ROM, MAI 1970
Es war zehn vor zwei in der Nacht. Er hätte längst im Bett liegen sollen. Professor Giovanni Nobile biss ein wenig zu fest auf das Mundstück seiner Pfeife und inhalierte genussvoll. Durch den Tabaknebel betrachtete er das weiße Blatt. Seine Zeigefinger lagen wie zwei steife Stäbe auf den runden Tasten der Remington-Schreibmaschine. Dann tippte er so kräftig weiter, dass sich an mehreren Stellen die Buchstaben durch das Papier drückten.
Die Darstellung des
Dämons Baphomet mit
dem Ziegenkopf, Flügeln, FrauenBrüsten und Hörnern stammt aus
Eliphas Levis Werk
Dogme et Rituel e la Haute
Magie (1854). Aber um den Ursprung der Figur zu
finden, müssen wir vermutlich bis zu den ägyptischen und sumerischen Mythen und
Religionen des Altertums zurückgehen.
Ein kühler Lufthauch im Raum ließ ihn aufblicken. Hatte Luciana das Küchenfenster offen gelassen? Er legte die Pfeife in den Aschenbecher und ging in die Küche. Das Fenster war geschlossen. Der Professor schenkte sich ein Glas Milch ein und nahm es mit in sein Arbeitszimmer. Dort blieb er stehen. Der Raum war kälter als der Flur oder die Küche. Er musste mit dem Hausmeister sprechen.
Giovanni setzte sich. Der Stuhl knarrte. Die Glut seiner Pfeife war erloschen. Er ließ sie liegen. Während er einen Schluck Milch trank, überflog er noch einmal, was er kurz zuvor geschrieben hatte. Gut, gut. Seine Fingerkuppen schmerzten. Er beugte sich über die Schreibmaschine.
Vermutlich ist der Name
Baphomet eine altfranzösische Verzerrung von Mahomet (der Prophet
Muhammed), dem vorrangigsten Feind der Kreuzfahrer:
die Muslime. Baphomet war ebenfalls mit den zahlreichen Konspirationstheorien um
die Tempelritter verknüpft. In neuerer Zeit war der Dämon Baphomet
eine zentrale Figur im Thelema-Glauben des Okkultisten Aleister
Crowley, der
Ein Geräusch.
Ein Schluchzen?
Er hielt mitten im Satz inne.
Silvana?
Wie eine Vorahnung …
Seine Tochter lag mit geschlossenen Augen da und atmete gleichmäßig, die Arme um ihren heiß geliebten Teddy geschlungen. Hatte sie geträumt? Der Beagle Bella, der immer an ihrem Fußende schlief, hob träge den Kopf. Er legte die Hand auf Silvanas Stirn. Sie schluchzte kurz auf und murmelte »Lo-Lo« im Schlaf. Er setzte sich auf die Bettkante und beruhigte sie. Im Wohnzimmer schlug die Wanduhr zwei Mal. Er küsste sie auf die Wange. Sie rührte sich nicht. Silvana hatte die Augen, die Lippen und die Stupsnase ihrer Mutter. Von ihm hatte sie extrem wenig, sah man einmal von ihrer Sturheit ab.
»Ti amo«, flüsterte er ihr ins Ohr, ich liebe dich.
Als er aufstand, gab die Matratze etwas nach. Silvana drehte sich auf die Seite und steckte den Daumen in den Mund. Eigentlich hatte sie damit aufgehört. Vor fünf Jahren.
Giovanni schlich aus dem Zimmer, schloss leise die Tür und löschte das Licht im Flur, ehe er sich in sein kühles Arbeitszimmer begab.