Mit geballten Fäusten schlage ich gegen die Innenseiten des Sargs. Ich trete gegen den Deckel. Ich habe so wenig Platz, es ist so eng. Wenn ich versuche, mich aufzurichten, stoße ich mir den Kopf an dem steinernen Deckel. Alles ist hart und schwer. Mein Herz schlägt zu schnell. Ich huste. Schlage um mich und schürfe mir die Haut ab. Ich schnappe nach Luft. Hier drin ist nicht genug Luft, sagt Lo-Lo. Ich habe von Kindern gelesen, die gestorben sind, weil sie sich in alten Kühlschränken versteckt haben und die Tür von innen nicht mehr öffnen konnten. Ich versuche, langsam und tief zu atmen. Da spart man doch Luft, oder? Es ist nicht so leicht. Ich fühle mich kurzatmig. Wir brauchen Sauerstoff zum Atmen, das weiß ich aus einem Biologiebuch in der Schule. Die Luft im Sarg ist warm und feucht. Mein Herz schlägt und schlägt, klopf, klopf, klopf. Die Innenseiten des Sarges riechen genauso wie die Baustelle, auf die Mama und Papa mich vor ein paar Monaten mitgenommen haben. Ich weiß nicht, ob das der Zement oder Kalk oder etwas anderes ist. Mama verkauft Häuser und Wohnungen. Meistens haben da vorher schon Leute gewohnt. Aber manchmal baut die Firma, in der Mama arbeitet, auch ganz neue Häuser, die sie dann verkaufen, glaube ich. Auf jeden Fall riecht es hier genauso. Wie auf einer Baustelle.
Ich muss pinkeln. Du darfst nicht in den Sarg pinkeln, sagt Lo-Lo streng.
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Sie haben einen dünnen Gummischlauch durch ein Loch oben im Sarg geschoben. Durch diesen Schlauch kommt Luft. Ich spüre das auf der Haut meines Oberarms, durch die Zugluft habe ich dort Gänsehaut. Ich halte die Innenseite meiner Hand in den Luftstrom. So kann ich den Schlauch finden. Ich drehe mich auf die Seite und weiter auf den Bauch. Dann hebe ich den Kopf, so dass mir die Luft direkt ins Gesicht bläst. Ich öffne den Mund weit und sauge die Luft ein. DANKE, LIEBER GOTT, FÜR DIE LUFT, VIELEN, VIELEN DANK, LIEBER GOTT!
Es war nicht Gott, der den Schlauch hereingeschoben hat, sagt Lo-Lo. Er ist immer so undankbar.
Schließlich fühle ich mich wie ein aufgeblasener Ballon. Ich bin kurz davor zu platzen. Ich sacke zusammen und drehe mich wieder auf den Rücken. Denke an Mama und Papa. Sie haben sicher schreckliche Angst um mich. LIEBER GOTT, STEH MAMA UND PAPA BEI, DAMIT SIE NICHT SOLCHE ANGST HABEN, SIE GLAUBEN BESTIMMT, DASS ICH TOT BIN. IN JESU NAMEN, AMEN. Papa hat bestimmt die Polizei angerufen. Vielleicht ist die Wohnung jetzt voller Polizisten. Vielleicht ist ein Bild von mir in der Zeitung. Bestimmt hat jemand die Männer gesehen, die mich mitgenommen haben. Vielleicht hat sich ja auch jemand die Autonummer notiert. Ob die Polizei das Kloster schon umstellt hat? Hoffentlich erzählen die Männer dann auch, wo sie mich versteckt haben. Es ist ja nicht sicher, dass die Polizei in diesen Sarg guckt. Was, wenn sie alle festnehmen und wieder fahren, ohne nachzusehen, ob ich hier bin?
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Ich kann es nicht mehr lange halten und kneife die Schenkel zusammen. Es brennt im Bauch und zwischen den Beinen. Ich will nicht pinkeln. Ich will nicht in meinem eigenen Urin liegen. Bäh. Ich beiße die Zähne zusammen und presse die Knie gegeneinander.
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Papa studiert Dämonen. Ich verstehe einfach nicht, warum. Ich habe Angst vor ihnen. Engel sind mir viel lieber. Die sind nett. Dämonen sind einfach nur böse. Lo-Lo sagt, die Welt sei voller Dämonen. Wir Menschen können sie nicht sehen, wenn sie nicht gesehen werden wollen. In der Regel wollen sie nicht gesehen werden.