Kapitel 11

Mittwoch, 18.00 Uhr

»Wir haben mit den Kollegen in Frankfurt Kontakt aufgenommen und wissen inzwischen, dass es tatsächlich Verbindungen hierher in das Umland von Regensburg gibt«, erklärt mir der Krintinger, nachdem wir die Fahndung nach meiner Schwester eingestellt haben.

»Die Kollegen haben die Wohnung vom Riebel durchsucht und sind da auf einen Aktenordner gestoßen, in dem der Riebel seine illegalen Aktivitäten dokumentiert hat. Warum er das getan hat, ist völlig unklar, vielleicht wollte er es als Druckmittel gegen die Frankfurter Dro­gen­mafia verwenden oder gegen die eingeschleusten und inzwischen übergelaufenen Kollegen. Jedenfalls wusste er über alles genauestens Bescheid. Die Kollegen sagen, dass sie damit genug Material haben, um die Bande hochgehen zu lassen.«

»Und ist was dabei, was uns hier weiterhilft?«

»Nur der Vermerk, dass am letzten Samstag eine größere Menge Heroin hier im Umland übergeben werden sollte. Woher der Riebel die Infos hatte, darüber können wir momentan nur spekulieren. Die Polizei wusste bisher von den Verbindungen nichts.«

»Keine Namen, keine weiteren Hinweise?«

»Nichts, Dimpfelmoser, tut mir leid.«

»Da kommen wir wieder zurück zum Fundort der Leiche. Das kann kein Zufall sein.«

»Da stimme ich dir vollkommen zu. Deine Kollegen müssten auch gleich zurück sein, die haben vorhin an­gerufen. Vielleicht haben die was Brauchbares herausgefunden. Ich würde ja vorschlagen, dass wir uns einen Durchsuchungsbeschluss verschaffen und die Angermühle hochnehmen, aber der Huber sträubt sich nach wie vor dagegen.«

Der Huber ist ein elender Arschkriecher. Da vernagelt es ihm jedes Mal die ungetrübte Sicht, und er wird komplett inkompetent, wenn es um seine blöden Politikerfreunde geht. Das haben wir vor einem Jahr schon einmal erlebt, da hätten wir beinahe den Fall nicht lösen können, und wenn ich ihm damals nicht seinen Arsch gerettet hätte, dann wäre er schon längst kein Polizist mehr, aber daraus hat er halt wieder mal nichts gelernt, der Huber.

»Ein einziger Sündenpfuhl ist des. Wenn die keinen Dreck am Stecken haben, dann trinke ich nie wieder eine Maß«, erklärt der Oberberger, der gerade den Raum betritt.

»Wo hast den Reindl lassen?«

»Der ist noch drüben am Computer, weil mia ham da gerade recherchiert, nachdem mia beim Angerer waren und der uns hochkant rausgeworfen hat. Er will einen Durchsuchungsbeschluss, hat er gesagt, und dann wollte er seinen Hund auf uns hetzen, wie mia darauf bestanden ham, dass er uns seine Personalliste aushändigt.«

»Und habt’s was rausgefunden?«

»Und ob, Xaver. Über den Angerer selbst gibt es nix zu berichten, der scheint sauber zu sein. Aber dem seine Gattin, die ist in unseren Akten vermerkt. Und mit dem seinen Angestellten könntest ein ganzes Gefängnis vollkriegen.«

»Hast nicht gerade gesagt, dass euch der Angerer nix gegeben hat von seinen Unterlagen?«

»Gegeben nicht, Xaver«, strahlt er. »Aber in Anbetracht der ernsten Lage hab ich mir dann halt einfach was genommen. Ich bin ja direkt an dem seinen Regal gestanden, in dem die ganzen geschäftlichen Ordner sind. Und da lacht mich doch plötzlich einer mit der Aufschrift ›Personalakten‹ an. Nachdem der Angerer so in dem Streit mit dem Reindl vertieft war, hat der gar nicht bemerkt, dass ich den einfach mitgenommen hab.«

»Und habt’s was, das uns weiterhilft?«

»Wie gesagt, dem seine Angestellten sind allesamt schon einmal wegen Drogendelikten auffällig gewesen, auch der Alois, der ja die Leiche beim Angerer gefunden hat. Es sind ein paar entlassene Sträflinge dabei, aber bei den meisten wurde das Verfahren eingestellt, weil ­ihnen nichts nachzuweisen war. Aber so eine Häufung kann kein Zufall sein. Die haben alle was mit Drogen zu tun.«

»Das müsste für einen richterlichen Beschluss reichen, wenn wir verschweigen, woher wir die Informationen haben«, meint der Krintinger.

»Drum sitzt der Reindl noch am Computer. Er holt sich die ganzen Informationen offiziell aus den abgespeicherten Polizeiakten, und mit denen können mia zum Richter gehen und den Beschluss holen.«

»Aber ich hab noch mehr Neuigkeiten, Dimpfelmoser«, strahlt mich der Oberberger an.

»Mach’s halt nicht so spannend. Was hast noch rausgefunden?«

»Des findest in keinen Akten, Dimpfelmoser.«

Ich glaube, ich habe den Oberberger die ganzen Jahre über noch nie so eifrig bei der Sache gesehen wie jetzt.

»Eine der Angestellten vom Angerer haben wir nirgends gefunden. Es gibt nur einen Hinweis, dass die aus Frankfurt stammt. Mein bester Schulfreund, der Luck, der hat nach Frankfurt geheiratet und sitzt da im Einwohnermeldeamt. Den hab ich angerufen, und was glaubst, was der mir gerade erzählt hat? Die Angestellte ist die jetzige Frau vom Angerer. Die taucht nirgends auf, weil die zwei Mal ihren Namen geändert hat. Der Luck hat es in den Akten schnellstens nachrecherchiert. Und jetzt wissen wir, dass die Frau Angerer auch kein unbeschriebenes Blatt ist.«

»Die ist aus Frankfurt?«

So langsam aber sicher wird es eng für den Angerer.

»Ja, dem Angerer seine Frau, die ist aus Frankfurt. Die hat früher Helene Engelbrecht geheißen, später dann Marlene Diebold. Ich hab da mal mit dem Reindl im Computer nachgeschaut, und siehe da, als Helene Engelbrecht ist die keine Unbekannte. Die war früher im Drogenmilieu unterwegs und ist wegen illegalen Drogenbesitzes und Drogenhandels vorbestraft. Ist alles schon verjährt, aber vielleicht hilft uns des irgendwie weiter.«

»Ich kümmere mich sofort um den Durchsuchungsbeschluss, da kann sich der Huber auf den Kopf stellen«, erklärt der Krintinger und hängt sich an sein Telefon.

»Saubere Arbeit, Oberberger. Hast dein Hirn doch noch nicht ganz versoffen.«

Er versteht es zum Glück als Kompliment, so wie es auch gemeint war. Hoffentlich macht er so weiter und säuft wirklich nicht mehr so viel. Und vielleicht besteht ja auch beim Viereck noch Hoffnung, wenn der aus seinem Entzug zurückkommt. Ich überlege kurz, und nachdem der Reindl eh grad nicht da ist, fasse ich einen Entschluss.

»Oberberger, magst vielleicht mit rausfahren zur Angermühle und die werten Herrschaften mit befragen? Den Beschluss reichen wir dann halt nach, aber ich mag nicht noch mehr Zeit verlieren.«

»Ja klar komm ich mit, Dimpfelmoser. Des freut mich riesig, dass du mich endlich auch einmal mitnimmst und mich nicht immer nur die Drecksarbeit machen lässt.«

Also starten wir los und fahren gemeinsam raus zur Angermühle. Ich überlege, wie viele Jahre ich schon mit dem Oberberger zusammenarbeite. Eigentlich kenne ich ihn und den Viereck gar nicht wirklich. Ich hab keine Ahnung, was die beiden in ihrem Privatleben außer saufen die ganzen Jahre getrieben haben, seit wir hier in Wörth zusammenarbeiten. Natürlich bin ich der Hauptkommissar und sie sind die Stadtpolizisten, aber nachdem wir eh nur zu viert sind, frage ich mich, warum ich mich nie mehr für meine Kollegen interessiert habe. Den Reindl hab ich besser kennengelernt, mit dem arbeite ich seit seiner Versetzung zu uns auch sehr eng zusammen, und wir haben schon einiges zusammen erlebt. Aber wenn ich ganz ehrlich bin, dann kenne ich den auch nicht richtig. Wir reden eigentlich immer nur über dienstliche Sachen oder eben über seine Frauengeschichten. Aber viel mehr weiß ich auch von ihm nicht.

Draußen in der Angermühle treffen wir zunächst nur den Gärtner an. Der ist wegen Heroinhandels vorbestraft und auf Bewährung raus, wie uns der Reindl telefonisch mitgeteilt hat. Irgendwie ist das ein komisches Golf-­Hotel, weil hier irgendwie nie viel los ist, wenn ich rauskomme. Da fragst dich schon, wie sich so ein exklusiver Laden überhaupt halten kann, wenn nie jemand da ist.

»Du bist der Mindelsheimer?«, beginne ich die Befragung. »Und dass das klar ist, du bist auf Bewährung. Wennst nicht ehrlich bist zu uns, dann nehm ich dich gleich mit.« Der Mann ist ziemlich nervös und beginnt zu schwitzen. Er dreht seine Schaufel hin und her, und seine Augen flackern.

»Ich habe meine Strafe abgesessen, da können’S mir nicht so kommen«, versucht er es unsicher, aber da erwischt er mich momentan auf dem falschen Fuß. Hier geht es um das Leben von der Eva, und da bin ich dann nicht mehr zimperlich. Also packe ich ihn am Kragen, dass er vor Schreck seinen Spaten fallen lässt.

»Xaver, halt ihn fest, dann schauen mia einmal, wie sauber der ist«, erklärt der Oberberger und schiebt ihm die Ärmel von seinem Hemd hoch. Tatsächlich zeigen sich da ein paar neue Einstichstellen.

»Da schau her, bist schon wieder auf Drogen?«, lacht er ihn an. »Da ist deine Bewährung halt jetzt hinfällig, gell.«

Das klappt ja prima mit dem Oberberger. Da brauch ich gar nix sagen, so wie der gleich mit dem Mindelsheimer umgeht.

»Also, du erzählst uns so unter Freunden einmal alles, was du über den Angerer und seine Gattin weißt. Und ­warum hier lauter Kriminelle arbeiten, des würd uns auch interessieren.«

»Ich bin noch nicht lange hier. Ich weiß nicht viel. Der Angerer stellt nur Leute ein, die einmal wegen Drogen mit dem Gesetz in Konflikt waren. Er ist ja offiziell so ein Bewährungshelfer, damit man wieder in die Gesellschaft eingegliedert wird.«

»Bewährungshelfer? Oberberger, habt’s da was dar­über gefunden?«

»Nicht dass ich wüsste, aber ich frag den Reindl, der soll das gleich prüfen.«

»Dann erzähl uns, was du weißt, dann drücken wir vielleicht ein Auge zu«, wende ich mich wieder an den Mindelsheimer.

»Nun ja, man sieht halt so einiges, nicht wahr? Ich habe beobachtet, dass der Herr Angerer viel außer Haus ist. Und die Frau Angerer, die trifft sich öfters mit dem Herrn Meier-Höllrieser auf ein Schäferstündchen, das habe ich vom Garten aus schon mehrmals gesehen. Aber der Herr Angerer weiß das. Ich habe da zufällig während meiner Arbeit ein Gespräch mitbekommen, wo sie dar­über geredet haben.«

»Also, damit ich des richtig verstehe, die Frau vom Angerer hat ein Verhältnis mit dem Meier-Höllrieser, dem stellvertretenden Innenminister? Und der Angerer weiß davon und lässt seine Frau einfach gewähren?«

»So würde ich das sehen, ja. Ich bin seit vier Wochen hier, und da hab ich den Herrn Meier-Höllrieser drei Mal mit der Frau Angerer zusammen gesehen.«

»Woher weißt des so genau? Spionierst hier heimlich rum?«

»Ich bin der Gärtner«, erklärt er, »da bin ich die ganze Zeit um das Haus herum, und da krieg ich so einiges mit, was nicht für meine Augen bestimmt ist.«

»Und woher hast die Drogen, die du dir da spritzt?«

Er druckst rum, das ist ihm irgendwie doch wieder peinlich.

»Woher?«

»Die Frau Angerer hat sie mir gegeben.«

»Die Frau Angerer?«

Das glaub ich einfach nicht. Die Frau Angerer verteilt Drogen an die Mitarbeiter ihres Mannes.

»Wo hat die das Zeug her, weißt da auch was?«

»Angeblich kommt das aus Frankfurt, aber das ist nur so ein Gerücht, das ich aufgeschnappt habe.«

»Du, der Angerer ist kein Bewährungshelfer. Er ist ­je­denfalls nirgendwo als solcher eingetragen«, mischt sich der Oberberger ein, der sein Telefonat inzwischen beendet hat.

»Er hat mich aber direkt nach meiner Entlassung aus dem Gefängnis abgeholt und mir einen offiziellen Brief gezeigt, dass er anstelle meines ursprünglich vorgese­henen Bewährungshelfers einspringt, weil der krank geworden und nicht arbeitsfähig ist.« Allmählich wird es wirklich interessant. Dem Angerer seine Frau verteilt Drogen, der Angerer gibt sich als falscher Bewährungshelfer aus, lauter Angestellte, die mit dem Drogenmilieu zu tun haben, und Sex mit dem stellvertretenden Innenminister. Da legst dich glatt nieder, aber dafür ist leider keine Zeit, um das alles in Ruhe zu verdauen.

»Ist hier eigentlich immer so wenig Betrieb?«, frage ich weiter.

»Die letzten vier Wochen hat eigentlich nur das Treffen wegen der schärferen Vorgehensweise gegen die Drogenkriminalität stattgefunden. Ansonsten waren keine Gäste hier.«

»Weißt zufällig, wo der Angerer und dem seine Frau sind?«

»Da muss ich leider passen. Die verschwinden immer wieder mal für ein oder zwei Tage. Und die restlichen Angestellten sind auch selten hier. Ich habe nur gesehen, wie der Herr Angerer vorhin in sein Auto gestiegen und weggefahren ist.«

Mein blödes Handy klingelt. Es ist das Krankenhaus. Die Marianne ist stabil und ansprechbar. Sie will unbedingt mit mir sprechen. Mir fällt ein ganzer Felsblock vom Herzen, dass die Marianne noch lebt.

»Also, Mindelsheimer. Wir drücken erst mal ein Auge zu wegen deiner Bewährung. Dafür rufst mich sofort an, wenn der Angerer hier auftaucht. Und kein Wort zu ihm. Und überleg dir einmal, ob du nicht gleich wieder hier verschwindest und einen Entzug machst, weil hier beim Angerer, da kannst darauf warten, dass du wieder im Gefängnis landest.«

Diesmal hat der Rindenacher die Marianne im Krankenhaus in Wörth abgeliefert, damit sie stabilisiert wird. Von hier aus soll sie nach Regensburg ins Klinikum ­verlegt werden. Aber zuvor will sie unbedingt mit mir sprechen. Ich schicke den Oberberger zurück zur Ein­satzzen­trale. Mit einem Kloß im Hals betrete ich das Krankenzimmer. Die Marianne schaut mich mit großen Augen an und ist so schwach, dass sie nicht einmal den Arm heben kann.

»Es tut mir leid«, flüstert sie, als ich an ihrem Bett sitze.

Ich kriege erst einmal kein Wort heraus, weil sie so erbärmlich ausschaut und ich halt so gar nix für sie tun kann, außer dazusitzen und ihre Hand zu halten.

»Xaver, ich erzähl dir die ganze Wahrheit, weil für mich ist eh alles egal. Was soll dieses Scheißleben ohne die Juliane? Mit ihr hätt ich mir einen Neubeginn in Südamerika noch vorstellen können, ein Leben ohne Drogen, aber jetzt? Was soll ich noch so alleine hier auf der Welt?«

Mich zerreißt es fast innerlich, und meine Augen werden feucht, aber ich entscheide mich, ihr erst einmal nichts davon zu sagen, dass die Juliane noch lebt. Bisher ist immer noch nicht klar, ob sie überlebt, und da will ich keine falschen Hoffnungen wecken.

»Wir haben das Heroin aus einem Geheimversteck der Mafia gestohlen. Das war in einer alten Lagerhalle in Frankfurt, und da lag direkt daneben ein Toter mit einem Messer im Herz. Den haben die Killer von der Mafia da wohl abgelegt, um ihn später verschwinden zu lassen. Wir haben uns gleich in der Lagerhalle einen Schuss gesetzt und sind dann hierher, um das Zeug dem Angerer zu verkaufen. Der organisiert hier für die Frankfurter den lokalen Drogenhandel. Wir haben uns draußen im alten Lu­biger-Hof einquartiert und den Angerer ein paar Tage beobachtet. Dann haben wir Kontakt zu ihm aufgenommen und uns am nächsten Abend mit ihm getroffen. Wir haben mit ihm verhandelt, aber irgendwie wusste der Angerer, dass es sich um das gestohlene Heroin handelt, das er eh von den Frankfurtern kaufen wollte. Er hat den Spieß dann umgedreht und wollte uns erpressen. Er hat gedroht, wenn wir es ihm nicht für einen Bruchteil des Wertes überlassen, dann verrät er uns an die Frankfurter Drogenmafia. Wir haben gesagt, dass wir es uns über­legen, aber er hat uns belogen, weil er uns schon längst verraten hatte. Als wir seinen Keller, in dem wir uns getroffen hatten, verlassen wollten, standen plötzlich drei Männer von der Mafia vor uns. Die Juliane hat sofort geschossen und einen der Killer mit einem Kopfschuss ge­tötet. Aber die anderen beiden Männer haben sie überwältigt. Ich hab mir das Heroin geschnappt und bin nach Wörth abgehau’n. Da hab ich es erst einmal in der Kirche versteckt und dort im Beichtstuhl übernachtet.«

»Warst während der Messe auch im Beichtstuhl?«

»Wo hätte ich denn hinsollen? Ich bin aufgewacht, da hat die Messe schon angefangen. Ich bin im Beichtstuhl geblieben und hab danach nach dir gefragt. Da wurde ich dann ins Wirtshaus geschickt, weil du da ja wohl jeden Sonntag um die Zeit bist.«

Mein Hirn rattert auf Hochtouren, während die Marianne leise und stockend erzählt. Warum hat der Angerer die Leiche dann nicht einfach verschwinden lassen? Warum der ganze Aufwand mit der polizeilichen Untersuchung, die der Huber gleichzeitig wieder verboten hat? Wenn das stimmt, was die Marianne erzählt, dann tun sich mal wieder Abgründe auf. Was hat der stellvertretende Innenminister mit dem Ganzen zu tun? Wie hat es der Angerer geschafft, dass er als Ehrenmann dasteht und bei ihm, in der Höhle des Löwen, die Konferenz zur Verschärfung der Gesetze zur Drogenkriminalität stattfindet?

Gleichzeitig bin ich fassungslos über so viel Naivität. Die zwei haben ernsthaft geglaubt, sie könnten sich mit der Drogenmafia anlegen und einfach so die Drogen, die sie denen gestohlen haben, an einen Geschäftspartner von denen weiterverkaufen.

»Marianne, bist sicher, dass es der Angerer ist, der hier den Drogenverkauf organisiert?«

Wenn das stimmt, aber inzwischen deutet ja immer mehr darauf hin, dann ist die Marianne eine wichtige Kronzeugin gegen den Angerer und schwebt somit in höchster Lebensgefahr. Jetzt ist mir auch klar, warum der Todesholler sie schon im Regensburger Klinikum erschießen wollte.

»Absolut, Xaver. Ich habe sogar noch ein paar schriftliche Aufzeichnungen vom Riebel, die die Juliane ihm gestohlen hat. Über die sind wir ja erst auf die ganze Sache gekommen.«

»Wo sind die?«

»Ich hab sie im Beichtstuhl unter einem der Fußbodenbretter versteckt, wie ich das Heroin deponiert habe.«

»Wie bist eigentlich aus dem Keller in der Kirche rausgekommen?«

»Die Juliane hat mich rausgelassen. Sie ist ja aus dem Krankenhaus weg und gleich nach Wörth. Und da hat sie zufällig ein Gespräch vom Opa und dem Pfarrer belauscht, die über den Keller in der Kirche und die Gefangenen darin geredet haben. Da ist sie los und hat mich rausgeholt.«

»Marianne, ich sorg dafür, dass du beschützt und bewacht wirst, und dann machst einen Entzug. Der Opa und die Oma und die Eva und ich, wir sind doch für dich da. Da musst nicht alleine durch, wir helfen dir, wo wir können.«

»Xaver, ich brauch keine Hilfe. Ich hätte die Juliane gebraucht, aber die find ich nur noch im Reich der Toten.«

Die Marianne, die hat mit ihrem Leben gänzlich abgeschlossen, richtig gruselig ist das, wie sie so redet. Hoffentlich fängt sie sich noch einmal. Ich könnte es mir nie verzeihen, wenn sie sich was antut und ich ihr tatsächlich nicht mehr helfen kann.

»Marianne, ruh dich erst einmal aus. Wir reden über alles, wenn es dir bessergeht.«

Nachdem ich ihr Zimmer verlassen habe, rufe ich gleich im Klinikum Regensburg an und lasse mich mit dem behandelnden Arzt von der Juliane verbinden. Vielleicht gibt es da ja was Neues. Und tatsächlich hat sich der Zustand von der Juliane so weit stabilisiert, dass sie außer Lebensgefahr ist. Ich überlege kurz, dann gehe ich noch mal zur Marianne rein.

»Marianne, ich muss dir was sagen. Die Juliane ist nicht tot. Die liegt im Klinikum in Regensburg, und gerade hab ich erfahren, dass sie ziemlich wahrscheinlich überleben wird.«

Sie schaut mich mit großen Augen an, dann laufen ihr Tränen übers Gesicht.

»Xaver, das ist die schönste Nachricht seit Jahren«, flüstert sie. »Vielleicht wird ja doch noch alles gut.«

Ich bin mir da nicht so sicher, aber vielleicht gibt es der Marianne ihren Lebenswillen zurück, wenn die Juliane weiterlebt. Als Nächstes rufe ich den Huber an, dass der gleich ein paar Mann zur Bewachung herschickt, die den Transport von der Marianne ins Klinikum begleiten und für ihre Sicherheit sorgen.

Dann fahre ich zur Kirche und such im Beichtstuhl nach den angeblichen Dokumenten, die den Angerer belasten könnten, aber leider sind sie verschwunden oder waren auch niemals dort, so sicher bin ich mir da momentan nicht mehr.

Da fällt mir ein, dass ich ja noch ein ernstes Wort mit dem Pfarrer reden muss wegen dem seinem neuen Hobby. Es geht halt einfach nicht, dass der sich wie ein wildgewordener Sheriff gebärdet und mit scharfen Waffen als Zivilist durch die Gegend rennt. Also suche ich in der Sakristei nach ihm, aber ganz gegen seine sonstigen Gewohnheiten sitzt er nirgendwo rum. Ich beschließe, rüber ins Pfarrhaus zu gehen.

Gerade als ich an die Türe klopfen will, fällt drinnen ein Schuss. Das darf ja wohl nicht wahr sein, macht der Pfarrer am helllichten Tag Schießübungen in seinem Haus? Ich ziehe meine Pistole und schleiche mich lautlos um das Pfarrhaus herum. Gerade als ich die Terrassentüre erreiche, die offen steht, fällt der nächste Schuss. Leider kann ich nichts sehen, aber das macht mir gar nix aus. Mit einem gekonnten Hechtsprung lande ich im Wohnzimmer und suche hinter der Couch Deckung.

»Waffe weg«, brülle ich, »und Hände hoch, so dass ich sie sehen kann!«

Der Pfarrer, der auf dem Sessel sitzt, reißt seine Arme hoch, und tatsächlich hält er in einer Hand eine Pistole. Die Schüsse sind allerdings nicht aus seiner Waffe, sondern aus dem Lautsprecher gekommen, weil sich der Pfarrer irgend so einen blöden Hörkrimi im Radio anhört. Wie ich den Pfarrer so sehe, muss ich doch grinsen, obwohl mir gar nicht danach zumute ist. Aber er schaut halt zu deppert aus in seinem Aufzug. Hat er doch tatsächlich schon wieder seine schwarzen Klamotten an. Dazu hat er sich einen Cowboyhut aufgesetzt und sich wie im Fasching ­einen künstlichen Oberlippenbart aufgeklebt. Um seine Hüften baumelt ein Pistolenhalfter, den er sich in Wildwestmanier an seinem Oberschenkel festgebunden hat.

»Pfarrer, hast um diese Zeit nicht eigentlich Beichtstunde drüben in deiner Kirche?«

»Da kommt doch eh keiner. Und wenn doch, dann wissen meine Schäfchen ja, wo sie mich finden«, erklärt er ernsthaft.

»Eberdinger, wenn dich jemand aus der Gemeinde so sieht, dann ist es endgültig vorbei mit deiner Autorität als Pfarrer, des ist dir hoffentlich klar.«

Er schaut an sich hinunter und schüttelt verwundert den Kopf.

»Was gefällt dir nicht an meinem neuen Look?«

»Eberdinger, von mir aus rennst in Frauenröcken rum, des ist mir wurscht. Aber mit einer Waffe, des geht halt gar nicht. Da gibt es Gesetze, und an die musst du dich halt auch halten.«

»Gesetze, Gesetze«, äfft er mich nach. »Da draußen laufen Kriminelle rum. Da hat man als normaler Bürger schon Angst, wenn die Herrn Polizisten das nicht alleine gebacken bekommen. Da hast ja wohl noch das Recht, dich zu verteidigen.«

Der sture Saukopf hat halt leider auch nichts dazugelernt. Das ist beim letzten Mal schon völlig eskaliert, als er das Gesetz selbst in die Hand nehmen wollte und eine Bürgerwehr gegründet hat. Also springe ich auf ihn zu und entwinde ihm seine Waffe. Im Gerangel löst sich ein Schuss, und sein schöner Kronleuchter segelt auf den Boden.

»Dimpfelmoser, den musst mir ersetzen, dass das klar ist. Das ist Eigentum der Kirche.«

»Gar nix ersetz ich dir.«

Ich zieh ihn an seinem Haarschopf und seinen Kopf nach hinten, so dass er sich fast nicht mehr rühren kann.

»Eberdinger, hast noch mehr von den Waffen hier?«

»Wenn du meine Waffensammlung sehen willst, dann brauchst ja nicht gleich so grob werden, gell«, ereifert er sich. »Komm mit in mein Schlafzimmer, dann zeig ich dir meine Sammlung.«

Er öffnet eine Truhe, und mir springen gleich meine Augen aus dem Kopf. Hat der Pfarrer völlig ungesichert da drinnen drei Pistolen und eine Maschinenpistole liegen. Ich begutachte das Arsenal etwas genauer. Alle sind scharf geladen, und in der Kiste liegt schachtelweise Munition rum.

»Ist alles beschlagnahmt, Pfarrer«, erkläre ich.

»Ich habe einen Waffenschein dafür«, entrüstet er sich.

»Und ich sorge dafür, dass du den abgeben musst. Du kannst doch nicht einfach scharfe Waffen in so einer Truhe lagern. Die müssen in einen Waffenschrank, und die Ladung muss raus. Das ist grob fahrlässig, und dass du nicht mit Waffen umgehen kannst, sondern damit nur größenwahnsinnig wirst, hast uns ja wieder einmal eindrücklich bewiesen. Du bist kein Hilfssheriff oder ­so was, sondern der Pfarrer. Mensch Eberdinger, wie ein kleines Kind! Ich hab echt was Wichtigeres zu tun, als mich mit dir hier zu streiten.«

Und dann fällt mir noch ein, was die Marianne gesagt hat.

»Du, und in deinem Beichtstuhl, hast da nicht zu­fällig auch noch was gefunden?«Er wird gleich ganz kleinlaut, der Pfarrer. Er probiert es zwar immer wieder, aber im Lügen ist er einfach ganz schlecht. Das wäre ja auch noch schöner. Der soll zeitlose Wahrheiten predigen und nicht lügen, der Eberdinger.

»Wo ist es?«

Er holt aus seinem Nachttisch ein paar Zettel hervor und übergibt sie mir kleinlaut.

»Des nennt man Unterschlagung von Beweismaterial«, erkläre ich ihm. »Damit hast unsere Ermittlungen behindert, und dafür könnt ich dich ins Gefängnis bringen, Eberdinger.«

Jetzt ist er ganz still. Ich packe die Zettel ein und nehme gleich seine ganze Truhe mit.

»Die kannst dir bei uns drüben bei Gelegenheit abholen, Pfarrer. Und wenn du nicht aufhörst, Sheriff zu spielen, dann sperr ich dich ein, hast mich verstanden?«

»Dimpfelmoser, ja. Du bist ein richtiger Spielverderber. Endlich hat es mal wieder Spaß gemacht hier, in dieser tristen, gottlosen Gemeinde. Aber du vergönnst einem halt gar nichts.«

Ich bringe die Waffen schnell in die Dienststelle und sperre sie in die Waffenkammer. Auf der Straße holt mich dann der Fall wieder mit voller Wucht ein, während ich rübergehe in die Einsatzzentrale.

Beim Schorsch ist es brechend voll, weil inzwischen auch der Heulerich mit seinen Männern eingetroffen ist. Er soll die Durchsuchung der Angermühle organisieren. Von der Eva fehlt nach wie vor jede Spur.

»Ist der Durchsuchungsbeschluss vom Richter schon da?«, will ich wissen.

»Dimpfelmoser, lass uns nur machen. Du brauchst dich um nichts kümmern, wir übernehmen das. Da müssen Spezialisten ran, das ist nichts für so einfache Polizisten vom Dorf.«

Der Heulerich kann es halt einfach nicht lassen. Bei jeder Gelegenheit wird er zum überheblichen Gockel und gebärdet sich in seiner Alphamännchen-Manier wie ein Gorilla.

»Du brauchst mir auch nichts mehr erzählen, das hat der Oberberger schon getan. Ich weiß alles, was ich wissen muss.«

»Heulerich, ich …«

»Dimpfelmoser, kapier es halt endlich einmal. Die Welt dreht sich nicht nur um dich. Du gehst jetzt heim und ruhst dich aus. Wir erledigen das, und in ein paar Stunden hast deine Eva wieder. Die finden wir sicher irgendwo beim Angerer draußen.«

»Woher willst wissen, dass du die Eva da findest? Der wär schön blöd, wenn er sie da gefangen hält.«

Er schaut mich an, als hätte er es mit einem Volldeppen zu tun.

»Ja wo soll er sie denn sonst haben?«

Kopfschüttelnd lässt er mich einfach stehen und stolziert nach vorne, wo der Reindl einen Computer und einen Beamer aufgebaut hat. Er drückt ein paar Tasten, und an der Wand erscheint ein Luftbild von der Angermühle.

»Männer«, brüllt er, »das ist unser Objekt. Schwierig zu sichern, weil nach allen Seiten vollkommen offen. Aber für uns ist das natürlich kein Problem. Wir greifen den Feind von allen Seiten gleichzeitig an. Wir brauchen das Überraschungsmoment, weil dort eine Geisel gefangen gehalten wird. Und die befreien wir unversehrt, damit das klar ist.«

Während der Heulerich sich vorne in Pose wirft und weiter seinen Plan zur Stürmung der Angermühle erklärt, lese ich mir den richterlichen Beschluss durch. Da steht aber halt gar nichts von einer Erstürmung, ­sondern nur von einer offiziellen Durchsuchung des ­An­wesens. Aber dass das den Heulerich nicht inter­essiert, wenn er Rambo spielen will, war eigentlich zu erwarten.

»Dimpfelmoser, Sie halten sich raus, dass das klar ist.«

Unbemerkt hat sich der Huber an mich herangeschlichen.

»Huber, wissen’S schon, dass der Heulerich mal wieder maßlos übertreibt.«

»Der Mann weiß, was er tut. Ganz im Gegensatz zu Ihnen, Dimpfelmoser. Sie gehören zu einem Arzt, anstatt hier mitzumischen.«

»Des haben wir doch schon besprochen, Huber. Sie müssen mich erschießen oder verhaften, dann halt ich mich raus. Ansonsten bleib ich dabei, und zwar so lange, bis die Eva gefunden ist.«

»Dimpfelmoser, ich kann es immer noch nicht glauben. Der Herr Angerer ein Drogenmafiosi? Der verkehrt doch in den höchsten Kreisen unserer Gesellschaft.«

»Legen’S da jetzt immer noch Ihre Hände für den Angerer ins Feuer, so wie’S des gesagt haben, wie mia die Leiche gefunden haben? Da hätten’S sich jetzt aber ganz schön Ihre Hände verbrannt, Huber.«

»Dimpfelmoser, des brauchen’S doch nicht so wörtlich nehmen. Vergessen’S des jetzt einfach einmal.«

»Und die Verbindungen vom Herrn Angerer zum stellvertretenden Innenminister? Huber, stellen Sie sich den Skandal vor, wenn der da auch verstrickt ist.«

»Daran habe ich noch gar nicht gedacht, Dimpfelmoser. Da kann ja auch mein Ruf einen Schaden nehmen, wenn da wirklich was dran ist. Ich war es ja schließlich, der die letzte Konferenz wegen der Drogenkriminalität beim Herrn Angerer organisiert hat.«

»Und was wollen’S tun, wenn des alles wirklich stimmt, Huber?«

»Dimpfelmoser, ich weiß es noch nicht. Ich rufe jedenfalls gleich den Landrat Hinterbirner an, um mich mit ihm zu besprechen.«

»Des lassen’S lieber bleiben, Huber. Weil der Landrat telefoniert dann sicher gleich mit dem stellvertretenden Innenminister. Und wenn der Dreck am Stecken hat, dann ist er ja vorgewarnt, und dann sind Sie schuld, wenn der Beweise vernichtet oder seine Kontakte spielen lässt und unsere Ermittlungen ins Leere laufen. Solange wir die Eva nicht haben, stellen’S halt einmal Ihren Ruf hintenan, Huber. Bitte!«

»Nun gut, Sie haben ja recht. Wir wollen ja keine Menschenleben gefährden«, tut er ganz gönnerisch, das alte Arschloch.

Inzwischen ist der Heulerich fertig mit seinen Ausführungen, und alle machen sich bereit zum Abmarsch, um die Angermühle zu erstürmen. In bester Heulerichmanier fliegen Blendgranaten und Rauchbomben, und innerhalb von fünf Minuten ist tatsächlich das ganze Gelände gesichert. Der ganze Einsatz läuft diesmal völlig fehlerfrei und präzise ab, das muss ich dem Heulerich anerkennend zugestehen. Bis auf den Gärtner ist aber leider immer noch niemand anwesend.

»Wo sind sie?«, brüllt ihn der Heulerich an. »Ich schlag dir deine Fresse ein, wenn du nicht sofort damit rausrückst.«

Der arme Mann weiß gar nicht, wie ihm geschieht.

»Heulerich, lass gut sein«, greife ich ein. »Du hast deinen Job super gemacht, und jetzt sucht’s weiter jeden Zentimeter hier ab nach der Eva. Irgendwo muss sie ja sein.«

Der nickt nur und verschwindet, ohne dass er noch einen weiteren blöden Kommentar loslässt. Die Anspannung wegen der Geisel geht halt an niemandem spurlos vorüber, auch am Heulerich nicht.

»Da hättest nicht damit gerechnet, dass mir uns so schnell wiedersehen?«, wende ich mich an den Mindelsheimer, der immer noch völlig verängstigt an der Wand steht, an die ihn der Heulerich gedrückt hat, um ihn nach Waffen zu durchsuchen.

»Also Mindelsheimer, jetzt rufst den Angerer an, dass der sofort herkommt. Aber du sagst ihm kein Wort von der Aktion. Sag ihm, dass der Keller überflutet ist oder so was. Hauptsache, der kommt.«

Ich geb ihm mein Handy, und er ruft den Angerer an. Der ist wohl ganz in der Nähe, jedenfalls taucht er eine Viertelstunde später auf. Die Männer vom Heulerich lassen ihn auf den Hof fahren, und dann wird er sofort überwältigt und in Handschellen gelegt.

»Servus, Sigi, hier bin ich wieder«, begrüße ich ihn.

»Was soll das Ganze? Ich werde mich an höchster Stelle beschweren, da kannst aber Gift darauf nehmen, Xaver.«

Der Huber, der Feigling, hält sich dezent im Hintergrund, damit ihn der Angerer ja nicht sieht. Also bleibt die ganze Arbeit wieder an mir hängen, weil auch der Krintinger weit und breit nicht zu sehen ist.

»Sigi, mia ham hier einen Durchsuchungsbeschluss für dein Anwesen.«

Ich halte ihm den Schrieb unter die Nase. Er liest sich alles durch, dann strafft er sich.

»Ich habe keine Ahnung, was ihr hier sucht, aber natürlich helfe ich euch, wo ich nur kann. Sag mir einfach, was ihr braucht.«

Aha, geht doch. Aber irgendwie irritiert mich das schon, dass der Sigi überhaupt nicht nervös ist.

»Sigi, die Eva wurde entführt, und du bist beschuldigt worden, dass du was damit zu tun hast«, probiere ich mein Glück.

»Eva, wer ist des?«, tut er ganz unwissend, obwohl er genau weiß, von wem ich rede. »Wer behauptet so was? Das ist übelste Verleumdung, da kannst dich darauf verlassen, dass ich den Lügner verklagen werde.«

»Weiter wissen mia, dass du in illegale Drogengeschäfte verwickelt bist. Das haben Zeugen bestätigt.«

»Xaver, auch dagegen werde ich vorgehen, weil da beschmeißt mich wer mit übelstem Dreck. Das alles ist überhaupt nicht wahr. Ich bin ein seriöser Geschäftsmann, und mit solchen Machenschaften habe ich nichts zu tun. Ich will meinen Anwalt sofort hier dabeihaben, bis dahin sage ich kein Wort mehr.«

»Gehen mia in dein Büro, da kannst ihn anrufen. Und dann gibst uns gleich die Schlüssel für deine Schatzkammer, weil die müssen mia auch durchsuchen.«

Wortlos folgt er mir und bestellt seinen Anwalt her. Ich glaub es ja nicht, als ich den Namen höre. Es ist tatsächlich der Rohrstopfer, dieser schleimige Paragrafenfuzzi, mit dem ich es schon im letzten Fall zu tun hatte.

»Du, und dass deine Frau Heroin an deine Angestellten verteilt …«, versuche ich es weiter.

Er schweigt einfach und grinst mich siegessicher an.

»Und dass es deine Gattin mit einem jeden treiben will …«

Auch hierzu schweigt er. Also setze ich mich ihm gegenüber und starre ihm genauso in seine blöde Fresse, wie er zu mir rüberschaut. Innerlich zerreißt es mich fast. Wenn wir wirklich den Falschen haben? Wer hat dann die Eva? Wer ist der Entführer? Mir läuft langsam, aber sicher die Zeit davon.

»Sigi, bitte, wenn du die Eva hast, dann sag mir, dass sie noch lebt«, probiere ich es, aber sein Gesicht bleibt unbewegt.

»Xaver, das ist tragisch, aber ich kann dir halt nicht helfen«, erklärt er.

Endlich trifft der Rohrstopfer ein. Er ist genauso erfreut über unser Wiedersehen wie ich. Unsere letzten Be­gegnungen waren ziemlich schmerzhaft für ihn, weil er sich an der Klingel unseres Reviers seinen Finger zerstört hat und überhaupt der ganze Fall sehr unerfreulich war.

»Servus, Rohrstopfer, wie geht es dem werten Finger?«, frage ich höflich, nicht dass unsere erneute Begegnung gleich wieder in falsche Bahnen gerät.

»Meinem Finger geht es blendend. Ihrer Klingel hoffentlich auch. Aber deswegen sind wir nicht hier. Zeigen Sie mir Ihren Durchsuchungsbeschluss.«

Ich gebe ihm den Wisch. Endlich taucht auch der Krintinger auf. Der leitet ja eigentlich die ganze Aktion, und ich bin nur hier, weil mich der Huber sonst erschießen müsste. Der Rohrstopfer liest sich alles in Zeitlupentempo durch.

»Worauf begründet sich Ihr Verdacht gegen meinen Mandanten?«

»Wir haben Zeugenaussagen, und unsere Ermittlungen legen den begründeten Verdacht nahe, dass der Herr Angerer in illegale Heroingeschäfte und in eine Entführung verwickelt ist.«

Der Rohrstopfer nickt langsam.

»In Ordnung, wir werden mit Ihnen unter Protest zusammenarbeiten. Der Herr Angerer hat nichts, aber rein überhaupt nichts zu verbergen. Und natürlich werde ich die Preisgabe der Identität Ihrer Zeugen beantragen und gerichtlich gegen diese vorgehen wegen übelster Verleumdung.«

Der Sigi sperrt uns also seine heiligen Weinhallen auf, aber von der Eva ist nichts zu sehen. Die Männer vom Heulerich nehmen sämtliche Akten mit. Der Sigi gibt dem Reindl das Passwort zu seinem Computer, aber nach einer halben Stunde schüttelt der nur den Kopf.

»Nichts, was uns weiterhilft. Wir geben den Computer dem Mühlbauer mit, vielleicht findet der was.«

Die ganze Aktion läuft völlig ins Leere. Der inzwischen eingetroffene Mühlbauer nimmt mit seinem Team überall Proben, die Männer vom Heulerich durchkämmen jeden Winkel des Anwesens und des Geländes, und eine Hundestaffel sucht nach der Eva. Der Krintinger nimmt den Angerer und den Rohrstopfer mit, um die Aussage vom Angerer in einem Verhörraum aufzunehmen. Endlich kriecht auch der Huber wieder ans Licht.

»Wo waren’S denn, Huber?«, kann ich mir nicht verkneifen. »Haben’S Dünnschiss, oder warum waren’S plötzlich verschwunden?«

»Ähem, Dimpfelmoser, ich muss doch sehr bitten. Ich habe mich halt an der Durchsuchungsaktion beteiligt. Ich als ranghöchster Beamter vor Ort muss halt manchmal mit gutem Beispiel vorangehen, um die Männer zu motivieren.«

Ich lasse ihn einfach stehen, die alte Schleimsau, und setze mich auf eine Bank am Golfplatz, um in Ruhe nachzudenken.

Kann es sein, dass mich alle angelogen haben und der Angerer wirklich nicht unser Mann ist? Unsere ganze Aktion beruht auf den Aussagen vom Riebel, der inzwischen tot ist, auf den Äußerungen meiner Schwester, die schwer drogenabhängig ist und ständig lügt, und auf den Äußerungen vom Gärtner, der ebenfalls schon wieder an der Nadel hängt. Kann es sein, dass ich diesmal völlig falschliege? Haben wir irgendetwas übersehen? Wo kann nur die Eva sein? Und wer war der Vermummte, der die beiden Gefangenen befreit und die Eva entführt hat? Gibt es einen Unbekannten, den wir einfach nicht zu fassen kriegen? In meinem Kopf wirbeln alle Fragen durcheinander, ohne dass mir eine neue Idee kommt. ­Jedenfalls können wir nicht darauf hoffen, dass wir irgendwas in den Akten oder auf dem Computer vom Angerer finden werden. So sicher wie der war, gibt es bei dem auf dem Gelände außer vielleicht seine ehemals straffälligen Angestellten nichts, was ihn verdächtig machen würde, da bin ich mir inzwischen ganz sicher. Aber wo sollen wir dann ansetzen? In mir breitet sich zum ersten Mal seit Sonntag ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit und bleierner Schwere aus. Wenn wir gar nicht weiterkommen, dann kann ich immer noch das Heroin übergeben. Aber meine Schwester, die kann ich nicht gegen die Eva austauschen. Vielleicht hat der Huber recht, und ich sollte die ganze Angelegenheit dem Krintinger überlassen. Aber das geht nicht, solange die Menschen in Gefahr sind, die mir neben dem Opa und der Oma am meisten bedeuten in meinem Leben.

»Xaver, lass uns zurückfahren. Wir können hier nichts mehr tun.«

Der Reindl, der Oberberger und die Gerlinde stehen plötzlich neben mir und schauen mich alle an.

»Nichts, oder?«

»Überhaupt nichts, bisher.«

»Die Eva ist nicht hier, des spür ich. Der Angerer hängt mit drin, aber des können mia ihm nicht nachweisen. Was sollen mia da jetzt machen?«

»Ich tät eine Maß trinken«, meint die Gerlinde, »des hilft bei mir immer, da kann ich dann gleich wieder klar denken.«

»Dem Angerer könnten mia die Fresse polieren, dann redet der schon«, meint der Oberberger.

»Wir setzen uns in der kleinen Runde noch mal zusammen und gehen alles durch, was wir haben«, schlägt der Reindl vor.

Also fahren wir zurück nach Wörth, ohne Musik, ohne Blaulicht und ohne irgendeine Idee, wie wir weiter vorgehen sollen.