Usedom, 17. August

Das kurz entschlossene Taschepacken und Wegfahren war sehr befreiend. Dann die Fahrt mit G. und G. raus aus dem Hitzestau durch brandenburgische Baumalleen zur »Badewanne Berlins«, zur Insel Usedom.

Der Badeort Bansin, eines der drei »Kaiserbäder« auf Usedom, wurde laut Wikipedia 1897 eigens zum Badebetrieb von einem Berliner Hühneraugenoperateur gegründet.  

Es gibt Fischräucherbaracken am Strand und überall Restbestände dieses leider so langsam aussterbenden abgeblätterten Ostcharmes, alles wirkt angenehm entschleunigt. Viele Rentnerpaare sind unterwegs, sehr oft hört man den sächsischen Dialekt, und der Strand ist ganz gerecht in gleich lange Textil-, FKK- und Hunde-Abschnitte aufgeteilt. Das Beste: Immer weht hier eine frische Brise vom Meer. Herrlich.

Das Leben im Ostseeheilbad ist beschaulich. Man liegt am Strand rum und geht ab und zu ins Wasser und mehrmals täglich die Strandpromenade entlang zur Seebrücke. Keine Belästigung durch Romantik-Selbstdarsteller. Auf den Hotelterrassen die üblichen schweigenden Paare – er mufflig hinter der Zeitung, sie dauerbeleidigt – oder muntere Kaffee-und-Kuchen-Runden der lustigen Witwen der Generation 70 plus.

Die einzigen Paare, die etwas wirklich Schönes, Rührendes haben, das sind die ganz alten. Die, die ewig lange brauchen, sich ihrer Kleider und Wäschestücke zu entledigen, den Strandkorb auszustaffieren, die sich gegenseitig Hilfestellung geben und halten müssen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, bis sie dann endlich im Badedress vorsichtig durch den Sand zum Wasser gehen.

Abends haben die alten Paare dann alles Rührende verloren, oder die ganz Alten kommen nicht zur Kurmuschel, dem Hotspot des Kaiserbads. An diesem Abend gab eine Fünfziger-Jahre-Themenband in seltsamen Kostümen das bislang leiseste Konzert der Welt. Was aber trotzdem einige Senioren veranlasste, die Szenerie unter Protest, mit zugehaltenen Ohren und übertrieben-gequältem Gesichtsausdruck zu verlassen.

In den Restaurants an der Promenade hat man sich auf die Musik der Siebziger und Achtziger konzentriert. Ergraute Rockgitarristen spielen, ebenfalls in Zimmerlautstärke, alles von Eric Clapton, Dire Straits und Huey Lewis and the News herunter, rufen ein verhalten-verwegenes »Money for nothing and chicks for free!« zum Publikum hin, das an den Gartenmöbeln sitzt und regionale Fischgerichte verdrückt.

Kilometerlang kann man am von Buchenwäldern gesäumten, siebzig Meter breiten weißen Sandstrand entlanggehen, und abends ist es so angenehm kühl, dass man sogar eine leichte Jacke braucht.