Kapitel 14

Freitag, 02.00 Uhr

Nachdem wir wieder in Wörth gelandet sind, nimmt der Notarzt den Meier-Höllrieser in Empfang, und ein paar Kollegen führen den Angerer und seine Frau ab. Was hat der Angerer nur gemeint damit, er hätte mir schon alles gesagt? Ich zermartere mir das Hirn, aber so sehr ich mich auch anstrenge, es fällt mir einfach nichts ein.

In Wörth kommt der Huber dahergerannt und schwenkt freudestrahlend die Bilder, die er doch vorhin eigentlich verbrannt hat.

»Damit kriegen wir sie dran, den Angerer und den Meier-Höllrieser«, kräht er.

»Huber, die haben’S doch vorhin verbrannt.«

»Dimpfelmoser, ich hab mir gleich gedacht, dass da was nicht stimmt. Da habe ich halt einmal einen Blick riskiert, und da war mir natürlich sofort alles klar. Da habe ich die Originale rausgenommen und durch Kopien ersetzt.«

»Sauber, Huber. Des hätt ich Ihnen gar nicht zugetraut. Aber mia wissen immer noch nicht, wo die Eva ist.«

»Wir sind leider auch nicht schlauer als zuvor«, gesteht der Huber kleinlaut.

Mir dröhnt der letzte Satz vom Angerer in den Ohren. Also mach ich mich über die Tonbandaufzeichnungen der Vernehmungen her und höre mir die Stellen noch einmal an, wo ich mit ihm geredet hab. Vielleicht ist da ein Hinweis drauf, und ich hab es einfach überhört. Nach einer Viertelstunde springe ich wie von der Tarantel gestochen auf.

»Sie steckt wirklich bis zum Hals in der Scheiße, deine Eva.«

Das ist es. Wahrscheinlich hat er das wörtlich gemeint. Ich laufe rüber zum Krintinger.

»Die Klärgrube von der Himmelsmühle, ist die genau untersucht worden?«

»Die ist fast bis an den Rand voll, Dimpfelmoser. Wenn die Eva da drin gewesen wäre, dann wär sie schon längst tot. Aber wir haben die Grube mit Stangen abgesucht, da ist nix drin außer Wasser und vielleicht noch uralte Scheiße.«

»Ist da jemand reingestiegen?«

»Reingestiegen? Dimpfelmoser, warum? Warum sollte da jemand reinsteigen, spinnst jetzt völlig?«

»Ich fahr sofort raus und schau mir das selber an. Das ist der Hinweis, den mir der Angerer gegeben hat. Die Eva steckt bis zum Hals in der Scheiße. Da kann er nur die Grube gemeint haben.«

»Xaver, der hat dich verarscht, merkst des immer noch nicht?«, meint der Krintinger leise.

Er glaubt wohl nicht mehr daran, dass wir einen brauchbaren Hinweis bekommen. Aber ich bin mir sicher, dass das der Schlüssel ist. Das ist das Rätsel, das mir der Sigi mitgegeben hat, und ich hab es einfach nicht bemerkt bisher.

»Reindl, trommel unsere Leut’ zusammen, wir fahren noch mal raus zur Hütte. Und ruf den Heulerich an, ich brauch einen Taucher, eine Schmutzwasserpumpe, Scheinwerfer und einen Stromgenerator.«

Alle schauen mich mitleidig an. Keiner glaubt daran, dass da was dran ist, aber es wagt auch niemand, mir zu widersprechen. Nur ich bin felsenfest davon überzeugt, dass es das ist.

Kurze Zeit später stehen wir vor der Klärgrube von der Himmelsmühle. Wir haben den Deckel entfernt. Sie ist tatsächlich bis fast unter den Rand voll. Es stinkt, da kriegst eine Lähmung im Riechkolben, aber das ist mir völlig wurscht. Der angeforderte Taucher will zunächst nicht recht, aber ich werfe ihn einfach in die Kloake, und nachdem er dann eh schon drin ist, taucht er halt hinunter. Kurze Zeit später kommt er wieder nach oben.

»Dimpfelmoser, da ist eine Türe in der Wand. Hochmodern, was man sieht in dem Dreck. Mit einem Sicherheitsschloss dran.«

»Da ist sie drin. Bringt’s sofort den Generator und die Pumpe, und holt’s mir den Schlüsselbund vom Angerer. Da muss der Schlüssel dran sein. Er hat gesagt, dass ich den Schlüssel schon lange in der Hand gehabt hätte. Da hat er sicherlich seinen Schlüsselbund gemeint. Den hab ich doch tatsächlich schon bei ihm draußen in der Hand gehabt, als der Huber die Leiche gefunden hat.«

Die Pumpe wird angeschlossen, und langsam sinkt der Wasserstand in der Klärgrube, bis die Türe gänzlich freigelegt ist. Der Reindl kommt mit dem Schlüssel. Ich steige selber mit einer Leiter in die Grube, und tatsächlich passt einer der Schlüssel. Dahinter ist eine Kammer, die auf keiner Karte verzeichnet war. Inmitten von Kisten voller Drogen liegt leblos die Eva. Mir bleibt fast das Herz stehen, aber sie ist zum Glück nur ohnmächtig, wie ich schnell feststelle. Mein Herz schlägt Kapriolen. Das ist der glücklichste Moment in meinem Leben. Die Eva lebt!

Die Türe ist so dicht gewesen, dass von der Kloake nichts in den Raum eingedrungen ist. An der hinteren Wand geht der Raum in einen schmalen Tunnel über, der sich in der Dunkelheit verliert. Anscheinend haben wir da doch etwas übersehen, aber da können wir uns später darum kümmern. Ich trage die Eva zur Türe. Der inzwischen ebenfalls anwesende Rindenacher und seine Männer lassen eine Trage herunter, in die ich die Eva lege. Vorsichtig wird sie nach oben transportiert und vom Notarzt untersucht.

»Keine Lebensgefahr«, diagnostiziert er. »Aber sie muss natürlich gleich in ein Krankenhaus. Ich vermute, dass sie mit einem Betäubungsmittel ruhiggestellt wurde.«

Ich kriege den ganzen Rummel um mich herum gar nicht richtig mit. Ich halte die Hand von der Eva und bin nur glücklich, dass sie lebt und anscheinend zumindest körperlich gänzlich unversehrt ist.

»Dimpfelmoser, lass sie einmal kurz los«, flüstert mir der Rindenacher sanft ins Ohr und löst meine Hand. »Wir müssen sie einladen, dann kannst ja wieder ihre Hand halten.«

»Reindl, du veranlasst alles Weitere. Ich fahr mit ins Krankenhaus«, befehle ich noch dem Kollegen, dann schließen sich schon die Türen, und wir brausen Richtung Wörth ins Krankenhaus. Ich überlege, wie oft ich eigentlich diese Woche in irgendwelchen Krankenhausfluren unterwegs war. So viel wie noch nie in meinem ganzen bisherigen Leben zusammen jedenfalls.

Im Krankenhaus weiche ich der Eva keinen Zentimeter von der Seite. Die Ärzte sind furchtbar genervt, aber mir ist das egal. Die Eva lebt, und ich bleib sicherlich die ganze Nacht bei ihr. Nach ein paar Untersuchungen wird sie in ein Zimmer gebracht. Dort liegt sie und schläft friedlich, als wäre nichts gewesen. Ich sitze neben ihr und schaue sie die ganze Zeit an. Irgendwann schlafe ich dann wohl ein.