vertrag in Ruhe durchzulesen.