Berlin, 30. November

Es wird kälter, der Dezember kommt. Ein langer kalter Winter soll es werden, keine heiteren Aussichten. Und doch ist alles so viel leichter als in den letzten Jahren, als doch regelmäßig Mitte Oktober schon die erste zarte Novemberdepression aufkam.

Der November ist aber auch eine schwierige Zeit: die Aussicht auf einen Berliner Winter, die echten und eingebildeten Leiden, die Phantomeinsamkeit. Gerade in den trüben Monaten kommt sie, die schwarze Krähe und krächzt ihr dummes Mantra: einsam, einsam, einsam!

Wenn alle Welt davon redet, der Sinn des Lebens wäre, sich zu verpaaren und fortan zu zweit durchs Leben zu gehen, was soll man da dagegenhalten? Es ist nicht einfach, einer so starken Ideologie zu entsagen.

»Liebe ist alles!«, kräht es einem von überall entgegen. »Love is in the Air!«, »Love is like Oxygen!«, »Das Größte aber ist die Liebe«, »Love is Everything«, »Liebe ist eine Himmelsmacht!«, »Love! Love! Love!«. Stellt man sich aber vor, wie es wäre, immer zu zweit zu sein – auf dem Sofa, im Bett, im Supermarkt, im Urlaub –, will man doch – wie früher bei der berühmten Werbung: Wäre Fernsehen zu zweit nicht viel schöner? – ein herzliches »Nein, Pfui Teufel!« ausrufen.

Warum also die saisonal auftretenden schlechten Gefühle? Es ist der Druck der heteronormativen und paarnormativen Gesellschaft, die uns sagt: Die alleinlebende Frau ist entweder jung, Single wider Willen und auf der Suche nach einem Mann und amourösen Abenteuern oder höchstens noch Krimischriftstellerin und lebt mit Pferden und Hunden auf einem schlossähnlichen Anwesen in England – aber nicht mit einem niereninsuffizienten Kater in einer zugigen Altbauwohnung.