Berlin, 15. September

In den Schaufenstern hängen schon langärmelige Kleider, Übergangs-, Herbst- und Strickjacken, Cordhosen in Dunkelgrün und Schlamm – das scheinen die Farben der Herbstsaison zu sein!

Man muss sich gut zureden: In Berlin ist der Herbst doch schön, der goldene Oktober steht noch bevor, und war es nicht manche Jahre noch bis November ganz warm? Und hat die Stadt im Herbst nicht auch schöne Seiten, wenn neue Platten, neue Bücher herauskommen und die Konzertsaison beginnt?

Ist es nicht auch ein Segen, dass nun Schluss ist mit dem oberflächlichen Summer-Feel-Good-Getue, mit der Festival-Hurra-Berichterstattung und dem Sommerloch? Und sind Herbst und Winter nicht auch Monate der Geselligkeit, kommt es nicht auf uns selbst an, was wir draus machen? Partys feiern, Tatort-Sonntagstreffen, trauliche Spaziergänge durch das raschelnde Herbstlaub, öfter ins Kino und ins Theater gehen?

»Das mag alles sein«, sagt sich der Melancholiker und macht sich trotzdem mit Wehmut auf das baldige Sommerende gefasst, um sich auf die melancholischste Jahreszeit, den Herbst, vorzubereiten.

Vielleicht kommen ja neue Serien im Fernsehen? Die Serien sind ja auch nicht mehr das, was sie mal waren, aber soll man jetzt anfangen wie die blasierten Fernsehverächter nur noch neueste amerikanische HBO-Serien auf DVD zu schauen, um mitreden zu können? Nein, auch wenn das deutsche Fernsehen tatsächlich jedes Jahr blöder wird.

Aber für den soziologisch interessierten Menschen ist das Fernsehen halt doch wichtig, weil da kulturelle Entwicklungen und Codes – zwar auf recht niedrigem Niveau, dafür in ihrer Plattheit und ihren Strukturen umso deutlicher und offensichtlicher – zutage treten. Bei den Privatsendern wird das Programm schon seit einigen Jahren vom Erziehungsfernsehen, auch Unterschichtfernsehen genannt, dominiert.