Der verzweifelte Schrei gellte bis in die Dachsparren der Scheune hinauf. Fegan merkte, dass die Mündung der Schrotflinte von seinem Kopf wegruckte. Er machte die Augen auf. Mit einer Hand hatte Campbell Coyle ein Messer an den Hals gesetzt, die andere hielt eine kleine Pistole. Beide Männer taumelten wie in einem langsamen, ungleichen Tanz, während der Schotte versuchte, im Gleichgewicht zu bleiben. Seine Augen rollten unkontrolliert hin und her wie bei einem Betrunkenen. Coyle hatte den Mund aufgerissen, doch der Schrei war nicht von ihm gekommen.
Campbell zielte mit der Waffe auf alles und nichts, auf die Luft, manchmal auf einen Schatten, manchmal auf einen Leib. »Bleibt, wo ihr seid!«
Downey schob sich an Fegan vorbei und zielte mit der Schrotflinte auf die beiden schwankenden Männer.
O’Kane hob die Hände. »Jetzt mach doch keinen Quatsch, Davy.«
Campbell richtete die Waffe dorthin, von wo die Stimme gekommen war, aber seine Augen schienen auf etwas weit dahinter Liegendes gerichtet zu sein. »Bleibt, wo ihr seid, sonst schneide ich ihm die Kehle durch.«
Pädraig wollte Campbell von der Seite her angreifen, aber der Schotte drehte sich ihm zu. »Zurück!«
Pädraig machte auf der linken Seite noch einen Schritt auf Campbell zu, und der Schotte drückte einmal, zweimal, dreimal ab. Der erste Schuss traf nur die Luft, aber der zweite durchschlug Padraigs Schulter und der dritte seinen Hals. Pädraig blieb noch einen Moment stehen, den Mund überrascht aufgesperrt. Blut quoll ihm über die mächtige Brust und tröpfelte auf die Folie.
»Da?« fragte er, seine Stimme war nur noch ein heiseres Gurgeln. Er wich zwei Schritte zurück und sank auf den Rand der Grube.
Fegan sah O’Kane an. Das Gesicht des Alten war versteinert, die Augen blutunterlaufen. »Dich kriegen die Hunde, Davy. Ich werde selbst zusehen, wie sie dich bei lebendigem Leibe auffressen. «
»Keine Bewegung!«, befahl Campbell.
Pädraig kippte nach hinten auf die Erde. Sein Atem kam nur noch stoßweise und pfeifend. Er versuchte etwas zu sagen, doch die Worte errranken in seiner Kehle.
»Gib mir die Flinte, Tommy«, raunte O’Kane und bewegte sich zentimeterweise auf Downey zu. Downey reichte ihm das Gewehr. O’Kane hob es an die Schulter und zielte auf Campbell.
Coyle wand sich in Campbeils Griff. »O Gott, nicht schießen! Nicht!«
Der Schotte kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf. Er drückte Coyle die Pistole an die Schläfe. »Ich bringe ihn um, das schwöre ich.«
O’Kane spannte den Hahn. »Glaubst du, das macht mir die Bohne was aus?«
Der Schuss hallte durch die Scheune wie ein Donnerschlag. Für Fegan blieb die Zeit stehen. Er sah, wie Coyles Brust explodierte, er und Campbell wurden gegen die niedrige Wand der Grube geworfen. Die Mündung von Campbeils Pistole spuckte Feuer, während er und Coyle am Rand des Kampfplatzes landeten. Etwas pfiff an Fegans Kopf vorbei.
Er sah, wie Downey in seine Jacke griff. Er hörte Campbells Pistole noch einmal schießen, während Coyles Körper von ihm herunterrollte. O’Kane machte einen Schritt zurück, dann feuerte er aus dem zweiten Lauf einen weiteren ohrenbetäubenden Schuss ab. Fegan zuckte zusammen, als mitten aus Campbeils Bauch heraus eine rote Sonne explodierte. Während der Schotte sich wand und dabei weiter feuerte, ließ sich Fegan auf den mit Folie bedeckten Boden fallen.
Er hielt sich die Hände über den Kopf und hörte, wie aus dem wütenden Bellen der Pistole nur noch ein trockenes Klicken wurde. Er spürte, wie zwei Körper zu Boden schlugen, einer schwerer als der andere.
Keuchen und Schreie. Dann ein abgehacktes Aufjaulen, das sich anhörte, als käme es aus den Tiefen der Erde. Das Geheul wurde von dem der Hunde jenseits des Hofes beantwortet. Fegan hörte ihr panisches Kläffen, das verzweifelte Scharren an den Stalltüren. Vorsichtig hob er die Augen von der glatten Plastikfolie, bis sie Downeys zuckenden Körper gefunden hatten, immer noch den Revolver in der zitternden Hand. Unter ihm breitete sich eine tiefrote Lache aus.
Fegan sah nach rechts. O’Kane lag auf der Seite. Er war am Leben, atmete aber schwer. Sein Gesicht war knallrot und schweißglänzend. Direkt über seine linke Kniescheibe hatte sich ein blutiges Loch gebohrt. Ein weiteres klaffte in seinem Bauch, direkt über der Lende. O’Kanes Augen fanden die von Fegan.
»Mein Gott, Gerry, er hat mich erwischt.«
Fegan drückte sich auf den Händen hoch und schaffte es irgendwie, auf die zitternden Beine zu kommen. Hustend, weil beißender Qualm in seiner Kehle kratzte, wankte er zu Downeys Leiche und nahm ihm den Revolver ab.
O’Kane lachte beinahe hysterisch auf. »Der Mistkerl hat mich erwischt.«
Fegan sah zu Campbell hinüber. Die Brust des Schotten hob und senkte sich ruckartig, er atmete schwer. Sein Bauch war zerfetzt. Die UFF-Männer standen über Campbell und grinsten erbarmungslos.
»Sie haben ihn auch erwischt«, sagte Fegan.
Er ging hinüber zu O’Kane. Der Alte verdrehte den Hals, um Fegan anblicken zu können. Er atmete keuchend und raspelnd und hatte die Zähne zusammengebissen. Dann sah er die Waffe in Fegans Hand.
»Ich gebe dir, was immer du willst«, presste er hervor. »Alles. Ich zahle jeden Preis. Du musst ihn mir nur sagen.«
»Nein«, antwortete Fegan.
»Schaff mich hier raus. Bring mich in ein Krankenhaus. Eine Million. Ich gebe dir eine Million.« O’Kane streckte die Hand aus und umklammerte Fegans Fußgelenk. »Du kannst die Frau und das Kind mitnehmen und gehen, wohin du willst. Zwei Millionen. Ich gebe dir zwei Millionen. Denk drüber nach, Gerry. Zwei Millionen Pfund.«
»Ich will Ihr Geld nicht«, sagte Fegan und zog sein Bein aus O’Kanes Umklammerung. Er zielte mit dem Revolver auf O’Kanes Stirn.
Tränen schossen O’Kane aus den Augen, und er sank auf die Plastikfolie. »Was denn dann? Sag mir, was du willst. Ich gebe es dir.«
Fegan hockte sich hin. Er konnte O’Kanes Schweiß riechen. »Ich werde Sie nicht töten. Wenn Sie hier heil rauskommen, werde ich Sie nicht jagen. Aber Sie müssen mir etwas versprechen.«
»O Gott, alles.«
»Wenn die Sache hier vorüber ist, werden Sie mich nicht verfolgen. Oder Marie. Sie lassen uns in Ruhe. Ich werde jetzt Campbell töten, und wenn ich das erledigt habe, werde ich ins Haus gehen und McGinty töten. Dann verschwinde ich, und Sie hören nie wieder von mir. Sie werden nicht nach mir suchen lassen. Sie werden kein Kopfgeld auf mich aussetzen. Wenn Sie mir das versprechen, bleiben Sie am Leben.«
»Pädraig…«
»Für Ihren Sohn ist es zu spät. Schwören Sie mir, das Sie Marie und mich in Ruhe lassen.«
O’Kane nickte. »Ich verspreche es. Ich schwöre bei Gott.«
»Schwören Sie auf die Seelen Ihrer Kinder.«
»Ich schwöre.«
»In Ordnung«, sagte Fegan.
Er stand auf und ging hinüber zum Kampfplatz, an dessen Rand Campbell ausgestreckt da lag und sich an sein letztes bisschen Leben klammerte. Er hatte die Augen auf etwas über ihm gerichtet, seine Lippen bewegten sich tonlos. Die UFF-Männer traten zurück, auf ihren Gesichtern leuchtete animalische Freude.