15

Er löste die Hand von ihren Augen, schlang ihr den anderen Arm um die Taille und presste sie dicht an sich. »Hört auf!«, sagte er zu den anderen. Claire öffnete die Augen und sah wie Shane gerade vom Boden aufstand und sich Blut von den Augen wischte. Er wirkte benommen, aber konzentriert. Eve stand wie erstarrt etwa sechs Meter weiter, sie wirkte entsetzt und verunsichert. Michael lag mit einem Holzpfahl in der Brust am Boden - oh Gott, das konnte einen jungen Vampir umbringen, wenn der Pfahl länger da drinblieb. Frank Collins drehte sich langsam im Kreis, wobei er Myrnin und Claire mit so durchdringendem Blick anstarrte wie ein jagender Tiger.

West, das einzige weitere Mitglied ihrer Verstärkung, das es lebend durch das Portal geschafft hatte, hatte den Bogen gespannt und zielte mit dem Pfeil auf Myrnins Brust. Das einzige Problem war eigentlich, dass Claires Brust im Weg war.

»Helft Michael«, sagte Claire.

Myrnins Hand schloss sich um ihren Hals und erstickte ihre Worte, aber Shane schien zu verstehen. Er ging hin, um den Pfahl aus Michaels Brust zu ziehen. Ihr gemeinsamer Freund wälzte sich hustend auf die Seite, er war so schwach, dass er nicht aufstehen konnte. Shane drehte den Pfahl rastlos in den Fingern. Dabei starrte er Myrnin mit dem gleichen Gesichtsausdruck an wie sein Vater.

»Lass das Mädchen los«, sagte Frank. »Du weißt, wie das enden wird. Fragt sich nur, wie blutig du es machen willst.«

»Nun, mein Freund, ich kenne deinen Geschmack nicht, aber ich mag es am liebsten sehr blutig«, sagte Myrnin. Er wechselte an eine andere Stelle und schleifte Claire dabei so mühelos mit sich, als wäre sie eine Stoffpuppe. »Hat man uns schon miteinander bekannt gemacht?«

»Wahrscheinlich nicht. Warum, möchtest du gern mit mir ausgehen, Süßer?«

»Du bist nicht mein Typ, Schätzchen. Gehört die da dir?«

»Nein«, sagte Frank und sein Blick flackerte kurz zu Shane hinüber. »Sagen wir mal, sie ist eine Freundin der Familie.«

»Das genügt. Nun, wenn sie weiteratmen soll, dann nimm diese ganzen Kinder und deine Soldatin mit - hallo, West, wie ist es dir ergangen, meine Liebe? Hab dich nicht gesehen, seit Richard König war - und dann macht ihr einen würdevollen Abgang. Dann habt ihr immer noch die Gelegenheit, mir Ada zu bringen. Wenn ihr das tut, lasse ich sie vielleicht gehen.«

»Nettes Angebot«, sagte Frank. »Warum genau sollte ich es noch gleich annehmen?«

»Weil der Junge da es so will«, sagte Myrnin. »Das merke ich. Du nicht? Er will unbedingt hier rüberkommen und sie vor dem bösen, bösen Vampir retten. Nun, mein Junge, warum tust du es denn nicht? Magst du sie nicht?« Myrnins Hand schloss sich fester um ihren Hals. »Komm schon - sag ihr, was du empfindest. Das ist deine letzte Chance, bevor sie stirbt.«

Nicht, wollte Claire sagen, aber es kam nur ein Quieken heraus. Sie fühlte sich elend, weil sie wusste, was Myrnin da gerade machte; sie fand es furchtbar.

»Tut mir leid, du Freak«, sagte Shane, »aber da bist du schief gewickelt. Ich kenne die Tussi gar nicht. Aber wenn du sie umbringst, erledigen wir dich. Denk dir also lieber einen neuen Plan aus.«

Das veretzte Claire einen kleinen Stich, aber sie merkte, dass er log, zumindest was den ersten Teil betraf. Sie sah es an seinen Augen. Es war zwar noch nicht lange so, aber er empfand etwas für sie, auch wenn es vielleicht noch nicht das war, was sie empfand - außerdem kannte sie Shane. Er würde niemals tatenlos zusehen, wenn jemand ihr wehtat. Nicht einmal, wenn sie eine vollkommen Fremde wäre.

»Ich glaube, dein Freund hat einen Heldenkomplex«, flüsterte Myrnin ihr ins Ohr. »Das macht das Ganze noch interessanter, nicht wahr, Claire?«

Ihr Herz setzte einen Schlag aus. Er kannte sie. Nein – nein. Moment mal, er kannte sie nicht; er wusste nur ihren Namen. Das war nicht der alte Myrnin, ganz und gar nicht. Der Griff um ihren Hals lockerte sich ein klein wenig und es gelang ihr keuchend hervorzustoßen: »Myrnin, hören Sie bitte auf. Bitte, Sie wissen, dass das nicht richtig ist.«

»Weißt du, was nicht richtig ist? Aufzuwachen und zu sehen, dass sich alles verändert hat, dass Ada nicht mehr da ist, das Menschen in meinen letzten sicheren Hafen einbrechen und zerstören wollen, was mir lieb und teuer ist. Ist das in deinen Augen richtig?«

»Es ist nicht so, wie Sie glauben«, sagte Claire verzweifelt. »Ada ist nicht da. Sie kommt nicht wieder. Sie müssen begreifen, dass Sie das, was da unten ist, nicht schützen, sonder abschalten müssen!«

Er schwieg. Frank Collins trat einen Schritt vor, blieb dann stehen und beobachtete Claire. Hektisch schüttelte sie den Kopf.

»Das klingt tatsächlich überzeugend«, sagte Myrnin. Er neigte den Kopf, sodass sein Mund ganz nah an ihrem Hals war. Dann holte er tief Luft. »Ich muss gestehen, du riechst vertraut. Dein Geruch ist überall im Labor und ich gebe zu, dass ich dafür keine Erklärung habe.«

»Weil ich hier arbeite. Für Sie«, sagte Claire. »Das wissen Sie. Myrnin, Sie müssen sich erinnern. Bitte, versuchen Sie es.«

Plötzlich ließ er sie los und stieß sie heftig vorwärts – direkt in Shanes Arme. Shane ließ den Pfahl fallen, um sie aufzufangen, als sie stürzte.

Myrnin stand einen Augenblick mit schräg gelegtem Kopf da und starrte die beiden an. »Ich habe das ganz seltsame Gefühl«, sagte er, »dass ich das schon mal gesehen habe. Dass ich euch schon mal gesehen habe.«

»Das haben Sie«, sagte Claire und räusperte sich, wobei sie versuchte, die Schmerzen zu ignorieren. »Myrnin, Sie kennen uns. Denken Sie nach, okay?«

Er starrte sie an und sie merkte, dass er es ernsthaft versuchte. Sie merkte, wie es ihm auch Angst machte, dass er so empfand. Vielleicht hatte er es in gewisser Weise genossen; vielleicht hatte es sich angefühlt wie Freiheit, sich über nichts Gedanken zu machen als über sich selbst und über Ada.

Aber das war nicht er. Nicht mehr. Das war schon Jahre her. »Claire«, sagte er und trat einen Schritt vor. »Claire, ich glaube... ich glaube, ich... habe etwas vergessen... ich glaube, das stimmt nicht. Ich glaube, nichts von alldem stimmt. Und ich glaube, ich weiß... ich glaube, ich kenne Ada ...«

Er hielt inne und drehte sich zum Portal um, unmittelbar bevor Claire einen Kraftschub von dort spürte. »Nein!«, fauchte er und streckte die Hand nach dem Durchgang aus, der anfing, farbig zu flackern und zu funkeln. »Niemand kommt mehr hier rein!«

Das konnte sie nicht zulassen. Sie war so dicht dran gewesen, so kurz vor einem Durchbruch ... und jetzt war es wieder weg. Claire hob den heruntergefallenen Pfahl auf und stürzte sich von hinten auf ihn.

Natürlich schaffte sie es nicht; Myrnin war zu schnell und zu wachsam. Er fuhr herum, packte sie am Arm und fing die Spitze des Pfahls ganz dicht vor seiner Brust ab. Dabei starrte er ihr direkt in die Augen.

»Ach, Kindchen«, sagte er. »Du hättest es ja doch nicht getan«

Doch sie hatte genau das getan, was sie vorgehabt hatte, und in der nächsten Sekunde strömte eine Macht durch den Raum, die auf ihrer Haut knisterte. Durch das Portal hinter Myrnin trat Amelie, im gedämpften Licht schimmernd wie ein weißer Diamant. Hinter ihr folgten zwei Vampir-Bodyguards und Oliver. Doch Oliver würde ihnen keine Hilfe sein, denn er trug silberne Ketten um Handgelenke und Fußknöchel. Claire merkte, dass er kaum stehen konnte. Er sah schrecklich aus. Myrnin zwang Claire, den Pfahl fallen zu lassen, und hielt sie weiterhin am Handgelenk fest, während er sich zu Amelie umdrehte und eine tiefe Verbeugung machte. »Gründerin.«

»Myrnin«, sagte Amelie, während sich das Portal hinter der Gruppe in schwarze Finsternis auflöste. »Mir scheint, ich komme ungelegen. Ich erkenne das Mädchen wieder, das du da an der Hand hältst, und West natürlich.« West sah sehr unglücklich aus, sie entspannte den Bogen, nahm den Pfeil von der Sehne und verbeugte sich vor Amelie. Mit einem Blick auf Frank ging sie hinüber zu den Neuankömmlingen und signalisierte damit, dass sie die Seiten gewechselt hatte. Amelie richtete ihren Blick auf Frank, danach auf Michael, der immer noch am Boden lag. Eve kniete neben ihm und versuchte, ihm beim Aufstehen zu helfen. »Es läuft anscheinend nicht gut für Sie Mr Collins«, sagte sie. »Ich schlage vor, Sie nehmen die Kinder und ziehen sich zurück, solange Sie noch die Möglichkeit dazu haben.«

»Nein«, sagte Michael stotternd und stand taumelnd auf.

Und Shane sagte: »Wir gehen nicht ohne Claire.«

»Ihr werdet so oder so gehen, Jungs, das versichere ich euch«, sagte Amelie. »Myrnin, überlass mir das Mädchen, ich werde mich um diese Eindringlinge kümmern.«

»Bezweifelst du, dass ich im Interesse von Morganville handle«, fragte sie, während sie seinem Blick standhielt.

»Aber sie haben Ada«, sagte er und seine Stimme klang kleinlaut, ratlos und wehleidig. »Du musst sie dazu zwingen, dass sie mir Ada zurückgeben. Bitte.«

»Das werde ich«, sagte Amelie. »Aber gib mir zuerst das Mädchen.«

Myrnin nickte und stieß Claire zu Amelie hinüber. Claire versuchte sich seitlich wegzuducken, aber Amelie war ihr irgendwie im Weg, obwohl sie sich gar nicht bewegt zu haben schien. Mit eiskaltem, stählernem Griff bekam sie Claires Arm zu fassen und sah sie mit einem noch kälteren Blick an. »Halt still«, sagte sie. »Mit dir beschäftige ich mich gleich.« Claire fühlte ihre letzte Hoffnung schwinden, denn in Amelies Gesicht war nicht die geringste Spur eines Wiedererkennens zu entdeckten.

Frank sagte: »Du beschäftigst dich jetzt besser mit mir, bevor du mit einem kleinen Schulmädchen abrechnest, sonst bin ich beleidigt.«

»Am besten erledigen Sie uns alle«, sagte Shane. »Ich werde nicht zulassen, dass Sie ihr etwas tun.«

»Du klingst mutig, Shane, für jemanden, der sich nicht daran erinnert, dass er mich schon einmal erlebt hat«, sagte Amelie. »Aber ich werde ihr nichts tun. Keinem von euch.« Sie sah wieder Claire an und dieses Mal lag Wärme in ihrem Blick. Irgendwie tröstlich. »Ich versichere dir, dass ich ganz genau weiß, was ich hier tue.«

Sie erinnerte sich. Erleichterung überkam Claire und sie seufzte, als die Anspannung aus ihrem Körper wich. Die Lage war immer noch gefährlich, das stand außer Frage, aber wenn Amelie auf ihrer Seite war, würde bestimmt alles gut werden. Sie konnte Myrnin überzeugen, das Richtige zu tun.

»Sie haben Ada«, sagte Myrnin. »Du musst sie finden. Bitte.«

Amelie ließ Claire los und schob sie außerhalb von Myrnins Reichweite. »Das wird nicht nötig sein«, sagte sie und in ihrer mitfühlenden Stimme schwang ein ganz eigener Schmerz mit. »Wir wissen beide, wo Ada ist, Myrnin. Ich weiß, dass du dich daran erinnerst.«

Er bewegte sich nicht und sagte nichts, aber seine Augen glitzerten fiebrig und hektisch.

»Du warst krank. Ada hat dich gepflegt, aber sie wurde auch krank. Schwäche hat immer schlimme Dinge in dir ausgelöst und sie wurde schwach. Eines Tages...«

»Nein«, sagte Myrnin. Das war kein Leugnen, sondern eher ein Flehen, sie möge nicht weiterreden.

»Eines Tages kam ich hierher und fand sie tot auf. Alles Leben war aus ihr herausgesaugt.«

»Nein!«

»Es war zu spät, aber du hast noch versucht, sie zu retten, als du wieder Herr deiner Sinne warst. Du hast es weiß Gott versucht. Du hast dein Bestes getan, um von ihr so viel zu bewahren, wie du konntest - weißt du nicht mehr?«

»Nein, nein, nein!« Myrnin ließ sich zu Boden sinken, er kauerte sich zusammen und schlug die Hände vors Gesicht. »Nein, das ist nicht wahr!«

»Du weißt, dass es wahr ist«, sagte Amelie. Sie ging zu ihm und legte ihm sanft die Hand auf die Schulter. »Mein Freund, es ist nicht das erste Mal, dass wir dieses Gespräch führen. Du wirst krank und vergisst es; dann wartest du darauf, dass sie zurück kommt. Aber Ada kommt nicht zurück, nicht wahr? Sie ist tot.«

»Nein, sie ist nicht tot«, flüsterte Myrnin. »Ich habe sie gerettet. Ich habe sie gerettet. Sie kann jetzt nicht sterben. Sie kann mich nicht verlassen. Sie ist in Sicherheit. Ich beschütze sie. Niemand kann ihr etwas tun.«

Er glaubte, dass Ada immer noch in der Maschine sei. Das tat irgendwie noch mehr weh als seine Trauer, denn Claire wusste, sie würde mitansehen müssen, wie er sich erinnerte und wie er alles, was er liebte, aufs Neue verlor. So wie alle anderen. Aber der Unterschied war, dass Myrnin sich daran festklammern wollte, sich daran festklammern musste. Er lebte drei Jahre zurück in der Vergangenheit - und er war krank und verrückt.

Er würde alles tun, was er konnte, um zu verhindern, dass sie ihm Ada wegnahmen. Deshalb hatte er Claire wie einen Eindringling behandelt... denn in gewisser Weise versuchte er immer noch, Ada zu retten, und er wusste, dass Claire vorhatte, sie zu zerstören.

»Du kannst sie mir nicht wegnehmen«, flüsterte Myrnin. »Du kannst sie mir nicht wegnehmen. Bitte, tu das nicht.«

Amelies Gesichtsausdruck war allmählich regungslos und kalt geworden. »Da gibt es nichts wegzunehmen«, sagte sie. »Ada ist tot. Vor drei Jahren hast du weinend in der Ecke gesessen und versucht, dir die Haut abzuziehen. Ich musste dich davon abhalten, wahllos zu töten, damit du nicht in deinem Schmerz ertrinkst. Ich lasse nicht zu, dass du dich wieder in so eine... Bestie verwandelst. Du hast etwas Besseres verdient.«

Myrnin schauderte und ließ die Hände schlaff herunterfallen. »Was hast du vor?«

»Die Maschine abschalten«, sagte sie. »Diesen Wahnsinn beenden, solange wir noch können. Es wird dir besser gehen, wenn das erledigt ist.«

Myrnins Augen leuchteten auf in gleißendem Weiß, seine Vampirzähne glitten herunter und er stürzte sich auf Amelie. Die drehte sich weg und zog Claire mit sich. Ihre Bodyguards schalteten sich in den Kampf ein, aber Myrnin war stark - und so irr, wie Claire ihn noch nie erlebt hatte. Er schleuderte einen der Bodyguards quer durch das Labor, den anderen pfählte er mit einem abgebrochenen Stuhlbein. Dann brüllte er Amelie herausfordernd an. Die rührte sich nicht.

»Lass mich frei!«, schrie Oliver Amelie an und rasselte ungeduldig mit den Ketten. »Du siehst doch, dass ich mit der ganzen Sache nichts zu tun habe, und du brauchst meine Hilfe! Lass mich frei!«

Amelie zögerte und blickte ihn an, dann beugte sie sich vor und löste geschickt die Ketten, die von seinen Handgelenken und Knöcheln auf den Steinfußboden fielen. Oliver wankte ein wenig und atmete erleichtert aus. Amelie packte ihn am Arm.

»Oliver«, sagte sie und blickte ihm fest in die Augen. »Ich erinnere mich wieder daran, was passiert ist. Ich erinnere mich daran und es tut mir leid.«

Er zögerte und nickte dann. Als hätte er nur darauf gewartet, dass sie irgendeine Entscheidung traf - und ihn nicht einfach nur freiließ.

Amelie fuhr fort: »Ich werde nicht deine Dienerin sein. Noch sollst du mein Diener sein. Wir sind gleichberechtigt.« Sie streckte ihm die Hand hin und er blickte erstaunt darauf. Aber er nahm sie. »Jetzt verteidige, was uns gehört, Partner.«

Er grinste – grinste! - und fuhr herum, um Myrnin mitten im Sprung abzufangen, als dieser angriff. Im Nu hatte er Myrnin zu Boden geworfen, aber es war nur der Adrenalinschub, der jetzt nachließ, und Claire merkte, dass die Schmerzen, die Oliver durch das Silber erlitten hatte, ihren Tribut forderten. Er wurde langsamer. Myrnin dagegen nicht, und er fuhr Oliver mit seinen krallenartigen Fingern ins Gesicht. Oliver duckte sich und verlor das Gleichgewicht, als Myrnin ihn mit Wucht nach hinten schleuderte.

Oliver krachte gegen die Wand und Myrnin rannte so schnell in den hinteren Teil des Zimmers, dass man ihn nur noch verschwommen sah. »Er geht nach unten!«, schrie Claire und schnappte sich Oliversabgestreifte Silberketten, während Myrnin bereits den Teppich über der Falltür wegriss. Sie hörte das Piepsen, als er den Code in das Schloss der Falltür eingab. »Haltet ihn auf!«

Er war tagelang allein hier gewesen und hatte Gott weiß was gemacht. Hatte … Dinge erschaffen. Ihn da hinuntergehen zu lassen, was gefährlich, noch gefährlicher, als ihm hier oben entgegenzutreten.

Irgendwie wollte Claire noch immer vernünftig mit ihm reden. Das ist nicht Myrnin. Normalerweise nicht. Sie erinnerte sich an den Myrnin, den sie kennengelernt hatte, den freundlichen, beinahe zärtlichen Mann, der ihr Suppe gebracht und sie gestützt hatte, wenn sie zu müde war und nicht mehr aus eigener Kraft stehen konnte. Der, der immer wieder für sie gekämpft hatte. Diesmal musste sie für ihn kämpfen. Sie musste ihn vor sich selbst beschützen.

Frank Collins hätte es fast bis zur Falltür geschafft, aber die schlug in letzter Sekunde krachend zu und Claire hörte, wie das Schloss mit einem summenden Geräusch einrastete. »Fassen Sie es nicht an!«, schrie sie, als Shanes Vater die Hand nach der Tastatur ausstreckte. »Es steht unter Strom!«

»Es ist der einzige Weg nach unten«, sagte Oliver, während er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht hochrappelte. »Jemand muss es aufmachen.«

»Es ist nicht der einzige Weg«, erwiderte Claire und sah Amelie an. »Es gibt noch einen Hintereingang, nicht wahr?«

Amelie zögerte, dann nickte sie. Sie drehte sich um und ging zum Portal in der Wand. Rudolphs Leiche lag dort - na ja, die eine Hälfte - und sie schob sie beiseite. Dann stellte sie sich vor den schwarzen Durchgang. Farben wechselten sich ab, pulsierten und verwandelten sich wieder in Dunkelheit.

Claire stellte fest, dass sie jemanden an der Hand hielt. Es stellte sich heraus, dass es Shane war, der neben sie getreten war. Sie spürte, wie angespannt seine Muskeln waren und wie schnell sein Puls ging. Ihr eigener schlug bestimmt doppelt so schnell.

»Hier«, sagte Amelie. Nichts schien anders zu sein an der Dunkelheit auf der anderen Seite des Durchgangs, doch Claire spürte, dass eine Art Energie davon ausging. »Ich warne euch, das ist kein sicherer Weg. Geht schnell. Ich muss das Portal offen halten, sonst könnte er auf die Idee kommen, es zu verschließen«

Oliver warf ihr einen zweifelnden Blick zu, dann stürzte er an ihr vorbei in die Dunkelheit, die ihn verschlang wie eine Tintenpfütze. Frank und West folgten ihm, danach Claire und Shane. Bevor sie hindurchtraten, zögerte Shane und blickte über die Schulter.

Michael war genau hinter ihnen - er war blass, ein wenig unsicher auf den Beinen und stützte sich auf Eve. »Ich bin bei dir, Bro«, sagte er. »Geh jetzt.«

»Sind wir ganz sicher, dass das ein guter Plan ist?«, fragte Shane Claire leise. Die Tatsache, dass er ausgerechnet sie fragte, verursachte ein leichtes Schwächegefühl bei ihr; es fühlte sich an, als würde er ihr... vertrauen.

Ja, es war tatsächlich Vertrauen. Vertrauen, das sie sich nicht verdient hatte, aber irgendwie fühlte es sich unheimlich wertvoll an. Claire versuchte, zuversichtlich zu klingen. »Ich glaube schon«, sagte sie. »Aber pass auf dich auf, okay?«

»Nee, Michael passt auf mich auf.« Er sah ihr tief in die Augen: »Ich passe auf dich auf.«

Shane sprang in die Dunkelheit und nahm Claire mit sich.

Auf der anderen Seite war es einfach schwarz – eine Dunkelheit, bei der sich die Panik zu einem Knoten in Claires Magen zusammenzog. Sie kannte die Dunkelheit. Sie war früher schon dort gewesen.

»Sachte«, sagte Frank Collins und sie spürte, wie seine Hand sie an der Schulter packte, damit sie stillhielt. »Beweg dich nicht.«

»Da sind Löcher im Boden«, sagte sie. »Gruben. Können Sie sie sehen?« Sie hoffte es; alle Vampire, die sie kannte, konnten es. Sie, Shane und Eve waren so blind, wie man nur sein konnte.

»Ja, sehe ich. Wartet, ich habe Licht.« Jetzt sprach er direkt hinter ihr. Ein reiner weißer Lichtkegel blitzte auf, der auf Felsen und blasse, kantige Vorsprünge aus Quarz fiel, scharf wie Rasierklingen. Sie befanden sich in einer großen Höhle, in der es vollkommen still war bis auf das Echo ihrer Stimmen und Bewegungen. »Niemand bewegt sich.«

Frank hatte recht, denn der Bereich, durch den sie hereingekommen waren, war die einzige sichere Stelle in der Höhle. Tintenschwarze Löcher im felsigen Boden führten, soweit Claire wusste, bis zum Mittelpunkt der Erde und auf der anderen Seite wieder hinaus. Nicht nur das - sie wusste auch aus Erfahrung, dass der Fels selbst dort, wo er massiv aussah, wahrscheinlich nicht fest war. Es war wie ein Irrgarten und das letzte Mal, als Claire hier war, hatte Myrnin ihr hindurchgeholfen. Jetzt würde er das nicht tun, er würde versuchen, sie in den Tod zu stürzen, zusammen mit allen, die sie begleiteten. Sie schluckte schwer. Weiter hinten sah sie eine Ringschraube, die jemand tief in den Felsen getrieben hatte und an der eine Silberkette hing. Myrnin war hier einmal gefangen gehalten worden, als er mehr... er selbst war. Aber daran würde er sich jetzt vielleicht nicht mehr erinnern. Und es würde ihn

nicht kümmern, dass er damals versucht hatte, ihr das Leben zu retten.

»Ich kenne den Weg«, sagte sie leise und nahm Frank die Taschenlampe aus der Hand. Vorsichtig tastete sie sich vorwärts; der massiv aussehende Felsen war stellenweise brüchig, von unten weggefressen durch unterirdische Flüsse, die längst versiegt waren. Zweimal brach sie mit dem Fuß ein und das zweite Mal wäre sie fast gestürzt, wenn Shane sie nicht am Arm gepackt hätte. Quälend langsam kämpften sie sich vorwärts. Selbst die Vampire setzten die Füße äußerst vorsichtig.

Am meisten Sorgen machte sich Claire um Michael. Er hatte schon eine Menge einstecken müssen und jetzt fasste Shane ihn am anderen Arm, um Eve zu helfen, die unter Michaels Gewicht schwankte. Er schafft das schon, dachte sie. Daran musste sie glauben und sich konzentrieren.

Ein Geräusch hallte durch die Höhle, es klang wie ein Seufzer und Claire runzelte die Stirn und fragte sich, woher es wohl kam. Es war nicht der Wind; hier drin wehte kein Lüftchen, es gab nur kühle, feuchte Luft, die sich schwer auf ihre Haut legte. Sie fröstelte und blieb einen Augenblick stehen, aber das Geräusch kam nicht wieder.

Dann spürte sie einen Lufthauch auf ihrem Gesicht - eine unverkennbare Bewegung, die ihr durch die Haare fuhr. Claire richtete die Taschenlampe in die Richtung, aus der der Luftzug gekommen war, aber sie sah dort nichts. Nichts als den tückischen Felsboden, die glitzernden Quarzkristalle in der Wand und die stillen, finsteren Abgründe, die sich vor ihnen auftaten. Claire bewegte sich vorsichtig weiter zu einer anderen Stelle aus offenbar massivem Fels und dabei spürte sie den Windhauch wieder, dieses Mal stärker.

Er kam nicht von oben oder durch die Wände. Er kam direkt aus der Dunkelheit. Claire wappnete sich und richtete vorsichtig das Licht nach unten in den Abgrund; sie versuchte, dort unten etwas zu erkennen. Nichts. Die Dunkelheit schluckte das Licht der Taschenlampe. Claire streckte die Hand aus. Da kam tatsächlich ein kühler Lufthauch von unten, als wäre irgendwo ein Ventilator an. Plötzlich fühlte sie sich ein bisschen komisch. Ein bisschen schwach. Ein bisschen … benommen.

»Hey!«, sagte Shane und packte sie an der Schulter, um sie von der Kante wegzuziehen. »Was zum Teufel tust du da?«

Sie holte tief Luft. Sie hatte leichte Kopfschmerzen. »Ich schaue nur«, sagte sie und hustete. Es tat weh. »Sorry. Da lang.«

Als sie sich von dem Abgrund entfernte, schien es ihr wieder besser zu gehen, auch wenn ihr jetzt eine seltsame Übelkeit den Magen umdrehte und sie das Bedürfnis hatte, noch tiefer zu atmen. Claire konzentrierte sich auf jeden Schritt, jede vorsichtige Bewegung. Sie hörte, wie jemand hinter ihr stolperte und leise fluchte. Frank Collins.

Und dann hörte sie West husten, ein lautes Geräusch wie eine Explosion. »Sorry«, sagte West, aber sie hustete wieder und wieder, und als Claire sich umschaute, sah sie, dass sich die große Vampirfrau vorgebeugt hatte, die Hände auf die Oberschenkel gestützt. Sie spuckte Blut.

In diesem Moment merkte Claire, dass hier etwas ganz und gar nicht stimmte. Jetzt war es ihr sonnenklar, aber sie fragte sich, warum sie nicht schon früher darauf gekommen war. Ihr Gehirn schien nicht so richtig zu funktionieren. Die Sicht verschwamm immer wieder, jetzt hustete auch Oliver - tiefe, schmerzhaft klingende Geräusche; er schnappte nach Luft und wischte sich über den Mund. Claire sah das rote Glänzen von Blut.

Frank hustete jetzt auch. Claire spürte plötzlich, wie es auch sie traf – der reißende Schmerz in den Lungen, der heftige Krampf. Sie keuchte, schnappte instinktiv nach Luft und hustete. Und hustete immer weiter.

Gas. Das war Gas. Aus irgendwelchen Gründen waren die Vampire anfälliger dafür; vielleicht griff es sie durch die Haut an oder es brauchte einfach weniger, um sie krank zu machen. Michael würgte, und Eve und Shane fingen jetzt auch damit an.

Claire wurde von dem Husten so heftig geschüttelt, dass sie ins Stolpern geriet und fast hingefallen wäre. Oliver stürzte nach vorn und fing sie auf, dann ließ er sie los, weil er wieder husten musste; sie schwankte gefährlich nah an der Kante eines tiefen dunklen Abgrunds, der - wie ihr jetzt klar wurde - irgendein Gift ausspie. Sie versuchte, die Luft anzuhalten, aber sie hielt es nicht lange durch. Es fühlte sich an, als würde sie nicht genug Luft bekommen. Sie hörte sich selbst japsen wie ein Fisch auf dem Trockenen. Der Kopf tat ihr schrecklich weh und sie brauchte unbedingt Luft...

Hitze stieg in Claire auf und sie bekam Angst; sie fühlte sich so elend, als müsste sie gleich sterben, aber plötzlich dämmerte ihr mit brutaler Klarheit, dass sie die anderen hier hinausbringen musste. Sie war die Einzige, die das konnte, die Einzige, die den Weg kannte. Sie waren nicht weit vom Eingang der Höhle entfernt; sie konnte ihn nicht sehen, aber sie wusste, dass er da war. Er war direkt hinter diesem Vorsprung aus Quarz - wenn sie jetzt schnell links abbogen, würden sie auf festen Untergrund gelangen und dann wären sie draußen.

Sie musste sie dorthin bringen. Sie griff nach hinten und packte Olivers Hand. Sie war nass; sie wusste nicht, ob es Blut war, und sie sah auch nicht hin. »Haltet euch an den Händen«, schrie sie und stürzte nach vorn, wobei sie sich nicht mehr die Mühe machte, den Fels zu testen. Egal, wenn der Boden einbrach. Vorsicht würde sie jetzt alle umbringen.

Sie konnte nicht abwarten, ob sie einander tatsächlich an der Hand hielten. Sie nahm nur den Fels unter ihren Füßen wahr, den heißen, brennenden Druck in ihren Lungen, die hämmernden Kopfschmerzen. Und das unwirkliche Glühen der Taschenlampe, deren Licht von dem Quarz und dem grauen Stein weiß zurückgeworfen und von der Finsternis verschluckt wurde ...

Sie spürte ihre Füße nicht mehr, aber sie konnte nicht stehen bleiben. Claire taumelte weiter, zog Oliver an der Hand mit sich und sprang über einen schwarzen Abgrund, der etwa einen halben Meter breit war. Sie kam unglücklich auf und wäre fast der Länge nach hingefallen. Als sie über die Grube gesprungen war, hatte sie den kühlen Druck des Gases gespürt, das durch hre Kleider wehte. Fast wäre ihr Olivers Hand entglitten, aber sie hielt sie fest und er schaffte den Sprung. Sobald er auf ihrer Seite des Abgrunds war, drehte er sich um und zog Shane herüber, der wiederum Michael an der Hand hielt. Dann kamen Eve und Frank.

West.

Wo war West?

Claire entdeckte sie; taumelnd stand sie ein paar Meter weiter hinten. Blut hatte ihr Gesicht überzogen wie eine schwarze Maske, und während Claire sie noch beobachtete, ließ West den Bogen fallen, den sie bei sich hatte, und sank auf die Knie. Dann stürzte sie kopfüber in den finsteren Abgrund.

Frank machte einen Satz, um zu ihr zu gelangen, doch Oliver hielt ihn zurück. Mit der freien Hand stieß Oliver Claire in die andere Richtung. In diesem Moment hasste sie ihn so sehr, dass sie ihn am liebsten auch hinuntergestoßen hätte, aber sie wusste, was er da gerade tat. Er rettete ihnen das Leben.

Sie hastete weiter. Sie waren jetzt auf dem richtigen Weg, und auch wenn sie sich die Seele aus dem Leib hustete, auch wenn es sich anfühlte, als würde ihre Kraft mit jedem Schritt weiter schwinden. Sie spürte einen kühlen Lufthauch im Gesicht und plötzlich klang der Husten ab. Sie holte keuchend Atem, dann gleich noch einmal und schmeckte herrliche, frische Luft.

Sie war an dem Quarzvorsprung vorbeigegangen und kam nun in den engen Tunnel, der in die schwarze Leere eines weiteren Portals führte. Claire schaffte es taumelnd, aber immer noch aufrecht bis dorthin und die anderen folgten ihr. Oliver hatte, sobald es ging, ihre Hand losgelassen, aber stattdessen hielt Shane ihre Hand, und das war gut. Sie drückte seine Hand ganz fest und er reckte den Daumen der anderen Hand nach oben, während er noch einmal hustete und sich das Blut vom Mund wischte. Auch seine Augen waren blutunterlaufen. Doch allen schien es einigermaßen gut zu gehen, sogar Michael.

Claire atmete weiterhin in tiefen, reinigenden Zügen ein und konzentrierte sich auf das Portal. Dieser Teil würde knifflig werden, wenn Myrnin daran gedacht hatte, es zu verschließen, aber das glaubte sie nicht. Es war so lange nicht benutzt worden, dass er praktisch vergessen hatte, dass es überhaupt da war, behauptete er - zumindest bis Ada sie beide in der Höhle gefangen gehalten hatte.

Wenn er das alles vergessen hatte, dann würde ihm auch das geheime Portal nicht mehr einfallen. Hoffte sie zumindest.

In ihrem Kopf stellten sich die Frequenzen des Portals ein und sie sah ein Glitzern über das Schwarz huschen, dann ein Schimmern, dann winzige Lichtpünktchen. Ein gruseliges Farbenspiel, irgendwo zwischen Grau und Blau. Schließlich löste es sich zu Schatten und Deckenlichtern auf und sie sahen die seltsamen organischen Umrisse des Computers unter Myrnins Labor.

»Leise«, sagte Oliver und drückte warnend ihre Schulter. Sie nickte. »Lass uns zuerst gehen.«

Sie hielt das Portal offen, während Oliver und dann Frank hindurchschritten. Shane, Eve und Michael sahen sie an und sie nickte.

»Geht schon mal«, sagte Shane. »Ich komme mit Claire.«

Michael nahm Eve an der Hand und trat durch das Portal.

»Du musst das nicht tun«, sagte Shane. »Du kannst das uns machen lassen.«

»Uns? Wer ist uns?«

Er ruckte mit dem Kopf in Richtung der Vampire und Eve. »Du weißt schon. Uns andere. Das wird nämlich gefährlich.«

»Keine Chance«, sagte Claire. »Vielleicht kann ich ihn dazu bringen aufzuhören.«

»Wen, den Verrückten? Vielleicht. Oder er reißt dir den Kopf ab«, sagte Shane. »Das macht mir irgendwie Sorgen.«

Unwillkürlich musste sie lächeln. »Ach ja?«

»Ein ganz kleines bisschen.«

»Das ist... lieb.«

Er musterte sie und erwiderte ihr Lächeln. »Ja«, sagte er. »Irgendwie schon. Also. Ich gehe jetzt mal.«

»Ich auch.«

Hand in Hand gingen sie gemeinsam durch das Portal.

Auf der anderen Seite des Portals war keine Spur von Myrnin zu sehen. Die Maschine summte und klirrte und zischte; aus den Ventilen trat flüsternd Dampf aus. Er ist hier, dachte Claire. Irgendwo. Oliver und Frank bewegten sich lautlos durch das Dunkel auf der Jagd nach ihm. Eve, Michael und Shane blieben vernünftigerweise, wo sie waren.

Der Schalter an der Wand war der Hauptschalter für den Strom. Claire löste sich aus Shanes Griff und sie trugen einen Pantomimischen Streit aus - er schüttelte den Kopf, sie legte den Finger auf die Lippen, er formte Worte mit dem Mund, für die er bestimmt von der Schule geflogen wäre, wenn er tatsächlich erst fünfzehn wäre. Zumindest hätte er nachsitzen müssen. Entschlossen bedeutete sie ihm, zu bleiben, wo er war, und ging in Richtung Stromschalter.

Als sie noch einen halben Meter davon entfernt war, spürte sie die knisternde Warnung um das Metall herum. Myrnin hatte den Schalter irgendwie verkabelt, sodass Strom hindurchfloss. Wer auch immer den Schalter berührte, würde gegrillt werden.

Claire betrachtete das Problem ein paar Sekunden lang, dann drehte sie sich um und ging zurück zu ihren Freunden. Sie packte Eve am Arm und flüsterte: »Ich brauche deine Stiefel.«

»Was?« Eve versuchte, ihre Stimme zu dämpfen, aber es kam ein bisschen zu erschrocken heraus. »Meine was?«

»Stiefel«, zischte Claire. »Jetzt sofort. Beeil dich.«

Eve sah sie aus großen Augen zweifelnd an, schüttelte den Kopf, als würde sie glauben, dass Claire jetzt völlig den Verstand verloren hatte. Sie löste die Schnürsenkel ihrer schweren, klobigen Stiefel mit den dicken Sohlen, anschließend zog sie erst einen aus, dann den anderen und stand in rot-schwarz geringelten Socken da. Sie hielt Claire die Stiefel hin.

Claire steckte die Hände hinein, als wären es riesige, plumpe Handschuhe. Sie waren warm und ein bisschen feucht von Eves Füßen. Unter normalen Umständen wäre das eklig gewesen, aber das war Claire in diesem Moment egal.

Sie ging erneut zu dem Schalter, holte tief Luft und legte die Gummi- oder Plastiksohlen von Eves Stiefeln auf den rot gestrichenen Hebel. Dabei schloss sie die Augen, weil sie fast damit rechnete, dass sie gleich ins Jenseits befördert würde, aber nichts passierte. Sie konnte den Strom zwar noch spüren, aber die Stiefel isolierten sie, genau wie ihre eigenen Gummisohlen.

Claire riss mit aller Kraft an dem Hebel und einen Moment lang sah es so aus, als würde er nicht nachgeben, aber dafür schnappte er plötzlich mit einem metallischen Scheppern auf »Aus«.

Doch das spielte keine Rolle. Nichts passierte.

Die Maschine lief weiter.

Claire zog die Hände aus den Stiefeln und warf sie Eve zu, die rasch wieder hineinschlüpfte. Die Schnürsenkel ließ sie offen.

»Ich wusste, dass jemand wie du kommen würde«, sagte Myrnin, und Claire nahm an, dass er irgendwo hinter der Maschine war – schwer zu sehen und noch schwerer zu erreichen. »Jemand, der alles zerstören will. Jemand, der Morganville vernichten will. Ich habe tagelang daran gearbeitet, um sicher- zustellen, dass ihr keinen Erfolg haben werdet. Verschwindet, wenn euch euer Leben lieb ist.«

»Myrnin, das ist nur eine Maschine und sie ist kaputt! Ada ist tot!«

Er fauchte und seine Stimme bebte vor Zorn: »Sag das nicht. Sag das nie wieder.«

Ein unterdrückter Schrei war zu hören, dann kam es plötzlich zu einem hektischen Gerangel im Dunkeln, dort, wo Myrnin sich versteckte.

Oliver taumelte zurück und fiel in einen Lichtkegel. Sein Gesicht war verzerrt, ein silberner Pfahl steckte tief in seiner Brust. Er sank zusammen. Claire stürzte zu ihm, aber noch bevor sie bei ihm war, trat Myrnin aus dem Dunkel. Sie hatte ihn nicht kommen sehen und konnte sich nicht rechtzeitig wegdrehen. In Bruchteilen von Sekunden hatte er sie erwischt; er hielt ihr mit der Hand den Mund zu und schleifte sie von Oliver weg in die Finsternis.

»Nein!«, brüllte Shane, rannte los und zog Oliver den Pfahl der Brust. Oliver krümmte sich und wälzte sich auf die Seite. Doch Shane wandte sich sofort wieder ab. Mit der Waffe in der Hand kam er auf Myrnin und Claire zu.

Frank Collins packte seinen Sohn von hinten und stieß ihn zur Seite, genau in dem Moment als Shane fast an einem Stolperdraht hängen geblieben wäre, der in dem trüben Licht kaum zu sehen war.

Alles, was Claire von ihrem Standpunkt aus sehen konnte, war ein heller Lichtblitz, dem unmittelbar ein ohrenbetäubender Donner folgte. Sie spürte brennende Schnitte am Körper, als Myrnin sie plötzlich zu Boden riss und auf sie fiel. Da wehte eine Staubwolke über sie hinweg, an der sie fast erstickt wäre. Sie wand sich unter dem benommenen Myrnin hervor und versuchte, sich aufzurappeln.

Vor der Maschine war ein riesiger Metallpfeiler umgeknickt und hatte Frank Collins unter sich und einem Haufen Schutt begraben. Shane lag ein paar Meter weiter, er war mit hellem Staub bedeckt, aber er atmete noch. Claire zog sich hoch und sah, dass Michael bereits zu ihm lief, um ihm den Puls zu fühlen. Er reckte den Daumen nach oben und ging dann zu der Stelle, an der Frank feststeckte. Er versuchte, den Metallpfeiler anzuheben, aber der war selbst für Vampirkräfte zu schwer.

Und Frank sah nicht gut aus. Zähflüssiges Blut rann von seiner Brust und bildete auf dem Boden eine Lache.

»Hilf mir!«, schrie Michael und Oliver schaffte es, hinüberzukriechen und seine Schulter ebenfalls unter den Pfeiler zu schieben. »Hochstemmen!«

»Es hat keinen Sinn«, keuchte Frank. »Ich bin erledigt. Bring es zu Ende, Claire. Bring es zu Ende.«

Sie wandte sich zu der Konsole der Maschine. Die war staubbedeckt und der Bildschirm hatte einen Sprung, aber sie funktionierte noch. Sie griff nach einem Stück Draht, hielt kurz davor inne, weil sie spürte, wie sich die Härchen auf ihrem Arm aufstellten.

»Das geht nicht«, sagte Myrnin. Er wälzte sich herum und starrte sie an. »Du kannst sie nicht abschalten. Alles ist in Ordnung. Wenn du erst mal loslässt, wird es wieder besser, wirst dich besser fühlen. Lass einfach ... los.«

»Das kann ich nicht.« Sie weinte jetzt vor lauter Frustration und Angst. »Helfen Sie mir doch. Helfen Sie mir! «

»Sie kann nicht mehr abgeschaltet werden«, sagte Myrnin. »Dafür habe ich gesorgt. Nie wieder wird jemand Ada etwas tun. Ihr nicht und ich nicht. Sie ist in Sicherheit.«

»Sie bringt uns um! «, schrie Claire.

»Nein sie bringt uns wieder in Ordnung«, sagte Myrnin. »Versteht ihr denn nicht? Ich habe die Protokolle da oben gelesen. Morganville war schon jahrelang nicht mehr richtig. Es hat sich verändert und sich in etwas Falsches verwandelt. Sie hat uns wieder in Ordnung gebracht. Uns alle.«

»Blödsinn«, sagte Frank Collins und hustete Blut. »Schalt sie ab, Myrnin. Du musst es tun.«

Myrnin sah ihn über den Schutthaufen hinweg an. »Willst du nicht zurückkehren zu den Tagen, als du glücklich warst, als wir alle glücklich waren? Du, deine Frau, deine Tochter, dein Sohn? Das alles kann zurückkommen. Du kannst dich wieder so fühlen wie damals. Sie kann dafür sorgen, dass du dich so fühlst.«

Frank lachte. »Du willst mir meine Familie zurückgeben?«, sagte er. »Willst du das damit sagen?«

»Ich nicht«, sagte Myrnin. »Aber ich kann alles wieder so machen, wie es war, für dich und auch für mich. Gerade du solltest das doch auch wollen.«

In Franks Kehle arbeitete es, als würde Frank versuchen, etwas Unangenehmes hinunterzuschlucken. Seine Augen glänzten und sahen sehr, sehr kalt aus. »Du bist wohl Gott«, sagte er. »Und kannst die Toten zurückbringen.«

»Ich kann dir eine neue Familie geben. Das Mädchen da kann deine neue Tochter sein. Wir können eine Frau für dich finden. Ich kann dafür sorgen, dass du alles vergisst. Du wirst den Unterschied nie merken und sie wird auch vergessen, wer sie einmal war.«

»Glaubst du wirklich, dass das verlockend klingt?«, sagte Frank Collins ganz leise. »Das ist krank. Meine Frau und meine Tochter sind tot und du wirst mich nicht dazu bringen ein Lüge zu glauben. Du wirst die Erinnerung an sie nicht kaputt machen. Mein Sohn liebt dieses Mädchen und ich lasse nicht zu, dass du sie ihm wegnimmst.«

Myrnin blickte auf, als würde er irgendetwas wahrnehmen »Es ist zu spät«, sagte er. »Es geht los.«

Claire hörte, wie sich das Summen der Maschine veränderte, es wurde höher, durchdringender. Sie spürte, dass sie einen Kraftimpuls aussandte, und etwas in ihrem Kopf wurde seltsam. Etwas, das sie brauchte. Etwas, das sie an ihrem Platz in der Welt, in Zeit und Raum hielt. Es tat weh. Es fühlte sich an, als würde ihr Gehirn geschreddert, auseinandergerissen und als würden die Erinnerungen herausfließen wie ein silberner Strom. Sie konnte sie nicht festhalten; alles war nur... laut.

Der Schmerz ließ nach, aber etwas Schlimmeres trat an seine Stelle. Panik. Entsetzen. Furcht. Sie sah einen Raum voller Fremder vor sich. Furcht einflößende Leute an einem beängstigenden Ort. Wie war sie hierhergekommen? Was ... was ging da vor? Wo war sie?

Warum war sie nicht zu Hause?

Nein, das war nicht richtig. Sie kannte sie doch; sie kannte sie alle. Das war Shane, der sich da gerade hochrappelte... dann verschob sich alles und da war ein dunkelhaariger, staubbedeckter Junge, den sie nicht kannte. Ein Fremder. Er kam auf sie zu, doch dann zögerte er und blieb stehen; er legte die Hand an den Kopf, als würde der wehtun. Ihr Kopf tat auch schrecklich weh. Da war dieses Geräusch, ein irrer Ton, der eigentlich gar nicht da war, eigentlich war es gar kein richtiges Geräusch. Sie fühlte sich …

Verloren. Sie fühlte sich verloren, allein und verängstigt.

Es war, als würde sie mental doppelt sehen. Sie kannte diese Leute auf einer ganz grundlegenden Ebene, aber sie hatte sie gleichzeitig vergessen. Sie kannte den Mann mit der Narbe im Gesicht und kannte ihn doch nicht, ebenso den Jungen, der gerade die Hand nach ihr ausstreckte, das Mädchen mit den dunklen Haaren und dem blassen Gesicht und den anderen Jungen mit den goldblonden Haaren. Irgendwie sah sie alle sich, mit ihren Namen und ihrer Geschichte, aber dann verblasste alles. Und verschwand.

Nein. Sie kannte hier niemanden und noch nie im Leben hatte sie sich so schrecklich gefühlt, so verletzlich. Sie wollte nach Hause. Da war noch ein Fremder, er hatte abgefahrene alte viktorianische Kleider an und machte einen auf Steampunk; er starrte Claire aus großen dunklen Augen an. Er fasste nach ihr und sie wusste, dass das nicht richtig war. Wusste, dass sie von ihm weg in die Arme des Jungen taumeln sollte. Ein anderer älterer, grauhaariger Mann stieß sie mit dem Ellbogen aus dem Weg und rammte den viktorianischen Mann gegen die Wand, dann schleifte er ihn hinaus und durch den Tunnel. Er brüllte ihnen allen zu, ihm zu folgen. Claire wollte nicht; sie traute ihnen nicht - keinem von ihnen.

Doch der Junge nahm sie an der Hand und sagte: »Vertrau mir, Claire.« Da fühlte sie, wie etwas in ihr drin, das vor Angst geschrien hatte, ruhig wurde.

Wieder wurde sie von einer Woge des Schmerzes übermannt und sie wäre fast zu Boden gegangen. Alles löste sich auf, alles, was sie war, alles...

Sie sank auf die Knie und merkte, dass sie neben dem Mann mit der Narbe im Gesicht kniete. Er war unter einem umgefallenen Metallpfeiler eingeklemmt und es sah schlimm aus, richtig schlimm. Sie versuchte, den Pfeiler anzuheben, aber er griff nach ihrer Hand. »Claire«, sagte er. »Mach, dass du hier rauskommst. Schnell.«

Er ließ sie los und kramte in einer Tasche, die neben ihm auf den Boden gefallen war. Er holte etwas Rundes, Dunkelgrünes heraus, etwa so groß wie ein Apfel.

Granate. Das Wort waberte durch ihr Gehirn und löste sich im Nebel auf. Aus irgendeinem Grund sollte sie Angst davor haben, aber sie wusste gar nicht, warum.

Der dunkelhaarige Junge brüllte sie jetzt an und zog sie hoch. Er sah nach unten und entdeckte das Ding, die Granate. »Dad«, flüsterte er. »Dad, was tust du da?«

»Raus mit euch«, sagte der Mann. »Ich werde dich nicht auch noch verlieren, Shane. Alles verschwindet allmählich und das kann ich nicht zulassen. Ich muss es aufhalten. Das ist der einzige Weg.«

Der Junge stand da und sah auf ihn hinunter, dann ließ er sich auf die Knie fallen und legte die Hand auf den Kopf des Mannes. »Es tut mir leid«, sagte er. »Dad, es tut mir leid.«

»Nicht«, sagte der Mann. »Ich brauche ein bisschen Hilfe und dann musst du deine Freunde hier rausbringen. Verstanden?«

Der Junge weinte und zitterte, aber er nickte. Er griff nach unten und umfasste den Metallring der Granate und sein Dad riss den Arm in die andere Richtung. Der Bolzen sprang heraus.

»Geht«, sagte der Mann. »Ich liebe dich, mein Sohn.« Der Junge wollte nicht gehen. Claire schleifte ihn praktisch durch den Raum, in die Richtung, in die die anderen bereits gegangen waren. An der Mündung des Tunnels blieben sie stehen, und Claire sah, wie der Mann langsam die Granate über den Flur rollte, bis sie mit einem Klicken gegen das Metall eines riesigen frankensteinartigen Gewirrs aus Kabeln, Uhrwerken, Röhren und Tastaturen stieß.

Sie kannte ihn. Da war sie sich fast sicher, als er den Kopf drehte und sie anlächelte.

Sein Name war Frank. Frank Collins.

Frank sagte: »Lebt wohl.«

Claire schnappte nach Luft und riss Shane in den Tunnel. Er stolperte und ging zu Boden; sie ebenfallls.

Eine Sekunde später explodierte die Welt um sie herum.

Mit einem klingelnden Geräusch im Ohr kam sie zu sich. Alles tat ihr weh und ihr Kopf fühlte sich an, als wäre er mit Batteriesäure gefüllt, aber sie lebte.

Und sie fühlte sich so... ganz. Wieder ganz sie selbst.

Als sie sich bewegte, spürte sie, dass sie unter einem schweren, warmen Gewicht lag. Shane. Sie wand sich unter ihm hervor und drehte ihn um, wahnsinnig vor Angst, er könnte verletzt sein, doch dann sah sie, dass er atmete. Seine Augenlider flatterten, dann sah er sie kurz ausdruckslos und seltsam erstaunt an. Er konzentrierte sich auf ihr Gesicht. Er sagte etwas, aber sie zeigte auf ihre Ohren und schüttelte den Kopf. Sie half ihm, sich aufzusetzen, und streichelte ihn besorgt. Er hatte ein paar Schnittwunden und blaue Flecken, aber nichts Schlimmes.

Shane deutete auf sie und zog die Augenbrauen hoch, um eine Frage daraus zu machen. Sie gab ihm ein Okay-Zeichen. Er reckte ebenfalls den Daumen nach oben.

Überrascht blickte sie auf, als plötzlich Licht auf sie fiel und sie sah, dass es durch eine Falltür drang, die über ihnen aufgerissen worden war. Eine katzenartige Gestalt in einem weißen Anzug sprang herunter, landete leichtfüßig auf Schuhen mit hohen Absätzen und sah sich den Schaden an. Falls Amelie etwas sagte, konnte Claire es jedenfalls nicht hören; sie ging ein Stück weiter zu Oliver, der sich über Myrnin beugte und ihn auf den Boden drückte.

Myrnin sah nicht aus, als müsste man ihn festhalten. Er zitterte, war bleich und hohläugig, und als er Claires Blick begegnete, sah er rasch weg.

Sie sah Tränen.

Michael und Eve standen beisammen, sie hielten sich eng umschlungen und sahen aus, als würden sie sich nie wieder loslassen wollen. Claire zog Shane zu sich hoch. Eine zaghafte Freude erfasste sie, als ihr dämmerte, dass sie letztendlich doch alle okay waren.

Bis Shane sich umwandte und in den Tunnel schaute. Da erinnerte sich Claire. Schlimmer noch, sie sah, dass er sich erinnerte. Seine Lippen öffneten sich und sie sah, wie er Dad! brüllte und durch den Tunnel auf den Maschinenraum zurannte.

Claire rannte mit klopfendem Herzen hinterher.

Die Maschine war zerstört. Sie war nur noch Schrott. Es war kaum zu fassen, wie kaputt sie war. Claire nahm an, dass es eine Art Kettenreaktion gegeben hatte, denn an manchen Stellen sah es so aus, als hätte sie sich selbst zerquetscht. Überall lagen verbogene und zerfetzte Trümmer. Nichts rührte sich. Eine dichte, erstickende Staubwolke hing in der Luft.

Shane ging geradewegs auf den Trümmerhaufen zu. Claire versuchte, ihn zurückzuhalten, doch er schüttelte sie ab. Sein Gesicht war weiß und leer. Dad? Dieses Mal hörte sie das schwache Echo seines Schreis und nahm das Grauen in seiner Stimme wahr. Sie packte ihn am Arm und er sah auf sie herunter. Sie hatte keine Ahnung, was sie sagen sollte, aber sie wusste, dass ihr Gesicht ausdrückte, wie leid es ihr tat. Shane riss sich los und rannte über die Trümmerteile der Maschine. Dann blieb er stehen. Er blieb einfach... stehen und starrte nach unten.

Claire wusste nicht, was sie tun sollte, sie fühlte sich schrecklich. Sie hatte Angst und ihr war elend; sie wusste, dass sie eigentlich zu ihm gehen sollte, aber irgendetwas sagte ihr, sie solle es nicht tun. Irgendetwas riet ihr abzuwarten.

Amelie berührte sie an den Schultern und Claire zuckte zusammen. Mit finsterem Gesicht blickte Amelie von ihr zu Shanes regloser Gestalt und Claire sah an Amelies Gesicht, wie es ihr dämmerte. Sie ging zu Shane und legte ihm den Arm um die Schultern. Dann drehte sie ihn herum und Claire wusste, dass er hinter dem Gewirr aus Metall etwas gesehen hatte. Etwas Schreckliches. Wieder lag ein ausgebrannter, toter Ausdruck in seinen Augen und sie hatte das Gefühl, als würde ihr Herz zu Asche zerfallen aus lauter Mitgefühl mit ihm.

Claire eilte zu ihm, an seine Brust, und nach ein paar Sekunden umarmte er sie. Dann legte er den Kopf auf ihre Schulter, und auch wenn sie ihn nicht hören konnte, spürte sie, wie sein Körper von Weinen geschüttelt wurde und wie ihre Haut unter dem T-Shirt tränennass wurde.

Claire strich ihm mit den Fingern durch die Haare und tat das Einzige, was sie jetzt tun konnte.

Sie hielt ihn fest.