21

Entdeckung

Nur mit Mühe konnte ich mich aufrecht halten. Ich setzte mich auf den steinigen Boden und beugte mich vor. Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich so dort saß. Vielleicht waren es Stunden. Als ich schließlich zum Wasserhahn im Bunker humpelte, war die Sonne längst aufgegangen. Ich hielt meinen Kopf darunter und wusch mein Gesicht. Ich weiß nicht, ob ich je zuvor so übel verletzt worden war.

Was hatte er mir angetan?

Ich zog mich aus und ließ kaltes Wasser über meine verletzte Seite laufen – so lange, bis der Schmerz langsam nachließ, obwohl ich mich noch immer so fühlte, als wäre ich von einem gewaltigen Zementmischer überrollt worden. Ich wagte es, tief Luft zu holen.

»Ohhhhh.«

Dann verließ ich den Bunker, setzte mich auf die niedrige Mauer davor und blickte an dem dreißig Meter hohen Turm empor auf den offenen Eingang zu meinem kleinen Zimmer. Wenn ein Mensch von dort hinunterfiele, wäre er sofort tot. Die schmerzenden Rippen, der Druck auf meine Seite, bestätigten mir jedoch, dass ich abgestürzt sein musste.

Wahnsinn.

Dieses champ war mir immer noch ein Rätsel. Ich hatte den Eindruck gehabt, die Kontrolle zu haben. Doch der Grand-Mal-Anfall hatte alles verdorben und der Vampir hatte sich durchgesetzt. Die mit so einem Anfall einhergehende Gedächtnislücke half nicht gerade. Und jetzt wusste er genauestens, wie mein Versteck aussah.

Unter höllischen Schmerzen richtete ich mich auf. Aber gebrochen war anscheinend nichts. Mühsam begann ich Stufe für Stufe den Turm hinaufzuklettern. Als ich das kleine Zimmer erreichte, musste ich fast lachen … Der Tisch war durch den ganzen Raum bis zum Eingang gezerrt worden. Ein Bein stach aus der Türöffnung heraus und hing in der Luft – das, an dem ich das Seil angebunden hatte.

Ich schlief fast den ganzen Tag auf meiner Luftmatratze oben auf dem Turm und erwachte äußerst schlecht gelaunt. Rein körperlich ging es mir besser. So viel besser, dass ich mich ohne Probleme aufsetzen konnte. Ich rieb mir die Seite. Sie tat noch weh, aber jetzt fühlte es sich nur noch so an, als hätte ich beim Fußball einen harten Ball abbekommen. Unterhalb der Rippen hatte sich ein langer Bluterguss gebildet.

Ich lehnte mich über die Kante und blickte nach unten. Keine gute Idee. Mein Kopf wurde schwer. Unvorstellbar, dass ich dort hinuntergefallen war und den Sturz überlebt hatte. Dem Bluterguss zufolge musste ich beim Fallen gegen das Geländer einer der Galerien gestoßen sein. Woraus bestand ich wohl? Und wenn Moreau aus demselben Zeug gemacht war, welche Hoffnung gab es, ihn zu töten?

Ich trank ein wenig Wasser und behielt es tatsächlich im Magen. Ich war hungrig, konnte mich aber nicht aufraffen. Stattdessen ließ ich mich auf die Luftmatratze fallen und döste wieder ein. Ich träumte vom Fallen. Als ich zum zweiten Mal erwachte, verließen die NASA-Angestellten gerade das Gelände. Ich streckte mich und zog mir Schuhe an. Mir ging es jetzt unglaublich viel besser. Der blaue Fleck war zwar noch da, aber Schmerzen hatte ich so gut wie keine mehr.

Langsam kletterte ich vom Turm und machte mich noch langsamer auf den Weg durch den Wald. Einige Male wurde mir schwindelig, ich musste mich vornüberbeugen und mich auf den Knien abstützen. Doch als ich Sagans Jeep sah, ging es mir sofort besser.

»Du bist hier!« Gern hätte ich mich ihm in die Arme geworfen, aber ich wollte kein Risiko eingehen. Außerdem wirkte Sagan abweisend.

»Was ist los?«, fragte ich.

»Mit dir ist also alles in Ordnung.«

»Na ja …«

»Du rufst mich mitten in der Nacht an und redest seltsames Zeug, das klingt, als ginge es um Leben und Tod. Du willst, dass ich nach deiner Familie sehe und mich melde, wenn ich vor ihrer Wohnung stehe. Und dann …«

»Moment! Stopp! Wie geht es ihnen, hast du sie gesehen? Sagan, nun sag schon.«

»Alles gut, Emma. Wie du gesagt hast: süßes, kleines Mädchen, gut aussehende Mutter. Ich habe sie aus der Haustür kommen sehen, und sie wirkten ganz normal. Dann sind sie ins Auto gestiegen und losgefahren.«

»Mein Gott, du hast sie wirklich gesehen! Das zu hören, tut mir unendlich gut!« Nur mit Mühe konnte ich die Tränen zurückzuhalten.

»Deshalb habe ich immer wieder versucht dich kontaktieren. Du hattest mich ja darum gebeten. Aber du bist nie rangegangen.«

»Oh nein, das tut mir leid. Das habe ich überhaupt nicht mitbekommen. Ich muss das Funkgerät ausgeschaltet haben! Ich war mit etwas anderem beschäftigt und habe nicht daran gedacht. Und danach … na ja, da habe ich vergessen es wieder anzuschalten.«

»In der Zwischenzeit habe ich dich auf dem ganzen Gelände gesucht. Ich war mir sicher, dass dir etwas Fürchterliches zugestoßen sein musste. Du hättest in Schwierigkeiten stecken oder verletzt sein können. Wer weiß … Und stattdessen war alles in Ordnung und du hast das Funkgerät einfach nur … abgestellt …« Seine Stimme bebte. Auch zuvor hatte ich ihn schon wütend erlebt, doch noch nie so wie im Augenblick.

»Heißt das … du warst die ganze Zeit hier draußen? Oh nein, ich hatte ja keine Ahnung! Ich bin so dumm. Aber ich kann es dir nicht erklären.«

Sagan ging zu dem Picknicktisch und setzte sich. Ich folgte ihm.

»He, ich hab etwas sehr Dummes gemacht«, begann ich noch einmal. »Ich wollte nicht, dass du dir Sorgen machst. Ich hatte eine ziemlich … schwierige Nacht.« Ich zog mein T-Shirt hoch, um ihm den Bluterguss zu zeigen, aber er schien sich nicht dafür zu interessieren. »Aber jetzt geht es mir wieder gut.«

»Du hast es abgestellt.«

»Ja.«

»Du willst offensichtlich, dass etwas passiert.« Endlich blickte Sagan mir wieder in die Augen.

»Hältst du mich für lebensmüde oder was? Meinst du, mir macht das Spaß?«

»Ich weiß nicht, was du tust. Du erzählst mir ja nichts.«

»Lass uns etwas zu essen besorgen. Dann geht es uns beiden besser.« Ich griff nach seinem Arm, doch er zog ihn weg.

»Nein.«

»Was?«

»Ich habe Nein gesagt. Weißt du, dass ich kurz davor war, meinen Vater hier rauszuholen? Den Sicherheitsdienst anzurufen?«

»Du hast gesagt … das würdest du nicht tun. Das hast du mir versprochen.«

»Ich weiß, aber es war dumm, so etwas zu versprechen. Wenn du zu … b… zu borniert bist, um auf dich selbst aufzupassen, dann muss es jemand anders für dich tun.«

Ich sah ihn eindringlich an. Er wich meinem Blick aus. »Fast hättest du ›blöd‹ gesagt, stimmt’s? Fast hättest du mich als blöd bezeichnet.«

»Nein.«

»Ich kann es echt nicht glauben. Du hältst mich für blöd.«

»Emma, wenn du mir das Wort im Mund umdrehen willst, dann …«

»Dann was?«

»Ich weiß es nicht.«

Sagan erhob sich und ging auf die Tür der Cafeteria zu.

»Kommst du?«

Einen Moment blieb ich stehen und ließ ihn absichtlich warten.

»Ich habe gefragt, ob du kommst«, wiederholte Sagan.

»Was soll ich dort drinnen?«

»Gut, dann mach doch, was du willst.«

»Ich glaube es ja nicht«, rief ich. »Jetzt willst du mich also fallen lassen? Nach allem, was ich durchgemacht habe? Du hast ja keine Ahnung …«

Er ließ die Schultern hängen. »Ich bin seit drei Uhr morgens auf den Beinen. Ich bin müde, k. o. und ein bisschen genervt.«

»Und daran bin ich schuld«, fluchte ich. »Wieso bin ich daran schuld?«

»Jetzt bist du wirklich blöd.«

Eilig ging er an mir vorbei in Richtung des Solarobservatoriums

Das gab mir den Rest. Ich holte ihn ein.

»Weißt du was?«, rief ich, als er gerade die Tür des Observatoriums öffnen wollte. »Diese Sache mit der Mondlandung? Die angeblich 1969 gewesen sein soll. Daran glaube ich nicht. Ich bin mir sicher, dass sie das in Arizona gefilmt haben. Das haben sie in einer englischen Dokumentation gesagt. Alles war inszeniert. Verstehst du mich? Alles erfunden und gelogen.«

Sagan drehte sich nicht um. Er stand einfach nur mit gesenktem Kopf da und ließ die Arme sinken.

»Oooh, habe ich die Gefühle des armen, kleinen Astronomen verletzt«, sagte ich. Im selben Moment taten mir meine Worte auch schon leid.

»Emma«, begann er und sah mich noch immer nicht an. »Du sprichst viel über deinen Großvater. Habe ich dir je etwas von meinem Großvater erzählt?«

Ich antwortete nicht. Ich wusste, dass ich zu weit gegangen war, und sein ruhiger Tonfall machte mir Angst.

»Mein Großvater war in den Sechzigerjahren Astronaut im Apollo-Programm. Eines Tages haben sie einen Routinetest am Prüfstand in Cape Kennedy gemacht. Die anderen Astronauten und er trugen ihre Raumanzüge. Eine Art Generalprobe. Doch irgendetwas mit der Verkabelung in der Kapsel hat nicht gestimmt. Funken sprühten, und weil die Luft in der Kapsel fast zu hundert Prozent aus Sauerstoff bestand, brannte sofort alles lichterloh. Ein wahrer Hexenkessel. Es geschah so schnell und war so intensiv, dass sie die Astronauten nicht befreien konnten. Er ist dabei ums Leben gekommen. Er ist in diesem Feuer am Prüfstand gestorben. Konnte sich seinen Traum nie erfüllen. Sah Neil Armstrong niemals auf dem Mond spazieren. Spazierte nie selbst auf dem Mond. Sie haben eine Schule nach ihm benannt, hier in dieser Stadt. Nach meinem Großvater.«

Noch immer sah ich Sagans Rücken an. Er rührte sich nicht. Ich konnte sehen, wie das Blut langsam aus seinen Fingern wich und sie ganz weiß wurden, weil er sie so fest zu Fäusten ballte.

Eine Weile sagte ich nichts. Gern hätte ich ihn berührt, doch ich wagte es nicht. Schließlich öffnete ich den Mund. Aber ich hatte nicht viel zu sagen.

»Das tut mir leid«, flüsterte ich und merkte, dass er mich gar nicht gehört hatte. Ich sprach lauter: »Es tut mir so leid, Sagan. Ich habe … es nicht so gemeint. Ich wusste ja nichts davon, wirklich nicht. Sonst hätte ich es nie gesagt … es tut mir leid. Ich wollte nicht in dieser Wunde bohren. Das war … grausam.«

Ich sah, wie er seine Finger ausstreckte, sie dann wieder zu einer Faust ballte und abermals streckte. Dann drehte er sich endlich um.

»Was ist los mit dir?«, fragte er,

»Du würdest mich verstehen, wenn …«

»Ich wüsste? Weißt du, Emma. Langsam glaube ich, es gibt überhaupt keinen Grund dafür, dass du hier bist. Du bist einfach da. Das ist alles. Du wolltest nicht mehr zu Hause sein. Und da dir irgendwann langweilig wurde, hast du jemanden mit hineingezogen in dein kleines Abenteuer. Habe ich recht?«

»Ich kann nicht glauben, was du gerade gesagt hast.«

Jetzt war es an mir, mich abzuwenden. Ich entfernte mich. Sagan kam hinter mir her und griff nach meinem Arm. Als ich mich befreite, schleuderte ich Sagan gegen die nächste Mauer. Damit hatte er nicht gerechnet.

Abermals holte er mich ein. Ich legte eine Hand auf seine Brust und schob ihn zurück. Wieder flog er mit voller Wucht gegen die Mauer.

Ich ging weiter, ohne mich noch einmal umzudrehen. Ich hatte es geschafft. Das Beste, was mir je widerfahren war, hatte ich ruiniert. Ich hatte es zerstört. Offenbar war ich zu nichts anderem zu gebrauchen, als dazu, Dinge zu zerstören. Vielleicht hatte Lena Unrecht. Vielleicht war ich doch eine perdu.

Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Vielleicht sollte ich das Raumfahrtzentrum verlassen. Woanders hingehen. Das war nicht der einzige Ort, an dem man sich verstecken konnte. Vielleicht würde Moreau mich nie finden. Ich könnte sogar …

Jemand kam mir entgegen.

Es war ein Wachmann. Ein kräftiger älterer Kerl mit blauer Jacke und Kappe, die wie eine offizielle Uniform aussahen. Eine große, schwarze Handfeuerwaffe war an seinem Hosenbund befestigt.

Ich hätte ihn schon viel früher sehen und hören müssen, aber der Streit mit Sagan hatte mich abgelenkt. Der Wachmann war keine dreißig Meter entfernt. Ich war tot. Ich war tot.

In wenigen Sekunden würde ich nicht mehr zu übersehen sein. Panisch tat ich, was mir als Erstes in den Sinn kam. Ohne an meine Rippen zu denken, nahm ich zwei Schritte Anlauf und sprang ab, flog förmlich an dem Gebäude hinauf, griff nach der Regenrinne und schwang mich aufs Dach.

Als ich auf den Wachmann hinunterblickte, ging er einfach weiter, nichts war geschehen. Gott sei Dank. Er hatte mich nicht bemerkt und schaute stur geradeaus. Dann sah ich Sagan.

Reglos stand er auf dem Gehsteig und sah hinauf. Zu mir hinauf. Er hatte mich sehr wohl gesehen.

Ich lief zu meinem Unterschlupf zurück, kletterte jedoch nicht den Turm hinauf. Stattdessen hastete ich in den Bunker, riss mir die Kleidung vom Leib und warf sie auf den schmutzigen, kalten Boden. Schleuderte meine Schuhe in die Ecke. Drehte den Hahn voll auf und schleuderte mir Wasser auf den Körper. Es war eiskalt, doch das war mir völlig egal. Eine Handvoll nach der anderen ließ ich auf meine Haut klatschen, auch das Gesicht bekam etwas ab.

Ich wollte mich reinigen. Alles abwaschen. Als säße der Vampir in mir auf der Haut. Ich wusste, dass es unmöglich war, aber ich konnte nicht anders, als es zu versuchen. Ich rieb und schrubbte und schleuderte mir immer wieder kaltes Wasser ins Gesicht, auf die Arme, den Bauch, überallhin.

Dabei redete ich mit mir selbst, ohne wirklich zu wissen, was ich sagte. Ich bin ein Monster, eine Missgeburt, ein Monster, eine Missgeburt, ein Monster, eine Missgeburt, Monster, Missgeburt, Monster, Missgeburt …

Irgendwann ließ ich mich an der Wand hinabgleiten und blieb im Wasser sitzen. Der Hahn lief noch immer und der Strahl landete auf meinen Beinen. Ich zog sie an und kauerte mich zusammen. Den Kopf zwischen den Knien hörte ich nichts als das Rauschen des Wassers, das mein Schluchzen übertönte.

Irgendwann ließ ich mich auf die Seite fallen. Das Wasser wurde immer tiefer, bis mein Ohr umspült war und das Haar ums Gesicht trieb.

Mir war es egal geworden, was mit mir geschah. Vollkommen egal. Ich war es gewohnt zu kämpfen, doch in diesem Kampf fehlten mir die Mittel und Wege. Ich war machtlos.

Das Wasser rauschte noch immer. Lange Zeit bewegte ich mich nicht. Nie mehr wollte ich mich bewegen. Wozu?

Ich schloss die Augen und versuchte so zu tun, als wäre ich Teil des Wassers. Dann würde ich in die Dunkelheit fließen und im Boden verschwinden.

So sehr hatte ich mich an das Geräusch des Wassers gewöhnt, dass ich mich wie taub fühlte, als es plötzlich verstummte. Reglos blieb ich mit angezogenen Beinen auf der Seite liegen. Das eine Ohr lag nach wie vor im Wasser.

Er kniete neben mir und schob die Arme unter meinen Rücken. Als er mich hochhob und mich an sich drückte, hing mein Körper schlaff vor seiner Brust. Wir sprachen nicht. Lange Zeit hielt er mich einfach fest. Das Gefühl war neu für mich – dass mich jemand ohne Kleidung festhielt. Ich war überrascht, wie es sich anfühlte. Ich hätte geglaubt, dass ich mich schämen würde und verlegen wäre. Doch so war es nicht. Ich sank einfach in ihn hinein, genauso wie ich ins Wasser hatte sinken wollen.

»Heißt das, du willst mich nicht verlassen?«, fragte ich.

Lange nachdem ich mich wieder angezogen hatte und der Großteil des Wassers abgeflossen oder eingesickert war, saßen wir vor dem Bunker mit dem Rücken gegen die Betonmauer gelehnt. Ich griff nach seiner Hand.

»Wie hast du mich gefunden?«, fragte ich.

»Du bist schließlich nicht unsichtbar. Ich bin einfach in den Wald marschiert und immer weiter gegangen. Ich hatte dich in die Richtung verschwinden sehen, aus der du sonst immer gekommen bist. Wie gesagt, den alten Prüfstand kennen nicht mehr viele Leute. Darum habe ich vermutet, dass du dich dort versteckst.«

»Ich entschuldige mich … ich entschuldige mich für das, was ich gesagt habe. Es war nicht so gemeint. Ich weiß nicht, warum ich es getan habe. Ich glaube … vielleicht habe ich es als Entschuldigung benutzt, damit du dich von mir abwendest. Denn ich hatte Angst, Sagan. Und dafür gibt es so viele Gründe. Wenn du alles wüsstest …«

Er drückte meine Hand. »Ich werde alles erfahren, weil du mir alles erzählen wirst. Von Anfang an. So viel von dem, was ich glaubte zu wissen, entpuppte sich als Luftnummer, als ich gesehen habe, wie du das Gebäude raufgesaust bist.«

»Du fragst dich, was ich bin.«

Sagan lächelte. »Du bist also nicht aus irgendeinem geheimen Staatslabor geflohen? Wie im Film?«

»Ganz und gar nicht. Aber wenn sie je davon Wind bekämen …«

»Würde ich dich nie wiedersehen, habe ich Recht?«

»Wahrscheinlich.«

»Bist du so geboren worden?«

Ich senkte den Kopf und starrte zu Boden. »Sagan, ich muss … ich muss dir etwas sagen. Und du musst es mir glauben. Du wirst es mir nicht glauben, aber du musst. Denn wenn du es nicht tust, dann war’s das. Ich wüsste nicht, was ich dann tun soll. Aber selbst mit dieser Warnung wirst du es nicht glauben.«

»Echt? Ist es so schlimm?«

»Es ist so … unglaublich. Ich kann kaum fassen, dass ich es dir überhaupt erzähle. Ich habe keine Ahnung, wie du reagieren wirst.«

Er verzog das Gesicht. »He, traust du mir denn gar nichts zu?«

»Aber … es geht um mehr. Nicht nur darum, was ich zu tun imstande bin. Das ist noch nicht das Seltsamste. Das Seltsamste ist, was ich bin.«

»Mein Gott, was ist es denn nun? Bist du radioaktiv? Von einem anderen Planeten? Oder … warte mal … du wurdest mit Gammastrahlen bombardiert und …«

»Hör auf. Hör einfach auf. Es fällt mir schwer.« Mein Kopf war plötzlich vollkommen leer. »Gut, ich sage es jetzt einfach.«

»Okay, ich bin da und ich gehe nirgendwo hin. Versprochen. Du kannst mir erzählen, dass du vom Mittelpunkt der Erde kommst, die Vorhut einer Rasse Supergirls, die wild dazu entschlossen ist, die Welt zu beherrschen. Ein Shoppingcenter nach dem anderen …«

»Bleib ernsthaft oder ich sage kein Wort.«

»Gut, dann ernsthaft. Kann ich auch. Vorhin am Observatorium habe ich dir den Beweis geliefert.«

»Nein, das meine ich wirklich. Ich bringe dich um, wenn du das, was ich dir jetzt sage, nicht ernst nimmst. Es geht um mein Leben. Erfinden würde ich so etwas nicht.«

»Schon gut. Jetzt erlös mich endlich.«

Ich holte sehr tief Luft … hielt sie eine Weile in meinen Lungen … und blies sie dann langsam aus. Ich musste es ein zweites Mal tun. Dann schloss ich die Augen. Sag’s einfach.

»Sagan … ich bin ein Vampir.«