Kapitel 11
Captain Vorongil ließ ihn nicht lange im Ungewissen. Kaum waren seine Empfindungen etwas abgeebbt – Ringg stand noch über Metas Hand gebeugt –, als der Captain unerwartet den Raum betrat. Erst als er anfangen wollte zu sprechen, bemerkte er Ringg.
»Das hätte ich mir denken können«, meinte er. »Wenn irgend etwas im Gange ist, bist du natürlich derjenige, der es herausfindet.«
»Soll ich gehen, rieko mori?«
»Nein, bleib«, knurrte Vorongil. »Du würdest es sowieso erfahren, auf die eine oder andere Art. Es ist sogar besser, wenn du gleich richtig informiert bist. Vermeide bloß, darüber zu tratschen, wenn es dir irgendwie möglich ist. Aber zunächst mal etwas anderes: fühlen Sie sich wohl, Meta?«
Sie nickte und erhob sich. Beinahe herausfordernd schob sich ihr Kinn vor. »Was ist der Grund? Weshalb haben Sie uns die ganze Zeit belogen?«
Vorongils Gesicht zeigte einen leicht verblüfften Ausdruck. »Nun, man kann es nicht als Lüge bezeichnen«, bemerkte er, nicht unfreundlich. »Neun von zehn Lhari-Captains sind davon überzeugt, daß Menschen während der Delta-Phase sterben. Ich selbst war mir nicht ganz sicher, bis ich im letzten Jahr die Debatten im Verwaltungsrat verfolgte. Ich hätte ohne dich, Bartol, nie so ein Experiment gewagt.«
»Aber weshalb?« Bart wiederholte Metas Frage. Vorongil seufzte. Seine wachsamen grauen Augen fixierten Bart in beunruhigender Weise. »Vermutlich kennst du die menschliche Entwicklungsgeschichte besser als ich«, sagte er. »Bei den Lhari gab es niemals Krieg. Offen gesagt, wir hatten Angst vor euch. Um uns eine Atempause zu gönnen, wurde auf den höchsten Ebenen entschieden, der Menschheit nicht zu viele Möglichkeiten zu geben, Dinge herauszufinden, die wir lieber für uns behalten wollten. Auf den ersten Schiffen reisten die Menschen ohne Kaltschlaf und ohne Drogen, doch dann wurde beschlossen, daß man sie betäuben sollte. Und die Leute vergessen sehr rasch. Die Wahrheit liegt in den Bordbüchern der allerersten Flüge verborgen. Als nun die Mentorianer für uns immer wichtiger wurden, bedauerten wir unser Vorgehen; aber zu diesem Zeitpunkt hatte sich unsere zeitweilige Maßnahme bereits verselbständigt. Die Mentorianer glaubten inzwischen so felsenfest daran, daß sie vor Angst umkamen, als wir den Versuch unternahmen, sie die Delta-Phase bei vollem Bewußtsein erleben zu lassen. Ich machte das Experiment mit Ihnen, Meta, weil ich wußte, daß Sie Barts Gegenwart beruhigen würde. Den anderen wurde statt der Kaltschlaf-Injektion ein wirksames Beruhigungsmittel verabreicht. Ihr Zustand ist ausgezeichnet. Sie können sie aufklären. Wie fühlst du dich jetzt, Bart?«
»Danke, gut. Aber ich frage mich, was nun geschehen soll.«
»Dir wird nichts passieren«, erwiderte Vorongil rasch. Er fügte hinzu: »Du glaubst mir nicht, stimmt’s?«
»Stimmt, Sir. David Briscoe hat dasselbe getan wie ich – und er ist tot, genauso wie drei andere Männer.«
Vorongil setzte sich. Er seufzte. »Die Menschen und auch die Lhari tun in ihrer Angst viele sonderbare Dinge. Eure Rasse, wie ich schon sagte, hat eine eigentümliche Geschichte, die uns in Angst und Schrecken versetzt. Wenn du zum Beispiel die Koordinaten der Lhari-Gestirne kennen würdest, könntest du dann garantieren, daß nicht einer eurer Leute versuchen würde, durch Gewalt in den Besitz des Delta-Antriebs zu gelangen? Auf Lharillis haben wir einen Mann zurückgelassen, der bereit war, zu diesem Zweck vierundzwanzig von uns zu töten. Ich kann mir vorstellen, daß der Captain der Multiphase von folgender Überlegung ausging: Er wußte, daß Briscoe sich einer ernsthaften Übertretung der Lhari-Gesetze schuldig gemacht hatte, und ihm war klar, daß die Gefahr eines intergalaktischen Krieges zwischen Menschen und Lhari bestand, falls Briscoes Bericht die Runde machen würde. Ich vermute, er ging davon aus, daß ein halbes Dutzend Opfer im Verhältnis zu einer halben Million das kleinere Übel wäre. Ich will ihn nicht verteidigen, ich versuche nur, eine Erklärung zu finden.«
Bart blickte zu Boden. Hierauf hatte er keine Antwort parat.
»Aber nun zu dir«, meinte Vorongil. »Nein, du wirst nicht getötet werden. Aber das ist alles, was ich dir garantieren kann. Meine persönlichen Gefühle haben mit dieser Angelegenheit nichts zu tun. Du wirst mit uns nach Lharis reisen und dort durch den Hohen Rat einer psychologischen Untersuchung unterzogen werden, um festzustellen, ob du irgend etwas weißt, was uns gefährlich werden könnte. Das entspricht der Lhari-Gesetzgebung, und es ist durch entsprechende Verträge mit eurem Weltenbund auch in eure Gesetze eingeflossen. Solltest du Kenntnis haben von Dingen, die für uns eine Gefahr bedeuten, so gestattet uns das Gesetz, diese Erinnerung zu löschen, bevor du wieder in deine Heimatwelt entlassen wirst.«
Meta lächelte ihm zu, doch Bart fröstelte. Das erschien ihm beinahe schlimmer als der Gedanke an den Tod.
Die Vorstellung bedrückte ihn immer heftiger, als ihr Raumschiff in das Sonnensystem der Lhari-Welt eingedrungen war, zu dem sie ihr letzter großer Sprung geführt hatte. Alpträume über Raynor Drei suchten ihn heim, und obwohl Meta und Ringg ihm beinahe in jeder Schicht einen Besuch abstatteten und versuchten, ihn aufzuheitern, verspürte er den ungeduldigen Wunsch, alles Gerede möge endlich vorüber sein.
Mit am schlimmsten war für ihn die Befürchtung, er könne Meta vergessen. Die hübsche Mentorianerin war für ihn zu einem Symbol geworden, und er hatte bereits so viele Freunde verloren. Doch als er ihr gegenüber eines Tages seine Befürchtungen erwähnte, beruhigte sie ihn.
»Man vergißt eigentlich nicht«, sagte sie. »Man bekommt nur eine Art Sperre eingebaut; also, ich kenne zum Beispiel die Koordinaten des Gestirns, auf dem Treibstoff aufgenommen wird, aber es ist mir unmöglich, sie zu enthüllen, nicht einmal in tiefer Hypnose oder unter Narkosynthese. Es heißt, daß nach vielen, vielen Jahren das Gedächtnis beeinträchtigt werden kann. Auch die Kaltschlaf-Narkose beeinträchtigt das Gedächtnis. Mit der Zeit beginnen alle betroffenen Mentorianer, unter den Folgen zu leiden.«
»Aber Raynor Drei – « Bart hielt inne. Raynor Drei hatte ein Doppelspiel gespielt. Die Lhari hatten dafür gesorgt, daß er ihre Geheimnisse den Menschen nicht weitererzählen konnte, und die Menschen hatten auf seinen eigenen Wunsch hin seine Erinnerung an die Verschwörung gegen die Lhari ausgelöscht. Er hatte sich entschlossen, all seine Erinnerungen aufzugeben, weil die Menschen noch keine so fortgeschrittenen Verfahren zur Gedächtnissperre kannten.
Trotz dieses Wissens hatte er Bedenken, die nicht geringer wurden, als das Raumschiff nach der nervenaufreibenden Bremsphase im Planetenbereich endlich landete und er unter Bewachung von Bord geführt wurde. Er erhaschte dabei nur einen raschen Blick, durch eine dunkle Sonnenbrille gedämpft, auf die unglaubliche Helligkeit der grellweißen Lhari-Sonne, die die Kristalltürme aufblitzen ließ, bevor er in ein geschlossenes Gefährt verfrachtet wurde.
Es schoß mit ihm davon zu einem Gebäude, dessen Außenmauern er nicht zu Gesicht bekam. Dort beförderte ihn ein Privataufzug hinauf zu einer Zimmerflucht, die von der Ausstattung her genauso gut zu einem Luxushotel gepaßt hätte wie auch zu einem Gefängnis oder zu einer Irrenanstalt. Die Wände waren durchsichtig, die Möbel in eigenartigen Farbtönen gehalten und so dick gepolstert, daß weder ein Angreifer noch ein Selbstmordkandidat Gelegenheit gehabt hätte, sich oder andere zu verletzen. Er bekam oft genug zu essen – seltsame, fremdartige Gerichte, die ihn aber nicht lange genug beschäftigten, um sich zwischen den Mahlzeiten nicht zu langweilen oder in Grübeleien zu versinken. Zwei riesige Lhari-Posten kamen in stündlichen Abständen herein, um nach ihm zu sehen, doch entweder waren sie taubstumm, oder sie verstanden seinen Lhari-Dialekt nicht, oder sie hatten Anweisung erhalten, nicht mit ihm zu sprechen und nicht auf seine Fragen zu antworten. Es war der frustrierendste Teil seiner ganzen Reise. Nach einem Zeitraum von etwa vier Tagen verfiel er in panischen Schrecken. Ob sie wohl die Absicht hatten, ihn hier für den Rest seines Lebens in obskurer Abgeschiedenheit gefangenzuhalten? Vielleicht hatte Vorongil das damit gemeint, als er versicherte: Dir wird nichts geschehen.
Doch plötzlich war es zu Ende. Ein Lhari, begleitet von einem mentorianischen Dolmetscher, der nicht nur die Raumsprache beherrschte, sondern auch Barts Muttersprache, holte ihn ab und brachte ihn über ein Gewirr von Aufzügen und Treppen in einen ruhigen, schmucklosen Raum, in dem sich vier Lhari aufhielten. Sie boten ihm einen bequemen Sessel an, und der mentorianische Dolmetscher begann in sanftem, entschuldigendem Ton.
»Bart Steele, mir wurde aufgetragen, Ihnen zu sagen, daß Ihnen keinerlei körperlicher Schaden zugefügt werden wird. Es wäre für Sie und Ihr Seelenleben am einfachsten, wenn Sie mit uns zusammenarbeiteten. Ich bin angewiesen worden, Sie darauf aufmerksam zu machen, daß Widerstand absolut zwecklos ist; sollten Sie versuchen, Widerstand zu leisten, so wären wir gezwungen, auf Höflichkeit zu verzichten und statt dessen Zwang auszuüben.«
Bart saß ihnen gegenüber; die Demütigung ließ ihn innerlich erschauern. Ihm schoß der Gedanke an Widerstand durch den Kopf. Vielleicht sollte er sie kämpfen lassen um das, was sie von ihm wollten! Sie bekämen es ja sowieso, aber er mußte weiß Gott nicht untertänig hier sitzen und es ihnen auf einem Tablett präsentieren, oder? Sie würden dann wenigstens erkennen, daß man Menschen nicht mit Mentorianern in einen Topf werfen konnte, daß sie sich nicht einfach gleichmütig und ohne ein Wort des Protestes einer Gehirnwäsche unterziehen ließen. Er wollte aufspringen, aber noch bevor er seine Muskeln richtig angespannt hatte, hatten ihn seine Bewacher mit raschen und kraftvollen Bewegungen im Griff. Er ließ den Kopf sinken. Sein gesunder Menschenverstand triumphierte über seine Vorstellung von Tapferkeit. Er war allein, unzählige Millionen von Lichtjahren von seinem eigenen Volk entfernt und völlig auf sich gestellt. Widerstand hatte keinerlei Bedeutung, Unterwerfung ebenfalls nicht. Wäre es ein Beweis für seine Männlichkeit, wenn er riskierte, sein Gehirn zerstören zu lassen? Irgendwie hatte er auch den Eindruck, daß sie bereits bestens darüber informiert waren, was er wußte.
»Also gut, ich werde mich nicht sträuben«, murmelte er.
»Damit zeigen Sie, daß Sie vernünftig sind«, sagte der Mentorianer leise. »Bitte reichen Sie uns Ihren linken Arm – falls Sie Linkshänder sind, Ihren rechten. Es steht Ihnen frei.«
Er gab auf. Für ihn war es der tiefste Punkt in seinem ganzen Leben.
Er spürte den Einstich einer Nadel in der Haut seines linken Armes. Ein schwindelerregender Gedankenwirrwarr wirbelte durch seinen Kopf. Briscoe, Raynor Eins und Raynor Drei. Das Verschwörernetz zwischen den Gestirnen. Ringg, Vorongil, Meta… sein Vater…
Ihm schwand das Bewußtsein.
Der Mentorianer hielt ihm einen Becher an die Lippen. Er schluckte, mußte husten, und stellte gleichzeitig fest, daß er ein starkes Anregungsmittel erhalten hatte, das seinen Kopf sofort frei machte. Er war mit dem mentorianischen Assistenten allein in einem ruhigen Zimmer und wurde von diesem höflich informiert: »Wenn Sie sich dazu in der Lage fühlen, werden Sie vor dem Hohen Rat erwartet. Sollten Sie es wünschen, so steht Ihnen anschließend ein Vernehmungsprotokoll zur Verfügung.«
Bart stellte überrascht fest, daß sein Geist unglaublich klar war. Er tastete in seinen Erinnerungen, so wie man mit der Zunge einen schmerzenden Zahn erfühlt. Immer noch waren die Demütigungen und sein Groll gegen die Lhari nicht vergessen, ebensowenig wie die Einzelheiten seiner Reise hierher, die er völlig klar und deutlich vor sich sah, oder Montanos Komplott und alles, was er gesagt oder getan hatte. Sie hätten mit Leichtigkeit meine persönliche Einstellung ändern können… aber sie haben es nicht getan. Sie hätten aus mir einen treuen Lhari-Gefolgsmann machen können, aber sie haben es nicht getan. Ich bin noch der gleiche, der ich vorher war.
»Ich bin jetzt bereit«, erklärte er irritiert und folgte dem Mentorianer einen Korridor entlang. Der Mentorianer schob eine Tür auf und sagte leise: »Der Weganer Bart Steele, alias Bartol«, worauf Bart eintrat in einen großen, imposanten Raum.
Er fand sich einer halbkreisförmigen Barriere aus farblosem, glasähnlichem Metall gegenüber, hinter der acht alte und vollkommen kahlköpfige Lhari Platz genommen hatten. Ihre Augen waren mit unverhohlener Neugier auf ihn gerichtet.
Einer lächelte, ein zweiter zog die Stirn in Falten, ein weiterer äußerte: »Erstaunlich!«, und der vierte wandte sich mit den Worten zur Seite:
»Captain Vorongil, erkennen Sie diesen Mann wieder?«
»Ja«, erwiderte Vorongil. Unter der grellen Beleuchtung hatte Bart ihn nicht vor den acht Lhari sitzen sehen, die er für den Hohen Rat hielt.
»Treten Sie vor, Bart Steele, alias Bartol«, forderte ihn der uralte Lhari in der Mitte des Halbkreises auf.
Langsam bewegte sich Bart nach vorn. Unter ihren weisen Augen kam er sich plötzlich sehr jung und sehr furchtsam vor – und auch entsetzlich dumm.
Hier stand er nun – er, der sich selbst als tapferen Spion gesehen hatte, als Kämpfer für das Wohl der Menschheit und was sonst nicht noch alles, und vor ihren unendlich alten, weisen und erfahrenen Augen, vor ihren gnomenhaft zerfurchten Gesichtern erkannte er erst, was er wirklich war: ein verwegener Jüngling, der sich mit zweifelhaften Methoden in anderer Leute Angelegenheiten einmischte. Er senkte die Augen vor ihren Blicken.
Der alte Lhari sagte mit ruhiger Stimme: »Wir haben Ihr Gedächtnisdiagramm gelesen. Es enthält sehr wenig, das uns nicht bereits bekannt war. Natürlich ist es nicht unsere Aufgabe, uns mit menschlichen Intrigen und Verschwörungen zu befassen, sofern sie keine Bedrohung für das Leben der Lhari darstellen; die Behörden von Antares werden sich jedoch vertragsgemäß um einen Mann namens Montano kümmern. Die Anklage lautet auf unbefugte Landung auf Lharillis und Verletzung des Intergalaktischen Abkommens.« Mit unvermitteltem Lächeln bemerkte er dann: »Bartol, oder wie immer Sie sich nennen, Sie sind ein tapferer junger Mann. Ich vermute, Sie befürchten, daß wir Ihre Erinnerungen an das Geschehen blockieren werden oder Ihre Fähigkeit, sich darüber zu äußern.«
Bart nickte, mit einem Kloß im Hals. Konnte der alte Lhari Gedanken lesen?
»Vor einem Jahr hätten wir das vielleicht noch so gehandhabt. Captain Vorongil, es wird Sie interessieren, daß wir dieses Thema im Hohen Rat besprochen haben und Ihrer Empfehlung gefolgt sind. Das Geheimnis, daß die Menschen in der Lage sind, die Delta-Antriebsphase zu überleben, hat inzwischen keinerlei Bedeutung mehr. Ob von Vorteil oder von Nachteil: die Tatsache läßt sich nicht mehr verbergen. Wir können keinesfalls all die alten Aufzeichnungen ignorieren oder die erfinderischen jungen Leute, die diesen Aufzeichnungen auf der Spur sind. Der für den Tod von David Briscoe verantwortliche Captain befindet sich in psychotherapeutischer Behandlung, und wir hoffen, daß er bald das entsetzliche Trauma überwunden haben wird, ein intelligentes Wesen getötet zu haben. Was sonst hoch zu tun bleibt – « Er breitete die Hände in einer überraschend menschlich anmutenden Geste aus. »Bart Steele, Sie haben keine Kenntnis von irgend etwas, das uns bedrohlich erscheint. Die Koordinaten unserer Welt sind Ihnen unbekannt. Unser Treibstofflager ist Ihnen unbekannt. Ihr Wissen übersteigt nicht das, was allgemein verbreitet ist oder in Kürze sein wird. Wir sind zu dem Entschluß gekommen, weder Ihr Gedächtnis zu manipulieren noch Ihre Fähigkeit, sich mitzuteilen. Reden Sie, soviel Sie nur wollen. Möge Ihre Erinnerung an diese Reise zur Verbesserung der Beziehungen zwischen Lhari und anderen Rassen beitragen. Wir wünschen Ihnen alles Gute«, schloß er lächelnd.
Einer der Alten neben ihm begann zu sprechen, bevor Bart irgendwie reagieren konnte. »Die Sache hat noch eine Kehrseite. Sie haben ein Abkommen zwischen Lhari und Menschen verletzt. Von unserer Seite aus ist die Angelegenheit erledigt; nun müssen sich Ihre Leute mit Ihnen befassen. Wir haben entschieden, Sie nicht vor Gericht zu stellen – mag sein, daß sie genauso großzügig sind. Allerdings müssen wir Sie mit der Swiftwing auf den Planeten zurückbringen, wo der Gesetzesbruch stattgefunden hat. Dort wird gegen Sie und Raynor Drei Anklage wegen gesetzeswidriger Verschwörung und Verletzung des Intergalaktischen Handelsabkommens erhoben, weil Sie sich unberechtigt Zutritt zu einem Lhari-Raumschiff verschafft haben. Captain Vorongil, übernehmen Sie für ihn die Verantwortung?«
Es ist also noch nicht vorüber, dachte Bart trübsinnig. Ich habe versagt. Ich habe nicht einmal etwas von solcher Wichtigkeit entdeckt, daß sie es der Geheimhaltung wert finden. Ein seltsames Gefühl von verletztem Stolz spielte hier mit herein. Nach der ganzen Mühsal wurde er behandelt wie ein kleiner Junge, dem es mit viel List und Tücke gelungen war, sich an den Plätzchenvorrat im Schrank heranzumachen, und dem dann als Gegenleistung für seine Mühe unter gutmütigem Gelächter eines dieser gestohlenen Plätzchen in die Hand gedrückt wird!
Aber was war mit Raynor Drei? Was würde mit ihm geschehen?
Vorongil faßte ihn am Arm und sagte sanft: »Gehen wir, Bartol. Ich bringe dich zurück zur Swiftwing. Sicher brauche ich dich nicht wie einen Gefangenen zu behandeln, oder?«
Wie betäubt gab ihm Bart sein Ehrenwort, keinen Fluchtversuch zu unternehmen. Fluchtversuch? Wohin denn? Er durfte auch den Kommandoraum nicht betreten, solange sie sich innerhalb des Bereichs der Lhari-Welten befanden. »Zu deiner eigenen Sicherheit«, wie Vorongil freundlich hinzufügte.
»Es spielt keine Rolle«, erwiderte er und bedeckte das Gesicht mit seinen Händen…. mit seinen Händen!
Er schnappte nach Luft, als er sie vor sein Gesicht hielt, hob sie voller Verwunderung noch einmal in die Höhe. Sie waren hell und fleischfarben und leicht gebräunt. Die Finger kamen ihm etwas länger und dünner vor, als er sie in Erinnerung hatte – aber alles in allem waren sie wieder seine eigenen Hände! Verblüfft und schockiert tastete er nach Ohren und Nase, befühlte das extrem kurze Stoppelhaar, das auf seinem frisch rasierten Kopf gerade wieder zu sprießen begann.
»Ihr Dummköpfe!« sagte Vorongil mißbilligend zu dem Mentorianer. »Warum hat man ihn nicht über die Veränderungen aufgeklärt, die die Ärzte an ihm vorgenommen haben? Keine Panik, Bartol!« Der alte Lhari legte ihm den Arm um die Schultern. »Ich war der Meinung, sie hätten es dir gesagt. Ich brauche jemanden, der den Jungen stützt!«
Später, vor dem Spiegel in der kleinen Kabine – die ehemals Rugel bewohnt hatte und die ihm nun auf der Swiftwing als Arrestzelle diente –, hatte er Gelegenheit, sein eigentümlich vertrautes Antlitz eingehend zu studieren. Er war davon ausgegangen, daß zwischen dem Zeitpunkt, in dem ihm der Lhari-Arzt die Injektion gegeben hatte, und seinem Erwachen unter Drogeneinwirkung nur wenige Augenblicke verstrichen waren. In Wirklichkeit hatte er beinahe zwei Wochen unter Drogen verbracht – so lange, bis seine Operationsnarben verheilt waren.
Wie bereits von Raynor Drei angekündigt, hatten sich die Veränderungen nicht vollständig rückgängig machen lassen. In seinen Zügen waren immer noch Spuren einer sonderbaren Fremdheit zu entdecken, sein Gesicht wirkte auf seltsame Weise schlank. Und seine Hände würden immer ungewöhnlich lang, feingliedrig und beweglich bleiben. Ansonsten kam er sich älter vor, er fand seinen Gesichtsausdruck irgendwie härter und gereifter.
Die ersten beiden Wochen des Rückflugs auf der Swiftwing waren ein wahrer Alptraum von Enttäuschung und Langeweile, Ringg kam manchmal vorbei, um ihn aufzumuntern, aber er hatte doch das Gefühl, daß Ringg nicht so recht wußte, was er von ihm halten sollte. Das Band zwischen ihnen war zerrissen, nun, da er kein Lhari mehr war, andererseits aber auch kein hundertprozentiger Mensch. Vage kam ihm der Gedanke: Ich habe einen weiten Weg hinter mir, in mehr als einer Beziehung. Der Rückweg wird auch nicht kürzer sein.
Einmal sprach er Ringg an: »Ich habe gesehen, daß du deine Heuer verlängert hast. Hat sich deine Familie an den Gedanken gewöhnt?«
Ringg schüttelte den Kopf. »Nein«, antwortete er, »aber ich habe mir folgendes gesagt: Ich bin älter als du, und wenn du in eigener Verantwortung so handeln konntest, wie du es getan hast, dann bin ich auch alt genug, um das gleiche zu tun, ohne meine Familie damit zu belasten. Es tut mir leid, wenn es ihnen nicht paßt – aber es ist mein Leben.«
Sie waren schon zwei Wochen im All und hatten bereits zwei Delta-Phasen hinter sich, als Vorongil eines Tages in seine Kabine kam.
»Heute nachmittag landen wir auf dem letzten Planeten der Ersten Galaxis, die wir anschließend verlassen werden«, erklärte der Captain. »Du hattest keine Gelegenheit, dir Lharis anzusehen, Bartol… jedenfalls hast du während deines dortigen Aufenthalts nichts zu Gesicht bekommen. Unser nächster Sprung wird uns in eure Galaxis zurücktragen. Du bist weit gereist, um dein Ziel zu erreichen. Möchtest du bei unserer nächsten Landung von Bord gehen?«
Bart fragte: »Glauben Sie, daß Sie mir vertrauen können?«
Er spürte selbst, daß diese bittere Bemerkung kindisch klang, als Vorongil in ernstem Ton erwiderte: »Du kennst die Koordinaten von Lharis nicht, und die Koordinaten unseres nächsten Landepunktes sind dir ebenfalls nicht bekannt. Du hast auch keine Möglichkeit, sie herauszufinden. Ich möchte dich weder überreden noch überzeugen, aber wenn es dir Freude machen würde, zusammen mit Ringg und Meta die Stadt zu besichtigen, so hast du meine Einwilligung.«
Hinter diesen fröhlichen Worten spürte Bart den Widerwillen, ihn zum Gefangenen zu machen, und den Wunsch, ihm einen Gefallen zu tun. Vielleicht verstand der alte Lhari sogar, daß er sich als Versager fühlte. Wenn er in seiner Kabine herumsaß und grübelte, war auch nichts gewonnen.
Er hatte so viel Zeit an Bord verbracht – zumindest schien es ihm so –, daß ihm die Luft ganz eigenartig vorkam, als er sich in die gleißende Helligkeit des Lhari-Raumhafens hinausbegab. Er trug Lhari-Kleidung, weil er keine andere besaß, und er nahm an, daß man ihn für einen Mentorianer hielt. Seine Mutter hatte sich sicher ebenfalls unter der fremden Sonne dieser Welt aufgehalten. Welche Farbe hatte das Gestirn? Zunächst hatte es sich seinen Augen als grellweiße Sonne präsentiert, doch nun schien es von roter Farbe zu sein – nein, eigentlich war es blau. So was Verrücktes! Ist es purpurrot? Irritiert von seiner Unfähigkeit, die Farbe einzuordnen, wandte er sich schließlich an Meta.
»Meta, welche Farbe hat diese Sonne? Ich bin das gesamte Spektrum durchgegangen, aber ich kann mich einfach nicht entscheiden! Sie ist weder rot, noch blau, noch grün, orange oder violett, auch keine Mischfarbe, sondern – «
Er hielt inne. Mit einem Schlag dämmerte ihm, was er gesagt und gesehen hatte: »- es ist eine achte Farbe«, endete er. Es klang beinahe enttäuscht.
»Ihr mit eurem Gerede über Farben«, murrte Ringg. »Ich wüßte zu gern, wie ihr Mentorianer seht!« Er schüttelte angewidert den Kopf. »Das wäre ja so, als könnte man einen Geruch sichtbar machen oder ein Geräusch, und so, als sei Licht hörbar!«
Metas helles Lachen veranlagte ihn, dämlich zu grinsen. Sie sagte zu Bart: »Soweit mir bekannt ist, hat die Farbe keinen Namen. Die Mentorianer bezeichnen sie manchmal als ›Katalysatorfarbe‹. Ich glaube, daß die Farbe nur von Mentorianeraugen – oder anderen, die ihnen gleichen – als separate Farbe erkannt wird. Bei einem Landgang sahen einmal ein paar Passagiere von der Erde und von der Capeila den Antriebskatalysator; die Lhari sind ja nicht besonders darauf bedacht, ihn zu verbergen. Diesen Leuten erschien er farblos.«
Bart wurde von heftiger Aufregung gepackt. Er stimmte Ringgs Vorschlag zu, mit dem Lufttaxi einen Rundflug über das Gelände zu machen, doch er hatte kaum einen Blick für die hoch aufragenden Türme, die schwungvollen Straßen und die in flacher Bauweise errichteten farbenprächtigen Städte rings um den Raumhafen. Seine Gedanken jagten sich. Es kann doch nicht so viele Gestirne dieser Farbe geben, überlegte er. Und die Lhari-Galaxis ist von der unseren aus mit dem Teleskop auszumachen. Ob aus einem Mißerfolg schließlich doch noch ein Erfolg wurde? Vielleicht brauchte er die Lhari-Welten nun doch nicht mit ganz leeren Händen zu verlassen! Man hatte ihn mit überheblichem Spott weggeschickt, mit dem gestohlenen Plätzchen in der Hand. Vielleicht war das Plätzchen größer, als sie dachten?
Wenn ich nach Hause komme, nahm er sich vor, werde ich die Himmelskarten studieren, die Position der Gestirne überprüfen, und es auf diese Weise herausfinden…
Seine Hochstimmung dauerte fast eine Stunde lang an, bevor er sich wieder auf dem Boden der Tatsachen befand. Einen einzigen Stern zu bestimmen, aus einer Anzahl von Trillionen, und das Ganze nicht einmal in seiner eigenen Galaxis! Das allein wäre eine Lebensaufgabe – selbst dann, wenn er schon genau wüßte, welcher der ^Spiralnebel die Galaxis der Lhari war. Nach dem Start von Antares hatten sie einen Deltasprung gemacht; doch der mit mehr als Lichtgeschwindigkeit ausgeführte Satz vollzog sich nicht unbedingt entlang der normalen Raumfahrtlinien. Er konnte nicht einmal davon ausgehen, daß er sie zur nächstliegenden Galaxis, von seiner eigenen aus betrachtet, gebracht hatte. War es überhaupt möglich, aus dem gesamten All einen einzigen Stern nur durch seine Farbe zu bestimmen, selbst ohne spektroskopische Analyse? Er kannte weder seinen Lichtfaktor noch seine Größe oder Position. Von wegen Lebensaufgabe! Hundert Leben würden nicht ausreichen! Die Chancen standen ungefähr eins zu vierzig Milliarden!
Es war ganz nette Gedankenakrobatik gewesen, aber herausgekommen war dabei nichts. Er hätte sich denken können, daß Vorongil die Möglichkeit ausgeschlossen hatte, daß er bei der Landung auf irgendeiner Lhari-Welt auch nur annähernd in der Lage sein würde, deren Position zu bestimmen – und ganz gewiß nicht gerade bei dem Gestirn, in dessen Planetensystem sie anscheinend ihr eigenwillig getöntes Antriebselement fanden, wie er aus der Farbe schloß.
Als die Startphase vorüber war, suchte er in Ringgs Begleitung den Aufenthaltsraum auf und sah hinaus auf das ungewohnte Bild der Lhari-Galaxis, auf die fremden, für immer unbekannt bleibenden Konstellationen und auf die wundersame Sonne, die ihnen mit seltsamer Vertrautheit hinterherblinzelte. Wo hatte er diese Farbe schon einmal gesehen? Beim kurzen Anblick des Lhari-Raumschiffes, als es vor einer Ewigkeit auf der Erde landete? Von sämtlichen Farben des Alls würde sich ihm diese eine immer wieder entziehen. Er wandte sich von den verwirrenden Sternenbildern ab und zog sich in seine Kabine zurück, um von dem grünen Gestirn namens Meristem zu träumen, auf dem er zuallererst bekannte Koordinaten einer bis dahin unbekannten Welt programmiert hatte.
Nach einer weiteren Delta-Phase betrat Vorongil erneut seine Kabine. Diesmal war sein Ton sachlich und geschäftsmäßig.
»Wir befinden uns jetzt wieder in deiner eigenen Galaxis«, meinte er, »unter Gestirnen, die dir bekannt sind. Wir haben hier auf der Swiftwing keinen Platz für Passagiere, Bartol. Wir mußten ohne Ersatz für Rugel weiterfliegen, und dich haben wir ebenfalls nicht ersetzt. Wir sind knapp an Personal. Ich habe keinerlei Befugnis, dich darum zu bitten, aber wärst du bereit, für den Rest des Fluges deinen alten Posten wieder zu übernehmen?«
Mit skeptischem Blick streifte Bart seine Menschenhände. Vorongil warf den vergilbten Haarschopf zurück und lachte. »Wir haben nicht zum ersten Mal Mentorianer an Bord, die sich in der Astrogation so gut auskennen wie die übrige Besatzung!«
Bart sah dem alten Lhari direkt in die Augen. Er sagte: »Nicht unter den Bedingungen für Mentorianer, Vorongil.«
»Das verlange ich auch gar nicht«, erwiderte Vorongil. »Du hattest eine Heuer für diesen Flug. Der Hohe Rat sah keinen Anlaß, deine Erinnerung daran zu löschen. Wieso sollte ich dir diese Bedingung stellen? Bist du also einverstanden? Ja oder nein?«
Und ob er einverstanden war! Voller Gram über seine Niederlage, hatte er erst in diesem Augenblick erkannt, was sein schlimmster Schmerz war: Auf dem Flug hinaus ins All hatte er sich als ein Teil des Raumschiffs gefühlt, und jetzt, auf dem Rückflug, war er nur Passagier und überflüssiger Ballast! Er lechzte buchstäblich danach, wieder seinen Platz einzunehmen! »Ja, sehr gern, Ehrwürdiger Kahlkopf«, war seine Antwort, und Vorongil sagte: »Also gut. Du hast in der nächsten Schicht Dienst.« Damit drehte er sich um und ging hinaus. Sein Ton war schroff, bei weitem nicht mehr so sanft und nachsichtig wie vorher, und Bart verstand wohl den Unterschied, als sich seine Überraschung gelegt hatte.
Er war kein Gefangener mehr und auch kein Passagier! Vorongil war wieder sein Captain, er selbst ein Teil der Bordbesatzung!
Die Mannschaftsmitglieder der Swiftwing behandelten ihn zu Beginn mit eigenartiger Zurückhaltung, wie einen Mentorianer, doch mit Hilfe von Ringgs freundschaftlichem Entgegenkommen gewann er in kürzester Zeit beinahe seine frühere Stellung zurück. Er konnte sich wieder frei an Bord bewegen und schien in jeder Dienstphase neue Brücken zu schlagen. Er war in ihrer Mitte als Lhari akzeptiert worden – nun akzeptierten sie ihn als Menschen…
Aber wofür das alles? Er würde niemals mehr auf einem interstellaren Raumschiff Dienst tun. Auf längere Sicht gäbe es vielleicht eine solche Möglichkeit, doch für ihn selbst wäre es dann bestimmt zu spät. Ein Deltasprung folgte dem anderen und brachte die Swiftwing voran. Seltsame Fracht wurde ein- und ausgeladen, Stern auf Stern. Antares, Aldebaran. Schließlich rückte Prokyon Alpha in der Sichtluke immer näher. Verängstigt in seiner ungewohnten Verkleidung, abgestoßen von den eigentümlichen Monstern, zu denen er selbst zählte, hatte er vor einem Jahr einen noch unbekannten Gefährten – armer alter Kugel, armer alter Kahlkopf – fragen hören, welcher der Planeten Alpha sei, und er hatte sich zurückhalten müssen, um nicht der blaue zu sagen.
Meta betrat leise hinter ihm den Aufenthaltsraum. Die Mentorianer hatten ihren eigenen Freizeitbereich, doch keine Vorschrift hielt sie davon ab, hierherzukommen. Auf dem Rückflug waren er und Meta auf Ringgs Anregung hin oft hier zusammengetroffen. Zwischen den dreien hatte sich eine Art ungezwungener Freundschaft entwickelt, wie sie bislang zwischen Lhari und Mentorianern nicht üblich gewesen war. Es konnte nur ein schwacher Trost für ihn sein, aber trotzdem half es ihm, zu wissen, daß sein Einsatz wenigstens zu etwas Gutem geführt hatte.
»Bart – « sagte Meta leise.
Er drehte sich zu ihr um. Die meisten Offiziere hatten Dienst oder schliefen. Sie hatten den Aufenthaltsraum ganz für sich.
»Jetzt dauert es nicht mehr lange, Meta. Morgen gehen wir auf Alpha runter. Und dort werde ich hören, was mir das Intergalaktische Handelsabkommen vorzuwerfen hat. Gesetzeswidrige Verschwörung mit dem Ziel, sich widerrechtlichen Zutritt zu einem Lhari-Raumschiff zu verschaffen – « rasselte er ironisch die Anklage herunter. »Das mindeste, was sie mir antun können, das allermindeste, ist, mich zur Wega zurückzuschicken – und dort werde ich dann den Rest meines Lebens mit der Abwicklung von Geschäften verbringen!«
»Es muß doch nicht zwangsläufig so kommen«, meinte Meta.
»Was hätte ich sonst für eine Wahl?«
»Du bist doch – ein halber Mentorianer«, sagte sie und ergriff seine Hand. »Ach, Bart, du liebst doch die Raumfahrt über alles! Ich weiß, daß dir der Gedanke unerträglich ist, darauf zu verzichten! Ich selbst wäre dazu nie in der Lage! Bleib bei uns! Bitte, bleib hier bei uns!«
Bevor er antwortete, schaute er ein letztes Mal aus der Sichtluke. Bunte Wolken kosmischen Staubs wirbelten und schäumten um die vertrauten Sternjuwelen seines Heimathimmels: die blaue Wega, der sonnenfunkelnde Topas des Sol, auf dem er sich in der Astrogation geübt hatte, Prokyon, der seine Verwandlung zum Lhari bezeugen konnte, der Rubin des Aldebaran (einen Gruß und ein Lebewohl, David Briscoe!), das feuerrote Auge des Antares, wo er die Furcht kennengelernt hatte, aber auch sein eigenes Ich. Diese Farben – die ewig geheimnisvollen Farben des Alls! Aber es ging noch weiter. Das grellweiße Licht einer Zwillingssonne. Der grüne Stern, auf dem er ohne fremde Hilfe seine erste Delta-Phase programmiert hatte (Wie hatte er über den Koordinaten geschwitzt! Noch jetzt waren sie unauslöschlich in sein Gehirn eingebrannt!); dort hatte er auch eine Höhle mit sonderbarem Mineralgestein erforscht und sein Handgelenk gebrochen, als er Ringg durch den Hagelsturm zum Unterschlupf zerrte, und außerdem hatte Meta dort zuerst seine Verkleidung entdeckt – wieder durch Farben! Die schlichte Erwähnung von grün und blau hatte ihn entlarvt. Er ließ einen letzten und gierigen Blick hinausgleiten zu den Farben des Alls, bevor er sich von ihnen abwandte, ihnen bewußt entsagte. Der Preis, den die Mentorianer zu zahlen hatten, war ihm zu hoch.
»Nein, Meta. Nein, liebes«, sagte er mit belegter Stimme. »Was die Mentorianer tun, ist völlig in Ordnung, ich verurteile sie deswegen nicht. Ich habe aber einen Vorgeschmack davon bekommen, was es bedeutet, das All zu beherrschen. Den meisten Menschen wird diese Gunst niemals zuteil, und vielleicht ist es mehr, als ich verdiene. Aber ich werde mich nie mehr mit weniger zufriedengeben. Nicht einmal dann, wenn ich dich dadurch verlieren würde.« Er schloß die Augen und blieb so stehen, den Kopf gesenkt. Als er wieder aufblickte, war er allein im Raum.