11. KAPITEL
Mia konnte nicht anders. Sie musste die Hand nach ihm ausstrecken.
Wie konnte sie Abstand halten von ihm, wo ihr Herz sich nach ihm verzehrte?
Doch Frisco fing ihre Hand ab, noch ehe sie seine Wange berührte. „Du willst das doch gar nicht“, sagte er leise und musterte sie forschend. „Erinnerst du dich?“
„Vielleicht brauchen wir beide einander mehr, als ich dachte“, flüsterte sie.
Er schenkte ihr ein ergreifend schmerzliches Lächeln. „Du brauchst mich nicht, Mia.“
„Doch, ich brauche dich.“ Ein wenig war sie selbst überrascht, dass das stimmte. Sie brauchte ihn, sie brauchte ihn so sehr. Sie hatte es versucht. Sie hatte sich allergrößte Mühe gegeben, sich nichts aus diesem Mann, diesem Soldaten zu machen. Sie hatte Distanz gewahrt, sich unnahbar und gefühllos gegeben, aber irgendwie hatte er dennoch ihre Abwehr durchbrochen und ihr Herz erobert.
Seine Augen schauten so traurig, so warm und freundlich. All sein Zorn hatte sich in Luft aufgelöst, und Mia wusste, dass sie wieder den Mann sah, der er einmal gewesen war. Den Mann, den er über Schmerzen und Verbitterung beinahe selbst nicht mehr kannte.
Sie wusste, dass er wieder so werden konnte. Dass er tief in seinem Inneren immer noch so war. Er musste einfach nur aufhören, sein ganzes Glück und seine Zukunft von etwas abhängig zu machen, was nicht erreichbar war. Das aber konnte sie ihm nicht abnehmen. Das musste er selbst schaffen. Aber sie konnte heute Nacht bei ihm sein, für ihn da sein, ihn fühlen lassen, dass er nicht allein war.
„Was du willst, kann ich dir nicht geben“, sagte er mit heiserer Stimme.
Liebe. Er sprach von Liebe.
„Dann sind wir quitt.“ Mia befreite ihre Hand aus seinem Griff und berührte sein Gesicht. Seine Wangen und sein Kinn waren unrasiert und stachelig, doch das störte sie nicht. Im Moment war es ihr auch egal, ob er sie liebte. „Ich kann dir nämlich auch nicht geben, was du willst.“
Sie konnte ihm nicht dazu verhelfen, wieder ein SEAL zu sein. Wenn sie es allerdings gekonnt hätte, sie hätte es sofort getan.
Langsam beugte sie sich vor und küsste ihn hauchzart auf die Lippen.
Frisco bewegte sich nicht, reagierte nicht. Als sie ihn noch einmal küssen wollte, hielt er sie mit der Hand an der Schulter zurück.
Sie kniete neben ihm auf der Couch. Er betrachtete ihre Beine, ließ den Blick hochwandern zu dem dünnen Baumwollstoff ihres Nachthemds und schließlich zu ihren Augen. „Du spielst mit dem Feuer“, sagte er leise. „Auch wenn ich eine ganze Menge Dinge nicht mehr tun kann, eine schöne Frau lieben kann ich sehr wohl.“
„Vielleicht sollten wir eine neue Liste aufstellen – mit Dingen, die du noch tun kannst. ‚Liebe machen‘ sollte ganz oben stehen.“
„Mia, du solltest jetzt gehen …“
Sie küsste ihn, und er wich zurück.
„Verdammt, du hast doch selbst gesagt …“
Wieder küsste sie ihn, heftiger diesmal, legte ihm die Arme um den Hals, eroberte seinen Mund mit der Zunge. Er erstarrte regelrecht. Mia war klar, dass er ihr so viel Kühnheit nie zugetraut hätte.
Sein Zögern währte jedoch nur den Bruchteil einer Sekunde, dann legte er die Arme um sie, presste sie an sich und erwiderte ihren Kuss. Wild und fordernd, leidenschaftlich und verlangend.
Und obwohl sie sich erst einmal geküsst hatten, unten am Strand, fühlte er sich seltsam vertraut an.
Mia spürte seine Hände auf ihrem Rücken. Sie glitten unter ihr Sweatshirt und über ihre Hüften, ehe sie über ihre nackten Beine strichen. Dann hob er sie leicht an und zog sie auf sich.
Sie hatte ihre Finger in seinem Haar vergraben und hätte am liebsten den Rest ihres Lebens in Alan Franciscos Armen verbracht. Mehr wünschte sie sich gar nicht, mehr brauchte sie nicht, als ihn immer und immer wieder zu küssen und sein Haar zu streicheln.
Doch als er sich unter ihr bewegte und sie seine harte Erregung spürte, wurde ihr klar, dass sie falschlag. Sie brauchte mehr. Und sie wollte mehr.
Er zog ihr das Sweatshirt aus, zerrte ihr Nachthemd aus dem Bund ihrer Shorts, schob die Hände darunter. Mia stöhnte leise auf, als sie seine starken Hände auf ihrem Rücken spürte. Aber dann hielt er inne und wich zurück.
„Mia.“ Sein Gesicht war verzerrt vor Frust. „Ich möchte dich hochheben und zum Bett tragen.“ Doch er konnte nicht. Er konnte sie nicht tragen, nicht mit Krücken, ja nicht einmal, wenn er nur den Stock gebraucht hätte.
Er sollte jetzt aber nicht über Dinge nachdenken, die er nicht konnte. Mia glitt rasch von ihm herunter und sah auf ihre Armbanduhr. „Warum machen wir nicht einen Zeitvergleich und treffen uns dort in … sagen wir … null zwei Minuten?“
Er musste lachen, war aber immer noch angespannt. „Null zwei – so sagt man das nicht. Du kannst sagen null zweihundert, wenn du zwei Uhr meinst. Aber zwei Minuten sind zwei Minuten, auch bei den SEALs.“
„Ich weiß“, gab Mia zurück. „Ich wollte nur dein Lächeln sehen. Wenn das nicht funktioniert hätte, hätte ich es so versucht.“ Damit zog sie sich betont langsam ihr Nachthemd hoch und über den Kopf, ließ es dann auf seinen Schoß fallen.
Sein Lächeln erlosch. Er schaute zu ihr hoch und starrte voller Verlangen auf ihre nackten Brüste.
Mia war verblüfft. Da stand sie nun halbnackt vor diesem Mann, den sie gerade mal ein paar Tage kannte. Er war Soldat, ein Kämpfer, der dazu ausgebildet war zu töten. Er war der härteste und schwierigste Mann, der ihr je begegnet war, und doch war er zugleich auch der Verletzlichste. Er vertraute ihr so sehr, dass er ihr einige seiner größten Geheimnisse anvertraut und ihr tiefen Einblick in seine Seele gewährt hatte. Verglichen damit, war es eine Kleinigkeit, ihren Körper vor ihm zu entblößen.
Ohne zu erröten und völlig selbstbewusst, hielt Mia seinem Blick stand. Sie konnte das, weil sie felsenfest davon überzeugt war, das Richtige zu tun, wenn sie mit diesem Mann schlief. Bisher hatte sie bei jedem ihrer Liebhaber ein Gefühl der Unsicherheit, des Zweifels verspürt. Aber sie war noch nie jemandem wie Alan Francisco begegnet. Einem Mann, der so ganz und gar anders zu sein schien als sie selbst – und der ihr doch nur in die Augen zu blicken brauchte, sie mit nur einem Wort oder einer Berührung so elektrisierte, dass sie ihm sich augenblicklich mit jeder Faser verbunden fühlte.
Sie hielt sich eigentlich nicht für eine Exhibitionistin. Andererseits hatte sie aber auch noch nie ein Mann so angesehen wie Frisco. Sie spürte, wie ihr Körper sich unter seinem feurigen Blick erwartungsvoll anspannte. Sein Blick war erregend – und fast so schön, als würde er sie liebkosen.
Sie hob die Arme und löste ganz langsam und bedächtig ihren Pferdeschwanz, schüttelte sich die langen Haare über die Schultern, genoss es, wie er sie mit den Augen verschlang.
„Du lächelst gar nicht“, flüsterte sie.
„Oh doch. Ganz tief innen drin.“
Und dann verzog sich sein Mund zu einem schiefen, ein wenig traurigen Lächeln, in dem sich Zweifel und Ungläubigkeit, Staunen und Erwartung mischten. Mia sah den ersten Funken von Hoffnung in seinen Augen aufglimmen, und im selben Moment wusste sie, dass sie verloren war. Sie hatte sich hoffnungslos und unsterblich in diesen Mann verliebt.
Damit er nicht erkannte, was in ihr vorging, bückte sie sich rasch, hob ihre Sachen vom Fußboden auf und verschwand durch den Flur ins Schlafzimmer. In sein Bett.
Frisco war nur wenige Schritte hinter ihr, aber sie hörte, wie er vor Natashas Zimmer stehen blieb und kurz nach ihr schaute.
„Wie geht es ihr?“, fragte sie, als er wenig später zu ihr kam. Er schloss die Tür hinter sich. Und schloss ab. „Sie fühlt sich längst nicht mehr so heiß an.“
Mia ging zum Fenster und zog die Vorhänge bis auf einen Spalt zu, damit niemand vom Laubengang hereinschauen konnte, aber dennoch etwas Licht ins Zimmer fiel. Sie drehte sich um und stellte fest, dass Frisco sie musterte.
„Hast du Kondome?“, fragte sie.
„Ja. Es ist eine Weile her, aber … ja.“
„Bei mir ist es auch eine Weile her“, sagte sie sanft.
„Es ist noch nicht zu spät. Du kannst es dir immer noch anders überlegen.“ Er trat einen Schritt von der Tür weg, um ihr den Weg frei zu machen. Und schaute zur Seite, als wüsste er, dass sein Blick sie in den Bann schlagen konnte.
„Warum sollte ich?“
„Vielleicht wegen eines plötzlichen Anfalls von Vernunft?“, meinte er mit einem traurigen Lächeln.
„Ich möchte mit dir schlafen“, gab sie zurück. „Ist das wirklich so unvernünftig?“
Frisco sah sie an. „Du könntest jeden haben, den du willst“, stellte er fest. „Wirklich jeden.“ In seiner Stimme war keine Spur von Selbstmitleid. Er sprach nur aus, was er für eine Tatsache hielt.
„Gut. Ich will dich.“
Er hörte ihre sanften Worte, doch erst als sie lächelte und auf ihn zukam, begriff er wirklich, was sie gesagt hatte.
Mia wollte ihn. Ausgerechnet ihn!
Ihre Haut schimmerte matt im schwachen Schein der Außenbeleuchtung. Ihr Körper war noch schöner, als er es sich erträumt hatte. Ihre Brüste waren klein und straff. Er fieberte danach, sie mit Händen und Lippen zu berühren, und lächelte in dem Wissen, dass er genau das gleich tun würde.
Sie blieb gerade außerhalb seiner Reichweite stehen.
Den Blick fest auf ihn gerichtet, öffnete sie ihre Shorts und ließ sie zu Boden gleiten.
Er hatte sie am Nachmittag im Bikini gesehen. Er wusste bereits, dass ihr straffer athletischer Körper seiner Idealvorstellung so nahe kam wie nur irgend denkbar. Sie war nicht üppig – manchen Männern war sie vermutlich sogar zu dünn. Ihre Hüften waren knabenhaft schmal, ihre Taille schlank. Sie war biegsam und grazil gebaut, eine wundervolle Mischung aus glatten Muskeln und weichen, fließenden Kurven.
Frisco setzte sich auf die Bettkante und streckte die Hand nach ihr aus, und sie schmiegte sich hingebungsvoll in seine Arme.
„Ich glaube, an diesem Punkt waren wir vorhin schon“, murmelte sie und küsste ihn.
Frisco stöhnte leise auf. Die Welt um ihn drehte sich. Ihre Haut war so weich und glatt, ihre Küsse raubten ihm fast den Verstand und erfüllten ihn mit heftigstem Verlangen. Sie zog ungeduldig an seinem T-Shirt, und er rückte ein wenig von ihr ab, um es sich über den Kopf zu ziehen, und endlich lag nackte Haut auf nackter Haut. Sie küsste ihn erneut, raubte ihm damit den Atem.
Er ließ sich rücklings aufs Bett fallen und zog Mia auf sich. Mit der Hand liebkoste er ihre Brustspitzen, ehe er sie in den Mund nahm und mit der Zunge umkreiste, bis Mia vor Wonne seufzte.
„Das ist schön“, hauchte sie, „so schön …“
Ihre geflüsterten Worte steigerten seine Erregung noch, und er zog sie fester an sich. Er konnte ihre Hitze spüren, trotz ihres Höschens und seiner Shorts. Er wollte sie berühren, schmecken, vollkommen ausfüllen. Er wollte sie ganz und gar, jetzt auf der Stelle und für immer besitzen.
Ihr Haar umfloss ihn wie ein zarter schwarzer Vorhang, als er sie erneut küsste. Sie fing an, sich sinnlich auf ihm zu bewegen.
„Mia …“, stöhnte er leise und hielt mit den Händen ihre Hüften fest.
Sie richtete sich auf, um ihn anzusehen. Ihr Blick war verhangen vor Leidenschaft, und ihre Lippen umspielte ein unwiderstehlich verführerisches Lächeln. Mit einer einzigen Bewegung warf sie ihr langes Haar über die Schulter zurück und machte sich daran, ihm die Shorts aufzuknöpfen und über die Hüften zu streifen. Dann ließ sie ihre Hand zwischen seine Schenkel gleiten.
Wie sie da über ihm kniete, wirkte sie wie eine fantastische erotische Traumgestalt. Ihr winziges Höschen aus weißer Seide brachte ihre glatte, goldbraune Haut äußerst vorteilhaft zur Geltung, und ihr langes dichtes Haar fiel ihr seidig über die Schultern.
Frisco streckte die Hand nach ihr aus. Am liebsten hätte er sie überall zugleich berührt, gestreichelt, geküsst.
Rasch streifte sie ihm auch die Boxershorts ab und beobachtete lächelnd, wie ein Ausdruck wilden Verlangens über sein Gesicht glitt, als sie seine pralle Männlichkeit fest mit den Fingern umschloss. Dann ließ sie selbst vor Lust stöhnend die Lider sinken, als seine Hand mit sanftem Druck ihre Brust umfasste.
Sie lehnte sich vor, um ihn erst leidenschaftlich auf den Mund zu küssen und dann mit ihren Lippen eine Spur von schnellen gehauchten Küssen über seinen Hals zu seiner Brust zu ziehen, während sie ihn mit einer Hand noch immer besitzergreifend umschlossen hielt.
Frisco unterdrückte einen Aufschrei, als sie mit ihrem Mund noch tiefer wanderte. Wellen der Lust überwältigten ihn.
Es war unglaublich erregend, und doch war es überhaupt nicht das, was er wollte. Ungeduldig zog er sie zu sich herauf.
„Magst du das nicht?“, fragte sie lachend, denn sie hatte natürlich gemerkt, wie sehr ihn das erregte und dass er nur noch mit Mühe an sich halten konnte.
Er wollte antworten, brachte aber nur ein heiseres Keuchen zustande, und sie lachte wieder. Ein klingendes, ansteckendes Lachen. Als er ihren Mund mit seinen Lippen verschloss, spürte er ihr Lachen und ihre Freude wie kleine Bläschen aufsteigen und in ihn eindringen. Und er war glücklich.
So glücklich! Himmel, wie lange war es her, dass er Glück empfunden hatte! Es war seltsam, verrückt, ja aberwitzig. Er konnte sich nicht entsinnen, selbst zu Zeiten, als er noch glücklich gewesen war, vor seiner schweren Verletzung, beim Liebesspiel jemals Glück empfunden zu haben. Verlangen, ja, auch sexuelle Befriedigung, Interesse, Vergnügen, ja, sogar unkontrollierbare Ekstase. Selbstsicherheit, Selbstvertrauen, Macht.
Aber nie zuvor hatte er sich so bedingungslos und unbestreitbar glücklich gefühlt. Nie zuvor war ihm Derartiges begegnet.
Außerdem hatte er noch nie eine Frau geliebt, die so gut zu ihm passte und ihre Leidenschaft so natürlich und ohne die geringste Scham auslebte. Sie hatte, ohne zu zögern, die Initiative ergriffen. Sie war selbstbewusst, furchtlos, ja, kühn.
Sie war so süß, so sanft und freundlich. Sie war nett. Die Art Frau, die ein Mann heiraten würde, um den Rest seines Lebens zufrieden ihre ruhige Wärme zu genießen.
Aber diese Seite ihres Wesens legte Mia im Bett einfach ab. Hier zeigte sie sich nicht ruhig und warm, sondern wild und heiß.
Frisco streichelte ihren Bauch und schob dann langsam die Hand in ihr seidenes Höschen. Sie war heiß und feucht und für ihn bereit, wie er es vermutet hatte. Voller Verlangen öffnete sie sich seiner Hand und zog im gleichen Augenblick seinen Kopf zu ihrer Brust.
„Ich will oben sein“, keuchte sie, „bitte …“
Frisco ließ sie los, rollte zur Seite und zog die Schublade seines Nachtschränkchens auf. Wie durch ein Wunder fanden seine tastenden Finger in dem Krimskrams darin sofort, was er suchte. Er riss die Folie auf und streifte sich das Kondom über, während Mia hastig ihr Höschen abstreifte und mit den Füßen wegstieß.
Dann kniete sie über ihm, ließ sich auf ihn herabsinken, er kam ihr entgegen, und in einer einzigen geschmeidigen Bewegung wurden sie eins.
Ihren Gesichtsausdruck in diesem Moment würde er nie in seinem Leben vergessen. Sie hatte die Augen geschlossen, die Lippen leicht geöffnet, warf den Kopf zurück in wunderbarer Ekstase.
Er war dafür verantwortlich. Er bereitete ihr dieses Vergnügen.
Sie öffnete die Augen und blickte ihn an, forschend, suchend. Und dann hatte sie offenbar entdeckt, wonach sie suchte, denn sie lächelte ihn so zärtlich an, dass ihm die Brust eng wurde.
Langsam begann sie, sich auf und ab zu bewegen. Ihr Lächeln schwand, doch ihre Augen ließen keine Sekunde von ihm ab.
„Alan…?“
Er war sich nicht sicher, ob er in diesem Moment sprechen konnte, aber er benetzte seine Lippen und versuchte es. „Ja …?“
„Das ist wirklich schön.“
„Oh ja.“
Mias Bewegungen wurden schneller, und Frisco legte seine Hände fest um ihre Hüften, um sie zu bremsen. Er wünschte sich, ewig so mit ihr verbunden zu sein, aber wenn sie so weiter machte, würde er explodieren … Sie ließ sich nicht bremsen, und er gab nach, zog sie auf sich herab und küsste sie in wildem Verlangen.
„Alan …“ Sie keuchte seinen Namen und umklammerte ihn fest, und er spürte die ersten Wellen ihrer stürmischen Erlösung.
Im selben Moment erklomm er den Höhepunkt. Aber er fiel nicht. Er flog, höher und höher zum berauschendsten Gipfel der Leidenschaft, den er jemals erklommen hatte. Höchste Sinneslust durchschoss ihn, setzte ihn in Flammen, verbrannte ihn und ließ ihn schließlich schwach und benommen zurück, erschüttert und erschöpft. Und immer noch vollends und durch und durch erfüllt von Glück.
Mias langes weiches Haar fiel ihm ins Gesicht. Er schloss die Augen, atmete tief den süßen Duft ihres Shampoos ein und entspannte sich.
Nach einer Weile hob sie den Kopf, seufzte tief und sah ihm liebevoll in die Augen. „Lebst du noch?“
„Und wie!“
„Jetzt wissen wir, dass Sex auf jeden Fall ein wichtiger Punkt auf der Liste der Dinge ist, die du noch tun kannst.“
Sein Knie. Unglaublich, er hatte keinen Augenblick mehr an sein Knie gedacht, seit er das Schlafzimmer betreten hatte. Er wollte auch jetzt nicht daran denken und sich den Frieden des Augenblicks so lange wie möglich erhalten.
„Ich bin nicht sicher. Wer weiß – vielleicht hatte ich einfach nur Glück? Sollten wir es nicht besser gleich noch mal versuchen?“
„Ich bin bereit, wenn du es bist“, antwortete Mia mit einem verführerischen Lächeln.
Heiß und heftig stieg erneut Verlangen in Frisco auf. „Gib mir eine Minute …“ Er küsste sie langsam, leidenschaftlich, vielversprechend.
Mia seufzte und beugte sich zurück, um ihn ansehen zu können. „Ich würde gern bleiben, aber …“
„Aber…?“
Lächelnd fuhr sie ihm mit den Fingern durchs Haar. „Es ist schon nach sechs, Alan. Wenn Natasha aufwacht, sollte ich besser nicht hier sein. Sie hat schon zu viel durchgemacht. Sie soll nicht auch noch glauben müssen, dass ich ihr Konkurrenz mache, wenn es um deine Zeit und deine Zuneigung geht.“
Frisco nickte. Sie hatte vermutlich recht. Obwohl er sie nur ungern gehen ließ, musste er doch auch an das Kind denken.
Mia schlüpfte aus seinen Armen und seinem Bett. Er beobachtete, wie sie ihre Kleider vom Boden aufhob.
„Du hast mich die ganze Zeit Alan genannt.“
Überrascht sah sie zu ihm hin, während sie ihre Shorts überzog. „Habe ich das? Entschuldige.“
„Für dich bin ich einfach Alan, nicht wahr?“, fragte er. „Nicht Frisco.“
Sie zog den Reißverschluss ihres Sweatshirts zu, kam dann herüber und setzte sich zu ihm aufs Bett. „Ich mag deinen Namen. Tut mir leid, wenn er mir immer wieder rausrutscht.“
Er stützte sich auf seinen Ellenbogen. „Er ist dir ziemlich oft raus gerutscht, als wir uns liebten.“
„Oh, hoffentlich hat dir das nicht den Spaß verdorben.“ Sie meinte es beinahe ernst.
Frisco lachte. „Wenn du mich Bob genannt hättest, dann vielleicht, aber …“ Zärtlich berührte er ihr Gesicht mit der Hand. „Zum ersten Mal seit Langem hat es mir tatsächlich gefallen, Alan genannt zu werden. Ich habe es sogar genossen.“
Mia schloss die Augen und schmiegte die Wange in seine Hand. „Ich habe es auf jeden Fall genossen, dich Alan zu nennen, so viel steht fest.“
„Wer weiß“, murmelte er und fuhr die Linie ihrer Lippen mit dem Daumen nach, „… wenn wir das öfter tun, gewöhne ich mich vielleicht sogar daran.“
Sie öffnete die Augen und sah ihn forschend an. „Willst du es denn … öfter tun?“ Die spielerische Leichtigkeit war aus ihrer Stimme verschwunden, zum ersten Mal in dieser Nacht klang sie unsicher.
Frisco konnte ihr nicht antworten. Dabei war es nicht ihre Frage, die ihn aus der Fassung brachte, sondern seine spontane Reaktion. Denn alles in ihm schrie: Ja. Gott, ja!
Die Situation war gefährlich, extrem gefährlich. Auf der einen Seite wollte er nicht, dass Mia mehr für ihn bedeutete als reines Vergnügen, als unverbindlicher Sex. Andererseits aber sollte sie seine Wohnung eben nicht in dem Glauben verlassen, diese eine Nacht wäre alles gewesen. Denn das war sie nicht. Allein schon, dass sie jetzt einfach nur nach nebenan zurückging, war schon schwer erträglich. Er wollte gar nicht erst darüber nachdenken, was er empfinden würde, würde sie ihn für immer verlassen. Er konnte nicht darüber nachdenken.
„Ja“, antwortete er schließlich. „Aber ich will ehrlich sein. Im Moment bin ich nicht …“
Sie verschloss ihm den Mund mit einem Kuss. „Ich auch. Mehr brauchen wir im Augenblick beide nicht zu wissen. Wir wollen es nicht komplizierter machen als nötig.“
Aber es war komplizierter! Frisco sah es ihr an. Sie mochte ihn. Sehr. Ein Blick in ihre Augen verriet ihm das. Ein heißes Glücksgefühl durchschoss ihn – und machte gleich darauf tiefster Verzweiflung Platz. Er wollte nicht, dass sie ihn gern hatte. Er wollte sie nicht verletzen, und wenn sie ihn zu gern hatte, würde das unausweichlich geschehen.
„Ich will nur sichergehen, dass du diese Nacht nicht mit einem Märchen verwechselst“, sagte er ruhig und hoffte, ihr mit seinen Worten nicht allzu wehzutun. Aber vielleicht war ein kleiner Stich jetzt besser als eine tiefe Wunde zu einem späteren Zeitpunkt. „Ich weiß – was zwischen uns geschieht, sieht verdammt nach ‚Die Schöne und das Biest‘ aus. Aber ein hübsches Mädchen allein macht aus mir noch lange keinen Prinzen – oder einen ganzen Mann. Dazu gehört sehr viel mehr. Und ich muss ehrlich zu dir sein, ich …“
Es gelang ihm nicht. Die Worte blieben ihm im Hals stecken. Dabei war es so wichtig, dass sie ihn verstand.
„Ich fürchte, dass die Ärzte recht haben könnten mit ihrer Prognose. Ich fürchte, dass mein Knie so bleibt, wie es ist“, gestand er schließlich.
Mias schöne Augen schwammen vor Mitgefühl. „Vielleicht wäre es besser für dich, wenn du dich damit abfinden würdest. Ich meine … wenn du deine Behinderung akzeptieren könntest.“
„Besser …?“ Er schüttelte den Kopf. „Wenn ich jetzt aufgebe, bin ich auf ewig verdammt, in dieser Vorhölle zu leben. Nicht tot, aber auch nicht wirklich lebendig.“
Mia wandte sich ab. Er ahnte, was in ihr vorging. Vor wenigen Augenblicken noch, als sie einander liebten, da war er sehr lebendig gewesen. Aber es ging nicht nur um Sex, und es ging hier auch nicht um sie. „Ich muss erst wieder zu mir selbst finden. Ich weiß nicht mehr, wer ich bin“, versuchte er zu erklären.
Sie hob den Kopf, und ihr Blick schien zu brennen vor Intensität. „Du bist Lieutenant Alan Francisco aus San Felipe, Kalifornien. Du bist ein Mann, der beim Gehen große Schmerzen hat und deshalb einen Stock braucht, weil du Lieutenant Alan Francisco bist. Du bist ein Navy SEAL! Du wirst immer ein SEAL sein. Du warst schon mit elf Jahren einer, und du wirst noch ein SEAL sein, wenn du stirbst.“
Mit beiden Händen umfasste sie sein Gesicht und küsste ihn so zärtlich, dass er ihr beinahe geglaubt hätte.
„Wir kennen uns noch nicht besonders lange und nicht besonders gut“, fuhr sie fort, „aber ich bin sicher, du wirst es schaffen. Ich weiß, dass du alles dafür tun wirst, um dich wieder als ganzer Mann zu fühlen. Ich weiß, dass du die richtige Wahl treffen wirst. Und für dich wird es wie im Märchen sein – du wirst glücklich und zufrieden sein. Gib nicht auf!“ Wieder küsste sie ihn und stand dann auf. „Bis später, okay?“
„Mia …“
Doch sie war schon aus der Tür.
Frisco legte sich auf den Rücken und sah zur Decke hinauf. Mia glaubte an ihn. Gib nicht auf! Sie schien davon überzeugt zu sein, dass er es schaffen würde, wieder in den aktiven Dienst aufgenommen zu werden.
Auch er war davon überzeugt gewesen. Aber die Zuversicht, die ihn anfänglich erfüllt hatte, war inzwischen dünn und fadenscheinig geworden, die Zweifel übermächtig. Er hatte es einfach nicht in der Hand. Da konnte er sich noch so sehr mit härtestem Training quälen – solange sein Knie sein Gewicht nicht tragen konnte, solange seine Beweglichkeit stark eingeschränkt war, blieb das alles ein Versuch, mit dem Kopf durch die Wand zu gehen.
Aber jetzt glaubte Mia an ihn. Glaubte, dass er seine Verletzung überwinden konnte, gewinnen konnte, in den aktiven Dienst zurückkehren konnte.
Sie mochte ihn sehr viel mehr, als sie zeigte. Frisco wusste ohne jeden Zweifel, dass sie niemals mit ihm geschlafen hätte, wenn sie nichts für ihn empfinden würde. Hatte sie sich vielleicht in ihn verliebt? Möglich war das. Sie hatte nun mal ein weiches Herz. Er war wahrscheinlich nicht der erste glücklose Streuner, dessen sie sich annahm.
Irgendwie hatte er sie davon überzeugt, dass er es wert war, Zeit und Gefühl an ihn zu verschwenden. Irgendwie hatte er es geschafft, dass auch sie an seinen Seifenblasentraum und an ein Happy End glaubte.
Er schloss die Augen. Wie sehr wünschte er sich, mit Mia glücklich und zufrieden zu leben bis an ihr Lebensende. Aufstehen, duschen, Laufschuhe anziehen und vor dem Frühstück sieben Kilometer joggen. Zur Navy-Basis fahren, am Training teilnehmen, wieder im Spiel sein. Bereit, jederzeit zu einem Einsatz aufzubrechen, wenn die Alpha Squad irgendwo gebraucht wurde.
Und dann nach einem harten Einsatz in Mias Arme zurückzukehren, ihre himmlischen Küsse zu erwidern und die Liebe in ihren Augen zu sehen.
Gott, nichts auf der Welt wünschte er sich mehr!
Aber würde Mia ihn noch wollen, wenn er versagte? Würde sie bereit sein, geduldig auf ihn zu warten, sich seinem Schneckentempo anzupassen? Wollte sie mit einem Mann leben, der gefangen war zwischen dem, was er einmal gewesen war, und dem, was er niemals wieder sein wollte?
Du wirst es schaffen, hatte sie gesagt. Ich weiß, dass du alles dafür tun wirst, um dich wieder als ganzer Mann zu fühlen. Ich weiß, dass du die richtige Wahl treffen wirst.
Du wirst gewinnen.
Aber wenn er nun doch verlor? Was, wenn sein Knie es ihm unmöglich machte, wieder als SEAL zu arbeiten? In seinen Augen gab es nur eine Möglichkeit zu gewinnen: zurück in den aktiven Dienst. Alles andere wäre eine Niederlage.
Mia aber glaubte an ihn.
Er jedoch besaß nicht ihre Zuversicht. Er wusste, wie leicht man verlieren konnte, wenn man die Dinge nicht in der Hand hatte. Und so sehr er es sich auch wünschte – seine Genesung hatte er nun mal nicht in der Hand.
In Friscos Knie begann der Schmerz wieder zu wüten, und er griff nach dem Schmerzmittel auf dem Nachttisch.
Und wünschte, es gäbe ein ebenso effektives Mittel gegen den Schmerz in seinem Herzen.