Kapitel 16

Samstag, 10.00 Uhr

»Opa, Oma, ich besuch hernach die Marianne noch mal im Klinikum. Sie wird unter Polizeischutz in eine Entzugsklinik verlegt. Mögt’s ihr da vielleicht mitkommen?«

Natürlich wollen beide mitkommen. Also hole ich die beiden ab, und wir fahren gemeinsam nach Regensburg ins Klinikum.

Wir gehen zur Marianne aufs Zimmer. Dort warten bereits die Polizisten, die die Verlegung bewachen sollen. Wir müssen halt immer noch vorsichtig sein. Wenn die Mafia ihre Finger im Spiel hat, dann weiß man nie, was denen noch alles einfällt. Ich jedenfalls glaube nicht, dass die das so einfach hinnehmen, wenn ihnen jemand ihr Heroin klaut. Da müssen die ja ein Zeichen setzen, nicht dass da noch andere auf die Idee kommen und das einfach nachmachen. Solange die von der Frankfurter Mafia nicht alle eingesperrt sind, besteht ­sicherlich Lebensgefahr für die Marianne und auch für die Juliane.

Der Marianne geht es den Umständen entsprechend gut. Der Arzt sagt, dass sie körperlich stabil ist. Dass die Juliane noch lebt, hat ihr ihren Lebenswillen zurückgegeben.

»Meinst, dass die Juliane in so ein Zeugenschutzprogramm kann, wenn sie gegen die Mafia aussagt?«, fragt sie mich und schaut mich mit großen Augen an.

»Marianne, da müssen andere darüber entscheiden. Aber natürlich gibt es Möglichkeiten, dass sie ihr Strafmaß verringert, wenn sie mit uns kooperiert.«

»Hauptsache, sie lebt und wird wieder gesund«, flüstert die Marianne lächelnd. Wir verabschieden uns und versprechen, dass wir sie baldmöglichst in der Entzugsklinik besuchen. Die Eva hat auch versprochen, dass sie sich um die Marianne kümmert, sobald sie selber aus der Klinik entlassen ist.

»Und jetzt fahren mia zu uns raus, und da trinken mia einen schönen Kaffee«, sagt die Oma. »Ich hab einen Gugelhupf gebacken für dich, Xaver. Da kommst einmal auf andere Gedanken, und dann erzählst uns alles ganz genau, was eigentlich passiert ist. Der Opa ist auch schon ganz neugierig, was seit der missglückten letzten Überwachung genau los war.«

Die Oma weiß halt, wie sie mit so einer Situation umgehen muss. Und ein Gugelhupf, der hilft immer, wennst nicht gut drauf bist, so viel steht jedenfalls fest. Also fahren wir raus zu den beiden. Die Oma kocht ihren Kaffee, der halt immer so stark ist, dass du damit Tote aufwecken könntest. Genauso mag ich ihn. Zunächst reden wir noch über so belangloses Zeug, dann erzähle ich die ganze Geschichte noch einmal. Irgendwie tut das gut, weil ich ja selber teilweise gar nicht mehr verstanden hab, was eigentlich los war in dem ganzen Chaos, das diesen Fall ­begleitet hat. Die zwei lassen mich einfach reden, und irgendwann fahre ich nach Hause.

Inzwischen ist es schon wieder Abend, und am nächsten Tag ist Sonntag. Da gehe ich jedenfalls wieder rüber zum Schorsch-Wirt und esse meine Bratwürstl mit Sauerkraut, so wie ich es jeden Sonntag mache. Halt noch eine Zeitlang mit Mineralwasser, aber wenn ich an den Viereck denke, dann schadet das sicherlich auch mir nicht, einfach einmal eine Zeit lang auf den Alkohol zu verzichten, weil selbst wenn wir in Bayern sind, ist die ganze Sauferei halt trotzdem nicht gesund, wenn es einer dauer­haft so übertreibt, wie es eben der Viereck und der Oberberger getan haben. Ich beschließe, dass ich mich zukünftig mehr um meine Mitarbeiter kümmern werde und ich mich überhaupt mehr für das Privatleben und die Sorgen und Nöte der Menschen interessieren werde, auf die ich als Polizist aufpassen soll. Und wie ich weiter mit der Eva umgehe, das muss ich mir noch überlegen, weil da hab ich halt überhaupt keine Erfahrung darin. Ich suche im Telefonbuch die Nummer vom Mangelkramer, dem Psychologen, bei dem ich mit der Eva war, und rufe ihn an. Tatsächlich geht der an sein Telefon, obwohl doch Samstagabend ist. Da hab ich nicht damit gerechnet, also lege ich schnell wieder auf. Das kann ja noch bis Montag warten, aber dann rufe ich ihn sicher an. Ich muss halt einfach lernen, nicht immer gleich vor der Eva davonzulaufen, wenn die mir nahekommt. Weil eins hab ich aus dem ganzen Schlamassel dieser Woche gelernt: Wie wichtig es ist, aufeinander aufzupassen und füreinander da zu sein.