DREIUNDDREISSIGSTES KAPITEL
Es begann als ein einfaches Kitzeln im Hals. Xian-Li hustete ein- oder zweimal, trank ein wenig Wasser und fuhr damit fort, sich für den Tag fertig zu machen. Sie und Arthur frühstückten anschließend mit einigen der Priester: Es gab süße Melonenscheiben, Datteln, Feigen in Honig und mit Mandeln gewürzte Ziegenmilch. Während Arthur und die Diener des Amun während des Essens miteinander plauderten, saß Xian-Li schweigend da, erfreute sich an der wärmenden Sonne, die sie auf ihrem Rücken spürte, und ließ ihren Gedanken freien Lauf.
»Du isst ja gar nichts«, bemerkte Arthur irgendwann während des Mahls. »Bist du nicht hungrig, Schatz?«
»Mmm?« Sie schüttelte ihre Tagträume fort und schaute auf ihren unberührten Teller hinab. »Oh, ich war ...« Die Stimme versagte ihr.
»Du musst etwas essen«, ermahnte er sie. »Du kannst dem Pharao nicht einfach mit leerem Magen begegnen, weißt du.«
Sie nickte und nahm sich eine Feige. Nach nur einem Bissen legte sie die Frucht wieder hin, und ihre Gedanken schweiften ein weiteres Mal fort. Das Nächste, was sie mitbekam, war das Ende der Mahlzeit: Die Priester mit den weißen Schurzen standen gerade auf, und Arthur war bereits auf den Füßen und bereit zu gehen.
»Xian-Li?«
»Ja?«, erwiderte sie und blickte hoch.
»Ich habe gerade jetzt zu dir gesprochen. Hast du mich nicht gehört?«
»Es tut mir sehr leid, mein Ehemann«, antwortete sie und lächelte matt. »Ich habe mich dem Zug der Wolken hingegeben.«
Er lachte. »In England nennt man so etwas ›Tagträume‹.« Sein Blick wurde ernst. »Bist du sicher, dass es dir gut geht, mein Liebling? Du siehst blass aus.«
»Vielleicht bin ich ein wenig müde«, räumte sie ein. Sie stand auf, und die Welt schien sich zu drehen. Der Boden bewegte sich unter ihren Füßen, und es wurde ihr schummrig vor den Augen. Plötzlich fühlte sie sich schwindelig und benommen, und sie setzte sich abrupt wieder hin. »Oh!«
»Schatz? Ist mit dir wirklich alles in Ordnung?«
Mit einer wedelnden Handbewegung wehrte sie seine Sorge ab. »Ich bin zu schnell aufgestanden«, meinte sie.
»Hier, lass mich dir helfen.« Er legte seine Hand unter ihren Arm.
Erneut stand sie auf, diesmal viel langsamer. »Es ist nichts.«
Sie spazierten durch den sonnigen Tempelgarten zum Gästehaus, um ihre Vorbereitungen für die kurze Reise nach Oma zu beenden, wo sie die Barke des Pharao treffen wollten. Anen sollte ihr Führer sein und war fortgegangen, um für sie einen Muli-Karren zu holen; der Priester selbst, als Mitglied der erweiterten königlichen Familie, würde in einem Pferdewagen reisen. Sobald er zurückkehrte, wollten sie aufbrechen.
»Das ist eine sehr große Ehre«, erklärte Arthur, als sie in das kleine, spärlich möblierte Haus eintraten.
Ihr schien, als würde seine Stimme aus sehr großer Entfernung kommen.
»Ich nehme an, es wäre ähnlich wie bei einer Begegnung mit Eurem Kaiser -« Abrupt hörte er auf zu sprechen, denn er sah, dass sich seine Frau gegen den Türpfosten lehnte und mit der Hand an den Kopf fasste.
»Schatz! Dir geht es nicht gut.«
»Mir ist ein wenig warm«, gestand sie ein. »Vielleicht war ich zu lange in der Sonne.« Sie tätschelte seinen Arm und ging zum Becken auf dem Dreifuß neben dem Bett, um sich zu waschen. Dann beugte sie sich über die Schüssel, und in ihrem Spiegelbild auf dem stillen Wasser sah sie eine abgehärmte, hohle Maske, die auf sie zurückblickte. Sie senkte ihre Hände in das Becken, rieb sich das kühle Wasser über Gesicht und Nacken und fühlte sich augenblicklich erfrischt. »Das ist schon viel besser.«
Nachdem sie sich abgetrocknet hatte, wickelte sie ihr langes, schwarzes Haar wie eine Rolle auf und steckte es für die Reise fest. Zum Schluss nahm sie das Leinentuch, das man ihr gegeben hatte, um sich vor der Sonne zu schützen. So vorbereitet, setzte sie sich auf die Pritsche, das ihr Bett war, um auf Anens Ankunft mit dem Karren zu warten. Unterdessen hörte Arthur das Klappern von Hufen auf dem Vorplatz und ging hinaus, um den Priester zu begrüßen. Bei seiner Rückkehr fand er seine Frau ausgestreckt auf dem Bett; ihre Arme lagen auf dem Gesicht und verdeckten ihre Augen.
»Xian-Li, es ist Zeit zu gehen«, teilte er ihr mit, durchquerte den Raum und kniete sich neben der Pritsche nieder. Als sie nichts darauf erwiderte, schüttelte er sanft ihren Arm. »Xian-Li, wach auf, mein Liebling.«
Sie kam zu sich und zuckte zusammen. »Oh, vergib mir, ich muss weggedöst sein. Ich ...« Sie mühte sich hoch - nur um sogleich wieder zurückzusinken.
Er legte seinen Handrücken auf ihre Stirn. »Schatz, du glühst ja richtig! Du hast Fieber.«
»Ich bin zu lange in der Sonne gewesen«, behauptete sie beharrlich und drückte ihren Oberkörper hoch. »Mir geht es gut genug, um reisen zu können.«
Arthur runzelte zweifelnd die Stirn. »Ich denke, du solltest hier bleiben und dich ausruhen.«
»Und das Treffen mit dem Pharao verpassen?«, spöttelte sie über diesen Vorschlag. »Es ist nichts. Es wird bald vorbeigehen. Ich kann mich im Wagen ausruhen.«
Arthur half ihr auf die Füße und hielt sie fest, als sie zu schwanken begann. »Immer noch benommen?«
»Ein wenig«, gab sie zu. »Aber da - es ist fort. Ich fühle mich jetzt besser. Lass uns gehen; und denk nicht mehr daran.«
Seine Frau marschierte schnell hinaus auf den sonnenüberfluteten Vorplatz und zog sich das Tuch über den Kopf.
Der Priester Anen, der das Zaumzeug des vorangehenden Wagenpferdes hielt, rief ihr einen Gruß zu. Ein kleiner Eselskarren für zwei Personen stand wartend in der Nähe, ebenso wie ein Packesel, der einfachen Proviant trug, und vier andere Priester, die sie begleiten würden. Xian-Li trat an Anen heran, verbeugte sich höflich vor ihm und ging dann zum Karren.
»Meine Frau ist entschlossen mitzukommen, obgleich es ihr nicht gut geht«, erklärte Arthur und blieb in der Nähe des befreundeten Priesters stehen.
Die beiden Männer beobachteten, wie die dunkelhaarige junge Frau ihren Fuß auf den Tritt hinten am Karren hob. Dann ergriff sie den Handlauf und versuchte sich auf das offene Ende des Fahrzeugs hochzuschwingen. Doch es schien, als ob entweder ihre Hand oder ihr Fuß wegrutschen würde. Denn als Nächstes sahen sie, wie Xian-Li rückwärts auf den mit Steinen gepflasterten Hof fiel. Ein geistesgegenwärtiger Priesterkollege sah, was passierte, und sprang vor, um sie aufzufangen. Dann ließ er sie vorsichtig zu Boden gleiten.
Arthur und Anen eilten an ihre Seite.
»Xian-Li!«, schrie Arthur, der neben seiner kranken jungen Angetrauten kniete.
Ihre Augenlider zuckten augenblicklich, und dann schien sie wieder zu sich zu kommen. »Arthur ... Oh! Was ist geschehen?«
»Du bist gefallen«, antwortete Arthur. »Du musst ohnmächtig geworden sein.«
»Nein«, widersprach sie. »Ich -« Sie brach den Satz ab, als ihr ganzer Körper von einem Krampfanfall erfasst wurde. »Oh ...«, keuchte sie und versuchte, sich aufzusetzen.
»Ruh dich einen Moment aus«, wies Arthur sie an. »Wir bringen dich wieder nach drinnen.« Er gab den Priestern ein Zeichen, ihm zu helfen. Sie hoben Xian-Li hoch, trugen sie ins Gästehaus zurück und legten sie auf die Pritsche.
»Ich habe Tihenk weggeschickt, um den Arzt zu holen«, berichtete Anen, als er sich zu ihnen gesellte. »Er wird sofort kommen.«
Arthur dankte ihm, und Anen wies seine Priesterkollegen an, draußen zu warten.
»Du musst bald gehen, oder du wirst nicht rechtzeitig da sein, um den Pharao zu treffen«, erklärte Arthur.
»Ein anderer wird an meiner Stelle gehen«, erwiderte Anen. »Der Pharao wird das verstehen.«
»Bitte, ich will nicht, dass du wegen uns hier bleibst«, entgegnete Arthur. »Der Arzt wird nach ihr schauen, und wir werden in ein oder zwei Tagen nachkommen, wenn Xian-Li sich besser fühlt.«
»Wenn sie dann wieder in Ordnung ist, werden wir zusammen reisen. Bis dahin bleibe ich mit euch hier.«
Arthur begriff, dass keinerlei Überredungskunst die Meinung des Priesters ändern konnte, und so dankte er ihm. Er holte seiner Frau etwas Wasser zu trinken, tauchte dann das Ende ihres Tuchs in das Becken und benutzte den feuchten Stoff, um ihr die Stirn abzuwischen.
Nach einer kleinen Weile kam der Arzt, ein untersetzter, ranghoher Priester mit einem glatten kahlen Schädel und weichen Händen. Da er seit seiner Kindheit in den heilenden Künsten unterrichtet worden war, besaß er das ungezwungene Verhalten eines kompetenten, unerschütterlichen Fachmannes. Von seiner Schulter hing eine einfach geflochtene Tasche aus Gras herab, zudem hatte er einen dreibeinigen Schemel bei sich.
»Ich bin Khepri«, sagte er. »Ich bin hier, um euch zu helfen.«
Anen stellte seine beiden Gäste vor; und nach einer kurzen Erklärung stellte der Arzt seinen Hocker neben das Lager der Patientin, ließ sich darauf nieder und nahm die Tasche ab.
Einen Moment lang saß Khepri nur ruhig da und studierte seine Patientin. Dann klatschte er mit den Händen, hob das Gesicht und schloss seine Augen. Er sprach ein Gebet an Isis, auf dass sie zugegen sei und ihm helfe, die Erkrankung der Frau zu heilen, die vor ihm lag. Anschließend beugte er sich vor, legte seine Hand auf die Stirn von Xian-Li und nickte vor sich hin. Als Nächstes wandte er sich an Arthur, um zu erfragen, was sie am vorherigen Tag gegessen hatte.
»Sehr wenig«, antwortete Arthur und listete danach die wenigen Dinge auf, von denen er wusste, dass Xian-Li sie verzehrt hatte. »Glaubst du, es könnte etwas sein, das sie gegessen hat?«
»Das ist die wahrscheinlichste Ursache«, antwortete der Arzt. »Viele Menschen ausländischer Herkunft haben ein solches Leiden, wenn sie sich das erste Mal in unserem Land aufhalten. Das ist nichts, worüber man sich sorgen muss. Es wird vorübergehen.«
»Gut«, meinte Arthur. »Ich bin froh, das zu hören.« Er blickte auf seine Frau herab, die sich eine Hand über die Augen gelegt hatte. »Was können wir machen, damit es angenehmer für sie ist, während wir auf die Genesung warten?«
»Ich werde ihr etwas Wasser geben, das mit Honig und Pflaumensaft gemischt ist«, erwiderte Khepri. »Zudem sollen stets feuchte Tücher auf ihrem Kopf und um ihre Füße sein, um dem Feuer in ihrem Blut die Hitze zu entziehen.«
Für Arthur klang die Behandlung gut, und daher gab er seine Zustimmung. Anen sprach ein Wort zum Arzt, der daraufhin fortging, um die notwendigen Sachen zu holen, und erklärte dann: »Ich werde euch für eine Weile in seiner Obhut lassen. Ich muss gehen und Schoschenk sehen, der auf dem Weg ist, um den Pharao zu treffen.«
»Ich danke dir für deine Fürsorge, mein Freund«, sagte Arthur. »Aber du musst das nicht tun.«
»Es ist getan«, entgegnete der Priester.
Er ging fort, und Khepri kehrte mit dem Honigwasser zurück, von dem er etwas seiner Patientin gab. Xian-Li trank, so viel sie konnte, und erklärte dann, sie würde gerne schlafen.
Arthur übersetzte ihre Worte dem Arzt, der daraufhin nickte und sagte: »Das ist zum Besten.« Er erhob sich und nahm seinen Schemel auf. »Ich muss gehen und bei einem Mann mit einem gebrochenen Arm bleiben. Ich werde zurückkehren, wenn ich dort alles erledigt habe.«
»Ja, geh nur«, meinte Arthur. »Ich werde bei ihr bleiben, bis du zurückkommst.«
Arthur ließ sich nieder und blieb bei seiner kranken Frau sitzen. Er hielt ihre Hand und tauchte ab und an in das Wasserbecken ein Tuch, um es neu zu befeuchten, bevor er es wieder auf ihre Stirn oder um ihre Füße legte. Xian-Li ihrerseits dämmerte im Halbschlaf vor sich hin. Wenn sie aufwachte, bot Arthur ihr weiter Honigwasser an, was sie annahm. Doch sie trank nie mehr als ein oder zwei Schluck, bevor sie ihren Kopf wieder zurücklegte.
»Tut es dir irgendwo weh?«, fragte er sie einmal, nachdem sie ein wenig getrunken hatte.
»Mein Hals schmerzt«, antwortete sie; ihre Stimme war nur noch ein trockenes Kratzen. »Im Innern.«
»Du meinst, deine Kehle«, berichtigte Arthur sie. »Ja.«
»Wenn Khepri zurückkommt, frage ich ihn nach etwas, das dagegen hilft.«
Sie zeigte ein schwaches Lächeln. »Es tut mir leid, mein Ehemann. Ich habe dich enttäuscht.«
»Niemals!«, protestierte Arthur. »Ich liebe dich, Xian-Li. Du könntest mich niemals enttäuschen.«
Den Rest des Vormittags schlief sie durch. Mittags kehrte der Arzt Khepri zurück und bereitete eine Mixtur aus Honig und Gewürzen zu, die er mit ein wenig Mandelmilch verdünnte. Mit diesem Mittel sollte der Schmerz in Xian-Lis Kehle gelindert und das Schlucken angenehmer werden. Khepri bemerkte, dass das Fieber nicht nachgelassen hatte. Auch am späten Nachmittag, als er mit seinem Vater - ebenfalls ein Arzt - vorbeikam, um dessen Weisheit und Rat zu suchen, war es immer noch nicht abgeklungen.
Arthur stand dabei, als die zwei sich eingehend miteinander berieten. Er beobachtete, wie die beiden Männer immer wieder nickten, während sie auf ihren Hockern saßen und sich abwechselnd etwas zuflüsterten. Der Ältere hob die Hand von Xian-Li, die es widerstandslos geschehen ließ. Einen Moment lang hielt er die Hand fest, bevor er sie auf Xian-Lis Brust legte. Die Ärzte besprachen sich noch ein wenig mehr, und dann stand Khepri auf und trat nach draußen, wo Arthur inzwischen mit Anen in der Nähe des Eingangs hin und her ging.
»Wir sind der Ansicht, dass verdorbenes Essen nicht die Ursache dieser Krankheit ist«, erklärte der Arzt.
»Nicht?«, erwiderte Anen. »Was dann? Kannst du das sagen?«
»Mein Vater hat so etwas schon früher gesehen«, antwortete Khepri. »Es ist ein Fieber, das im Allgemeinen Kinder befällt.«
»Ich verstehe«, sagte Arthur. »Was kann man dagegen unternehmen?«
»Es bereitet mir kein Vergnügen, euch, meine Herren, zu sagen, dass es in solchen Fällen kein Heilverfahren gibt. Es tut mir leid.«
»Wir lassen der Natur nur ihren Lauf?«, fragte Arthur. »Nein. Das ist nicht genug.«
»Wir werden es ihr angenehm machen und beten, dass der Wille der Götter für diese Seele die Genesung ist.« Der Arzt, dessen dunkle Augen voller Mitgefühl waren, legte eine Hand auf Arthurs Schulter. »Es tut mir leid.«
Auf ein Zeichen von Anen kehrte Khepri zu seiner Patientin zurück. »Komm mit mir, mein Freund; lass uns etwas essen«, forderte der Priester Arthur auf.
»Ich könnte keinen Bissen herunterkriegen«, seufzte er. »Ich glaube, ich sollte hierbleiben.«
»Wir haben eine lange Nacht vor uns. Ich werde dafür sorgen, dass Essen hergebracht wird.«
Nach einer kleinen Weile kehrte Anen mit einer Gruppe von Priestern zurück, die Schüsseln mit Lebensmitteln trugen. Sie stellten das Essen draußen auf einen niedrigen Tisch, vor dem an allen Seiten Sitzmatten ausgebreitet waren.
»Ich habe angeordnet, dass im Tempel ein Opfer für die Wiederkehr der Gesundheit dargebracht wird«, berichtete Anen seinem Freund. »Die Priester werden die Zeremonie beim Aufgang des Mondes durchführen.«
»Ich danke dir«, sagte Arthur.
Schweigend nahmen sie zusammen eine Mahlzeit zu sich, wobei Arthur allerdings nur in seinem Essen herumstocherte und erwartungsvoll zum dunkler werdenden Hauseingang blickte. Der Abend schritt fort, und in der riesigen schwarzen Weite über ihnen tauchten die Sterne auf. Als es zu düster wurde, um noch irgendetwas sehen zu können, kamen zwei junge Tempel-Akolythen mit drei Fackeln in eisernen Ständern. Sie stellten eine davon auf den Tisch und die anderen zu beiden Seiten der Tür des Gästehauses; dann zogen sich die Priestergehilfen wieder zurück.
Die Nacht senkte sich herab. Gelegentlich kam einer der Ärzte zum Tisch, um eine Erfrischung zu sich zu nehmen; und Arthur ging ab und an zu seiner Frau, um an ihrer Seite zu sitzen. Ihr Schlaf war der einer Kranken: Ruhelos wälzte sie sich hin und her. Und obwohl Arthur ihr pflichtgetreu das Gesicht, den Nacken und die Füße mit kaltem Wasser abwischte, schien dies ihrem brennenden Körper nicht mehr länger irgendeine Linderung zu bringen.
Als Mitternacht näherrückte, verlor Xian-Li das Bewusstsein und wachte wenig später aus der Ohnmacht wieder auf. Das wiederholte sich mehrfach. Sie stöhnte und murmelte, während ihr Schlaf zunehmend quälender wurde; manchmal schrie sie etwas, doch ihre Wörter waren undeutlich und verworren. Dann, plötzlich, erwachte sie und strengte sich an, aufzustehen; dabei war sie voller Angst und wusste nicht mehr, wo sie sich befand. Arthur tat sein Bestes, um sie zu beruhigen und ihren rastlosen Geist zu beschwichtigen, während er die ganze Zeit gegen seine eigenen wachsenden Befürchtungen ankämpfte.
Inzwischen bemühten sich die Ärzte darum, dass Xian-Li etwas trank, und erneuerten kontinuierlich die feuchten Tücher. Irgendwann jedoch erbrach sie die Flüssigkeit wieder, und von dem Zeitpunkt an konnten die Ärzte sie nicht mehr dazu bringen, Wasser zu sich zu nehmen. Als die schreckliche Nacht fortschritt, begann sie stark zu schwitzen und vor Kälte am ganzen Leib zu zittern - einmal so heftig, dass Khepri mit seinen Händen ihre Kiefer fest zusammenpresste, damit ihre Zähne nicht zerbrachen.
Allmählich ließ das Schütteln etwas nach, was Arthur als ein gutes Zeichen auffasste.
Doch Khepri erklärte: »Ihre Kraft lässt nach. Das Feuer in ihrem Innern verzehrt sie.«
Arthur konnte nichts anderes tun, als in hilfloser Angst zuzuschauen, während der Atem seiner jungen Frau immer flacher und unregelmäßiger wurde. Das Schwitzen endete abrupt. Ihre Brust hob und senkte sich. Zwischen einem Atemzug und dem nächsten verschied Xian-Li: Ihr Leben war vom Fieber verschlungen worden. Sie war fort.
Arthur benötigte einen Augenblick, um zu begreifen, was sich zugetragen hatte - und selbst dann vermochte er die schreckliche Endgültigkeit des Geschehenen nicht zu fassen. Das Ende war so schnell gekommen, und noch bis zu dem Moment, als sie verstarb, war er sich sicher gewesen, dass sie die Krise überstehen würde. Er hatte nicht die Zeit gehabt, sich auf die Möglichkeit vorzubereiten, dass sie vielleicht doch nicht überleben würde. Verständnislos saß er einfach nur da und starrte auf ihren wunderschönen Körper, während die Anspannung in ihren Gesichtszügen und Gliedmaßen langsam wich und sie sich nun im Tod ausruhte.
Nachdem ein paar Augenblicke verstrichen waren, beugten sich die zwei Ärzte über den leblosen Körper und begannen, ein Leinentuch zu entfalten, um die Leiche zu bedecken.
»Nein«, murmelte Arthur. »Lasst sie in Ruhe.«
Khepri nickte seinem Vater zu, der seine Handfläche in einer Geste des Respekts ausstreckte und sich aus dem Raum entfernte. »Es tut mir leid«, erklärte Khepri. »Es war der Wille der Götter. Es gab nichts, was man dagegen hätte unternehmen können.«
»Was?« Arthur löste sich aus seiner Erstarrung. »Was hast du gesagt?«
»Vor dem mächtigen Willen der Götter waren wir machtlos.« Voller Traurigkeit blickte der Arzt auf den regungslosen Körper. »Wenn du möchtest, werde ich mit den Vorbereitungen für das Einbalsamieren beginnen. Am besten macht man das schnell.«
»Nein«, widersprach Arthur und schüttelte den Kopf. »Ich danke dir, Khepri - aber nein. Ich werde meine eigenen Vorbereitungen machen.«
»Wie du möchtest, Herr.«
Anen kam herein. Als er sah, dass Xian-Li, wie man ihm bereits berichtet hatte, tatsächlich verstorben war, umarmte er seinen Freund und brachte seine Trauer über den Verlust zum Ausdruck. Dann breitete er seine Hände über der Leiche aus und intonierte einen Totengesang. Arthur hörte zu, war aber nicht in der Lage, bei dieser Trauerzeremonie mitzuwirken.
Als der Priester seinen Gesang beendet hatte, drehte er sich um und schlug vor: »Wenn du es wünschst, werde ich mich darum kümmern, dass der Körper für die Reise ins Jenseits vorbereitet wird.«
Arthur ging auf diese Worte nicht ein, sondern fragte: »Wie lange wird es noch dauern, bis die Sonne aufgeht?«
»Nicht mehr lange. Die Nacht ist fast vorüber.«
Arthur drehte sich um und rannte auf den Vorplatz. Wie zwei Schalen legte er die Hände seitlich an die Augen, um nicht vom Licht der Fackeln geblendet zu werden, und suchte rasch den Himmel ab. Unter den Milliarden von winzigen Lichtpunkten ermittelte er genau denjenigen, den er zu sehen hoffte: einen Stern von durchdringender Intensität - das hellste Licht am Firmament.
»Dann müssen wir uns beeilen«, sagte er zu Anen, der ihm gefolgt war. »Wir haben nicht mehr viel Zeit.« Arthur hastete ins Gästehaus zurück, beugte sich über die Pritsche und legte die Arme um den immer noch warmen Körper von Xian-Li.
»Was hast du vor?«, wollte der Priester wissen.
»Ich nehme sie, um ihr Leben zurückzufordern.«
Anen öffnete den Mund, um zu protestieren. »Aber -«
»Bitte«, schnitt Arthur ihm das Wort, »ich muss vor Sonnenaufgang am Ley sein!«
Anen las seinem Freund vom Gesicht ab, sah es an der entschlossenen Haltung seines Unterkiefers, dass es keinen Sinn hatte, mit ihm darüber zu streiten. »Was brauchst du?«
»Dein Wagen - ist er immer noch hier?«
»Ich werde einen anderen anfordern.«
Während der Priester ging, um das Fahrzeug zu holen, wickelte Arthur seine Frau in das Leinentuch, das Khepri für ihn zurückgelassen hatte. Als Arthur dann das Geräusch der Pferde auf dem Vorplatz hörte, nahm er Xian-Lis Körper auf und ging mit ihr nach draußen. Zusammen mit Anen legte er die Leiche auf den Boden des Wagens, dann setzte Arthur einen Fuß auf den Tritt, um hineinzuklettern.
»Hast du jemals so etwas gelenkt?«, fragte der Priester.
Arthur gab zu, dass dies nicht der Fall war.
»Dann erlaube, dass ich es tue«, sagte Anen und nahm die Zügel aus der Hand des Freundes. »Stell dich hinter mich, und halt dich fest.«
Arthur nahm seinen Platz auf dem Wagen ein, und dann rollten sie hinaus auf die dunkle Straße. Schon bald waren sie auf dem Weg, der zur Stadt hinausführte.
Als sie ihr Ziel erreichten, wurde der Himmel im Osten grau. Sie verschwendeten keinen Augenblick, hoben Xian-Lis Körper hoch und legten ihn so, dass Arthur ihn einfacher tragen konnte.
Als die ersten goldenen Strahlen der neugeborenen Sonne auf den unnatürlich geraden Pfad fielen, setzte sich Arthur in Bewegung.
»Wohin gehst du?«, rief Anen ihm nach.
»Es gibt einen Ort jenseits dieses Sterns«, antwortete Arthur und zeigte auf den einzigen Stern, der immer noch am rasch heller werdenden Himmel erstrahlte. »Falls Xian-Li noch irgendwo geheilt werden kann, dann wird es dort sein - am Quell der Seelen.«