bedeutet!«, sagte Kaird dem Drang widerstehend, den Mann zu würgen.
»Das Pflanzenleben hier mutiert ständig, und dazu gehört auch das Bota. Es gibt eine neue Mutation, die, wie es scheint, planetenweit auftritt. Wir kennen den Grund nicht. Sie könnte durch irgendetwas ausgelöst worden sein. Die Veränderung scheint die adaptogenen Eigenschaften des Bota zu verändern.«
»Was bedeutet...?«
»Wenn die Entwicklung in diese Richtung weitergeht - und es scheint keinen Grund zu geben, warum das nicht der Fall sein sollte-, wird das Bota im Großen und Ganzen innerhalb von einer Generation inaktiv werden, nutzlos.«
Im Innern seiner Maske fluchte Kaird lautlos. Wie sollte er das seinem Vigo erklären? Das Ganze war nicht seine Schuld, er hatte schwerlich die Kontrolle über das gehabt, was geschehen war, doch es war bekannt, dass Vigos die Überbringer schlechter Nachrichten schon zuvor weggepustet hatten.
»Wer weiß sonst noch davon?«
»Nun, abgesehen von Ihnen und mir bislang noch niemand. Ich habe dem Militär noch nicht Bericht erstattet. Ich dachte, Sie würden das als Erster wissen wollen.«
»Gut. Können Sie diesen Bericht noch eine Weile hinauszögern?«
»Nicht allzu lange. Die botanischen Stationen überall auf dem Kontinent führen regelmäßig Tests durch. Diese Berichte laufen alle über mein Büro, und vielleicht kann ich ein oder zwei Wochen lang darauf hocken bleiben, aber länger nicht. Ein paar schlechtere Ladungen sind nicht ungewöhnlich, aber etwas wie das hier wird die Runde machen.« Der Mensch zuckte die Schultern. »Die Leute reden.«
Einen Moment lang zog Kaird in Erwägung, den Botaniker zu töten. Das schien der einfachste Weg zu sein, um diese Neuigkeit so lang wie möglich unter Verschluss zu halten. Aber nein. Ihn umzubringen, war lediglich eine Garantie dafür, dass jemand anderes seinen Posten übernehmen würde, und womöglich war der Ersatz für ihn nicht so käuflich. Es war besser, dass der Mann, der das Sagen hatte, für ihn arbeitete. Wie immer bedeutete Wissen Macht. Damit konnte man in kurzer Zeit viel erreichen, wenn Millionen, vielleicht sogar Milliarden Credits auf dem Spiel standen.
»In Ordnung«, sagte Kaird. »Für Sie ist ein großer Bonus drin. Halten Sie so lange den Deckel auf dieser Information, wie Sie können!«
Der Mensch zappelte nervös herum. »Die werden mich feuern, wenn sie das rausfinden.«
»Dann besorge ich Ihnen einen besseren Job, bei dem Sie dreimal so viel verdienen.«
Der Botaniker starrte ihn an.
»Vertrauen Sie mir! Ich habe viele nützliche Kontakte.« Kaird zog einen Creditwürfel aus der Tasche und warf ihn dem Mann zu. Der Botaniker aktivierte den Würfel. Die gespeicherte Summe tauchte als rote Zahl vor ihm in der Lull auf und entsprach seinem Gehalt für zwei Jahre.
»Wow!«
»Das und noch mal so viel gehört Ihnen, wenn Sie diese Sache zwei Wochen lang unter Verschluss halten.«
Der Mann nickte. Sein Gesicht glänzte vor Gier. »In Ordnung.«
Der Mann ging, und Kaird verlor keine Zeit damit, dem engen, übel riechenden Gebäude ebenfalls den Rücken zu kehren.
Während er durch den Matsch zu seinem Quartier zurückstapfte - zu schade, dass das prächtige Wetter der letzten paar Wochen mit der Reparatur der Kuppel verflogen war dachte Kaird über die Situation nach. Natürlich war das Bota seit jeher empfindlich, und es war nicht überraschend, dass der massive örtliche Klimawechsel zu Verlusten unter den in der Nähe wachsenden Pflanzen geführt hatte. Sie hatten vorgehabt, das zu kompensieren, indem sie die Produktion auf den anderen Feldern erhöhten. Ein Großteil der Ernte auf dem Tanlassa-Kontinent wurde über Flehr Sieben verschifft, und mit Thula und Squa Tront, die die Ladungsverzeichnisse manipulierten, wäre der Anteil der Schwarzen Sonne nicht nennenswert davon betroffen gewesen. Bis zu einem gewissen Grad bestand diese Chance nach wie vor, und womöglich würde das dabei helfen, das Problem noch einige Tage länger unter Verschluss zu halten.
Aber das war bloß eine Notlösung. Die einzige Möglichkeit, diese Situation noch zu retten, bestand darin, so schnell wie möglich so viel wie möglich von dem Bota in Karbonit einzufrieren und zur Schwarzen Sonne zu schicken. Falls sich die Pflanze von einem Wundermittel in nutzloses Unkraut verwandelte, dann würde das davon, was noch wirkte, umso wertvoller werden.
Als er noch klein war, hatte ihm eine seiner Lieblingstanten eine Händlergeschichte erzählt: Wenn man die einzige Kiste eines seltenen, erlesenen Rimbelweins besaß, der tausend Credits pro Flasche wert war, und man seinen Profit maximieren wollte, musste man alle Flaschen bis auf eine austrinken und die letzte Flasche in einem gesicherten Tresorraum verstauen. Es gab viele reiche Leute, die bereit waren, ein Vermögen für etwas so Einmaliges zu zahlen, aber wen interessierte der Wein schon, wenn es in der ganzen Galaxis noch ein Dutzend oder mehr Flaschen davon gab? Am Ende würde die einzelne Flasche mehr wert sein als die ganze Kiste.
Aufgrund seiner speziellen Eigenschaften war Bota bereits jetzt eins der wertvollsten Pharmaka. Falls die Möglichkeit nicht mehr bestand, neuen Nachschub davon zu bekommen, würde das, was übrig war, schneller im Wert steigen, als ein Schiff auf Lichtgeschwindigkeit gehen konnte. Eine reiche und schwer kranke Person würde eine Menge dafür zahlen, um den Tod hinauszuzögern. Wenn sie deine Leiche in den Wiederverwerter steckten, hatte es nicht mehr die geringste Bedeutung, wie viele Credits du hast.
Kaird erwog seine Optionen: Er konnte eine große Menge Bot a stehlen und versuchen, das Zeug an Bord eines Militäroder Zivilschiffs von diesem Planeten zu schmuggeln ...
Nein, zu riskant. Zu viele Faktoren, die er nicht kontrollieren konnte.
Er konnte die Schwarze Sonne kontaktieren - vorausgesetzt, er bekam seinen Kommunikator zum Laufen. In den letzten paar Tagen war es ihm nicht möglich gewesen, eine Verbindung herzustellen, und obwohl sich das ändern konnte, war auch das ein Risiko. Sobald die Mutation bekannt wurde, würde das Militär die Wachen bei den Feldern verdreifachen, und das würde alles bloß noch schlimmer machen.
Natürlich war es unmöglich, sich das Bota mit Gewalt zu beschaffen. Die Schwarze Sonne war ein Respekt einflößendes Verbrecherimperium, doch ihre Vorgehensweise entsprach mehr dem vergifteten Kelch und dem versteckten Dolch als dem Blaster und dem Lichtschwert. Die geballte Feuerkraft der Schwarzen Sonne konnte es nicht einmal mit der der republikanischen Klonarmee allein auf Drongar aufnehmen.
Kaird erreichte sein Quartier, versiegelte den Eingang und legte dankbar die erstickende Tarnung ab. Er sann noch immer über die Möglichkeiten nach. Er hatte seine Komplizen in Position, also war der Diebstahl selbst machbar. Doch was die Flucht und den Transport des Diebesguts anging, so benötigte er ein Raumschiff - eins, das schnell genug war, um Verfolgern zu entkommen, falls sie den Diebstahl entdeckten, bevor er genügend Vorsprung hatte.
Er würde ein Schiff stehlen müssen, zusammen mit den Sicherheitscodes, die ihm die Flucht ermöglichen würden.
Kaird wusste, dass sein Vigo über die Situation nicht erfreut sein würde. Doch er wusste auch, dass fünfzig Kilogramm Bota, die nach wie vor wirksam und noch mehr wert waren als vorher, einiges dazu beitragen würden, ihn zu besänftigen.
Er atmete erleichtert aus. Ja. Jetzt, wo er einen groben Plan hatte, würde es einfacher sein, die Einzelheiten auszuknobeln. Er würde dafür sorgen, dass es klappte. Leute, die Kaird von den Nediji im Weg standen, blieben dort niemals allzu lange.
Er würde Kontakt mit der Falleen und dem Umbaraner aufnehmen und den Diebstahl in die Wege leiten. Dann würde er ein passendes Schiff suchen und diese Operation ebenfalls in Gang bringen.
Nachdem er als einer der Schweigsamen so lange einfach herumgestanden hatte, war es ein gutes Gefühl, die Dinge wieder aktiver anzugehen. Kaird war immer besser, wenn er in Bewegung war, als wenn er reglos verharrte.
Als Den erwachte, dröhnte sein Schädel - nicht weiter überraschend - wie ein benwabulanischer Gong. Bevor er eingeschlafen war, hatte er vollkommen vergessen, eine Dosis Kater-Stopp zu nehmen. Anscheinend vergaß er in letzter Zeit eine Menge Dinge. Als Nächstes verlor er womöglich noch seinen Orientierungssinn...
»Guten Morgen«, ertönte eine helle Frauenstimme.
Den rieb sich den Schlaf aus den Augen und sah Eyar Marath, die in seiner Sanieinheit stand und sich mit einem Handtuch abtrocknete.
Wahrlich, ein guter Morgen ...
»Deine Schalldusche ist kaputt«, sagte sie und lächelte ihn an. »Ich musste den Wassersprüher benutzen. Könnte ein Weilchen dauern, bis das Heizgerät das Wasser wieder aufgewärmt hat, falls du auch drunter willst.«
Den lächelte. Dann hatte er also doch nicht geträumt.
Eyar kam in den Hauptraum der Wohneinheit und setzte sich auf die Bettkante. »Ich habe es wirklich genossen, mit dir zusammen zu sein, Den-la«, sagte sie und fügte seinem Namen die Vertraulichkeitsnachsilbe hinzu.
»Ja, in der Tat«, brachte er hervor, während er sich aufsetzte, um sie anzusehen. »Ich auch.«
»Hast du Frauen?«, fragte sie.
»Ich hatte nie die Zeit, mir welche zu nehmen«, meinte er und fuchtelte mit einer Hand, wie um in die Geste den Krieg, seinen Job und alles andere einzuschließen. »Was ist mit dir? Ehemänner?«
»Nein, ich bin wahrscheinlich erst in einem Jahr bereit.«
Sie lächelten beide, als sie ihre Stiefel anzog. »Revoc sagt, wir werden hier sein, bis das Militär die Sicherheitsquarantäne aufhebt. Vielleicht könnten wir einander ja wiedersehen?«
»Das wäre schön.«
Dass sie sich erst gestern offiziell das erste Mal begegnet und sofort eine Beziehung eingegangen waren, war für Sullustaner selbstverständlich vollkommen normal. Ein alter Witz besagte, dass sich Sullustaner selten verirrten, und wenn, dann fanden sie immer den Weg ins nächstgelegene Schlafzimmer...
Eyar erhob sich, trocknete sich rasch die Wangenlappen ab und bedachte Den mit einem breiten Lächeln. »Wie sehe ich aus?«
»Wie die attraktivste Frau im Umkreis von fünfzig Parsecs«, erwiderte er.
»Vermutlich auch wie die Einzige«, meinte sie. »Aber trotzdem danke.«
Sie schickte sich an zu gehen. Soweit es Den betraf, war der Augenblick so vollkommen, wie es nur möglich war. Schön zu wissen, dass er es immer noch drauf hatte.
An der Tür blieb Eyar stehen, schaute zurück und lächelte. »Du erinnerst mich an meinen Großvater - er war so ein lieber Mann.«
Dann war sie fort, und Den blieb mit offen stehendem Mund und einfallenden Wangenlappen zurück. Ich erinnere sie an ihren Großvater! Die Sache hätte ruhig den ganzen Monat lang laufen können, ohne das hören zu müssen...
22. Kapitel
Barriss versuchte, ihre Lichtschwertübungen zu absolvieren, doch sie schien einfach nicht imstande zu sein, sich angemessen zu konzentrieren. Ihr Timing war schlecht, ihr Gleichgewicht, ihre Atmung - alles. Selbst die einfachste Bewegungsfolge fühlte sich an, als wäre sie von einem eng sitzenden Metallpanzer umschlossen.
Sie hatte ein trockenes Fleckchen Erde gefunden, sodass sie zumindest nicht knöcheltief im Matsch stand, doch das half auch nicht viel. Sie aktivierte die Klinge abermals und begann mit einer elementaren Grundlinien-Pariersequenz. Der Ozongeruch und das Energiebrummen des Lichtschwerts waren vertraut, aber nicht beruhigend.
Jemand näherte sich.
Obgleich sich niemand bewegen konnte, ohne in dem Schlamm und bei der toten Vegetation Geräusche zu verursachen, machte das Summen der Energieklinge es schwierig, zurückschnappende Zweige, schmatzenden Matsch und andere leise Warnsignale zu hören. Glücklicherweise brauchte sie solche Hilfsmittel nicht. Barriss schaltete das Lichtschwert aus, hängte es an ihren Gürtel, drehte sich um und sah sich Uli gegenüber.
Er grinste sie an. »Buh!«
Sie erwiderte das Grinsen. »Wir müssen aufhören, uns so zu treffen! Wieder unterwegs, um Flammenflügler für Mutter zu sammeln?«
»Ich versuchs ... Die Kälte scheint alle im Innern der Kuppel erledigt zu haben. Hatte heute kein Glück. Obwohl das Zeug einem wirklich auf die Nerven gegangen ist, fehlt mir der Schnee irgendwie.«
Barriss nickte. Ihr ging es genauso. Obwohl es noch nicht einmal Vormittag war, hatte die tropische Sonne bereits ihre heißen Hände auf das Lager gelegt. Selbst das osmotische Gewebe ihrer Robe genügte nicht, um sie kühl zu halten.
»Also, wie läuft's mit dem Training? Es wirkt...«
»Steif? Verkrampft? Aus dem Konzept?«
Er nickte. »Ich wollte eigentlich aus der Übung sagen, aber das trifft es auch. Das liegt nicht am Fuß, oder?«
»Nein, der ist verheilt.«
Er nickte. »Gut. Kann ich sonst irgendetwas tun, um zu helfen?«
»Wie wär's mit einer Massage, Uli?«
Er errötete. Das fand sie charmant. Dann entschied sie mit einem Mal, mit ihm über ihr Problem zu sprechen - zumindest ganz allgemein. Er war Arzt und hatte ein gutes Herz. Abgesehen davon war sie zu dem Schluss gelangt, dass momentan irgendwelche Hilfe besser war als gar keine. Und womöglich hatte der Junge irgendetwas Konstruktives zu sagen. Kindermund tut Wahrheit kund und das alles ...
Sie sagte: »Wie viel wissen Sie über die Macht?«
Er wirkte etwas überrascht. »Praktisch nichts«, antwortete er. »Die paar Jedi, denen ich bisher begegnet bin, haben nicht darüber geredet. Ich meine, ich kenne die medizinischen Theorien darüber, dass Midi-Chlorianer die Organellen sind, die irgendwie die Verbindung zur Macht herstellen und all das, und ich habe die üblichen wilden Geschichten darüber gehört, aber wie das alles tatsächlich funktioniert und was wirklich dahintersteckt ...« Er zuckte die Schultern.
Sie nickte. »Tatsächlich produziert die Macht die Midi-Chlorianer womöglich sogar selbst, sozusagen als ihre Leitungen in unser Kontinuum, und nicht anders herum. Sie sind auf jedem Planeten, auf dem es Leben gibt, gleich. Es scheint, als würde die Macht die Galaxis wahrhaftig durchdringen, wenn nicht gar das gesamte Universum. Aber unterm Strich wissen auch die Jedi nicht wirklich, wie die Macht tatsächlich funktioniert und was sie wirklich ist. Wir wissen, wie man damit in Kontakt tritt, wie man sie kanalisiert, aber in vielerlei Hinsicht sind wir wie Wilde, die am Ufer eines reißenden Flusses stehen. Wir können unsere Hände hineinhalten, können sogar hineinwaten und versuchen, darin zu schwimmen, aber wir wissen nicht, woher der Strom kommt - bloß, dass es die Macht gibt und dass sie tiefer im Leben und dem Bewusstsein verwurzelt ist als die Quantenebene.«
Er nickte langsam, während er darauf wartete, dass sie fortfuhr.
Sie wusste, dass sie ihm einen Vortrag hielt, so, wie sie es vielleicht bei einer Klasse Neunjähriger getan hätte, doch er wirkte interessiert, und dies war ein Weg, sich ihrem Problem auf Umwegen zu nähern, selbst wenn sie es nicht bis dahin schaffte.
»Ein Teil davon, Jedi-Ritter zu werden, besteht darin zu lernen, wie man seine Verbindung zur Macht verbessert. Die Jedi-Meister verstehen sich darauf am besten - gepaart mit ihrer Weisheit und Erfahrung sind sie in der Lage, Dinge zu tun, die für Padawane - ganz zu schweigen von jenen, die gar kein Wissen um die Macht besitzen - fast übernatürlich wirken. Die Macht mehrt unsere Kraft, reichert unser Gewebe mit Sauerstoff an, reduziert verzögernde Reaktionszeiten. Einmal, im Coruscant-Park, habe ich gesehen, wie Meister Yoda einen Felsbrocken von der Größe eines Elektrowagens für die ganze Familie hochgehoben hat, scheinbar mit nichts weiter als einer einfachen Geste seiner Hand. Das, was die Macht bewirkt, kann großartig und wundervoll sein.«
»Aber sie dient nicht nur dem Guten, oder?«, fragte er. »Darüber haben wir schon mal gesprochen.«
Uli war jung, aber scharfsinnig. »Sie dient nicht nur dem Guten. Count Dooku war ein Jedi, der sich der Dunklen Seite der Macht zugewandt hat. Seit Anbeginn der Zeit gab es noch andere, die vom Verlangen nach Macht in Versuchung geführt wurden und ihm erlegen sind. Vor viertausend Jahren hat Exar Kun, ein Sith-Lord, durch seinen Missbrauch der Macht irgendwie ein ganzes Sternensystem vernichtet. Man muss sich der Versuchung permanent bewusst sein und sich dagegen wappnen.«
»Aber Sie gehören nicht zu denen, die so etwas tun würden«, sagte Uli. »Ich meine, man würde doch annehmen, dass jemand, der weiß, dass er das Falsche tut und sich trotzdem darauf einlässt...«
»Ah«, meinte Barriss. »Aber das ist das Heimtückische daran. Diejenigen, die sich der Dunklen Seite hingeben, betrachten sich selbst nicht als böse. Sie glauben, dass sie das Richtige aus den richtigen Gründen tun. Die Dunkle Seite verzerrt ihre Gedanken, bis sie schließlich glauben, dass der Zweck die Mittel heiligt, ganz gleich, wie grässlich diese Mittel auch sein mögen.«
Uli untersuchte einen seiner Daumennägel. »Ihr denkt doch nicht, ähm, vielleicht daran, auf diese Dunkle Seite überzuwechseln, oder?«
Vor einem Jahr, vor einem Monat - selbst noch vor einer Woche - hätte sie über eine solche Bemerkung gelacht. Jetzt schüttelte sie bloß den Kopf. »Ich hoffe nicht. Aber dies ist kein Pfad mit einem Hinweisschild, auf dem steht: HIER GEHT'S ZU DEN MONSTERN. Dies ist mehr wie ein steiler, schlüpfriger Abhang, wo ein Fehltritt zu einem unaufhaltsamen Sturz führen kann.«
Es folgte eine weitere Pause. Dann fragte Uli: »Die Jedi haben einen moralischen Kodex, oder? Man lehrt Euch den Unterschied zwischen Richtig und Falsch?«
»Ja, natürlich.«
»Meiner Erfahrung nach - so, wie die Dinge liegen - ist man sich des Unterschieds zwischen Richtig und Falsch für gewöhnlich auf einer gewissen Ebene bewusst. Manchmal macht man sich selbst vor, dass es nicht so sei, um sich einzureden, dass es schon in Ordnung ist, diesen sahnegefüllten Windbeutel zu essen, den man eigentlich lieber auslassen sollte. Ich denke, dass man diesem Teil von sich selbst vertrauen muss, wenn es um die wichtigen Dinge geht.«
»Ja, natürlich. Aber bei den wichtigen Dingen muss man sich sicher sein«, entgegnete Barriss. »Sich mit einem leckeren Nachtisch vollzufressen, steht auf der Liste der Dinge, bei denen man in galaktischem Ausmaß Böses tut, nicht unbedingt sonderlich weit oben.«
»Das kommt auf den Nachtisch an«, erwiderte er lächelnd. Ein leises Pieps ertönte, und er warf einen Blick auf sein Chrono. »Ups, wie die Zeit vergeht! Meine Schicht fängt in ein paar Minuten an. Wir sehen uns später, Barriss.«
»Ja«, sagte sie. Uli winkte und machte sich auf den Rückweg zur Basis.
Nachdem er fort war, dachte sie über ihre Unterhaltung nach. Sie hatte nicht über ihre persönliche Prüfung gesprochen, noch hatte sie dazu wirklich die Absicht gehabt, doch das Gespräch mit Uli hatte ihre Gedanken ein wenig geschärft. Barriss erwog, in ihr Quartier zurückzukehren, um diese Gedanken weiterzuverfolgen, entschied dann aber, dass sie ihre Lichtschwertübungen machen musste, ganz gleich, wie schwerfällig und töricht sie sich fühlte. Manchmal musste man sich einfach durchbeißen, ganz egal, wie sehr man am liebsten alles hinwerfen würde.
Die größere Frage war immer noch unbeantwortet. War es eine gute Idee, mehr von dem Bota zu nehmen, oder eine schlechte? Würde dieser Weg zu einem glorreichen Bad im rauschenden Fluss der Macht führen oder zum feuchtkalten Tümpel Treibsand, der für die Dunkle Seite stand? Das hatte Uli ihr nicht zu sagen vermocht.
Doch um ehrlich zu sein, glaubte sie nicht, dass irgendjemand ihr das sagen konnte. Soweit sie wusste, war noch kein Jedi zuvor jemals vor diese besondere Wahl gestellt worden. Jede Hilfe, sei es von ihrer Meisterin oder irgendjemandem sonst, wäre rein theoretisch. Tu es... oder tu es nicht, wie Meister Yoda sagen würde.
Sie hatte das Gefühl - schwach, aber nagend dass es ihr bestimmt war, diese Entscheidung zu treffen. Selbst, wenn sie sich dafür entschied, zu warten und sich später festzulegen, konnte sie das in die falsche Richtung führen.
Sie schaltete das Lichtschwert wieder ein. Vergiss das fürs Erste! Tanz den Tanz, von dem du weißt, dass du ihn beherrschst! Wenn du damit fertig bist, wird diese Zwickmühle immer noch da sein.
Bedauerlicherweise...
Jetzt, wo er einen Plan ins Auge gefasst hatte, wie er vorgehen wollte, fühlte sich Kaird viel besser. In einer anderen und neuen Verkleidung - der eines korpulenten Menschen - traf er sich mit seinen Komplizen.
Während des Mittagessens saßen sie zusammen in der überfüllten Kantine. Es war laut und stank - eine Menge verschiedener Spezies aßen extrem unterschiedliche Gerichte. Niemand schenkte Kaird, Thula und Squa Tront die geringste Aufmerksamkeit.
Manchmal versteckte man sich am besten mitten in der Menge.
Kaird, der seinen Gedankenschild gegen geistiges Ausspionieren fest im Griff hatte, erklärte ihnen, was er wollte, ruhig und detailliert.
Wie er es erwartet hatte, hegten Thula und Squa Tront gewisse Vorbehalte.
»Das wird der Operation hier den Todesstoß versetzen«, meinte Thula. Sie knabberte an einem grünlich-blauen Gemüsekotelett und zog beim Geschmack der Speise eine Grimasse. »Bäh! Was für eine Verschwendung guten Spigages. Der Koch sollte in seinem eigenen Topf gekocht werden.«
»Was genau das ist, was mit ihm passiert wäre, wenn seine Kochkünste den Tetrarchen von Anarak Vier enttäuscht hätte«, sagte Squa Tront. »Aber hier auf seinem Heimatplaneten braucht er derart drastische Repressalien nicht zu befürchten.«
»Glück für ihn«, meinte Thula und schob ihren Teller beiseite.
Kaird bereitete dem Geplänkel ein Ende. »Mir ist durchaus in den Sinn gekommen, dass diese Operation damit beendet ist«, sagte er als Erwiderung auf den Kommentar von Squa. »Wir sind zu dem Schluss gelangt, dass es besser ist, eine Arterie zu durchtrennen und unseren Eimer voll zu machen, als immer nur ein paar Tropfen auf einmal abzuzwacken. Krieg ist ein ungewisses Geschäft. Jemand auf der einen oder anderen Seite könnte etwas Törichtes tun und versehentlich diesen Planeten auslöschen, und dann macht keiner irgendwelchen Profit.«
Genau genommen stimmte das, wenn es auch nicht das Geringste mit den Gründen für sein Vorgehen zu tun hatte. In diesem Fall bedeutete das wir eigentlich vielmehr ich, da die Schwarze Sonne nichts von seinem Plan wusste.
»Stimmt«, entgegnete der Umbaraner. »Aber auf lange Sicht bringt Ihnen das ganze Tröpfchen für Tröpfchen meinem, wenn alles so bleibt, wie es ist.«
»Essen Sie das noch?«, fragte Thula Kaird.
Kaird musterte die Spritzer dickflüssiger brauner, grüner und weißer Klumpen auf seinem Teller. Er hatte keine Ahnung, was das war - irgendein Menschengericht, das man ihm wegen seiner Tarnung serviert hatte. Kaird fand, dass das Zeug wie ein verstopfter Wiederverwerter in einer überfüllten Weltraumkneipe roch. »Bedienen Sie sich!«, sagte er und schob der Falleen die Jauche zu. Er wandte sich wieder Squa zu. »Auf lange Sicht sind wir alle Staub, der in die Singularität driftet«, meinte er. »Mein Job ist es, der Schwarzen Sonne das zu geben, was sie will, und euer Job, mir zu geben, was ich will. Ist das ein Problem?«
Thula und Squa Tront sahen einander schweigend an und dann wieder zurück zu ihm. Sie schüttelten ihre Köpfe. »Nein«, antworteten sie im Chor.
Die Menschenmaske lächelte. »Gut. Ihr werdet einen Bonus kriegen, der die Schwierigkeiten wert sein wird, falls sie euch auf die Schliche kommen.«
Sie warfen einander von Neuem einen Blick zu. »Nun, die Sache ist«, sagte Squa, »dass wir von hier verschwunden sein müssen, bevor irgendjemand merkt, dass das Zeug weg ist. Immerhin gehören wir zu den Ersten, nach denen sie suchen werden. Ich nehme an, Sie haben eine Möglichkeit, von diesem Planeten runterzukommen?«
»Tut mir leid. Was das betrifft, werdet ihr eure eigenen Arrangements treffen müssen«, sagte Kaird.
Das falsche Fleisch, das er trug, juckte. Er wurde in diesem Ding gekocht! Er hatte diese Verkleidung angelegt, weil sie über ein Filtersystem verfügte, das verhinderte, dass diese lästigen Falleen-Pheromone bei ihm wirkten. Zumindest das funktionierte, was sich von dem feinen Netzwerk wärmetauschender Tubuli und mikroskopisch kleiner Öffnungen im Material jedoch nicht sagen ließ. Bei diesen aufwendigen Verkleidungen gab es immer irgendetwas, das Schwierigkeiten bereitete. Die Robe des Schweigsamen war da noch am Besten.
Thula schluckte und sagte: »In diesem Fall ist das Timing von entscheidender Bedeutung. Wir müssen entweder auf einem Ziviltransporter ausschiffen, mindestens einige Tage, bevor der Abfall im Oszillator landet, oder uns auf ein Militärschiff schleichen, sodass wir bereits unterwegs zur nächsten Nexus-Station sind, wenn die Lage hier brenzlig wird.«
»Ihr beide seid doch keine Küken, die gerade erst aus dem Ei geschlüpft sind«, erwiderte Kaird. »Euch wird schon etwas einfallen.«
»Credits regieren die Galaxis«, sagte Squa. »Ich nehme an, dass in unserer nächsten Zukunft jemand bestochen werden wird.«
»Stimmt, und ihr werdet genügend Credits haben, um ein Stadion voller Politiker damit eindecken zu können.«
Der Umbaraner nickte. »Wann also und wie viel?«
»Ich brauche fünfzig oder sechzig Kilo, in Karbonit, innerhalb von einer Woche. In etwas, das wie ein großer Koffer für das persönliche Hab und Gut geformt ist, mit einem Handgriff daran.«
Thula sah ihn an. »Wir reden hier über mindestens zwanzigweitere Kilo für die Karbonitumhüllung. Können Sie siebzig oder achtzig Kilo herumtragen, ohne sich irgendwas zu zerren?«
»Ich bin kräftiger, als ich wirke«, meinte Kaird. »Und ihr könnt dem Ding ja Räder oder einen kleinen Repulsor verpassen.«
Thula sah ihren Partner an. Der nickte. »In Ordnung«, sagte sie. »Wir brauchen zwei Tage Vorlauf vor dem Zeitpunkt, von dem Sie glauben, dass dann der Alarm losgeht.«
»Abgemacht. Ihr habt fünf Tage, um die Sache zu erledigen. Damit bleiben euch zwei Tage, um euch aus dem Staub zu machen, bevor ich abhaue.« Er zog einen Creditwürfel aus der Tasche und ließ ihn über den Tisch auf den Umbaraner zugleiten. Squa betrachtete ihn lächelnd. Thula streckte die Hand aus und nahm den Würfel. Squa sagte: »Thula kümmert sich um sämtliche Finanzen. Ich bin ein grässlicher Buchhalter.«
»Meine Güte!«, sagte die Falleen, die sich die Projektion der Würfelsumme ansah, die auf die Innenflächen ihrer gewölbten Hände geworfen wurde. »Die Schwarze Sonne ist mehr als großzügig.«
Die Menschenschultern zuckten. »Teile den Wohlstand«, sagte Kaird. »Das ist das Erfolgsrezept für gute Geschäfte. So sind am Ende alle zufrieden.«
Alle drei lächelten einander an. Starre Grimassen, wohin man auch schaut, dachte Kaird. Humanoide zeigen ständig ihre Zähne und geben vor, es würde Freundschaft bedeuten.
Kaird verließ die Kantine und begab sich zu einer Abstellkammer mit einer von innen verschließbaren Tür. Er ging als fetter Mensch hinein und kam als einer der Schweigsamen gewandet heraus. Der Ultraschallverdichter hatte das künstliche Fleisch aufgelöst, so, wie es das tun sollte, sobald das Gerät aktiviert wurde. Dort, wo das Zeug herkam, hatte er noch jede Menge mehr davon.
Wegen der Falleen und des Umbaraners machte er sich keine Sorgen. Wenn Gelegenheitsgauner, Diebe und Trickbetrüger eins waren, dann pragmatisch. Der Nediji von der Schwarzen Sonne will es so und ist bereit, großzügig dafür zu bezahlen? Kein Problem, Boss. Wie viel, wie groß und wie bald?
Der nächste Teil seines Vorhabens würde allerdings ein bisschen kniffliger werden. Hierfür musste Kaird ein Schiff aussuchen, das schnell genug war und genügend Reichweite besaß, dass er darin mit seiner gestohlenen Fracht fliehen konnte. Es brauchte keine große Lagerkapazität zu besitzen - er würde sich höchstens mit fünfzig, vielleicht mit sechzig Kilo Bota aus dem Staub machen. Selbst eingeschlossen in einem Karbonitblock, war die Ware nicht so groß, dass er sie nicht im Kopilotensessel festschnallen konnte, wenn es sein musste. Natürlich konnte er an einem Block, der ein oder zwei Tonnen wog, einen Repulsor anbringen, um ihn so mühelos zu bewegen wie einen Luftballon, doch die Wahrscheinlichkeit, dass etwas so Großes auffiel, war viel höher, und Verstohlenheit war ein wichtiger Teil seines Plans. Nicht einmal das schnellste Schiff, das es auf diesem abgelegenen Planeten gab, konnte dem schwer aufgeladenen Strahl einer Partikelkanone entkommen, und er wollte bereits ein gutes Stück außer Reichweite der Bodengeschütze und orbitalen Wachpostenschiffe sein, bevor auch nur jemand daran dachte zu feuern.
Gier war bereits mehr als ein paar Dieben zum Verhängnis geworden, und Kaird hatte nicht die Absicht, sich dazuzugesellen. Fünfzig Kilo Bota, das Tausende Credits pro Gramm einbrachte, sicher verstaut in den Tresorräumen der Schwarzen Sonne auf Coruscant, war mehr wert als eine Tonne desselben Zeugs, das von irgendeinem schießwütigen republikanischen Kanonier mit scharfen Augen zu Atomen zerblasen wurde - ganz zu schweigen von dem Schiff und dem Piloten, die dabei ebenfalls verbrennen würden. Kaird wäre nicht zu einem der besten Einsatzkräfte der Schwarzen Sonne geworden, zu einem Attentäter, der etliche Feinde der Organisation ausgeschaltet hatte, ohne auch nur ein einziges Mal verhaftet oder auch bloß verdächtigt worden zu sein, wenn er gierig oder dämlich gewesen wäre. Man tüftelte einen Plan aus. Dann legte man sich einen Reserveplan zurecht. Dann machte man einen Reserveplan für den Reserveplan. Er hatte bereits ein spezielles Schiff im Sinn, und wenn er es schaffte, es in die Finger zu bekommen, wäre es das perfekte Gefährt. Er würde sobald wie möglich damit anfangen, es auszukundschaften. Dazu würde er hoch zum MediStern müssen, doch die Alarmbereitschaft hatte mittlerweile etwas nachgelassen, und als Angehöriger eines religiösen Ordens würde er keine Probleme haben, in die Luftschleuse zu gelangen.
Anschließend würde der Rest ein Kinderspiel sein. Er konnte die beißend kalte, saubere Luft des Horsts schon fast wieder riechen...
23. Kapitel
Eigentlich wollte Jos I-Fünf ausführlich über die Einzelheiten seiner wiederhergestellten Erinnerung ausfragen, doch unglücklicherweise zeigte sich, dass dies ein weiterer langer Tag des Soldatenzusammenflickens werden würde. Die meisten Eingriffe waren nicht sonderlich schwierig und auch nicht enorm kompliziert. Meistens ging es darum, Granatsplitter zu entfernen, wie es Front-Chirurgen in den vergangenen paar Jahrtausenden unentwegt auf Kriegsschlachtfeldern getan hatten. Die Separatisten waren sich inner grimmigen Tatsache des Krieges wohl bewusst - wenn man einen Soldaten tötete, fielen für den Gegner lediglich die Kosten für die Wiederverwertung an. Machte man einen Soldaten hingegen kampfunfähig, beanspruchte man damit für eine Zeit lang auch Vorräte und Personal des Gegners.
Jos verpflanzte verbrannte Haut, schnitt zerfetztes Gewebe heraus, entfernte verletzte Organe und ersetzte sie durch frische Transplantate. Die Zeit kroch dahin.
Tolk arbeitete heute mit einem anderen Chirurgen zusammen. Jos versuchte, ihren Blick zu suchen, wann immer er konnte, aber ohne Erfolg. Sie schaute ihn einfach über ihre Maske hinweg an, ohne dass ihre Augen irgendetwas preisgaben - dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder ihrer Arbeit zu.
Als seine Schicht schließlich zu Ende war, waren neun Truppler unter seinen Händen hindurchgewandert, und er hätte im Stehen einschlafen können - etwas, das er seit seiner Facharztausbildung nicht mehr getan hatte.
Er ging in den Waschraum und wusch sich das Gesicht und die Hände, ließ sich lauwarmes Wasser durchs Haar rinnen. Das half ein wenig dabei, die Erschöpfung zu verdrängen. Es gab Zeiten, in denen er genau wie Uli gewesen war - nun, ein bisschen älter. Damals wäre eine Schicht wie die, die er gerade hinter sich hatte, einfach an ihm abgeperlt wie Wasser am Rücken eines Aqualishaners. Doch nun schien es, als könne er jedes Mal, wenn er in den Spiegel schaute, neue Falten im Gesicht entdecken, noch mehr graue Härchen in den Bartstoppeln. Er sah allmählich aus wie ...
Bei den Schöpfern, er sah allmählich aus wie sein Onkel!
Er hatte noch keine Gelegenheit gehabt, mit Tolk zu reden - sie hatte ihre Schicht vor ihm beendet, und seitdem hatte er sie nicht mehr gesehen.
Als er den Waschraum verließ, sah er I-Fünf, der soeben den Desinfektionskorridor des Operationssaals verließ. Die Kombination aus UV-Licht und Ultraschall reicht aus, um sämtliche Krankheitserreger zu zerstören, die es vielleicht irgendwie durch das sterile Patientenfeld geschafft hatten, doch der Droide beschwerte sich stets darüber, dass der Schall ihm anschließend für einige Minuten das Roboteräquivalent von Ohrensausen bescherte.
»Deine Erinnerung ist also komplett wiederhergestellt?«, fragte Jos, als sich der Droide zu ihm gesellte.
»Wie meinen?«
»Dreh mal deine Hörsensoren weiter auf. Du sagtest, dass du dich wieder an alles erinnerst«, sagte Jos. »Also, sag's mir - bist du in Wahrheit der Schoßdroide irgendeiner wohlhabenden Prinzessin oder der Frisör eines Shistavanen oder was?«
»Ich bin exakt das, was ich vorher auch war, vielen Dank der Nachfrage. Ich sagte, es gebe Lücken in meinem Gedächtnisspeicher, die aufgefrischt werden müssten. Das ist jetzt passiert. Meine internen kognitiven Funktionsreparaturen sind abgeschlossen.«
»Ich wünsche, das könnte ich auch von mir behaupten. Erinnerst du dich an irgendwas im Speziellen? Komm schon, I-Fünf, spuck's aus!«
Der Droide legte fragend den Kopf auf die Seite. »Warum sind Sie so begierig darauf, das zu wissen?«
»Tja, nun, weil ...« Jos dachte darüber nach. Warum genau war er so neugierig?
»Weil«, sagte er langsam. »Weil du nach allem, woran du dich erinnerst, eine abenteuerliche Zeit hinter dir hast, zuerst auf Coruscant und dann unterwegs auf den Raumstraßen. Was mich betrifft... Abgesehen von dieser hier sind die einzigen Welten, auf denen ich je war, Coruscant und Alderaan. Ich schaue in den Spiegel und erkenne den alternden Brocken Protoplasma kaum wieder, den ich sehe. Ich schätze, als du sagtest, du würdest dich an alles erinnern, dachte ich ...« Er zuckte die Schultern.
»Dass Sie die Gelegenheit beim Schopf packen könnten, stellvertretend ein bisschen Sightseeing zu betreiben?«
»Etwas in der Art. Außerdem ...« Jos hielt inne und suchte erneut nach den richtigen Worten. »Ich nehme an, eigentlich sollte ich das alles lieber Klo erzählen ...«
»Auf der Intuitionsskala schneidet er jedenfalls wesentlich besser ab als ich.«
»Die meisten Arzte - besonders die hier und andere wie sie - sagen einem, dass sie den Tod nicht fürchten, weil sie so viel davon gesehen haben. Das mag auch stimmen - für sie. Aber soweit es mich betrifft, habe ich aus genau diesem Grund Angst vor dem Tod. Oder zumindest vor dem Boot, das einen rüber auf die andere Seite bringt.«
»Dann dürfte Padawan Offee ebenfalls eher in der Lage sein, Ihnen zu helfen als ...«
»Normalerweise ist der Tod schmerzhaft und langwierig. Das mag seltsam erscheinen angesichts der ganzen Schmerzmittel und Stimbehandlungen, die uns heutzutage zur Verfügung stehen, aber auf jeden Einzelnen, der sich einen eigenen privaten Himmelsdom leisten kann, kommen immer noch je eine Milliarde oder Billiarde Wesen, die nur gerade so über die Runden kommen. Was das angeht, wird sich die Galaxis vermutlich niemals ändern.«
»Es gibt andere Möglichkeiten.«
»Stimmt. Wenn man reich ist, hat man Möglichkeiten - eine Persönlichkeitsspeicherung, sich in Karbonit einfrieren lassen - alles Mögliche. Aber ich bin nicht mal bis auf einen Parsec nah genug dran, so wohlhabend zu sein, und werde es wahrscheinlich auch nie werden. Also ...«
»Jos«, sagte I-Fünf. Jos hielt überrascht inne. Die Stimme des Droiden hatte sich nicht wirklich verändert - sie hatte immer noch diesen leicht undefinierbaren Tonfall, der sie als Produkt eines Vokabulators anstatt eines Kehlkopfs verriet -, aber irgendwie war sie trotzdem anders. Er spricht praktisch niemals jemanden mit Namen an, wurde ihm plötzlich klar.
I-Fünf fuhr fort: »Demnach zu urteilen, was ich über Populärkultur gelernt habe, denke ich, dass dies der Augenblick ist, in dem ich Sie an all die wundervollen Vorzüge er- innern sollte, die Sie als Organischer mir gegenüber haben, einem mechanischen Wesen. Unglücklicherweise fallen mir bloß keine ein. Ja, Sie sind zu Kreativität fähig, zu Flügen der Fantasie, die mir verwehrt sind - weil meine Kernprogrammierung solche Vergänglichkeiten nicht umfasst. Aber diese Dinge fehlen mir nicht. Ich sehne mich nicht danach, Schönheit und Kunst zu begreifen. Dasselbe gilt für die Liebe - und für existenzielle Sinnkrisen wie die, die Sie offenbar gegenwärtig durchleiden.«
»Das glaube ich nicht. Du hast zumindest Sinn für Humor...«
»Mir wurde einer einprogrammiert. Genau wie so ziemlich allen anderen Droiden, die auf dieser Ebene mit Organischen interagieren.«
»Du wolltest dich betrinken!«
»Richtig. Ich habe nicht gesagt, dass mir keine Emotionen einprogrammiert wurden. Loyalität ist eine davon. Neugierde eine andere. Und da ich keine Kreativitätsdämpfer besitze und über ein erweitertes Synaptik-Netzwerk verfüge, bin ich in der Lage, Gefühle zu extrapolieren. Dinge zu erleben, die Organische zu schätzen wissen - wie beispielsweise bewusstseinsverändernde Getränke -, würde mir theoretisch dabei helfen, sie zu verstehen. Und da ich mit euch allen in dieser Galaxis festsitze, benötige ich sämtliche Daten, die ich kriegen kann. Aber ich bin nicht der kleine Droide aus dem Kindermärchen, der organisch sein will, Jos. Ich bin eine Maschine. Eine sehr komplexe Maschine, in der Lage, die Denkprozesse eines empfindungsfähigen Wesens in erstaunlichem Maße nachzuahmen, wenn ich das so sagen darf. Aber nichtsdestotrotz eine Maschine, und ich habe kein echtes Verlangen, irgendetwas anderes zu sein.«
Jos starrte I-Fünf an. Er hätte nicht verblüffter sein können, wenn sich der Droide mit einem Mal in einen dreiköpfigen Kaminoaner verwandelt hätte. Dann wurde er zu seiner eigenen Überraschung wütend. Erst kürzlich war seine Weltsicht auf den Kopf gestellt worden, und er hatte gerade begonnen, sich mit der Vorstellung anzufreunden, dass man Droiden vielleicht doch nicht wie Elektroschraubenschlüssel mit Armen behandeln sollte. Er war fest entschlossen, nicht zuzulassen, dass I-Fünf ihm wieder irgendwelche Flausen in den Kopf setzte.
Er fragte langsam: »Erinnerst du dich daran, dass wir bei einem der Sabacc-Spiele darüber diskutiert haben, woran ein Lebewesen erkennt, ob es sich seiner selbst bewusst ist?«
»Ich erinnere mich.«
»Und du hast etwas gesagt nach dem Motto: Wenn man sich seiner selbst in ausreichendem Maße bewusst ist, um diese Frage zu stellen, hat man sie schon beantwortet. Ich denke, du bist dir deiner selbst bewusst genug, um diese Frage zu beantworten, I-Fünf. Tatsächlich glaube ich, dass du das bereits getan hast. Aber jetzt machst du einen Rückzieher - du verleugnest dein Ich«, sagte Jos. »Ich frage mich, ob das möglicherweise etwas mit deinem wiederhergestellten Erinnerungsspeicher zu tun hat?«
I-Fünf schien eine ganze Weile zu schweigen. Als er wieder sprach, konnte Jos in seiner Stimme einen unverkennbaren Anflug von Verwunderung hören. »Ich glaube - vergleiche subjektive Neutralaktivität mit internen Daten über besagtes Thema«, verkündete der Droide. »Ich glaube, ich habe gerade eine Panikattacke.«
24. Kapitel
Manchmal wurde die Sache mit den Namen ein wenig verwirrend. Die meiste Zeit über war es der, den die anderen in der Flehr verwendeten. Anschließend war es Säule, der Codename, den ihm einer von Count Dookus Separatisten-Meisterspionen gegeben hatte. Linse, der Codename, unter dem die Schwarze Sonne ihren Agenten kannte, war derjenige, der am wenigsten Verwendung fand. Natürlich war keiner davon der Geburtsname des Spions, der ebenfalls nur einer auf einer langen Liste war, die sich ein ums andere Mal geändert hatte, je nachdem, was die Umstände verlangten.
Allerdings war Linse der Spitzname, der jetzt benutzt wurde, der Name, mit dem der Gast des Spions vertraut war. Das Wesen, das Linse gegenübersaß, war vorgeblich menschlich, obgleich sich unter den Fettrollen einer Körperanzug-Verkleidung Kaird, der Nediji-Attentäter und Vollstrecker verbarg. Die beiden befanden sich in einem leeren Büro, das einem Laboraufseher gehörte, der sich im Zuge der letzten Kältewelle eine fiese Form der hiesigen Lungenentzündung zugezogen hatte. Die Labortechnikerin, eine Askajianerin, war in der Krankenabteilung und würde den Raum in nächster Zeit nicht benutzen.
Der falsche Mensch hatte soeben etwas kundgetan, das im Wesentlichen wie der Plan klang, eine große Menge Bota zu stehlen - und ein Schiff, um die Ware abzutransportieren. Das ergab überhaupt keinen Sinn, und Linse zögerte nicht im Mindesten, das auch zum Ausdruck zu bringen.
»Wir haben unsere Gründe.«
»Und warum erzählen Sie mir das?«
»Sie sind unser Agent. Es erscheint bloß fair, Sie zu warnen. Der Diebstahl wird Ermittlungen nach sich ziehen - da ist es besser, dass Sie davon nicht unvorbereitet überrascht werden.«
Linse lächelte. »Meine offizielle Rolle hier ist blasterfest. Was ist der wahre Grund?«
Die Menschenverkleidung war ziemlich gut - das Lächeln, das sie hervorbrachte, wirkte aufrichtig. »Am Ende wird dieser Krieg genauso enden, wie alle es irgendwann tun. Aber die Geschäfte gehen trotzdem weiter. Sie waren für uns ein wertvoller Aktivposten und könnten es wieder sein, nachdem dieser Konflikt vorüber ist. Wir hassen es, Talent zu vergeuden.«
Das machte mehr Sinn, aber Linse mutmaßte, dass noch mehr dahintersteckte. »Immer noch nicht ganz die Wahrheit, oder?«
Die Stimmeinheit der Verkleidung stieß die realistische Nachahmung eines menschlichen Lachens aus. »Es ist so erfrischend, mal nicht mit irgendwelchen Stumpfsinnigen und Ignoranten zu tun zu haben«, sagte Kaird. Er lehnte sich vor. »Also gut: In Ihrer offiziellen Funktion hier haben Sie Zugriff auf gewisse Daten.«
»Stimmt, aber die Sicherheitscodes für raumtaugliche Schiffe, besonders für welche mit Hyperantrieb, gehören nicht zu diesen Daten«, entgegnete Linse.
»Das habe ich auch nicht angenommen. Aber Sie können medizinische Aufzeichnungen beschaffen.«
»Jeder auf der Station mit Standardsicherheitsfreigabe kann diese Dateien einsehen. Irgendwie begreife ich nicht, wie Ihnen das dabei helfen sollte, ein Schiff zu stehlen.«
»Haben Sie schon mal die Purzelsteine eines Kindes gesehen? Man kann sie in langen, komplizierten Reihen und Windungen aufstellen. Der Stein am Ende kann hundert oder tausend von dem am Anfang entfernt sein. Doch wenn man sie richtig hinstellt, führt das Umstoßen des ersten schlussendlich dazu, dass auch der letzte fällt.«
Linse nickte erneut. »Ja, ich verstehe, worauf Sie hinauswollen.«
»Ich werde einige sehr grundlegende Nachforschungen anstellen«, erzählte Kaird, »und nachdem ich einige Dinge in Erfahrung gebracht habe, werde ich Sie um bestimmte Dateien bitten, von denen ich glaube, dass sie von Nutzen sind. Nichts, das über Ihre Sicherheitsfreigabe hinausgeht, damit Sie es problemlos scannen können.«
»Kein Problem«, sagte Linse. »Ich werde beschaffen, was Sie brauchen.«
»Ausgezeichnet!« Es folgte eine Pause. »Jetzt werde ich Ihnen einen Gefallen tun, Linse. Mir ist bewusst, dass Sie neben der Schwarzen Sonne noch andere Auftraggeber haben, doch deren Interessen hier - und unsere - sind gegenwärtig dabei, sich in Wohlgefallen aufzulösen.«
Linse runzelte die Stirn. »Wieso das?«
»Wir sind alle aus ein und demselben Grund hier. Doch die Bedeutung dieses Grundes schwindet bereits dahin und wird sich in kurzer Zeit ganz verflüchtigt haben.«
»Ich fürchte, da komme ich nicht ganz mit. Reden Sie von dem Bota?«
»Ja. Es scheint, als würde die Pflanze aktuell eine Mutation durchlaufen, eine, die ihre geschätzten adaptogenen Eigenschaften radikal verändern wird. Mit der nächsten Generation wird Bota nicht mehr wertvoller sein als irgendwelches andere Unkraut, das auf diesem heißen Felsen wächst - es wird sich chemisch so weit verändert haben, dass es als Arzneimittel nutzlos ist. Und da Drongar selbst von keinerlei Nutzen ist, ob nun strategisch oder in anderer Hinsicht, werden sowohl die Republik als auch die Streitkräfte der Separatisten keinen Grund mehr haben hierzubleiben.« Die Hände breiteten sich - mit den Handflächen nach oben - in einer Geste aus, die Freiheit verhieß. »Wir können alle nach Hause gehen.«
»Woher wissen Sie das?«
»Das spielt keine Rolle. Ich weiß, dass es so ist. Ich erzähle Ihnen das, weil Sie, nachdem ich fort bin, möglicherweise imstande sein werden, diese Daten zu verwenden, um unsere Freunde unter Count Dookus Kommando zu unterstützen. Womöglich läuft am Ende alles auf ein letztes, gnadenloses Gefecht hinaus, um das zu sichern, was von den Bota- Feldern noch übrig ist - denn sobald diese Ernte futsch ist, wird es keine weitere mehr geben. Zumindest nicht hier auf diesem Planeten.«
Linse, verblüfft über diese Enthüllung, sagte nichts. Kaird hatte keinen Grund, diesbezüglich zu lügen. Der Diebstahl einer ansehnlichen Menge Bota würde der Republik - zumindest indirekt - schaden, sodass Linse ihm bei seinem Vorhaben Erfolg wünschte, soweit möglich. Aber wenn das, was er sagte, stimmte, war es definitiv auch im Interesse der Separatisten, sich so viele der Pflanzen zu schnappen, wie sie konnten, selbst auf die Gefahr hin, dabei den Rest der Ernte zu zerstören. Lieber einen halben Laib Brot als gar keinen.
Irgendwie musste diese Information überprüft werden.
»Das ist kostbares Wissen«, sagte Linse, »und dennoch rücken Sie großzügig damit heraus.«
Der pausbäckige Kopf nickte schwerfällig. »Wie ich schon sagte, letztlich wird der Krieg vorbei sein. Wer gewinnt oder verliert, spielt für uns keine Rolle. Wenn wir Ihnen einen Gefallen tun, sind Sie eines Tages vielleicht in der Lage, sich dafür zu revanchieren. Die Schwarze Sonne hat ein gutes Gedächtnis, was Feinde und was Freunde betrifft. Von beidem haben wir eine Menge, aber es schadet nie, mehr Freunde zu haben.«
Linse nickte und lächelte. Die Erklärung des Nediji machte Sinn, auch wenn sich eine ziemlich hohe Dosis Ironie daruntermischte, da die Schwarze Sonne in der Vergangenheit so viele Deals aus so vielen Blickwinkeln eingefädelt hatte, dass ein neundimensionales Stück Raumzeit nötig war, bloß um sie alle zu erfassen.
Der Menschenanzug erhob sich; die Rollen aus Formschaumfett waberten. »Ich werde mich in ein oder zwei Tagen bei Ihnen melden«, sagte Kaird.
»Möge der Frost niemals Ihren Blick trüben!«
Kaird ging, und Linse dachte über das nach, was der Vertreter der Schwarzen Sonne gesagt hatte. Wenn sich herausstellte, dass diese Enthüllung über das Bota zutraf, war das eine wichtige Information, die weitergegeben werden musste. Der Verlauf des Krieges hier würde sich dadurch mit nahezu absoluter Sicherheit schnell ändern.
Sehr schnell.
Jos trottete auf sein Quartier zu, das er nicht mehr länger mit anderen teilte - weder mit Tolk noch mit Uli. Sie war vor drei Tagen wieder in ihre eigene Wohneinheit gezogen, mit der
Begründung, dass sie Abstand brauche, um nachzudenken. Uli war noch immer in der Ein-Mann-Einheit untergebracht, in die er zu schnell nach Tolks Einzug umgezogen war. In den letzten Tagen verbrachte Jos den Großteil seiner Zeit entweder in der Cantina oder im OP. Er kehrte bloß in seine Unterkunft zurück, wenn er schlafen musste - und das hatte er im Augenblick bitter nötig.
Das Dröhnen von Medibergern setzte ein, das sich rasch zu einer solchen Kakofonie steigerte, dass er nicht einmal Mutmaßungen darüber anstellen konnte, wie viele es waren. Er schüttelte den Kopf. Wer auch immer gerade Dienst hatte, konnte sich auf einiges gefasst machen ...
Sein Komlink piepste.
Er meldete sich in dem Wissen, dass es schlechte Neuigkeiten gab. »Was ist?«
Uli sagte: »Im AIA-Wasserstoffwerk hat es eine Explosion und einen großen Brand gegeben, Jos. Hundert Schwerverletzte. Wir haben neun Berger voll, die unterwegs hierher sind, dreißigirgendwas Verletzte, die meisten davon mit üblen Verbrennungen und...«
»Ich habe gerade meine Schicht beendet. Ich kann kaum meine Hände heben und schon gar nicht damit operieren.«
»Ich weiß, aber bei einem der Droiden-Chirurgen hat es gerade den Gyrostabilisator weggehauen, und es wird Stunden dauern, das zu reparieren. Wir sind im OP unterbesetzt. Colonel Vaetes sagte, ich soll dich anrufen.«
Jos seufzte. »Kark«, sagte er. Doch in dem Wort lag keine Rage, bloß gewaltiger Verdruss. Würde das denn niemals aufhören?
Als Jos seine Handschuhe überstreifte, trafen bereits die ersten Opfer des Brandes ein. Er sah Tolk, und diesmal nickte sie ihm zu. Eine kleine Geste, die aber dafür sorgte, dass er sich ein bisschen besser fühlte. Zumindest das war ihnen geblieben.
Er ging zu einem der Tische, während zwei Droiden einen Patienten von einer Trage daraufgleiten ließen. Ein Klon mit ziemlich üblen Brandwunden. »Was haben wir hier?«
»Verbrennungen dritten Grades an sechsundzwanzig Prozent des Körpers«, sagte einer der Droiden, eine chirurgische Diagnoseeinheit. »Zweiten Grades an zusätzlichen einundzwanzig Prozent. Ersten Grades an siebzehn Prozent. Darüber hinaus hat er einen aufgerissenen Dünndarm, scheinbar vom Splitter eines explodierten Wasserstofftanks, unterer linker Quadrant, schräg; Punkturwunden im linken Lungenflügel, der kollabiert ist; und ein Trümmerstück im linken Auge.«
»Haben Separatistendroiden die Anlage angegriffen?«
»Nein, Sir«, sagte der CDE-Droide. »Es war ein Industrieunfall.«
Großartig!
»Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass die Separatisten unsere Leute umbringen - jetzt jagen wir uns auch noch selbst in die Luft. Machen Sie einen Verbrennungssatz auf«, wies er Threndy an. »Verpass ihm mal jemand Endorphin, hundert Milligramm! Und holt die Ultraschallbürste - wir werden mindestens die Hälfte seiner Haut ersetzen müssen ...«
Irgendwie schaffte Jos es, sich die nächsten fünf Patienten über am Riemen zu reißen und sie alle zu retten.
Den Folgenden brachte er jedoch um.
Er hatte die erste Phase der Pneumonektomie an einem menschlichen Nicht-Klon-Patienten zur Hälfte hinter sich gebracht und arbeitete gerade mit einem Laserskalpell am linken Lungenflügel, als er die Hauptschlagader des Mannes ritzte. Blut spritzte aus dem geklammerten Gefäß, in einem Geysir, der fast bis ganz zur Decke hochspritzte.
»Sofort ein Pressorfeld da drauf!«
Tolk und Threndy waren abgezogen worden, um Uli und Vaetes zu helfen, die eine Herztransplantation durchführten, doch der Chirurgieassistenzdroide konzentrierte das Pressorfeld mit mechanischer Präzision rasch auf die angeschnittene Arterie, perfekt platziert. Unglücklicherweise reichte die Stärke des Feldes nicht ganz aus, und die Wunde sickerte weiter.
»Mehr Druck!«, befahl Jos. »Wie hoch ist die Feldstärke?«
»Sechs Komma vier«, sagte der Droide.
»Geh auf sieben!«
»Aber, Doktor, das würde die Gewebeparameter überlasten ...«
»Notautorisierung. Sieben, sagte ich!«
Noch während der Droide der Anweisung nachkam, erkannte Jos seinen Fehler. Der Mann, der vor ihm lag, war kein Fett-Klon, bei dem die Aderwände des Blutkreislaufs verstärkt worden waren, um zu verhindern, dass Wunden so viel bluteten. Das hier war ein ganz gewöhnlicher Mensch, was bedeutete...
Die Aorta explodierte, wurde zerfetzt, als wäre darin eine kleine Bombe losgegangen.
»Ich könnte hier etwas Hilfe gebrauchen!«
Sämtliche chirurgischen Herz-Lungen-Bypassgeräte waren im Einsatz, und ein zusätzliches Paar Hände würde nicht genügen. Das Druckfeld konnte die Blutung nicht stoppen, und noch während er die geplatzte Arterie abzubinden versuchte, wusste er, dass es zu spät war. Der Mann erlitt einen gewaltigen Schock, und der Vitalmonitor zeigte eine Nulllinie, bevor sie die Zerebrostase durchführen konnten. Sobald er das zerfetzte Blutgefäß mit einem Flexipflaster versehen hatte und sauerstoffreiche Austauschflüssigkeit floss, um das verlorene Blut zu ersetzen, versuchte Jos, ihn wiederzubeleben. Er mühte sich zehn Minuten lang ab, doch nichts schien zu funktionieren. Er bekam das Herz nicht wieder zum Schlagen.
Auf ihn warteten noch vier weitere Patienten. Er wusste, was er zu tun hatte.
Jos erklärte den Mann für tot und ließ ihn von einem Droiden wegbringen. Er hatte keine andere Wahl. Wenn er weiterhin an diesem einen arbeitete, würden die wartenden Patienten mit ziemlicher Sicherheit sterben.
Oder vielleicht bringst du sie ebenfalls um, flüsterte die bösartige kleine Stimme in seinem Innern, als der nächste Patient vor ihn hingeschoben wurde.
In seinem ganzen Leben hatte er sich noch nie so erschöpft gefühlt. Dieser verdammte Krieg!
25. Kapitel
Den saß da, hörte dem Ugnaught-Medimechanospezialisten Rorand Zuzz zu und fühlte sich, als habe man ihm den Schlüssel zu Coruscant gerade auf einem Platinumtablett überreicht. Zuzz hatte ihn schon in der Vergangenheit mit nützlichen Informationen versorgt, aber das hier war der Knaller.
»Bist du sicher?«
»Davon gannste so sicha ausgeh'n, wie dass de IGBC midde Dewiseng'schäfde Credits machd, Dhur. Oh ja!«
»Wie bist du an diese Information gelangt?«
Zuzz grinste. »Diese Fraunaught in Flehr Zwölf, drüb'n inne Xenobio, is schaaf auf mich. Sie füad de gans'n Tests mit'te hiesige Emde duach.«
»Trink noch was!«, sagte Den. Das war eine große Sache. Riesig, monströs, tatsächlich sogar so wichtig, dass ...
»Warum habe ich noch nichts davon gehört?«
Der stämmige kleine Fremdweltler zuckte die Schultern. »Kein Annunk. Rachott, de Frau, sachte, sie füad Desds duach, gibd se weida, un echd wah, des Zeuch wird schwächä un schwächä. Irchendwer hockd auffe Ärgebnissä. Wea weiß, warum?«
Der Kellner brachte einen neuen Drink, und Zuzz griff danach, als wäre es der letzte Tropfen Alkohol auf der Tagseite eines nicht rotierenden Planeten.
Den dachte weiter über diese Sache nach. Falls das Bota tatsächlich seine Wirkung verlor, war das eine Riesennachricht. Das Zeug war sein Gewicht in Feuersteinen erster Güte wert, wenn nicht mehr, und wenn es nichts mehr taugte, würde der Preis des Botas, das noch seine volle Kraft und sein gesamtes Wirkungsspektrum besaß, geradewegs aus der Galaxis schießen. Sobald sich das herumsprach, würden alle bis auf den letzten Mann da draußen auf den Bota-Feldern sein und versuchen, sich so viel von dem Zeug zu schnappen wie nur möglich. Dann konnte man sich allein mit dem zur Ruhe setzen, was man davon in seinen Taschen versteckte...
Ja, das war eine Riesengeschichte, keine Frage. Ein Ticket nach Irgendwo, die Art von Geschichte, wie sie einem nur einmal in der Lebenszeit eines Falleen in den Schoß fiel. Wenn man die Sache richtig anpackte - und er wusste, dass er das konnte -, brachte ihm das womöglich sogar den Poracsa-Preis ein, und damit war er für den Rest seines Lebens ein gemachter Mann.
Den musste sich eine Bestätigung dafür beschaffen, und das schnell. Er musste mit der Story rauskommen, bevor irgendjemand sonst die Neuigkeit durchsickern ließ. Hiermit würde er sich selbst ein Denkmal setzen. Sie würden Journalismusakademien nach ihm benennen...
Er bezahlte seiner Ugnaught-Quelle drei weitere Drinks, stand auf und verließ die Cantina. Er musste mindestens zwei weitere Bestätigungen einholen. Vielleicht auch bloß eine. Sobald sich die Sache als richtig erwiesen hatte, würde er die Story irgendwie publik machen. Obwohl seine Kom-Einheit momentan bloß statisches Rauschen ausspuckte, musste es irgendeine Möglichkeit dazu geben. Notfalls würde er die Geschichte einem ausgemusterten Soldaten auf den Rücken tätowieren. Irgendwie musste es klappen.
Als er die heiße, stinkende Anlage überquerte, sah er Eyar, die auf den Speisesaal zuging. Er beeilte sich, sie abzufangen.
Kein Zweifel - sie war eine wunderschöne Frau.
Sie lächelte, und sie tauschten rituelle Begrüßungen aus.
»Du scheinst wegen irgendetwas aufgeregt zu sein«, sagte sie.
»Wie könnte ich in deiner Gegenwart nicht aufgeregt sein, Schnuckelchen? «
Sie lachte. »Ich mag Sullustaner, die mich zum Lachen bringen. Aber dein Verhalten verrät mir, dass da noch mehr ist.«
»Eine Story«, gab er zu. »Eine große, wenn sie sich als wahr erweist.«
»Schön für dich!« Ihre Stimme war warm, generös, aufrichtig.
Den sah sie an, und einen Moment lang verspürte er einen plötzlichen Schmerz beim Gedanken an die Frauen und Familien, die zu gründen er nie Zeit gehabt hatte. In seinem Leben war die Arbeit stets an erster, mittlerer und letzter Stelle gekommen. Zu den Wegen, die er nie eingeschlagen hatte, gehörte mitanzusehen, wie sich das Jungvolk zum ersten Mal aus den Höhlen wagte, das Geräusch von Kinderlachen zu hören, im Bett unter einer kühlenden Decke die Wärme einer oder mehrerer Gattinnen zu fühlen. Alles Dinge, die er für die Zukunft geplant gehabt hatte, für irgendwann, wenn er Zeit dafür hatte. Bloß, dass es nie dazu gekommen war.
»Deine Stirn furcht sich vor Gedanken«, sagte sie.
Er seufzte. »Wegen einiger Dinge, die ich in meinem Alter bedaure.«
Sie grinste. »So alt bist du nun auch wieder nicht.«
»Ich dachte, ich erinnere dich an deinen Großvater.«
»Tust du - aber in unserer Familie haben schon immer alle früh angefangen. Er ist immer noch fit und aktiv, mein Großvater. Sechs Frauen, vierzehn Kinder, sechsundzwanzig Enkelkinder, und erst kürzlich hat er sich eine neue Gattin genommen. Sie trägt bereits ein Kind in sich.«
»Beeindruckend.«
»Hast du je daran gedacht, auf unseren Heimatplaneten zurückzukehren?«
Er nickte. »Habe ich. In letzter Zeit immer öfter. Kriegen hinterherzujagen wird allmählich langweilig. Ich habe darüber nachgedacht, den Außendienst aufzugeben, mir daheim auf Sullust eine Stelle bei den Lokalnachrichten zu suchen und zu versuchen, mir ein paar uralte Weibsbilder zu suchen, die verzweifelt genug sind, um mich als Ehemann in Erwägung zu ziehen.«
»Sie bräuchten nicht verzweifelt sein«, meinte sie und blickte auf ihre Schuhspitzen hinab. »Oder uralt.«
Den blieb stehen und sah sie an. »Ähm ... Anscheinend haben meine Ohrdämpfer eine Fehlfunktion. Was hast du gerade gesagt, Eyar-la?«
Eyar kam ebenfalls geschmeidig zum Stehen und drehte sich so, dass sie ihn direkt ansah.
»Wenn dieser Krieg zu Ende und meine Tournee vorüber ist, habe ich vor, nach Hause zurückzukehren und mir eine Lebensgemeinschaftshöhle zu suchen.«
»Wie bitte? Du kehrst dem Showgeschäft den Rücken?«
Sie lachte wieder - es hörte sich an wie eine Kaskade Klangkristalle - und fuhr dann fort. »Die Gefährten, die ich kenne, sind junge, aber ernste Männer. Versteh mich nicht falsch ... Sie wären gute Väter, und ich hoffe, mir noch einen oder zwei mehr von ihrer Art zulegen zu können, aber möglicherweise mangelt es ihnen ein wenig an Sinn für Humor. Für einen Sullustaner deines Schlages wäre immer Platz, Den-la.«
Den war erstaunt. Er grinste Eyar an. »Das ist das beste Angebot, das man mir seit langer Zeit gemacht hat. So alt wird kein Boukk!«
»Dann betrachte es als offiziell«, sagte sie. »Kinder brauchen gesunde und starke Väter, aber sie brauchen auch ältere und weisere. Du würdest meine Höhle ehren, wenn du dich entschlössest, dort zu leben.«
Den blinzelte, um die Nässe im Zaum zu halten, die ihm unversehens in die Augen stieg. Unmöglich, dass es sich dabei um Tränen handelte - nicht bei einem mürrischen alten Zyniker wie ihm. Heiraten? Eine Familie? Eine Höhle voller angeheirateter Verwandter und Kinder? Er hatte geglaubt, das alles sei für ihn schon längst Geschichte, außerhalb seiner Reichweite, nicht für ihn bestimmt. Als abgebrühter Reporter, seit Jahrzehnten fort von seinem Heimatplaneten, hatte er stets angenommen, dass er auf dem Schlachtfeld sterben würde, oder betrunken in irgendeinem Pestloch voller Abschaum und Schurkerei.
Doch jetzt eine solche Alternative angeboten zu bekommen, besonders von einer so jungen und süßen Frau ...
»Bitte, denk darüber nach!«, sagte sie. Offenbar missdeutete sie sein Zögern als mögliche negative Reaktion.
»Weißt du was? Wenn ich das Ende dieses Krieges überlebe, glaube ich, werde ich versuchen, nach Hause zurückzukehren.« Den hielt inne, nahm einen tiefen Atemzug und sagte: »Es wäre mir eine Ehre, meine Höhle mit dir zu teilen.«
Sie lächelte, eine herzliche, wonnevolle Geste. »Wirklich? Wäre es das?«
Ihr Enthusiasmus spülte über ihn hinweg, voller Energie und Freude. »Ich kann es kaum erwarten, das meiner Familie zu erzählen! Den Dhur, der berühmte Reporter, schließt sich uns an!«
»So berühmt nun auch wieder nicht.«
»Du stellst dein Licht unter den Scheffel, Den-la. Ich lese deine Berichte schon seit Jahren. Auf Sullust weiß jeder, wer du bist.«
»Es schickt sich nicht, sich über Ältere lustig zu machen«, erwiderte er mit gespielter Strenge.
»Blödsinn, es stimmt! In meinem Heimatbau gibt es Kinder, die so sein wollen wie du, wenn sie groß sind.«
»Ohne Mopak? Ähm, ich meine ...«
Sie lachte. »Ohne Mopak«, sagte sie. Sie streckte den Arm aus und ergriff seine Hand. »Hast du vielleicht Lust, mit in meine Wohneinheit zu kommen und das Gelöbnis zu besiegeln? Es sei denn, natürlich, deine Story hält dich zu sehr auf Trab...?«
Den lächelte. »Die Story kann warten. So wichtig ist sie nun auch wieder nicht.« Und noch während er das sagte, wurde ihm klar, dass das stimmte. Letzten Endes gab es wirklich Dinge, die wichtiger waren als die morgige Nachrichtendisc oder sogar leicht verdientes Geld.
Wer hätte das gedacht?
Als Den Eyars Quartier verließ, wurde es bereits dunkel. Er sah I-Fünf draußen vor dem OP stehen, wo er mit Jos sprach. Der Chirurg sagte etwas zu dem Droiden, ehe er sich umdrehte und wieder hineinging.
»I-Fünf, alter Kumpel!«
Der Droide wandte sich um und sah ihn. Den stolzierte zu ihm und knuffte ihm ausgelassen gegen einen Arm. »Schön, dich zu sehen. Was gibt's Neues?«
»Das sollte ich wohl besser Sie fragen.«
Den gluckste, als die beiden durch die schwüle Abendluft spazierten. Eyar hatte eine Flasche erstklassigen bothanischen Getreideweins geöffnet, um ihre mögliche Hochzeitsvereinbarung zu feiern, was bei ihm bloß auf wenig Widerstand gestoßen war. Er fühlte sich rundum gut. Als er bei Eyar gewesen war, hatte er sich über Kom den Wahrheitsgehalt der Bota-Story von drei unterschiedlichen Quellen bestätigen lassen, denen er vertraute. Jetzt war er in Feierlaune.
»He, ich bin gerade richtig gut aufgelegt. Mach das nicht zunichte, ehe du überhaupt weißt, was los ist«, erklärte er dem Droiden. »Und wo wir gerade dabei sind: Wir müssen dich immer noch in den Club aufnehmen.«
»Und welcher Club könnte das wohl sein?«
Den wackelte mit einem Finger vor ihm herum. »Sag mir nicht, dass du einen Rückzieher machst! Du musst die Freuden der Trunkenheit kennenlernen. Das wird deiner Silikonseele gut tun.«
»Ah, ja. Tatsächlich glaube ich, dass mir eine absurd einfache Methode eingefallen ist, das zu erreichen. Ich bin beschämt, dass ich nicht schon eher daran gedacht habe.«
»Dann schieß los!«
»Ich bin, wie ich Doktor Vondar gerade ins Gedächtnis gerufen habe, im Wesentlichen eine Maschine. Mein synaptischer Netzwerkprozessor ist heuristisch - ich leite neue Daten von bekannten Daten ab. Aber ich besitze außerdem einen algorithmischen Subprozessor, der meinen autonomen Bedürfnissen dient.«
»Okay...«
»Sie haben kein Wort davon verstanden, oder?«
»Ich glaube, außerdem und meinen habe ich kapiert.«
»Letztlich ist es genau wie bei eurem parasympathischen Nervensystem, das eure Atmung, euren Herzschlag und so weiter kontrolliert - Funktionen, die der Körper zwar benötigt, die jedoch keiner bewussten Kontrolle unterliegen. Obwohl ich nicht atmen muss, müssen auch einige meiner Funktionen wie Gleichgewicht, Schmierung oder Energieleitung ständig überwacht werden...«
»Richtig, kapiert«, sagte Den. »Aber was hat das damit zu tun, sich einen hinter die Binde zu gießen?«
»Ganz einfach. Mein Subprozessor ist programmierbar. Ich kann ihn so kodieren, dass er einen Zustand der Trunkenheit simuliert.«
Den blieb stehen und starrte ihn an. »Du kannst dich selbst darauf programmieren, betrunken zu sein? Ich dachte, du könntest nicht an deinen Systemen herumpfuschen.«
»Die Hardware ist geschützt. Jetzt, wo meine Erinnerungen vollends wiederhergestellt sind, habe ich in Bezug auf die Software allerdings einen gewissen Spielraum.«
»Wie lange würdest du dazu brauchen?«
Als er antwortete, lag ein schwacher, aber unmissverständlicher Anflug von Aufgeblasenheit in I-Fünfs Stimme. »Ich verfüge über einen SynthTech-AA-Eins-Nanoprozessor mit sieben Petahertz Betriebsleistung und fünf Exabyte Rechenkapazität. Ich habe das Programm geschrieben, unmittelbar nachdem ich es Ihnen gegenüber erwähnt habe. Ich habe sechs Komma eine Pikosekunden gebraucht, um den Basisalgorithmus zu kodieren und seine Funktionsparameter zu berechnen.«
»Wow. Das ging... schnell.«
Sie blieben stehen, um eine kleine Schar R4-Astromechs vorbeirollen zu lassen, die einander etwas zupiepsten und herumzwitscherten. »Und wann wirst du das Programm starten? Oder dir die Dröhnung geben, wie wir Organische sagen.«
»Nichts geht über den Augenblick, wie ihr Organischen sagt.«
Den dachte darüber nach. »In Ordnung. Ich schätze, du könntest das überall machen. Aber es gibt Bräuche, denen man treu bleiben muss, da kannst du mir vertrauen. Abgesehen davon würde ich mich dir gern anschließen. Ich habe einen hübschen kleinen Schwips, und es würde mir nichts ausmachen, den zu behalten. Außerdem ist langsam Sabacc-Zeit. Alle werden da sein.«
»Großartig, nichts geht über Publikum!«
Den vollführte eine Nach-dir-Geste in Richtung Cantina, ehe er I-Fünf auf dem Fuße folgte.
Auf Nedij gab es ein altes Sprichwort: Dich trennen nie mehr als sieben Flügelschläge vom Großen Raubvogel. Natürlich ging diese Zahl beträchtlich nach oben, wenn man sie auf die gesamte Galaxis ausdehnte, doch das Prinzip war dasselbe: Sprich mit jemandem, der jemand anderen kennt und so weiter, bis man nach dem Abarbeiten einer stets erstaunlich kurzen Liste feststellte, dass man auf diese Weise imstande war, Kontakt zu so ziemlich jedem herzustellen.
Kaird, der jetzt dankbarerweise wieder die bequemen Gewänder des Schweigsamen trug, stand im zunehmenden Schatten eines sich aufbauenden Gewittersturms und verfolgte, wie die Mitarbeiterin der Essensausgabe die Küche der Hauptkantine verließ und auf ihr Gemeinschaftsquartier zueilte. Hier, auf einer Welt, die gänzlich von Besatzungskräften bevölkert war und selbst keine eigenen Ureinwohner besaß, traf das Sprichwort umso mehr zu. Dank dieser Frau war er bloß zwei Händepaare davon entfernt, den Piloten des Schiffs in die Finger zu kriegen, das er zu stehlen beabsichtigte.
Eine Frau, eine Twi'lek namens Ord Vorra, hatte eine Beziehung mit Biggs Bogan, einem menschlichen Piloten, einem von dreien, der im Wechsel mit seinen Kollegen das persönliche Schiff des Admirals flog. Diese Twi'lek-Mensch-Beziehung war aus einem ungewöhnlichen Grund - zumindest hier auf diesem Planeten - bemerkenswert: Vorra und Bogan waren beide Strag-Spieler, und beide hatten den Rang eines Adepten inne. Das uralte Strategie- und Taktikspiel, das auf einer schlichten holografischen Tafel mit Dutzenden Spielsteinen auf jeder Seite gespielt wurde, war eine intellektuelle Herausforderung, die ein ausgezeichnetes Gedächtnis und Jahre der Übung erforderte, um es zu meistern. Kaird selbst war einigermaßen vertraut mit dem Spiel, doch es war ihm nie gelungen, Strag die Zeit zu widmen, die notwendig gewesen wäre, um die Stufe eines Adepten zu erreichen. Dass es davon auf einem Planeten wie Drongar gleich zwei gab, war ausgesprochen ungewöhnlich, und so war es nur natürlich, dass die beiden zueinandergefunden hatten.
Ein Raumschiffpilot und eine Küchenkraft, beide Strag-Adepten. Das führte einem mal wieder vor Augen, was für ein seltsamer Ort die Galaxis war - eine Tatsache, derer Kaird sich schon lange bewusst war.
Er bewegte sich über die Anlage und wahrte ausreichend Abstand zu der Twi'lek, während er sie beschattete. Falls sie ihn bemerkte, würde sie sich wahrscheinlich keine nennenswerten Gedanken wegen eines Schweigsamen auf seinem Abendspaziergang machen, doch es war besser, kein Risiko einzugehen.
Eine warme Brise - ein Vorbote des heranziehenden Regens die die feuchte Luft kaum aufwühlte, bereicherte ihren üblen Geruch zumindest um ein bisschen Frische. Die Gemeinschaftswohnunterkunft, in der die Twi'lek lebte, hatte er bereits ausgekundschaftet - zu überfüllt für seine Zwecke, und immer war jemand in der Nähe. Doch Vorra und Bogan hatten zweifellos Stellen gefunden, an denen sie allein sein konnten, da ständiger Lärm und Bewegung Ablenkungen waren, die Strag-Spieler nach Möglichkeit mieden. Nicht, dass sie nicht imstande gewesen wären, solche Dinge auszublenden - es hieß, dass ein Adept selbst inmitten eines piluvianischen Salamandersturms vier Züge vorausplanen konnte. Sie zogen es lediglich vor, das nicht tun zu müssen. Kaird war zuversichtlich, dass die Twi'lek und der Mensch früher oder später einen Ort aufsuchen würden, an dem sie ohne fremde Gesellschaft zusammen sein konnten, und dieser Ort würde Kaird dann als potenzieller Kontaktaufnahmepunkt dienen.
Abgesehen von ihrer Verbindung zu Bogan hatte er kein Interesse an Vorra - zu Bogan, der an den Tagen, an denen er in Bereitschaft war, um Admiral Kersos herumzufliegen, die neuen Sicherheitscodes für das Schiff des Admirals besaß. Kaird würde in Erfahrung bringen, wann das war, und dann war der Rest nur noch eine Frage des Wie und Wann, um zu beschaffen, was er brauchte ...
Ord Vorra blieb beim Vorratsgebäude stehen. Kaird glitt in die tiefen Schatten von einem der Industriewiederverwerter quer gegenüber des Versorgungsgebäudes, auf der anderen Seite des Weges, um praktisch unsichtbar zu werden.
Der Wind nahm zu, und der Geruch des nahenden Regens wurde schwerer. Kaird wartete und schwitzte. Die Kuppel würde den bevorstehenden Regen ebenso wenig abhalten, wie sie die verdunstenden Pfützen daran hinderte, sich zu verflüchtigen. Als vor ewigen Zeiten erstmals mit Energieschilden und -kuppeln experimentiert worden war, waren solche Dinge nicht immer bedacht worden, weshalb das Ergebnis den Bewohnern häufig viele Unannehmlichkeiten bereitet hatte - und Schlimmeres. Eine Energiekuppel, die sich mit Treibhausgasen füllte, die nicht entweichen konnten, oder zuließ, dass auf der Innenseite Wasserdampf kondensierte, um so dichten Nebel oder noch mehr Regen zu erzeugen - ganz zu schweigen von einem plötzlichen Mangel an atembarer Luft -, das waren alles schlimme Dinge. Daher hatte man die jüngst reparierte Sphäre mehr oder weniger auf genau dieselben Umgebungsparameter eingestellt wie vor der »Winterpanne«, wie der Vorfall inzwischen bezeichnet wurde. Was bedeutete, dass sie wieder ein Wetter hatten, das einem Taurücken die Haut verdampft hätte.
Offensichtlich hatte der neue Admiral das persönliche Schiff seines Vorgängers übernommen, oder zumindest benutzte er es. Kaird war das nur recht. Bei dem betreffenden Vehikel handelte es sich um ein modifiziertes surronianisches Angriffsschiff, ein schnittiges Gefährt, das von je einer Vierereinheit von Triebwerken des Typs A2 und A2.50 angetrieben wurde. Nach dem, was Kaird in Erfahrung gebracht hatte, war das Schiff in der Atmosphäre schnell - vergleichbar mit einem Naboo-N1-Sternenjäger -, doch noch wichtiger war, dass es ebenfalls rasch Lichtgeschwindigkeit erreichte. Ganz zu schweigen davon, dass es mit feuerverlinkten Ionen- und Laserkanonen bewaffnet war, und obgleich es weniger als dreißig Meter lang war, waren die Treibstoffkapazität und die Bequemlichkeit ausreichend für einen langen Flug, mit mehr als genügend Reichweite, um ihn von dieser Schlammkugel runter und zurück zum Hauptquartier der Schwarzen Sonne auf Coruscant zu bringen.
Sobald er dort war und seine Angelegenheiten erledigt hatte, hegte er die Absicht, das Schiff irgendwie zu behalten und damit in seine wahre Heimat zurückzukehren.
Zurück zu den schneebedeckten Bergen von Nedij...
Die Twi'lek tauchte aus dem Lager auf und trug ein kleines Paket. Sie war nicht unattraktiv, wenn man Gefallen an federlosen Zweibeinern fand, auch wenn sie für Kairds Geschmack viel zu kräftig war. Nediji-Frauen waren hohlknochig und gertenschlank, und diese Norm war in die Hirne der Nediji-Männer eingebrannt.
Sie wanderte in die aufziehende Abenddämmerung davon, und Kaird widerstand dem Drang, ihr sofort zu folgen. Kein Grund zur Eile. Er hatte seine Beute, und jetzt würde er alles über sie in Erfahrung bringen, was für seine Zwecke von Bedeutung war. Linse würde ihm ihre medizinischen Unterlagen verschaffen. Von einem Angestellten des Personalwesens würde er ihre Dienstinformationen erhalten. Ein Zensor bei der Kom-Abfangeinheit würde ihn mit Abschriften von Nachrichten versorgen, die die beiden an ihre Familien oder Freunde geschickt oder von ihnen bekommen hatten, falls vorhanden.
Innerhalb eines Tages - vermutlich schneller - würde er mehr Infos über diese beiden zusammengetragen haben, als irgendjemand sonst hier besaß. Dann, wenn er genügend Informationen hatte, würde er nach einem Grundpfeiler suchen, nach einer Verbindung, nach einem Störimpuls - nach einer kleinen Einzelheit, um die herum er einen Plan schmieden konnte. Vielleicht keinen perfekten Plan, doch im Laufe seiner Jahre bei der Schwarzen Sonne hatte Kaird viele Dinge gelernt, und folgende Erkenntnis wertete er als eine der wichtigsten: Es muss nicht perfekt sein. Man musste stets einen gewissen Spielraum für Variablen lassen.
Natürlich würde er sich ebenfalls einiges überlegen, um etwaige Zufälle abzudecken. Dann würde er die Dinge in Gang setzen. Wenn alles gut lief, würde sein Plan so reibungslos aufgehen, wie ein eingefetteter Mynock über Transparistahl rutschte. Selbst, wenn es Schwierigkeiten gab, würde er damit fertigwerden. Die Sache würde trotzdem über die Bühne gehen.
In ein paar Tagen würde er an Bord seines neuen Schiffs sein, mit einer Fracht, deren Wert sich nicht einmal annähernd ermessen ließ, unterwegs, seine Ladung zu übergeben, sich dann frühzeitig zur Ruhe zu setzen und anschließend bis zum Letzten Flug ein glückliches Leben zu führen...
Ein Blitz flammte auf, fast unmittelbar gefolgt von einem Donnerschlag, um zu zeigen, wie nah der Blitzschlag gewesen war - sehr nah -, und dann begann der Regen zu fallen, dicke, schwere Tropfen.
Zeit reinzugehen, dachte Kaird. Für heute Nacht hatte er genug getan. Er wusste, dass es am besten war, seine Pläne nicht zu schnell zu weit voranzutreiben. Es war immer gut, sich an das Rezept seiner Eimutter für Taboret-Eintopf zu erinnern: Als Erstes musste man das Taboret fangen ...
Als die verschlüsselte Nachricht an die Separatisten-Auftraggeber des Spions geschickt wurde, war Säule weder frei von Bedauern noch von Reue. Es hatte einen Moment des Zögerns gegeben, eine lange und nachdenkliche Pause - doch letzten Endes musste man tun, was man tun musste. Die Kontrollfunktion war initiiert, die Information übertragen. Jetzt, wo sie abgeschickt war, konnte man sie nicht mehr zurückrufen.
Die Übertragung ging ohne Probleme vonstatten, auch wenn die Kommunikation überall auf der Basis in letzter
Zeit regelmäßig zu statischem Rauschen und Signalverlusten neigte. Das lag daran, dass das Gebiet seit Kurzem von einem neuen, hochmodernen Breitbandstörsender abgedeckt wurde, der etwa fünf Kilometer entfernt im Dschungel stationiert war. Das Störsignal war nicht beständig genug, um Argwohn zu erregen, bot jedoch eine gewisse Tarnung und Schutz, wenn der Spion Nachrichten senden und empfangen musste. Natürlich lautete die offizielle Erklärung für das Problem Sonnenflecken.
Wie immer war die Verschlüsselung mühselig und langwierig und die meiste Zeit über vergebliche Liebesmüh, doch in diesem Fall war die Komplexität des Codes nützlich. Man wollte mit Sicherheit nicht, dass die Republik dieses spezielle Schreiben abfing und las.
Bei den Empfängern der Übertragung würde die entschlüsselte Botschaft zweifellos für eine Menge Bestürzung sorgen - gelinde gesagt. Es stand zu erwarten, dass sie darauf mit Unglauben reagieren würden. Säule wusste, dass daraufhin weitere Nachrichten ausgetauscht werden würden, mindestens eine oder zwei, vielleicht mehr, um die Information zu bestätigen. Das war an sich keine Frage des Vertrauens, sondern der Gewissheit. Falls ein groß angelegter Angriff stattfinden sollte, falls gewaltige Streitkräfte zusammengezogen und geopfert werden sollten, musste man im Vorfeld jede Möglichkeit ausschließen, dass irgendein Codeleser schlichtweg einen Fehler gemacht hatte.
Wie bitte? Nein, ich habe nicht gesagt, das Bota würde seine Wirkung verlieren, ich sagte, dass sich Bothanerinnen zu sehr zieren...
Säule lächelte, doch das Lächeln verblasste rasch. Die Mission hier näherte sich ihrem Ende. Wenn dieser letzte Coup vielleicht auch kein Schlag war, um die Republik zu Fall zu bringen, war das Ganze zumindest ein Widerhaken in der Flanke der Bestie, der ihr ein schmerzerfülltes Heulen entlocken würde. Es war tragisch, dass als Folge dieser Tat mit Sicherheit viele Stabsmitglieder dieser und anderer Flehrs sterben würden. Doch jetzt war es getan, und es gab kein Zurück mehr. Es war am besten, damit anzufangen, sich darauf vorzubereiten, diesem Platz den Rücken zu kehren. Es würde andere Orte geben, andere Identitäten, an denen sich ein Agent mit Säules Talent und Fähigkeiten als nützlich erweisen würde. Die Basis der Republik nach und nach stückchenweise zu zerrütten, war ein langsamer Prozess, wenn die Zeitspanne lang genug war, jedoch letzten Endes effektiv.
Natürlich wusste der Spion, dass das alles stimmte. Doch unterm Strich änderte das nichts daran, dass es trotzdem ausgesprochen schwer sein würde, diesen Leuten - und ganz besonders einem - in die Augen zu sehen und vorzugeben, nichts über das drohende Verderben zu wissen.
Aber es musste getan werden. Ihren Blicken auszuweichen, sich in irgendeiner Form anders zu geben als üblich, jedes Verhalten, das auch bloß das geringste Maß an Argwohn hervorrief, konnte sich als verheerend erweisen. Säule wandte sich der Tür zu. Es war an der Zeit, sich unter sie zu mischen und jetzt ihre Freundschaft, ihre Freude - und Liebe - zu teilen, solange ihnen noch ein bisschen Zeit dafür blieb.
26. Kapitel
Von allen möglichen Augenblicken kam der Moment der Erkenntnis für Barriss ausgerechnet, als sie sich frisch machte, um den anderen drüben in der Cantina am Sabacc-Tisch Gesellschaft zu leisten. Sie griff nach einem Handtuch, um sich das Gesicht und die Hände abzutrocknen - sie zog es vor, sich mit Wasser zu waschen, anstatt auf Ultraschall zurückzugreifen, auch wenn die Einheit in ihrem Quartier tatsächlich funktionierte. Als sie ihre feuchten Gesichtszüge im Spiegel über dem kleinen Waschbecken erblickte, kam ihr mit einem Mal ein Gedanke.
Die Antwort liegt in der Macht.
Eigentlich hätte das keine Überraschung sein sollen. Das war etwas, das man ihr mindestens tausend Mal gesagt hatte, eine Litanei, mit der jeder Jedi-Schüler aufwuchs: Wenn du Zweifel hegst, vertraue auf die Macht! Du wirst sie vielleicht nicht immer richtig deuten, doch die Macht lügt niemals.
Das wusste sie. Das hatte sie früh gelernt, und je älter sie wurde, desto bedeutsamer war es für sie geworden, ohne dass sie auf einer sehr grundlegenden Ebene je daran gezweifelt hatte. Die Macht ließ einen nicht im Stich - sie war ewigwährend, grenzenlos und allgegenwärtig. Wenn man sich darüber im Klaren war, was man fragen, wo man suchen, wie man darankommen sollte, war die Antwort, die man brauchte, immer da.
Wie viele Male hatte Meisterin Unduli die Worte zu ihr gesagt, sanft und mit der Gelassenheit vollkommener Überzeugung?
Vertraue auf die Macht, Barriss!
Denk nicht nach, mach dir keine Sorgen, halte dich nicht mit den kleinen Einzelheiten auf, mit den nagenden Bedenken, die dich quälen! Nutze einfach die Macht, vertrau darauf, gib dich ihr hin, denn dort leben die Jedi - nicht in der Vergangenheit oder der Zukunft, sondern in diesem ewigen Augenblick freudiger Erkenntnis, in diesem immerwährenden Jetzt! Lass dich nicht von der Angst zu versagen daran hindern, die Gelegenheit beim Schopf zu packen!
Barriss trocknete sich das Gesicht ab, hängte das Handtuch auf und sah in den Spiegel. Ihr Gesicht - ruhiger und gefasster, als es ihr lange Zeit vorgekommen war - erwiderte ihren Blick. Ja, natürlich. Es war wirklich ganz einfach: Ein perfektes Beispiel für diese hintergründigen Rätsel, die Meister Yoda gern zum Besten gab, um deinem Verstand dabei zu helfen, von linearen Gedankengängen und Vorstellungen abzulassen. Die Frage lautete: Wie sollte sie feststellen, ob sie das Bota erneut einsetzen sollte, um ihre Verbindung zur Macht zu verstärken, oder nicht?
Befrage die Macht!
Und was hatte ihr in ihrem Leben bislang die stärkste, mächtigste Verbindung zur Macht beschert, die sie jemals hatte?
Das Bota.
Vor ihrem geistigen Auge konnte sie Meister Yoda sehen, der lächelte und sanftmütig nickte. Das Bota war ein Schlüssel, ein Schlüssel, der eine Tür zu neuen Wegen der Wahrnehmung öffnete. Hinter dieser Tür lag ein Pfad, dem sie folgen konnte, zu einem Ort, an dem sie die Antworten finden konnte, die sie brauchte.
Es gab keinen Grund zu warten. Barriss öffnete das Schließfach neben ihrem Bett und holte einen der verbliebenen Injektoren mit Bota-Extrakt daraus hervor. Sie nahm einen tiefen Atemzug, drückte die Spritze gegen ihren Unterarm und zog den Abzug.
Als hätte ihre erste Erfahrung mit dem Bota sie irgendwie darauf eingestimmt, gewissermaßen ihre Rezeptoren geöffnet, kam der Rausch diesmal beinahe augenblicklich. Dieses unglaubliche Gefühl der Vertrautheit, verbunden mit Ehrfurcht und Erstaunen angesichts der Neuheit dieser Empfindung, das erstaunliche, einem den Atem raubende Gefühl, die Bandbreite und Tiefe davon, die sich bis in die Unendlichkeit ausdehnte...
Sie glaubte, darauf vorbereitet zu sein, doch das war sie nicht. Die Empfindung war einfach zu ... gewaltig. Sie konnte nicht begreifen, wie irgendjemand das annehmen, alles in sich aufnehmen, es verarbeiten konnte. Das entzog sich ihrem beschränkten Verstand. Es war, als würde man versuchen, die gleißende, facettenreiche Pracht eines Feuersteins in ein flaches 2D-Abbild zu quetschen. Ihre Sinne, die bloß an drei Dimensionen gewöhnt waren, hatten nicht dir geringste Chance, alldem einen Sinn abzugewinnen. Doch ihr wurde klar, dass sie alldem auch gar keinen Sinn abzuringen brauchte. Sie musste es lediglich akzeptieren, eins damit sein. Das Gefühl war herrlich, erhebend und furchterregend, alles zur gleichen Zeit...
Ihre Furcht davor, dass das alles eine Illusion war, verging. Es mochte einige geben, die behaupten würden, dass dies keine wahre Verbindung zur Macht war, weil etwas außerhalb ihres eigenen Wesens dafür verantwortlich war, weil sie diesen Zustand nicht durch inneren Frieden und Meditation erlangt hatte. Womöglich hätte sie dem früher einmal sogar zugestimmt - aber nicht jetzt. Dieses kosmische Einssein konnte nichts anderes sein als wirklich - sie konnte es im Kern ihres Wesens fühlen.
Es spielte keine Rolle, wie sie hergelangt war. Was zählte, war, hier zu sein.
Es war, als wäre sie hungrig und als hätte man ihr, als ihr das bewusst wurde, einen unermesslich langen Tisch bereitet, auf dem sich jede nur vorstellbare Art von Nahrung befand. Es war schwierig, ein Gericht dem anderen vorzuziehen, und doch wusste sie auf einer anderen Ebene, dass sie das tun konnte.
Mit einem Mal wirbelte der »Tisch« herum und veränderte sich, um zu bunt gemischten Farben zu verschmelzen, wie die sich vermischenden Stränge von Sporenkolonien an Drongars Nachthimmel. Sie wurden zu einem riesigen, galaxisweiten Gobelin, zu gewobenem Stoff, der so komplex war, dass ihr Tränen in die Augen stiegen. Ein vollkommenes Kunstwerk, schön über jede Beschreibung hinaus, mit dem Verstand kaum zu erfassen ...
Aber Moment! Ja, hier gab es Vollkommenheit, doch da war auch noch etwas anderes. Sie konnte Risse in den Mustern wahrnehmen, winzige, beinahe bedeutungslose Mängel, die überall in seiner unermesslichen Ausdehnung verstreut waren. Barriss wusste instinktiv, dass diese winzigen Fehler irgendwie notwendig waren, dass es sich dabei um Nadelstiche im Gewebe der Existenz handelte - vielleicht um mangelhafte, aber nichtsdestotrotz welche von grundlegender Bedeutung. Ohne sie würde der Stoff nicht zusammenhalten.
Sie streckte ihren Geist nach einem dieser kleinen, verdrehten Fäden aus, sah, wie er sich ausdehnte und veränderte, sodass er irgendwie ... lesbar wurde ...
Die Eindrücke, die ihr offenbar wurden, waren keine Worte oder Bilder; weder Gerüche, Geschmäcker, Laute oder Berührungen. Stattdessen waren sie eine Art wundersame Mischung all dieser Dinge, und hinzu kamen Sinne, die kein Wesen aus Fleisch und Blut je besessen hatte ...
In diesem Augenblick erkannte Barriss, die selbst ein Teil des großen Musters war, die Schwachstelle des Gobelins:
Das Lager war in Gefahr. Unter ihnen befand sich ein Spion, derselbe, der für die Explosionen des Shuttles und auf dem MediStern verantwortlich gewesen war. Nicht tot, wie sie geglaubt hatten, sondern immer noch am Leben. Dieser Spion hatte Ereignisse in Gang gesetzt, die, sofern nichts dagegen unternommen wurde, die Vernichtung aller nach sich ziehen würde, dir dort waren.
Einen flüchtigen Moment lang, kürzer als ein Blinzeln, hatte sie noch mehr - sie hatte das Wie und das Warum und das Wo und das Wann, das dazugehörte -, doch dann war dieses Wissen fort, davongewirbelt von einem Ausbruch von Energie, den sie nicht kontrollieren konnte. Sie konnte sich nicht an die Einzelheiten erinnern.
Sie mühte sich, sie sich wieder ins Gedächtnis zurück zurufen, sich darüber im Klaren, wie ausgesprochen wichtig das war. Doch nun stand ihr irgendwie irgendwas im Weg...
Mit einem Mal verlor Barriss den Halt, als wäre sie von einem reißenden, angeschwollenen Fluss davongespült worden. Sie wurde hilflos wie ein Zweig hin- und hergeworfen - darin, aber nicht dazugehörig.
Das war die Schwachstelle, wurde ihr klar. Sie hatte sie gesehen, ihren Geist danach ausgestreckt, doch sie besaß weder die Macht noch das Geschick oder was immer sonst nötig sein mochte, um sie angemessen zu kontrollieren. Und jetzt hatte sie durch ihren Versuch irgendwie den Strom der Macht zerrissen. Sie hatte ihren Halt verloren, ihren Stand auf dem festen Boden, den ihr Gleichmut ihr geboten hatte. Nun hatte die tosende Strömung sie im Griff, riss sie hinfort ...
Nein! Sie hatte Macht, große Macht. Sie konnte sie einsetzen!
Sie versuchte, sich selbst zu verankern, doch da war nichts, das sie packen konnte, nichts Festes, das sie ausmachen konnte. Sie war in einer Flutwelle gefangen, in einem Sturm, in einer Lawine, die sie herumwirbelte und ihr die Orientierung raubte. Tief in ihrem Innern wusste sie, dass sie verzweifelt nach Metaphern für das suchte, was sich nicht beschreiben ließ, nach einer Art mentaler Analogie, die es ihr ermöglichen würde, sich selbst von diesem Chaos abzuspalten. Sie kämpfte um Gelassenheit, bemühte sich, sich zu sammeln, doch es gelang ihr nicht. Wie eine Flutwelle schien das Durcheinander in ihren Mund zu spritzen, drohte, sie zu ertränken. Einem Sturm gleich, schleuderte es sie in alle Richtungen, raubte ihr den letzten Atemzug, drohte, sie wie eine Lawine zu zerquetschen. Es war wie all diese Dinge und keins davon.
Es war die Macht.
Dann glaubte sie, jemanden sprechen zu hören, eine leise und vertraute Stimme, die sie nicht recht zuzuordnen vermochte.
Lass los, sagte sie. Kämpf nicht dagegen an... Nimm einen Atemzug und versink darin...
Nein! Ich kann dies hier kontrollieren, es benutzen, es einsetzen!
Oder ...du könntest sterben.
Barriss fühlte die Fürsorge und Besorgnis in dieser Stimme, und auf einer Ebene unterhalb ihres bewussten Denkens wusste sie, dass sie recht hatte. Noch während sie einen Atemzug einsog und sich in der mächtigen Strömung entspannte, erkannte sie die Sprecherin.
Meisterin Unduli...
Barriss fand sich auf ihrem Bett sitzend wieder, blinzelnd, als wäre sie gerade aus einem tiefen Schlaf erwacht. Sie brauchte keinen Blick auf das Chrono im Raum zu werfen, um zu wissen, dass einige Zeit verstrichen war. Sie hatte sich die Bota-Injektion mittags verabreicht. Jetzt saß sie im Dunkeln.
Sie stand auf, ging zum Fenster, säuberte es und schaute hinaus. Der schwache Schein der Energiekuppel reichte nicht aus, um die Sterne am klaren Nachthimmel weiter droben zu verbergen. Die Sternbilder hatten ihren nächtlichen Tanz zur Hälfte hinter sich gebracht. Es war gegen Mitternacht. Sie war mindestens zwölf Stunden lang ...fort gewesen.
An einem Ort, an dem sie noch niemals zuvor gewesen war, an den es nur wenige je verschlagen hatte, vermutete sie, wenn überhaupt.
Sie wandte sich vom Fenster ab. Sie fühlte sich ausgeruht. als hätte sie tief und fest geschlafen. Sie war weder hungrig noch durstig, noch verspürte sie das Verlangen nach einer Dusche. Sie lächelte. Die Erinnerung an das Erlebte war immer noch lebendig, rotierte in einer Pracht aus Licht, Geräuschen, Gerüchen, Geschmäckern und Berührungen in ihrem Verstand...
So konnte ihre Beziehung zur Macht sein. So sollte sie eigentlich sein, die ganze Zeit über ...
Sie runzelte die Stirn, als sie ein leichtes Zerren an ihrer Erinnerung verspürte. Die Schwachstelle. Die nahende Katastrophe, die dem Lager drohte. Im Kontext der kosmischen Absolutheit, die sie gerade erlebt hatte, war das nichts, vollkommen bedeutungslos verglichen mit dem großen Ganzen. Aber trotzdem war es da, zusammen mit den unzähligen anderen Mängeln. Und sie wusste, dass diese Mängel unterm Strich zwar in irgendeiner Form notwendig sein mochten und man sie nicht alle beseitigen konnte, einzelne davon jedoch in einigen Fällen repariert werden konnten - oder sollten.
Das Lager schwebte in tödlicher Gefahr. Das war ihr nicht ohne Grund offenbart wurden - das wusste sie mit Gewissheit. Ebenso, wie sie wusste, dass sie etwas dagegen unternehmen musste.
27. Kapitel
In der Cantina war es voller, als Den es je zuvor gesehen hatte. Nach einem Moment begriff er warum: Die Mitglieder der HNE-Theatertruppe waren im Begriff abzudüsen, wie das im Raumfahrerjargon hieß - morgen würden sie Drongar verlassen, um den Rest ihrer Tournee zu Ende zu bringen, und sie feierten die ganze Nacht durch.
Als Den und I-Fünf eintraten, wich der Reporter beinahe schwankend zurück, als hätte ihn ein körperlicher Hieb getroffen. Der süßliche Duft von Spicestäbchen, der penetrante Geruch verschiedener alkoholischer Getränke und - vor allem anderen - die kombinierten Odeurs von einem Dutzend unterschiedlicher Spezies, alles vermischt mit der schweren, feuchten Luft, schuf ein Miasma, das so dick und kräftig war wie Gungan-Fischsuppe. Er warf I-Fünf einen Blick zu. »Bist du sicher, dass du die Sache durchziehen willst?«
»Mir kommt dies wie das perfekte Umfeld dafür vor.«
»Ich habe eher den Eindruck, als wäre dies hier ein Umfeld, wie man es gute zwanzig Klicks unter den Wolken von Bespin vorfindet.«
Den schaute sich misstrauisch in dem Lokal um. Viele der Darsteller tanzten - oder versuchten es aufgeheizt von den Modal Nodes, die eine Vielzahl populärer Lieder zum Besten gaben, deren hohe Töne laut genug waren, um die Ohren an Bord des MediSterns zu schädigen. Den war im Verlauf seiner Karriere in jeder Menge lauter, dichtbevölkerter und wilder Bars gewesen, und er hatte das sichere Gefühl, dass es angemessen war, diese hier geradewegs unter den Schlimmsten einzuordnen.
I-Fünf wirkte unberührt. »Tradition, schon vergessen?«, sagte er zu Den. Dann quetschte er sich zwischen zwei tanzenden Ortolanern hindurch und verschwand.
Den seufzte. Ich sollte ihn lieber im Auge behalten, bevor irgendjemand oder irgendetwas beschließt, ihn als Zahnstocher zu benutzen.
Wie er das bewerkstelligen wollte, war freilich eine gute Frage: Sullustaner gehörten zu den empfindungsfähigen Wesen in der zivilisierten Galaxis, die Höhe vor gewisse körperliche Herausforderungen stellte. Nichtsdestotrotz drängle er sich weiter, bahnte sich im Slalom seinen Weg durch die Menge und wich Beinen, Schwänzen, Tentakeln und verschiedenen anderen stützenden Gliedmaßen aus. Er fand keine Spur von I-Fünf. Besorgt um die eigene Sicherheit - zumindest, was die Gefahr zerquetschter Zehen betraf -, kletterte Den schließlich neben einem Klontruppler, der das Bewusstsein verloren hatte, auf einen Tisch.
Diese Aktion brachte ihn etwa auf Augenhöhe mit jenen, die durchschnittlich groß waren. Auch mehrere größere Spezies waren in die Gruppe gemischt, am auffälligsten ein Wookiee-Mitglied der Truppe, das ihm schon bei der ersten und einzigen Show aufgefallen war. Der Kopf und die Schultern des Wookiees überragten so ziemlich alle anderen. Er schien großen Gefallen an seinem Bier zu finden und war absolut gewillt, es mit anderen zu teilen, größtenteils, indem er es von oben über sie schüttete.
Ein betrunkener Wookiee! Das würde die Dinge an einem gewissen Punkt des Abends zweifellos interessanter machen.
Den ließ den Blick schweifen und bemerkte Klo Merit in der Nähe einer Wand, einen Drink in einer pelzigen Hund und einen beschaulichen Ausdruck auf dem Gesicht. Equani waren nicht besonders groß, vielleicht ein halbes Dutzend Zentimeter größer als die meisten Leute, aber sie waren kräftig. Klo wog vermutlich mehr als der Wookiee, und du konnte man gut und gerne noch ein oder zwei Ugnaughts mit auf die Waagschale werfen. Den setzte an, eine Begrüßung zu brüllen, entschied sich dann aber dagegen. Seiner Miene nach zu urteilen, wirkte der Mentalheiler, als könne er gut eine Dosis seiner eigenen Medizin vertragen.
»Den?«
Überrascht drehte er sich um und sah Tolk le Trene an dem Tisch, neben dem er stand. Sie wirkte ebenfalls viel zu ernst für eine solche Feier.
»Haben Sie Jos gesehen?«
Den schüttelte den Kopf. »Bin selbst erst vor einer Minute gekommen.«
»Ich muss ihn finden«, sagte sie, mehr zu sich selbst als zu ihm. Der Rest ihrer Worte ging im allgemeinen Stimmgewirr unter.
»Wie bitte?«, rief er. Doch sie wandte sich bloß um und verschwand ohne ein weiteres Wort in der Menge.
Irgendetwas hatte in ihrem Blick gelegen - Den war sich nicht sicher, worum genau es sich gehandelt hatte, doch ihm kam das alte sakiyanische Sprichwort über den Flensor in den Sinn, der über die eigene Knochengrube flog. Seine Wangenlappen bekamen davon Gänsehaut. Brrr!
Schließlich entdeckte er I-Fünf.
Der Droide stand ganz in der Nähe von Epoh Trebor und sprach mit dem menschlichen Entertainer. Er gestikulierte mit wesentlich mehr Nachdruck, als es für ihn üblich war. Den konnte nicht verstehen, was I-Fünf sagte - angesichts von so viel Umgebungsgeräuschen stieß selbst das Gehör eines Sullustaners an seine Grenzen -, doch was immer es war, Trebor lachte darüber.
Scheint ziemlich offensichtlich zu sein, dass der Elementar aus der Magnetflasche ist, dachte er. Anscheinend hatte I-Fünf bereits das in sein System implementiert, was der Reporter mittlerweile bereits als den »Trunkenheitsalgorithmus« betrachtete.
I-Fünf war, ohne sich damit zu weit aus dem Fenster zu lehnen, betrunken.
Außerdem war ziemlich offensichtlich, dass der Droide heim Schreiben seines Programms nicht gekniffen hatte. Den konnte erkennen, dass die Fotorezeptoren seines Freundes heller leuchteten. Das, kombiniert mit der exzessiven Körpersprache und dem Gelächter, das I-Fünf dem altgedienten Entertainer entlockte, machte deutlich, dass der Droide alles andere als ein verdrießlicher Betrunkener war.
Den grinste. Mission erfolgreich abgeschlossen. Er hatte seinem Freund einen Gefallen tun wollen, indem er ihm dabei half, einen Weg zu finden, um die Fesseln der Schicklichkeit abzustreifen und sich locker zu machen. Gut, das hatte I-Fünf sich verdient. Wenn sich schon organische, empfindungsfähige Wesen an diesen Fesseln wundrieben, um wie viel mehr musste dann die künstliche Intelligenz darunter leiden?
Und die wirklich gute Neuigkeit war, dass I-Fünf nicht einmal mit einem Kater aufwachen würde.
Den gelangte zu dem Schluss, dass es höchste Zeit wurde, sich der Party anzuschließen.
Er sprang vom Tisch und bahnte sich seinen Weg zur Theke. »Entschuldigung! Achtung, hier kommt was! Kleines Wesen unterwegs! Verzeiht, Leute! Hey, pass auf deine Ohren auf, Kumpel...«
Jos saß auf der Pritsche, starrte die Wand an und fühlte sich so elend wie noch nie zuvor in seinem Leben. Er verbrachte seine Tage damit, in Blut zu waten, bis zu den Achselhöhlen in den zerfleischten Körpern von Klonsoldaten steckend, die wenig mehr als Partikelkanonenfutter waren. Sein einziger wahrer Freund, ein brillanter Musiker und Chirurg, war im Krieg umgekommen. Der einzig andere helle Fleck in diesem Meer der Trostlosigkeit, die Frau, die er liebte, hatte sich von ihm zurückgezogen - und sie wollte ihm nicht einmal den Grund dafür nennen.
Jos starrte vor sich hin, ohne etwas wahrzunehmen. Er war Chirurg, er hatte schon Leute sterben sehen, bevor die Republik ihn einberufen hatte - damit war er fertiggeworden. Er hatte es einfach hingenommen.
Doch wenn er geglaubt hatte, das würde helfen, hatte er sich getäuscht. An Tagen, an denen der Tod ihm von dem Moment an Gesellschaft leistete, in dem er mit der Arbeit begann, bis zu dem Augenblick, an dem er aufhörte, wenn er bis zu dem Punkt trübäugiger Stumpfsinnigkeit arbeitete, immer und immer und immer wieder, forderte das nach wie vor seinen Tribut.
Tolk war das perfekte Gegenmittel gewesen. Tolk hatte neben ihm gestanden, und ganz gleich, wie sehr seine Familie und seine Freunde zu Hause ihn wegen ihrer Beziehung ächten mochten, sie war es wert gewesen.
Aber jetzt...
Jetzt waren seine Tage dunkel und die Nächte noch dunkler. Er konnte auch nicht sehen, dass sich daran etwas ändern würde. Dieser Krieg konnte noch jahrelang weitergehen - das hatte es schon früher gegeben. Er konnte hier alt damit werden, an ruinierten Leibern herumzuschneiden und zukleben, bis er eines heißen Morgens vornüberfiel und selbst starb.
Was hatte das für einen Sinn?
Als Arzt wusste Jos über Depressionen Bescheid. Nach chirurgischen Eingriffen und lebensverändernden Ereignissen waren Patienten häufig niedergeschlagen, und obwohl er die ernsthaft Betroffenen zu Mentalheilern schicken würde, hatte man ihm beigebracht, die Symptome zu behandeln, falls keine angemessene Unterstützung verfügbar war. Doch Depressionen zu verstehen, machte ihn nicht immun dagegen. Es gab Wissen, und es gab Fühlen.
Die Vorstellung, das alles hinter sich zu lassen, war verlockend, oh ja. Wenn es darauf ankam, wäre er dazu imstande. Er wusste genau, wo ein kleiner Schnitt mit einem Vibroskalpell am meisten bluten würde. Ein bisschen gerinnungshemmendes Mittel nehmen, eine wichtige Ader öffnen und dann langsam einschlafen - um nie wieder aufzuwachen. Auf diese Weise würde der Tod schmerzlos sein, ebenso wie mit jedem von einem Dutzend Arzneimitteln, die er vom Regal nehmen konnte und die unterm Strich dieselbe Wirkung hatten. Ein letzter Salut und dann der Große Sprung...
Unter seinem Volk kam Selbstmord selten vor - bloß wenige Corellianer schlugen diesen Weg ein, und soweit er wusste, hatte sich noch nie jemand aus Jos' Familie dazu durchgerungen.
Im Augenblick hatte er nicht das Gefühl, als wäre das das Schlimmste, das ihm widerfahren konnte. Er konnte es problemlos wie einen Unfall aussehen lassen, um seiner Familie die Schande und zumindest ein wenig Kummer zu ersparen.
Jos schüttelte wieder den Kopf. Wie war es nur so weit gekommen? Er hätte nie gedacht, dass es einmal so um ihn stehen würde, dass er hier saß und detailliert darüber nach dachte, wie er seinem eigenen Leben ein Ende setzen konnte.
Er erinnerte sich, was man ihm beigebracht hatte, was er Patienten sagen sollte, die so tief gefallen waren: Warte ab! Tu nichts, was sich nicht wieder rückgängig machen lässt! Das Leben ist lang, Dinge ändern sich. In einem Monat, in einem Jahr, in fünf Jahren von jetzt an könnte deine Situation umgekehrt sein ... Sieh dir nur an, wie viele Leute aus dem Nichts kommen, reich werden, alles verlieren und dann wieder von Neuem ein Vermögen anhäufen! Sieh dir die an, die an einer lähmenden oder sogar tödlichen Krankheit leiden, die lange genug am Leben bleiben, bis es ein Heilmittel gibt! Selbst jene, die einen Ehepartner, ein Kind oder ein Elternteil verloren, können später wieder glücklich werden. Unterm Strich bedeutete das alles: Wenn du lebst, hast du eine Chance. Den Toten hingegen boten sich keine Möglichkeiten mehr.
Jos seufzte, ein tiefer, abgehackter Atemzug. Ja, das waren die Dinge, die er seinen Patienten sagte, und sie trafen alle zu.
Eine alte Erinnerung aus seinen Tagen am Coruscant Medizentrum kam ihm in den Sinn. Der Ausbilder, ein nörgelnder, grauhaariger Mensch namens Leig Duwan, der über hundert Standardjahre alt gewesen sein musste, hatte über seine Zeit auf Alderaan gesprochen. Der alte Mann lächelte viel und grinste, als er die Geschichte erzählte.
In Duwans Leben hatte es eine schlimme Zeit gegeben - sein Vater war gestorben, seine Mutter wurde ins Krankenhaus eingewiesen, und seine Schwester war auf einer Grenzexpedition verschwunden. Duwan hatte ein Examen vermasselt, und es sah so aus, als würde er von der Ärzteschule geworfen werden. Er hatte, so hatte er es der Klasse erklärt, ernsthaft an Selbstmord gedacht. Stattdessen hatte er sich irgendwie durchgewurschtelt, und schließlich waren die Dinge besser geworden.
Eines Tages hatte er auf der Straße einen Mann getroffen. Der Mann hielt ihn an und sagte: »Ich möchte Ihnen dafür danken, Doktor Duwan, dass Sie mir das Leben gerettet haben.«
Natürlich hatte Duwan das schon viele Male gehört, und er hatte das Lob mit geübter Ungezwungenheit abgetan: »Das ist meine Aufgabe, Bürger. Dank dafür ist unnötig...«
»Nein«, unterbrach der Mann ihn. »Ich war nicht Ihr Patient. Ich machte eine Phase tiefster Depressionen durch und war selbstmordgefährdet. Ich hatte beschlossen, dem ein Ende zu setzen - ich hatte bereits die Mittel dazu beschafft und war unterwegs zu einem abgeschiedenen Ort, wo ich es tun wollte. Aber ich gab mir selbst ein letztes Versprechen: Wenn mich auf meiner Reise irgendeine Person, an der ich vorbeikomme, anlächelt - bloß eine -, würde ich die Sache nicht durchziehen.
Ich war auf der Straße, draußen vor dem Krankenhaus, und Sie waren auf dem Weg hinein. Sie haben mich angelächelt und mir zugenickt, und hier bin ich.«
Worum es bei seiner Geschichte ginge, sagte Duwan, sei nicht, ob seine medizinische Fachkenntnis jemanden gerettet hatte oder nicht. Es ging darum, dass er, da er seine eigene Dunkelheit durchlebt und lange genug weitergemacht hatte, dass er imstande gewesen war, einem Fremden ein Lächeln zu schenken, diesem Mann dadurch das Leben gerettet hatte. Es gab noch Tausende andere, die er im Laufe der Jahre mit etwas Talent und viel Glück ebenfalls am Leben gehalten hatte. Für andere von Nutzen zu sein, war keine schlechte Sache, selbst wenn man nichts anderes als das hatte.
Jos sah auf das Chrono. Er musste Visiten machen, Nachsorgepatienten anschauen. Wenn er sich umbrachte, würde jemand anderes seine Runden übernehmen müssen. Das wäre eine Zumutung.
Das wäre... unhöflich.
Er würde es schaffen, noch eine Stunde länger durchzuhalten. Das ist alles, was du tun musst, sagte er sich. Bloß eine Stunde, die nächste Stunde. Mach deine Visiten, schreib deine Berichte!
Eine weitere Stunde konnte er durchstehen. Und danach...
Nun, wenn es so weit war, hatte er Zeit genug, um sich darüber Gedanken zu machen. Fürs Erste war diese Stunde alles, was zählte.
28. Kapitel
Jos beendete seine Visiten. Er wusste von der Abschiedsparty für die HNE-Truppe, und normalerweise wäre er nicht abgeneigt gewesen, sich ihnen anzuschließen. Aber jetzt...
Was, wenn Tolk da war?
Sie im OP zu sehen, war schon schlimm genug. Er war sich nicht sicher, ob er damit zurechtkommen würde, sie in einem gesellschaftlichen Rahmen zu sehen. Was, wenn sie mit jemand anderem da war?
Er schüttelte den Kopf. Zumindest würde er in der Cantina nicht allein trinken. Früher oder später würde er ihr wieder über den Weg laufen. So groß war die Basis ja nicht.
Zum Teufel damit! Jos marschierte aus dem OP und fühlte sich ganz wie ein Mann, der zu seiner eigenen Hinrichtung ging.
In der Cantina herrschte rege Betriebsamkeit. Außerdem war es heiß, laut und muffig. Womöglich würde Jos in diesem Getümmel doch nicht auf Tolk treffen.
Diese Hoffnung währte allerdings nicht lange. Tatsächlich war es Tolk, die ihn fand, bevor er sich seinen ersten Drink genehmigen konnte. Er drehte sich um, und da war sie, genau da, ihr Blick auf sein Gesicht gerichtet, um es nach ... was abzusuchen?
Er wusste nicht, was er sagen sollte. Er wusste, dass er etwas sagen sollte, aber selbst in ihrer OP-Kleidung, mit hochgestecktem Haar und der Erschöpfung, die ihrem Gesicht nur allzu deutlich anzusehen war, war sie so schön, dass es ihm den Atem raubte.
»Tolk...«, brachte er heraus. »Ich ...«
»Ich habe viel nachgedacht, Jos. Hierbei geht es um mehr als bloß darum, was wir füreinander empfinden. In diesem Krieg geht es um mehr als das hier, um mehr als das, was wir tun - oder was wir einander bedeuten. Ich brauche etwas Zeit für mich selbst, um das zu verarbeiten.« Sie nahm einen Atemzug. »Ich habe um die Versetzung zu Flehr Drei gebeten.«
Sein Mund war trocken. Flehr Drei war über tausend Klicks weiter nördlich, auf der anderen Seite der Schwammsee. »Was sagst du da? Können wir nicht wenigstens darüber reden?«
»Nein, nicht jetzt.«
Jos stieß einen großen Atemzug aus. Er wollte das nicht sagen, aber es musste gesagt werden: »Heißt das, dass es mit uns aus ist?«
Sie zögerte. »Es heißt, dass wir für eine Weile voneinander getrennt sind.«
Er erkannte, dass es keine Möglichkeit gab, sie davon ab zubringen. Doch wenn sie sich versetzen ließ, würde er sie nie wiedersehen. Dessen war er sich gewiss.
»Ich muss gehen«, sagte sie und verschwand.
Jos bahnte sich seinen Weg zur Theke. Er fühlte sich wie betäubt. Was war gerade passiert? Was war schiefgegangen? Was hatte er gesagt oder getan?
Er konnte es immer noch nicht glauben. Schluss. Aus. Weg. Einfach so.
Sein Verstand suchte panisch nach einem Halt, nach irgendetwas, woran er sich festklammern konnte. Als Chefchirurg konnte er ihre Versetzung ablehnen, konnte sagen, dass sie hier zu wichtig sei - aber was würde das bringen? Wie konnten sie jetzt noch zusammenarbeiten? Zusammen Sabacc spielen? Wie konnten sie ...
In seinem Kopf wirbelten Fragen umher wie Staubkörner, wie ein ganzer Schwarm Feuerschnaken.
Er brauchte einen Drink.
Er erreichte die Theke, doch bevor er irgendetwas bestellen konnte, hörte er ein dumpfes Knurren. Er drehte sich um und schaute nach.
Also, das ist mal etwas, das man nicht jeden Tag zu sehen bekommt, dachte er. Ein Droide und ein Wookiee, die Holospiele zocken.
Das Spiel hieß Dejarik. Obwohl Jos es nicht spielte, war er damit vertraut. I-Fünf und der Wookiee saßen an einem kleinen Ecktisch inmitten des ganzen Tumults. Der Wookiee war mit pechschwarzem, zotteligem Fell bedeckt, abgesehen von einem sternförmigen weißen Fleck auf dem linken oberen Bereich der Brust. In diesem Augenblick wirkte er richtig verärgert, selbst für einen Wookiee - und das sollte etwas heißen.
»Hier wird's nie langweilig, was?«
Jos schaute runter und sah Den Dhur neben sich stehen. Den deutete auf den Dejarik-Tisch und seufzte. »Sie erinnern sich doch sicher, dass ich schon ein- oder zweimal erwähnt habe, versuchen zu wollen, I-Fünf dabei zu helfen, betrunken zu werden?«
»Ja, und?«
»Nun...«
In gewisser Weise amüsierte Kaird sich, auch wenn er zwangsläufig den Kubaz-Anzug trug. Es machte ihm nichts aus, Leute zu sehen, die Spaß hatten, und der Umstand, dass er etwas musste - und tun würde -, das ihre gute Laune ruinieren würde, tat seinem Vergnügen keinen Abbruch. Wenn die Neuigkeit über die Veränderung des Bota allgemein bekannt wurde, würde es mit ziemlicher Sicherheit Chaos geben. Das Ungemach des Krieges.
Zu schade. Obgleich er niemandem hier emotional verbunden war - Sentimentalität war ein Luxus, den er sich schwerlich leisten konnte -, hegte er Bewunderung für viele der Ärzte, Soldaten und Techniker, die diesen Ort bevölkerten. Zum größten Teil waren das ehrbare Leute. Die meisten schienen zu glauben, dass Ehre ein Kodex war, der die eigenen Möglichkeiten massiv einschränkte und, noch schlimmer, eine zuverlässige Methode darstellte, um mit Hypergeschwindigkeit zum Großen Ei zurückzukehren. Kaird war ein pragmatisches Wesen - er konnte es sich nicht leisten, Ehrgefühl zu besitzen. Doch dessen ungeachtet bewunderte er Ehre bei anderen ungemein. Wenn Ehre auch sonst zu nichts weiter taugte, machte sie es zumindest wesentlich einfacher, ihre Taten vorherzusehen.
In gewisser Weise war es schwieriger, mit Jammerlappen fertigzuwerden, in anderer Hinsicht war es leichter. Thula und Squa Tront waren dafür ein gutes Beispiel. Kaird wäre ziemlich überrascht - tatsächlich sogar beinahe enttäuscht - gewesen, wenn diese beiden keine Möglichkeiten ausgeknobelt hätten, um ihn und die Schwarze Sonne bei der bevorstehenden Transaktion übers Ohr zu hauen. Nicht, dass es ihn wirklich kümmerte, wenn sie einen Weg gefunden hatten, ein bisschen für sich selbst abzuzweigen - das war die Natur dieses Geschäfts und nicht anders zu erwarten. Doch was das anging, machte er sich keine übermäßigen Sorgen. Sie mochten vielleicht Gauner sein, aber sie schienen außerdem gescheit genug zu sein, um zu erkennen, dass es Wahnsinn gewesen wäre, den Versuch zu unternehmen, die Schwarze Sonne in großem Stil zu betrügen.
Er tunkte den Rüssel der Maske in seinen Drink - einer der Gründe, warum er die Kubaz-Verkleidung mochte, war, weil er trinken konnte, während er sie trug. Zu schade, dass er nicht einfach Fünfe gerade sein lassen und die Party in vollen Zügen genießen konnte, doch er war auch aus einem pragmatischen Grund hier. Wie sich herausgestellt hatte, hatte der menschliche Pilot Bogan kürzlich eine Doppelschicht geschoben, und als Folge davon würde er keinen Bereitschaftsdienst für das Schiff des Admirals haben, wenn Kaird ihn brauchte. Allerdings ließ sich das ohne Probleme beheben. Es waren noch zwei andere Piloten in der Wechselschicht, und einer von ihnen war just in diesem Moment in dieser Cantina. Dieser Pilot, ebenfalls ein Mensch - Kaird war aufgefallen, dass es davon in der Galaxis eine ganze Menge gab -, verhielt sich auf verantwortungsvolle Weise: Da er Bereitschaft hatte, trank er nichts, rauchte nichts und schnüffelte nichts Berauschendes. Sein Name war Sebairns, und obwohl er Spaß zu haben schien, grinste und lachte, hielt er sich die ganze Zeit über an eine Art Kafgebräu, das aus einer lokalen Pflanze gemacht wurde.
Da Kaird Zugriff auf alle möglichen Arten von Informationen besaß, einschließlich der medizinischen Unterlagen, hatte er erfahren, dass Sebairns eine Allergie besaß, für die es keine Heilung und keine vorbeugenden Maßnahmen gab. Wenn der Mensch eine bestimmte, allgemein verbreitete Hülsenfrucht zu sich nahm, würde er einen ziemlich ernsten anaphylaktischen Schock erleiden, zu dessen Symptomen neben Aszites auch Nesselsucht und Ohnmachtsanfälle gehören konnten. Kaird hatte diese Information mithilfe des HoloNets »übersetzt«. Das Ganze bedeutete, dass der Mensch einen ernsten, juckenden Hautausschlag bekam, der auch starke Nesselsucht mit sich bringen konnte. Er konnte das Bewusstsein verlieren und sich womöglich sogar zu Tode husten, wenn er nicht versorgt wurde, da sich bei einem Anfall seine Luftröhre zusammenzog. Nicht, dass es inmitten einer Flehr voller Ärzte so schlimm werden würde - man würde ihn in aller Eile in die Krankenabteilung schaffen, wo seine gesamten Symptome problemlos behandelt werden konnten. Doch er würde einen oder zwei Tage lang nicht arbeiten können, was für Kairds Zwecke mehr als ausreichend war.
Kaird hatte die Kellner mit Bedacht beobachtet, und jetzt kam sein Moment. Er stand auf und entfernte sich von seinem Einzeltisch, wie um dem Ruf der Natur zu folgen. Der Servierdroide, der ein Tablett für Sebairns Tisch trug, bewegte sich ebenfalls in diese Richtung. Ihre Wege würden sich kreuzen, wie Kaird es geplant hatte.
Als sich Kaird dem Kellner näherte, fragte er: »Verzeihung, wo kann ich mich hier erleichtern?«
Obgleich der Saniraum in einem halben Dutzend Sprachen und mit grafischen Bildern eindeutig gekennzeichnet war, hatte der Droide diese Frage von betrunkenen Gästen zweifellos schon mehr als ein paarmal gehört. Der Droide schwenkte leicht den Kopf und wies mit seiner freien Gliedmaße darauf. »Dort entlang, Sir. Die Tür unter dem Leuchtschild.«
Während der Droide solchermaßen abgelenkt war, streckte Kaird seine Hand aus, wie um sich am Rüssel zu kratzen, und ließ dabei eine kleine Prise Hülsenfruchtpulver in den Drink des Mannes fallen.
Dann ging er auf den Saniraum zu. Er würde gleich wieder zu seinem Tisch zurückkehren, um sicherzustellen, dass seine Zielperson aus dem manipulierten Becher trank und angemessen darauf reagierte. Sobald das erledigt war, hatte er sein Ziel für heute Nacht erreicht.
Es war unwahrscheinlich, dass irgendjemand argwöhnen würde, am Getränk des Mannes sei herumgepfuscht worden - immerhin war es kein Gift, und die anwesenden Mediziner würden die allergische Reaktion als das erkennen, was sie war. Selbst wenn sie den Verdacht hegten, dass es Absicht gewesen war, spielte das keine Rolle. Es war unmöglich, Kaird mit der Tat in Verbindung zu bringen. Selbst wenn der Servierdroide befragt wurde und sich zufällig an einen Kubaz erinnerte, der sich nach dem Weg zum Saniraum erkundigt hatte, existierte der infrage kommende Kubaz nicht mehr. Nach heute Abend hatte Kaird für dieses spezielle Kostüm keine weitere Verwendung mehr, sodass es von einer Wiederverwertungseinheit bis auf seine Molekularebene reduziert werden würde. Was es nicht gab, konnte nicht gefunden werden.
In einer seiner Verkleidungen als fetter Mensch hatte er von einem der Mitglieder der Unterhaltungstruppe eine Kopie der jüngsten Aufzeichnung der Galaktischen Sportschau ergattert. Auf dieser GSS-Aufnahme befand sich die letzte Strag-Sektorkampf-Meisterschaft. Wenn man kein erfahrener Spieler war, war es noch uninteressanter, sich ein Strag-Spiel anzusehen, als Schimmel beim Wachsen zuzuschauen. War man allerdings mit den Regeln vertraut, waren solche Partien faszinierend. Weder die Twi'lek Vorra noch der menschliche Pilot Bogan würden dieses spezielle Match bislang gesehen haben. So weit draußen war es noch nicht im HoloNet ausgestrahlt worden. Der korpulente Mensch, den Kaird Mont Shomu getauft hatte, würde bald dafür sorgen, dass Vorra Gerede über dieses Spiel zu Ohren kam, von dem er zufällig eine Aufzeichnung besaß. Sie würde alles versuchen, damit er ihr die Aufnahme überließ. Allerdings würde der fette Mann es ablehnen, sich davon zu trennen, da er selbst ein Fan des Spiels sei. Natürlich wäre er aber bereit, sich das Match zusammen mit ihr anzusehen, und selbstverständlich könne sie auch einen Freund mitbringen...
Kaird lächelte, als er den Saniraum verließ und zu seinem Tisch inmitten des Lärms und der Hitze der belebten Cantina zurückkehrte. Es war eine wahre Freude mitanzusehen, wie ein sorgsam konstruierter Plan aufging.
»Nur, damit ich das richtig verstehe«, meinte Jos, »I-Fünf ist betrunken?«
»Ich beobachte ihn schon seit Stunden«, erzählte Den, »und glauben Sie mir, er ist besoffen. Wenn das ein angemessener Begriff für einen Droiden ist.«
»Durch ein Programm.«
»Ja.«
»Das er geschrieben hat.«
»Richtig.«
Jos schaute zum Spieltisch hinüber, wo sich die verschiedenen transparenten Holokreaturen, die als Spielfiguren dienten, ruhelos regten und auf ihren Quadraten scharrten. Abgesehen von einer leicht gesteigerten Leuchtkraft seiner Fotorezeptoren und ausladenderen Bewegungen sah I- Fünf von hier aus nicht anders aus als sonst. Jos schüttelte den Kopf. »Hier wird alles einfach immer merkwürdiger.« Er wandte sich wieder der Theke zu und hob seinen Drink.
»Ha!«, rief I-Fünf laut. »Mein Molator schlägt deinen Houjix! Ich gewinne!«
Der Wookiee brüllte vor Wut. Jos schaute gerade rechtzeitig wieder zum Spiel hinüber, um zu sehen, wie der Wookiee aufstand, I-Fünfs rechten Arm packte und ihn dem Droiden aus der Schulter riss. Schaltkreise und Servomotorkupplungen lösten sich in einem Sprühregen aus Funken und Spritzern von Schmierflüssigkeit.
Oh, oh.
»Ein schlechter Verlierer«, meinte Den.
»Sieht so aus«, stimmte Jos zu.
Sie sprangen beide mit einem Satz nach vorn, packten den Droiden und zogen ihn vom Spielbrett weg, während der zornige Wookiee knurrte und in seiner eigenen Sprache brüllte und den mechanischen Arm über den Kopf schwang. Jos erhaschte flüchtige Blicke auf mehrere Unterhaltungsfuzzis inklusive eines korpulenten Trandoshaners, die rasch herbeieilten, um ihren Kollegen zu beruhigen.
Natürlich fühlte I-Fünf keinen Schmerz. Er wirkte vor allem verwirrt.
»Mir scheint ein Arm zu fehlen«, sagte er zu Jos. »Ich bin sicher, dass ich ihn noch hatte, als ich hereinkam.«
Jos stieß I-Fünf in eine leere Sitznische. »Dein Zockerfreund hat ihn sich ausgeborgt.«
»I-Fünf«, sagte Den, »ich denke, vielleicht ist es jetzt an der Zeit, wieder nüchtern zu werden.«
I-Fünf zuckte die Schultern. Jos hätte nicht gedacht, dass das bei einem betrunkenen Droiden mit nur einem Arm möglich war. »Wenn Sie es sagen.« Seine Fotorezeptoren flackerten einen Moment, ehe sie wieder ihren, wie Jos fand, normalen Glanz annahmen.
Der Droide ließ den Blick gelinde überrascht durch den Raum schweifen. »Interessant.«
»Ich wünschte, auszunüchtern wäre für mich auch so einfach«, sagte Jos.
Eine Menschenfrau brachte den Arm zu ihnen herüber und reichte ihn Jos. »Hier!«, meinte sie. »Vielleicht sollten Sie Ihren Droiden lieber darauf programmieren, künftig davon abzusehen, gegen Wookiees zu spielen. Sie sind sehr, ähm, wetteifernd.«
I-Fünf sah den Arm an. »Das habe ich auch festgestellt.«
Jos untersuchte das freiliegende Ende des Arms. »Ich bin kein Kybertechniker«, sagte er, »aber es sieht so aus, als ließe sich das ohne große Probleme wieder anbringen.« Er schaute den Droiden an. »Du kannst von Glück sagen, dass er dir nicht den Kopf abgerissen hat.«
»Richtig«, stimmte I-Fünf zu. »Das wieder in Ordnung zu bringen, wäre um einiges schwieriger geworden.«
»Was hast du dir nur dabei gedacht, einen Wookiee zu einer Dejarik-Partie herauszufordern?«
»Ich habe nicht darüber nachgedacht. Genau darum ging es ja. Ich war betrunken - oder zumindest so nah dran, wie ich es programmieren konnte.«
Jos schüttelte verwundert den Kopf. »Komm«, sagte er, »gehen wir rüber zur Werkstatt und schauen mal, ob noch jemand da ist, der dich reparieren kann! Mechanische Gliedmaßen wieder anzubringen, liegt ein wenig außerhalb meiner Fachkenntnis.«
Die drei verließen die Cantina und gingen durch die heiße Nachtluft. I-Fünf hielt den abgetrennten Arm fest. Den meinte: »Ich würde mich grässlich fühlen, dafür verantwortlich zu sein, dass du betrunken warst und in eine Kneipenschlägerei verwickelt wurdest - wenn sich zeigen würde, dass die Sache es nicht wert war.«
»Ich denke, sie war es wert«, entgegnete I-Fünf. »Ich denke, es hat sich absolut gelohnt.« Er sah Jos an. »Erinnern Sie sich, wie ich erwähnte, dass ich eine Panikattacke zu haben schien?«
Jos nickte.
»Ich glaube, dieses Gefühl wurde aus den widerstreitenden Impulsen heraus geboren, die auf neuen Daten basieren, die ich durch die Wiederherstellung meiner gesamten Speicherdateien erlangt habe - einschließlich mehrerer, die sich mit meinem ehemaligen Freund und Geschäftspartner Lorn Pavan befassen. Ich erinnerte mich daran, dass ich eine Pflicht zu erfüllen habe - eine, zu der gehört, so schnell wie möglich nach Coruscant zurückzukehren. Aber dazu müsste ich meine Verantwortung hier vernachlässigen. Das war ein Problem, das durch die Anwendung von Logik nicht gelöst werden konnte. Ich brauchte eine Eingebung - die Fähigkeit zu spüren, was richtig ist, mithilfe von Mechanismen, die viel älter sind als Logik und Datenprogramme. Ich musste meinen synaptischen Gitterkortex irgendwie in einen anderen Modus bringen - in einen vollkommen nicht linearen Modus. Daher die Idee, meine sensorische Aufnahme und meine Datenwahrnehmung zu verändern.«
»Hat es funktioniert?«, fragte Den.
»Ich glaube schon. Ich habe mich für eine Vorgehensweise entschieden.«
»Verlässt du uns, I-Fünf?«, fragte Jos.
»Nicht sofort.« Der Droide führte die Bemerkung nicht weiter aus.
Jos konnte nicht widerstehen. »Aber«, wandte er ein, »du bist eine Maschine, erinnerst du dich? Darauf programmiert, ein Roboter zu sein, nicht mehr. Was spielt es also für eine Rolle, wie du zu einer Entscheidung kommst?«
I-Fünf sah ihn an. »Das macht Ihnen Spaß, oder?«
»Oh ja.«
»Technisch gesehen ist alles, was ich zuvor gesagt habe, korrekt«, erklärte der Droide. »Doch mir ist bewusst geworden, dass Dinge mehr sein können als die Summe ihrer Teile und ein Unterschied, der keinen Unterschied macht, für alle praktischen Zwecke irrelevant ist. Ich denke, dass ich - mangels eines besseren Ausdrucks - Angst hatte. Ich glaube, dass ich versucht habe, eher mich selbst als Sie davon zu überzeugen, nicht das zu sein, was Sie, Barriss und einige andere hier in mir sehen. Allerdings mangelte es mir an den notwendigen Informationen, um die richtige Schlussfolgerung daraus zu ziehen.«
»Die da wäre...?«
»Dass ich tatsächlich ein empfindungsfähiges Wesen bin«, sagte I-Fünf.
Jos grinste und klopfte dem Droiden auf den Durastahlrücken. »Hat auch lange genug gedauert, dass du das begreifst.«
Sie fanden einen Ishi-Tib-Techniker, der im Halbschlaf unter einer Werkbank lag. Zuerst war er mürrisch, doch die Flasche corellianischen Weins, die Den sich geschnappt hatte, als sie die Cantina verließen, erwies sich als wirkungsvolle Bestechung.
Während der Techniker I-Fünfs Arm wieder anmontierte, mit dem Punktschweißer gebrochene Verbindungen reparierte und Sensorkabel und Hydraulikzirkulationsleitungen flickte, fragte Jos: »Übrigens, das geht mich zwar nichts an, aber ich bin neugierig: Was genau ist das für eine Verpflichtung, an die du dich erinnert hast?«
I-Fünf antwortete nicht sofort, und das Schweigen zog sich lange genug hin, dass sich Jos zu wünschen begann, nicht gefragt zu haben. Dann sagte der Droide: »Es geht um eine Bitte von Lorn. Er hat mich darum gebeten, auf seinen Sohn aufzupassen.«
29. Kapitel
Barriss konnte nicht schlafen. Ihr Erlebnis mit der Macht hallte weiterhin in ihr nach, wesentlich stärker als nach dem ersten Mal, und ließ kraftvolle Blitze des wundersamen kosmischen Bewusstseins auflodern, von dem sie ein Teil gewesen war - zusammen mit dem Gefühl, dass wichtige Dinge erledigt werden mussten. Sie wollte an diesen Ort zurückkehren - um dort zu verweilen, wenn das irgendwie möglich war.
Vielleicht wurde es von Mal zu Mal stärker. Vielleicht würde es letzten Endes so weit kommen, dass sie in diesem magischen See ihrer selbst schwimmen konnte, nach Belieben und ohne das Bota, um sich an jenen Ort zu bringen und sie dort verweilen zu lassen.
Es hatte keine neuen Offenbarungen gegeben. Die Gefahr für das Lager kam näher, war jedoch noch nicht in Reichweite. In gewisser Weise wusste sie, dass sie genügend Zeit hatte, um sich für eine Vorgehensweise zu entscheiden. Andererseits schien es vollkommen über ihre Möglichkeiten hinauszugehen zu bestimmen, wie diese Vorgehensweise aussehen sollte.
Über ihre unverstärkten Möglichkeiten. Doch nichts schien ihr so gewaltig, als dass sie nicht damit fertigwerden würde, während sie durch das Wunder des Bota mit der Macht verbunden war. Sie wusste, bis hinunter zu den tiefsten Tiefen ihrer Knochen, dass das, was sie in diesem Zustand mit der Macht vollbringen konnte, erstaunlich sein würde, sobald sie sich einmal daran gewöhnt hatte. Sobald sie gelernt hatte, die Macht nicht zu kontrollieren, sondern sich ihrem Fluss hinzugeben, eins damit zu sein.
Jetzt verstand sie, wie es möglich war, dass die größten Jedi-Meister sogar Dinge wahrzunehmen vermochten, die Parsecs entfernt stattfanden, wie sie wesentlich schneller an Informationen gelangten, als durch Subraumübertragungen möglich war. Jetzt besaß sie das Wissen - die Gewissheit -, dass das Universum eine einzige gewaltige Einheit war, dass jeder Teil mit allen anderen verbunden war, miteinander verwoben durch die vibrierenden Stränge der Macht, die sich vollkommen jenseits des Begriffsvermögens ihrer Sinne durch die Dimensionen erstreckten - und sie kannte ihren Platz in diesem Gefüge, und dass alle Dinge, große wie kleine, genau da waren, wo sie sein sollten. So, wie sie es immer gewesen waren und es immer sein würden, bis ans Ende aller Zeit.
Sie verspürte die Versuchung, hinauszueilen und bündelweise Bota zu ernten, um es zu Flüssigkeit zu verarbeiten und an ihrem Arm eine kleine Dauerinjektionspumpe anzubringen, um das Wundermittel kontinuierlich in ihren Kreislauf rinnen zu lassen. Sie fragte sich, ob das das Bedürfnis eines Suchenden war - oder das eines Süchtigen.
Sie fragte sich, ob es da überhaupt einen Unterschied gab.
In jedem Fall konnte sie dieses neue Wissen mit zurück zum Jedi-Rat nehmen, damit die Jedi dadurch mächtiger wurden, als sich irgendjemand auch nur vorzustellen vermochte. Sie konnten diesen Krieg beenden und auch verhindern, dass andere ausbrachen. Sie konnten die Sklaverei abschaffen, karge Welten in saftige Paradiese verwandeln, das Böse bis ans Ende der Galaxis jagen und es vernichten! Nichts läge jenseits ihrer Möglichkeiten - so gewaltig war diese Macht!
Das alles ging Barriss durch den Kopf, überwältigend in seiner Intensität. Selbst jetzt konnte sie die Erinnerung daran kaum in Schach halten.
Doch bevor sie sich zu weit in die Leere vorwagte, musste sie sich zuerst mit der Situation des Lagers auseinandersetzen. Das würde nicht weiter schwierig sein. Anschließend konnte sie sich den größeren Herausforderungen zuwenden ...
Den eilte durchs Lager zur Startplattform, in der Hoffnung, dass er nicht zu spät kam. Verfluchter Tor, dachte er. Von allen denkbaren Tagen ausgerechnet heute zu verschlafen!
Er machte sich so gut wie nie die Mühe, den Wecker zu stellen - wie die meisten Angehörigen seiner Spezies besaß Den einen inneren Zeitmesser, der mit seinem ausgeprägten Orientierungssinn einherging. Normalerweise passte sich seine innere Uhr ziemlich rasch dem Tag-Nacht-Zyklus der Welt an, auf der er sich gerade befand. Das dauerte höchstens eine Standardwoche, und er war schon wesentlich länger als das auf diesem Planeten.
Doch ausgerechnet an dem einen Tag, an dem er sein Zeitgefühl am meisten brauchte, ließ es ihn einfach im Stich, und er hatte gerade lange genug geschlafen, dass er den Abflug des Transporters der HNE-Leute inklusive Eyar womöglich knapp verpassen würde.
Nach dem Vorschlag, den sie ihm unterbreitet und den er akzeptiert hatte, konnte er sie nicht einfach gehen lassen, ohne Lebewohl zu sagen. Es war schwer zu sagen, wann er sie wiedersehen würde, und wenn es so weit war, wäre er ein Teil der Großfamilie, zu der in jedem Fall eine wahrhaft überwältigende Zahl von Kindern gehören würde.
Er würde ein Patriarch sein, ein ergrauter, alter Quell der Weisheit. Er würde irgendwie tief im Bau sitzen und die Jungen und Törichten mit klugen Ratschlägen bedenken.
Jetzt wirkte die ganze Sache nicht mehr annähernd so reizvoll wie neulich, als Eyar sie ihm beschrieben hatte.
Die Entertainer wurden zum MediStern hochgebracht, wo ihr eigenes Schiff angedockt war. Eyar war für den ersten Flug nach oben eingeteilt.
Den kam gerade rechtzeitig um die Ecke des Hauptgebäudes der Startanlage, um einige Mitglieder der Theatertruppe zu sehen, die die Rampe hochgingen. Eyar war unter ihnen.
Er rannte nach vorn und bahnte sich rempelnd seinen Weg durch die größeren Lebewesen, die ihn umgaben, größtenteils Techniker und andere Arbeiter. »He!«, rief er. »Eyar! Warte!« Verdammt noch mal, er konnte nichts anderes sehen als Beine - Beine, die mit Stoff, Fell oder Schuppen bedeckt waren; Zehengängerbeine, Sohlengängerbeine, ein wahrer Wald tragender Gliedmaßen. Endlich erreichte er das Tor.
»Eyar!«
Sie ging traurig die Rampe hinauf, die Letzte in der Reihe. Bei seinem Ruf wirbelte sie herum, und als sie ihn sah, leuchteten ihre Augen, ihr Gesicht, ihr ganzer Körper auf.
»Den-la!«
Er war so erleichtert darüber, dass sie noch nicht abgereist war, dass es ihm nichts ausmachte, dass sie seinem Namen in aller Öffentlichkeit die Vertraulichkeitsnachsilbe hinzugefügt hatte. Sie umarmten sich.
»Ich hatte Angst, du würdest nicht kommen! Was war los?«
Ihr zu erzählen, dass er verschlafen hatte, war eine schlechte Idee - das wusste er beinahe instinktiv. Sie würde beleidigt darüber sein, dass er ihren Abschied aus einem so trivialen Grund beinahe verpasst hatte. »Ich hatte einen Anruf von HNE«, gab er vor. »Es gibt Gerede, dass einer meiner Artikel vom letzten Jahr als Holo produziert wird. Am Ende musste ich sie abwürgen und den ganzen Weg hierher rennen.«
Erstaunlich, wie leicht die Lüge über seine Lippen kam - erstaunlich und auch ein bisschen erschreckend. Aber es funktionierte. Sie sah ihn mit leuchtenden, liebevollen Augen an. »Komm bald zurück nach Sullust!«, flüsterte sie. Sie hätschelte noch einmal seine Wangenlappen, ehe sie sich umdrehte und die Rampe hinauflief.
Den ging wieder zurück, aus dem Radius des Startfelds hinaus. Abgesehen vom Drumm der Repulsorlifts, stieg der Transporter rasch und lautlos in die Höhe und verschwand im blendenden Licht von Drongar Prime.
Den ging langsam zu seiner Unterkunft zurück. Es war so leicht gewesen, sie anzulügen. Man konnte argumentieren, dass es sich dabei bloß um eine Lappalie handelte, unbedeutend und unwichtig. Man konnte argumentieren, dass er aus Güte heraus gelogen hatte, um zu vermeiden, dass ihre Gefühle verletzt wurden. Man konnte alle möglichen Dinge anführen, doch keins davon besaß mehr Geltung oder Glaubwürdigkeit als der Händedruck eines Neimoidianers.
Er war ein Schuft.
Eyar war süß, aufrichtig und vertrauensvoll. Diese Eigenschaften bewunderte er an ihr. Aber wie lange würde es dauern, bis genau dieselben Merkmale ihn mit Ungeduld erfüllten oder mit Verdruss...
Oder gar Verachtung?
Er war Eyars Bewunderung überhaupt nicht wert.
Den blieb mitten auf der Anlage stehen. Das hier war übel. Er hatte kalte Füße, ganz bis hoch zu den Achselhöhlen, und er hatte nicht die geringste Ahnung, was er dagegen tun sollte.
Er schaute sich um. Von dort, wo er stand, hatte er zwei Möglichkeiten, die sich jeweils praktisch in entgegengesetzten Richtungen befanden. Zu seiner Linken war die Cantina mit ihrer erstaunlichen und in höchstem Maße therapeutischen Vielzahl an Destillaten. Rechter Hand war Klo Merits Büro, wo er mit dem Mentalheiler sprechen oder zumindest einen Termin für später machen konnte. Er musste sich darüber klar werden, was er jetzt tun sollte.
Aber wie?
Den brauchte fast zwei Minuten, in denen er in der glühend heißen Sonne stand, bevor er sich umdrehte und davontrottete, nachdem er sich zu guter Letzt für eine Richtung entschieden hatte.
30. Kapitel
Das Puckern der Bergetransporter, die Rufe und die schnellen Wortwechsel von Personal, das zum Triagebereich lief, die Schreie und das Stöhnen der Truppler - es war eine Litanei aus Lauten und Gebrüll, auf die Jos schon so viele Male reagiert hatte, dass es schien, als wüsste er mittlerweile im Schlaf, was zu tun war.
Schlaf. Das war wirklich spaßig. Die kurzen Phasen der Nickerchen und des Dösens, die den Medizinern von Flehr Sieben an guten Tagen zuteilwurden, hatten mit guter Schlafhygiene nicht das Geringste zu tun. Natürlich verfügten sie über Deltawelleninduzierer, doch sechs bis acht Stunden des ungestörten Durchlaufens aller vier Schlafphasen und der REM-Perioden in ein zehnminütiges Nickerchen zu quetschen, lud das Gehirn einfach nicht auf dieselbe Weise wieder auf wie Echtzeitschlaf. Die einzige Lösung war richtige Nachtruhe, und das war ein Luxus, den sie sich nur selten leisten konnten.
Die meiste Zeit über waren die Patienten Klonsoldaten. Was Jos anging, so waren die schwierigsten Fälle nicht die vollkommen fremdartigen Spezies. Es waren die verschiedenen nicht geklonten Menschen, weil ihre Anatomie ihm zwar vertraut war, sich aber dennoch fast unmerklich voneinander unterschied. Wenn er so einen menschlichen Patienten operierte, musste er sehr aufpassen, dass seine Hände und sein Hirn nicht in vertraute Muster verfielen, die bei einem Klon funktionieren mochten, jedoch gerade so viel von der »Norm« abwichen, um ein anderes menschliches Wesen umzubringen. Das war schon einmal passiert.
Richtige Fremdweltler bekamen sie im OP nicht allzu häufig zu sehen. Die wenigen, auf die das zutraf, hielten sich für gewöhnlich als Beobachter oder in irgendeiner geistlichen Funktion auf Drongar auf. Oft sorgten sie für die besten Augenblicke in puncto Humor und Entsetzen.
Als sie das letzte Mal einen unerwarteten Vorfall wie diesen gehabt hatten, war Jos von den Lebenssäften des Niktos durchnässt worden. Diesmal war es Uli gewesen, der den Schock des Neuen erlebt hatte.
Der junge Chirurg hatte eine Oni-Frau operiert. Nach allem, was man hörte, waren die Oni, die von der Randwelt Uru stammten, eine ziemlich kriegerische Spezies. Niemand schien mit Sicherheit zu wissen, was diese hier auf Drongar machte - vermutlich war sie eine Söldnerin. Jedenfalls hatte sie sich das Projektil eines Kugelwerfers eingefangen, und Uli bohrte gerade danach, als es plötzlich einen blauweißen Lichtblitz gab, ein Geräusch, als würde jemand gegen ein Nest wütender Flatterstecher schlagen, und dann prallte der junge Chirurg nach hinten und krachte gegen die Wand.
Seinem Strom von Flüchen nach zu urteilen war er nicht allzu schwerverletzt. Das übliche Stimmengewirr aus Instrumentenanforderungen und Anzeigenablesen verstummte. Threndy, die Schwester, die ihm assistiert hatte, half Uli auf die Beine.
»Bist du in Ordnung, Uli? Brauchst du Hilfe?«, rief Jos.
»Mir geht's gut, danke. Aber was bei den sieben Himmeln von Sumarin war das? Ich habe noch nie ...«
Er wurde von einem dreibeinigen Medidroiden unterbrochen, der hereinkam, sich an Ulis Seite bewegte und kurz mit ihm sprach. Jos konnte die Unterhaltung nicht mit anhören, doch einen Moment später brachen Uli und Threndy in Gelächter aus.
»Was ist los?«, fragte Jos.
»Anscheinend sind Oni-Frauen elektrophoretisch. Auf der Suche nach dem Projektil muss ich einen Lappen ihres Kondensatororgans gestreift haben.« Uli zuckte die Schultern. »Irgendwie wünschte ich, ich hätte das eher gewusst...«
Jos prustete los. »Vielleicht sollten wir sie hierbehalten für den Fall, dass unsere Droiden Starthilfe brauchen.«
Seine und Ulis Schicht waren zur selben Zeit zu Ende, und aus einem Impuls heraus fragte Jos den jüngeren Mann, ob er ihnen beim Sabacc Gesellschaft leisten wolle. Bei den letzten paar Malen hatten ihnen einige Spieler gefehlt. Tolk ließ sich nicht mehr blicken, und Barriss schien in letzter Zeit zu sehr mit dem »Jedisein« beschäftigt zu sein, wie Den es ausdrückte, um an jeder Partie teilzunehmen. Sogar Klo war unlängst zu beschäftigt gewesen und kam bloß noch gelegentlich vorbei.
Uli grinste, ein Lächeln, das sich über sein gesamtes Gesicht ausbreitete. »Klar!«, rief er enthusiastisch. »Ich hatte schon gehofft, dass einer von euch mich irgendwann mal fragt.«
Jos erwiderte das Grinsen. »Schön, dass du dabei bist.« Es würde nett sein, endlich wieder eine annähernd vollständige Spielerrunde zu haben. Auf gewisse Weise allerdings fühlte er sich schlecht deswegen. Uli war so offen und arglos, dass die anderen ihn mit Sicherheit bei lebendigem Leib verspeisen würden. Sabacc konnte ein hartes Spiel sein.
Jos, Den, Barriss und I-Fünf verließen die Cantina.
»Wow!«, sagte Jos. »Wer hätte das gedacht?«
»Sie jedenfalls nicht, nehme ich an«, entgegnete Den. »Es sei denn, Sie stecken unter einer Decke mit diesem kleinen ...«
»He, ich hatte keine Ahnung, dass er so spielen kann. Ich meine, schaut ihn euch an. Er sieht wie eine Holoreproduktion von irgendeiner netten, mustergültigen Farmwelt irgendwo da draußen aus.« Jos zuckte die Schultern. »Abgesehen davon haben wir Spieler verloren, und er tat mir leid.«
»Ach ja? Nun, ich sollte Ihnen lieber leidtun. Ich habe da drin dreihundert Credits verspielt.« Den schüttelte den Kopf.
»Das ist zwar bloß ein Vorschlag«, sagte I-Fünf zu Jos, »aber wenn Sie das nächste Mal versucht sind, in solcher Weise uneigennützig zu handeln - lassen Sie es bleiben!«
»Ach, halt deinen Vokabulator!«, schnappte Den säuerlich. »Du bist der Einzige, der nicht bis aufs letzte Hemd abgezockt wurde. Nicht, dass du überhaupt eins zu verlieren hättest.«
»Das stimmt. Allerdings habe ich zum ersten Mal seit Wochen auch nichts gewonnen.«
Jos schlug vergeblich nach der summenden Wolke von Feuerschnaken. »Und wieder muss ich dich fragen: Wofür brauchst du überhaupt Geld? Du bist ein Droide.«
»Eine Tatsache, die mir nur selten entgeht, vielen Dank. Mein Bedarf an Geld ist ganz einfach: Zu reisen kostet jede Menge Credits. Besonders, wenn man bis nach Coruscant möchte.«
»Dann gehst du also wirklich?«, fragte Barriss.
»Ja.«
»Aber du bist Militäreigentum«, gab Jos zu bedenken. »Selbst wenn du einen Weg finden würdest, um nach Coruscant zu gelangen, hättest du bloß begrenzte Freiheiten, um nach Pavans Sohn zu suchen.«
»Auch wahr. Was bedeutet«, sagte I-Fünf ruhig, »dass ich möglicherweise desertieren muss.«
Einen langen Moment wurde die Stille bloß von den Schnaken unterbrochen. Dann sagte Jos: »Falls du das tust und geschnappt wirst, werden sie dir deinen Speicher bis auf die letzte Quantenhülle löschen.«