Danach ging Nirgal mit Sax nach Da Vinci hinauf und blieb bei dem alten Mann in seinem Apartment. Eines Nachts kam Cojote vorbei, nach dem Zeitrutsch, als kein anderer auf den Gedanken gekommen wäre, einen Besuch zu machen.
Nirgal erzählte ihm kurz, was mit dem hohen Becken passiert war.
»Oja, so?« sagte Cojote.
Nirgal schaute weg.
Cojote ging in die Küche und kramte in Saxens Kühlschrank. Mit vollem Mund rief er ins Wohnzimmer: »Was hast du auf einer windigen Bergseite wie der erwartet? Mann, diese Welt ist kein Garten. Manches wird jedes Jahr begraben, so ist das nun einmal. In einem oder zehn Jahren kommt ein anderer Wind und bläst diesen ganzen Staub von deinem Hügel herunter.«
»Bis dahin wird alles tot sein.«
»So ist das Leben. Jetzt ist es an der Zeit, etwas anderes zu tun. Was hast du gemacht, bevor du dich hier niedergelassen hast?«
»Nach Hiroko gesucht.«
»Mist!« Cojote erschien in der Tür und zeigte mit einem großen Küchenmesser auf Nirgal. »Nicht du auch.«
»Doch, ich auch.«
»Oh, mach schon! Wann wirst du endlich erwachsen? Hiroko ist tot. Daran solltest du dich schon gewöhnen.«
Sax kam aus seinem Büro und sagte heftig zwinkernd: »Hiroko lebt.«
Cojote schrie: »Nicht du auch noch! Ihr beide seid wie Kinder.«
»Ich habe sie in einem Sturm auf der Südflanke von Arsia Mons gesehen.«
»Willkommen im Club der Idioten!«
Sax funkelte ihn an: »Was soll das heißen?«
»Blödsinn!«
Cojote ging wieder in die Küche.
»Es hat noch andere Sichtungen gegeben«, sagte Nirgal zu Sax »Die Meldungen sind recht häufig.«
»Das weiß ich.«
»Es gibt täglich Meldungen!« rief Cojote aus der Küche und erschien kampflustig wieder im Wohnzimmer. »Die Leute sehen sie jeden Tag! Auf dem Handcomputer gibt es eine eigene Site zur Meldung von Sichtungen! Ich sehe, daß sie in der letzten Woche in einer Nacht an zwei verschiedenen Stellen erschienen ist, in Noachis und Olympus! An entgegengesetzten Seiten der Welt!«
»Ich sehe nicht, daß das etwas beweist«, erwiderte Sax hartnäckig. »Man erzählt über dich dasselbe, und ich sehe, daß du immer noch lebst.«
Cojote schüttelte heftig den Kopf. »Nein. Ich bin die Ausnahme, welche die Regel bestätigt. Bei jedem anderen bedeutet es, wenn er an zwei Stellen gleichzeitig gemeldet wird, daß er tot ist. Ein sicheres Zeichen.« Er machte einen Vorstoß, um der nächsten Bemerkung von Sax zuvorzukommen, und brüllte: »Sie ist tot! Damit mußt du dich abfinden! Sie ist bei dem Angriff auf Sabishii umgekommen. Diese UNTA-Sturmtruppleute haben sie, Iwao, Gene und Rya und den ganzen Rest von ihnen gefangen genommen, in irgendeinen Raum gebracht und die Luft herausgelassen oder den Abzug betätigt. So ist das! Meinst du, daß das nie passiert? Meinst du, daß die Geheimpolizisten nie Dissidenten umgebracht und dann ihre Leichen beseitigt haben, so daß niemals jemand es herausfindet? Sowas geschieht! Verdammt ja, sogar auf eurem kostbaren Mars. So sind die Menschen nun einmal. Sie tun alles mögliche; sie töten Leute und bilden sich dabei ein, daß sie bloß ihren Lebensunterhalt verdienen oder ihre Kinder ernähren oder die Welt sicher machen. Und genau so ist das gewesen. Sie haben Hiroko mit ihrer Gruppe zusammen getötet.«
Nirgal und Sax machten große Augen. Cojote bebte. Er sah aus, als wollte er die Wand durchbohren.
Sax räusperte sich. »Desmond, was macht dich so sicher?«
»Weil ich hingeschaut habe. Ich habe hingeschaut, wie kein anderer das tun konnte. Sie ist an keinem ihrer Plätze. Sie ist nirgendwo. Sie ist nicht fortgegangen. Niemand hat sie seit Sabishii wirklich gesehen. Darum habt ihr nie von ihr gehört. Sie ist nicht so unmenschlich, uns die ganze Zeit herumirren zu lassen, ohne uns je eine Nachricht zukommen zu lassen.«
Sax beharrte: »Ich habe sie aber gesehen.«
»In einem Sturm, hast du gesagt. Ich nehme an, in einiger Bedrängnis. Hast sie kurze Zeit gesehen, eben lange genug, um dir aus der Klemme zu helfen. Dann endgültig fort.«
Sax blinzelte.
Cojote lachte rauh. »Das habe ich mir gedacht. Nein, das ist fein. Träume von ihr alles, was du magst. Bring das nur nicht mit der Realität durcheinander! Hiroko ist tot.«
Nirgal schaute zwischen den beiden schweigenden Männern hin und her und sagte: »Auch ich habe mich nach ihr umgesehen.« Und dann, als er die finstere Miene von Sax sah: »Möglich ist alles.«
Cojote schüttelte den Kopf. Er ging wieder in die Küche und brabbelte vor sich hin. Sax starrte Nirgal an und direkt durch ihn hindurch.
»Vielleicht werde ich wieder nach ihr suchen«, sagte Nirgal zu ihm.
Sax nickte.
Cojote rief von der Küche her: »Besser als Landwirtschaft zu betreiben.«