Kapitel 7

 

Er traf die Mentorianerin erneut am nächsten Tag, als es hieß, »Alle Mann an Bord zum Start!«

Am Morgen war er mit Ringg im Hafen gewesen. Er hatte ein paar Kleidungsstücke eingekauft, einige typische Toilettenartikel – so zum Beispiel einen Kamm, der ihn seltsam an die Kämme der Menschen erinnerte, eine elektrische Zahnbürste, ein Maniküre-Set, das mehr den Werkzeugen eines Hufschmieds glich, und noch so verschiedenen Krimskrams. Außerdem hatte er der Versuchung nicht wiederstehen können und ein paar Lhari-Bücher erstanden, die sein Verständnis für die fremden Sitten und Gebräuche fördern sollten.

Die junge Dame saß hinter einem kleinen Schreibtisch, dreieckig wie die meisten Möbel der Lhari, und hakte die Namen derer ab, die die Desinfektionskammer verließen, wobei sie noch darüber wachte, daß jeder die grünliche Brühe mit den Mikro-Organismen schluckte. Ringg verzog das Gesicht, und sie grinste in sich hinein, bevor sie Bart mit gleichgültigen Augen ansah.

»Ihre Papiere, bitte.« Sie überprüfte den Namen und hakte ihn auf ihrer Liste ab. Bart bemerkte, daß sie dazu einen Rotstift benutzte. »Bartol«, sagte sie laut. »Habe ich es richtig ausgesprochen?« Bart nickte, und sie machte sich mit ihrem roten Stift in einer Art Kurzschrift ein paar Notizen. Für weitere Schriftzeichen verwendete sie einen schwarzen Stift. Vermutlich handelte es sich bei der roten Schrift um private Aufzeichnungen, unlesbar für die Lhari.

Ringg blickte ihm über die Schulter und ließ grinsend verlauten: »Ich hatte Glück! DM hast Dienst im Kommandoraum während der ersten Beschleunigungsphase, Bartol.«

Ohne eine Miene zu verziehen, bestätigte das Mädchen Meta: »Ganz recht, Ringg. Sie haben unten Dienst, und Bartol in der Beschleunigungsphase Eins im Kommandoraum. Der nächste, bitte.« Es reichte dem nächsten Lhari, einem großen Weißschopf in zweifach betreßtem Cape, einen Becher mit dem grünlichen Zeug. »Dienst im Kommandoraum in Beschleunigungsphase Eins. Fertigmachen zur Gurtkontrolle in siebzehn Minuten.«

Er nahm an, daß die junge Dame eine Art medizinische Assistentin war. Als er sich auf dem Weg hinunter in den Kommandoraum befand, ertappte er sich dabei, wie er sich wünschte, sie wäre Mathematikerin und damit den Kommando- und Astrogationsräumen zugeteilt, wie seine Mutter. Sie wäre bestimmt ein angenehmer Anblick.

Der alte Rugel hatte im Kommandoraum Dienst. Er führte Bart zu einem Liegesessel, seinem Arbeitsplatz vor dem gewaltigen Computer. Er sah zu, wie sich Bart die Gurte anlegte, und erinnerte ihn: »Vergiß nicht, alle deine Skalen in Null-Position zu überprüfen.« Diese Bemerkung löste bei Bart plötzliches panikartiges Lampenfieber aus.

Das war sein erster Flug! Es war sein allererster Einsatz! Und doch bescheinigten ihm seine Papiere Erfahrung auf der entfernten Polaris-Linie. Mit Hilfe des Instruktionsbandes hatte er sich bemüht, seine Reflexe zu konditionieren – aber ob das wohl genügte? Er wollte die Fäuste ballen, doch seine Krallen gruben sich in die Handflächen; er zuckte zusammen und zwang sich zur Ruhe, machte sich klar, wo er sich befand und warum.

Die Routinekontrollen der Skalen und Computerknöpfe vor ihm brachten ihn wieder ein wenig ins Gleichgewicht. Auf der Raumfahrt-Akademie hatte er bei Testflügen im Flugsimulator Dutzende von Malen den Posten des Astrogators innegehabt und Leistungen von »ausgezeichnet« bis »hervorragend« erzielt. Mit eventuellen Besonderheiten hatte ihn das Instruktionsband vertraut gemacht. Im übrigen waren alle Planetenstarts gleich, ob es sich um die Erde, die Wega oder um Prokyon Alpha handelte. Er würde es schaffen.

»Gurtkontrolle«, verkündete ein Lhari mit gelblichem Schopf und krächzender Stimme. »Neuer Mann, wie?« Er beugte sich über Bart und zog flüchtig an den Schulter- und Bauchgurten, zurrte dabei eine Schnalle fest. Er grüßte kurz mit der Faust: »Karol, Sohn des Garan.«

Bart erwiderte mit seinem Decknamen, der ihm inzwischen ganz natürlich von den Lippen kam.

Signaltöne hallten durch das Raumschiff, und Bart spürte diesen gewissen eigenartigen und stimulierenden Anflug von Furcht. Jetzt. Weit unten im Bauch des Schiffes vibrierte ein seltsamer Summton.

Vorongil betrat mit wehendem, betreßtem Cape den Raum und nahm auf dem noch freien mittleren Sessel Platz. Höflich ließ er zunächst die Handreichungen des Gurtkontrolleurs über sich ergehen, bevor er abwinkte.

»Katalysator«, schnarrte Vorongil knapp, in Lhari.

»In der Antriebskammer bereit, Sir«, meldete ein Offizier.

»Position.«

Bart hörte sich mit vollkommen ruhiger Stimme eine Zahlenreihe in Lhari vorlesen.

»Kommunikationssystem.«

»Kanäle vom Tower freigegeben, Sir.« Das war die Stimme des alten Rugel.

»Na gut«, sagte Vorongil langsam und fast gedankenverloren, »dann starten wir also.«

Er bewegte einige Hebel. Das Summen schwoll an. Dann wurde Bart plötzlich von einer erdrückenden Last in seinen Sessel gepreßt.

»Position!« Vorongils Stimme klang rauh. Bart kämpfte gegen den zermalmenden Druck an. Selbst die Augäpfel taten ihm weh, als er die winzigen Augenmuskeln von Skala zu Skala zwang. Seine Stimme war nur ein heiseres Krächzen.

»Vierzehn sieben siderisch zwölf Komma eins eins vier neun…«

»Halte sie auf Komma eins eins vier sechs.«

»Komma eins eins vier sechs«, wiederholte Bart, während seine Klauen die Tasten bedienten. Ganz unvermittelt hatte er das Gefühl zu schweben, trotz der kalten Last auf seiner Brust, trotz der Schmerzen und der Anstrengung. Ihm glückte ein langer und tiefer Atemzug. Er schaffte es! Er kannte sich aus.

Er war Astrogator…

Später, als die erste Beschleunigungsphase ihren Höhepunkt erreicht hatte und das Raumschiff durch die künstliche Schwerkraft wieder zu einem gemütlichen Aufenthaltsort geworden war, ging er mit Ringg hinunter in den Speisesaal, wo er die Besatzung der Swiftwing kennenlernte. An Bord befanden sich zwölf Mannschaftsmitglieder unterschiedlicher Dienstgrade, so wie er und Ringg, doch es schien nur geringfügige gesellschaftliche Abstufungen zu geben. Keiner von ihnen kümmerte sich groß um ihn; sie diskutierten alle mit solchem Eifer über ihren Landgang im Raumhafen, daß keine Zeit mehr blieb, einen Nachwuchs-Astrogator auszufragen, der den Platz eines Abgängigen eingenommen hatte. Nach dem Essen forderte ihn Ringg im Aufenthaltsraum zu einem Spiel an einem der kickerähnlichen Automaten auf. Bart kam es nicht besonders schwierig vor. Ziemlich unschlüssig ließ er sich darauf ein – und gewann, zu seiner Überraschung.

Ringg bediente einen Hebel an der Seitenwand, worauf sich unter leisem Surren Jalousien öffneten; das Licht des Prokyon Alpha ergoß sich über sie, und er sah durch ein grobflächiges Quarzitfenster hinaus in den ’unendlichen freien Raum.

»Laß das bleiben«, forderte ein junger Offizier mit hoher, nörgelnder Stimme, »ich habe dabei immer das Gefühl, daß mir der Boden unter den Füßen weggezogen wird.«

»Na, das ist ja der Gipfel! Ins All fliegen und Höhenkoller kriegen!« meinte Ringg, freundlich frozzelnd. Die beiden jungen Lhari boxten und knufften sich spielerisch, wie zwei Kätzchen mit eingezogenen Krallen, die sich zum Spaß balgten; sie stritten sich um den Hebel und gaben vor, darum zu kämpfen. Bart nahm sie kaum wahr. Die umgürteten Planeten des Prokyon – Alpha, Beta und Gamma – hingen gut sichtbar im All; ihre sanft geneigten Ringe vergingen grün, blau und golden in der Ferne. Dahinter erstrahlten die Sterne, erglühten durch den schimmernden Staubvorhang des Kosmos. Diese Farben, die ewigen Farben des Alls! Sich an die Wirklichkeit klammernd, versuchte er, die dunkel brennende Flamme des Antares, ihres Ziels, ausfindig zu machen.

Er sah aus wie ein rotes Auge…

Schockiert stellte er fest, daß er zur Bezeichnung der Farbe auf die Raumsprache zurückgreifen mußte, obwohl er in der Lhari-Sprache dachte. Er stand in einem Raum voller seltsamer Wesen, voller Monster, und eines davon war er selbst. Er betrachtete eine Szenerie, die sich nur ihm allein auf diese Weise präsentierte!

»Von welchem der Planeten sind wir gestartet?« wollte Karol wissen. »Ich kann sie auf die Entfernung nicht auseinanderhalten. Kannst du das, Bartol?«

Von dem blauen, dachte er; Beta war golden, und Gamma grün. Er unterdrückte jedoch diese Worte und deutete auf einen: »Der große dort, bei dem die Ringe fast zusammentreffen. Ich glaube, sie nennen ihn Alpha.«

»Sie können ihn nennen, wie sie wollen«, meinte Karol, »er gehört ihnen ja. Wie wär’s mit einem neuen Spiel, Bartol?«

Entschlossen wandte Bart den magischen Farben den Rücken zu und beugte sich über den Flipper.

Die ersten Wochen im All waren für ihn ein wahrer Alptraum. Er sehnte die Dienststunden im Kommandoraum förmlich herbei, weil er sich nur dort sicher fühlte. Vor dem riesenhaften Computer konnte er keine Fehler begehen. In allen übrigen Bereichen des Raumschiffs lebte er in beständiger Furcht, war stets auf dem Sprung und fortwährend in Sorge, daß er einen blödsinnigen kleinen Fehler machen könnte. Bei einer Gelegenheit bezeichnete er tatsächlich den Aldebaran als roten Stern, aber entweder hatte Rugel den Ausrutscher überhört, oder er war in dem Glauben, Bart wiederhole lediglich, was einer der beiden im Kommandoraum beschäftigten Mentorianer – ein stiller älterer Mann und eine Frau mittleren Alters – von sich gegeben hatten.

Das völlige Fehlen von Farbbezeichnungen in der Sprache war am schwersten zu verkraften. Jeder im Computer-Handbuch aufgeführte Stern wurde durch Radiowellen definiert und konnte mit Hilfe eines besonderen Lichtmessers mit Wellenlängen-Skala bestimmt werden, und es ging Bart ungeheuer auf die Nerven, sorgsam das gesamte Zeremoniell ablaufen zu lassen, wenn die Mentorianer dienstfrei hatten und man nicht aufgrund der Farbangabe gleichzeitig die entsprechende Frequenz erfuhr. Er wagte jedoch nicht, auch nur einen einzigen Schritt auszulassen, damit keiner auf die Idee kam, daß er die Farben tatsächlich sehen und einen gelben von einem grünen Stern unterscheiden konnte, bevor er ihre verschiedenen Wellenlängen auf der Skala des Lichtmessers abgelesen hatte.

Die Raumschiffe der Akademie waren außerdem noch mit den herkömmlichen Gefahrensignalen – aufleuchtenden roten Warnlichtern – ausgestattet gewesen. Die ungewohnte farblose Tastatur des Computers ließ Bart in ununterbrochener Anspannung auf leises Ticken oder leise Summtöne lauschen, die anzeigten, daß die eine oder andere Skalenanzeige zu weit nach rechts oder links gerutscht war, daß irgendwo im System ein Fehler aufgetreten war oder daß die Leitungen überprüft werden mußten. Einmal, während er dienstfrei hatte, beobachtete er, wie Ringg mit seiner Ausrüstung zur Überprüfung der Materialmüdigkeit auf dem Schiff im Einsatz war – einer wundersamen kleinen Ansammlung von Kästchen, Prüf- und Meßgeräten, Antennen und Kopfhörern –, und ihm wurde schwindlig von den unbegreiflichen Lauten.

Zunächst kam er sich vor wie im Tollhaus; er fühlte sich jede Sekunde seines Daseins nervlich bis zum äußersten angespannt, witterte immer und überall Gefahr, sich zu verraten, hütete Zunge, Hände und Ohren mit fanatischer Sorgsamkeit. Er stopfte sein rebellierendes Gehirn mit Millionen Einzelheiten voll, er lag nachts wach und beschäftigte sich im Geiste mit den diversen Kombinationen kleiner Signale, die das eine oder andere zu bedeuten hatten. Es kam ihm so vor, als würde sein Geist diesem Druck nicht standhalten. Alpha verblaßte zu einem milden blauen Schimmer, Beta war in der Dunkelheit versunken, genau wie Gamma, Prokyon erschien als verlöschender, schwebender Funke. Und mit einemmal, ganz unvermittelt, hatte Barts Gehirn die Belastung verkraftet, seine neuen Gewohnheiten waren fest verankert; Essen, Schlafen, Arbeiten – das alles war zur Routine geworden.

Erst jetzt gehörte er zur Swiftwing.

Prokyon war beinahe aus dem Sichtfenster verschwunden, als das Schiff von einer Art fiebriger Aufregung erfaßt wurde, die sich unterschwellig als gesteigerte Aktivität bemerkbar machte. Die Ladung wurde überprüft, registriert und festgezurrt. Ringg wurden vier zusätzliche Leute zugeteilt, mit denen er das gesamte Schiff nochmals untersuchte. Wie eine aufgescheuchte Heuschrecke kam er zurück. Barts Computer zeigten an, daß sie sich unaufhaltsam der Sternenzone näherten, die für die erste Delta-Phase vorgesehen war. In dieser Phase würden sie etwa fünfzehn Lichtjahre in Richtung Aldebaran überwinden.

Während der letzten Dienstperiode vor der Delta-Phase machte der Bordarzt seine Runde und entband die Mentorianer vom Dienst. Bart sah ihnen mit einem seltsam unangenehmen Vorgefühl nach. Sogar die Mentorianer als Vertraute der Lhari wurden in Kälteschlaf versetzt! Furcht machte sich in seinem Innern breit. Kein menschliches Wesen hatte jemals den Übergang in die Delta-Phase überlebt, behaupteten die Lhari. Briscoe, sein Vater und Raynor Drei meinten jedoch den Beweis dafür erbracht zu haben, daß die Lhari logen. Falls das zutraf, falls es sich lediglich um einen Trick handelte, um ihren eisernen Zugriff auf die menschlichen Welten zu verstärken und das Geheimnis des Delta-Antriebs für sich zu behalten, dann hatte Bart nichts zu befürchten. Aber ihn schüttelte die Angst.

Er dachte an Meta, die junge Dame, die er seit der ersten Beschleunigungsphase nicht mehr zu Gesicht bekommen hatte. Die Mentorianer verfügten über eigene Freizeiträume und hielten sich von den Lhari fern. Bart dachte dabei an seine Mutter, so ganz allein auf einem Lhari-Raumschiff. Warum sie es wohl taten?

Was hatte Raynor gesagt? Weil ich im All zu Hause bin; weil ich niemals irgendwoanders glücklich sein kann. Bart blickte durch das Sichtfenster hinaus auf die leuchtenden Farbenwirbel. Auf gewisse Weise schienen sie das zu symbolisieren, wofür er keine Worte fand: weshalb er diese Reise unternahm. Damit jeder davon etwas hat – nicht nur die lhari.

Dieser Gedanke hielt die Furcht zurück.

Der alte Rugel beobachtete stirnrunzelnd den Weggang der Mentorianer. »Hoffentlich findet die Medizin bald Mittel und Wege, um sie während des Delta-Antriebs am Leben zu erhalten«, meinte er. »Mein mentorianischer Assistent wäre in der Lage, die Veränderung der Wellenfrequenzen gegen Ende des Bogens festzustellen; ich gehe jede Wette ein, daß er sie sehen könnte. Sie stellen Intensitätsveränderungen auf optische Weise schneller fest, als ich sie mit dem Photometer berechnen kann!«

Bart spürte, wie ihn eine Gänsehaut überzog. Obwohl Rugel annehmen mußte, daß nur Lhari anwesend waren, drückte er sich so aus, als sei der Tod menschlicher Wesen – von Mentorianern – während der Delta-Phase eine Tatsache! Ob die Lhari vielleicht selbst nicht wußten, daß es eine Farce war? Oder hatte man ihn hinters Licht geführt?

Vorongil übernahm selbst das Kommando zum Eintritt in die zweite Beschleunigungsphase, während der sie den L-Punkt überschreiten würden, den Punkt, an dem der geheimnisvolle Katalysator mit der Erzeugung seiner Antriebsfrequenzen einsetzte. Bei der Beobachtung seiner Instrumente, um Zeit- und Positionsangaben zu überprüfen, bemerkte Bart, wie sich die Farben jedes einzelnen Gestirns von einem Augenblick zum anderen eigenartig verzerrten. Die roten Sterne schienen nicht mehr so gut sichtbar zu sein. Die orange-gelben loderten auf einmal flammenhell, grüne leuchteten golden, blaue beinahe grün… Vage erinnerte er sich an die alte Geschichte über eine »Rotverschiebung« im Licht herannahender Gestirne, aber hier hatte er das Phänomen direkt vor sich – ein Schauspiel, das wahrscheinlich noch nie ein Menschenauge erblickt hatte. Ein Schauspiel, das überhaupt noch niemand erblickt hatte, Mensch oder nicht – denn die Lhari konnten es ja nicht wahrnehmen…

»Zeit«, meldete er Vorongil knapp, »fünfzehn Sekunden.« Rugel sah von seinem Sitz aus mit freundlich prüfendem Gesichtsausdruck zu ihm herüber. Bart spürte, daß das alte Narbengesicht seine Furcht erkannte. Mit pfeifendem Atem sagte Rugel: »Ganz gleich, wie alt man ist, Bartol, man hat bei Eintritt in die Delta-Phase jedesmal von neuem Angst. Aber keine Sorge, ein Computer macht keinen Fehler.«

»Katalysator«, kommandierte Vorongil, »fertig – ab!« Zunächst war keine Veränderung festzustellen; dann bemerkte Bart, daß die Gestirne hinter dem Sichtfenster urplötzlich eine andere Gestalt, Lichtqualität und Farbe angenommen hatten. Sie präsentierten sich nun nicht mehr als Funken, sondern als seltsame Streifen, wie Kometen, deren Bahnen sich immer wieder kreuzten und mit ständig länger werdenden Schweifen. Die Finsternis des Raums war erfüllt von feurigen Mustern. Das Licht erreichte nicht mehr ihre Fluggeschwindigkeit; sie sahen, wie es hinter der Bewegung des Universums zurückblieb, und während jeder Stern sich in seinem eigenen unsichtbaren Orbit bewegte, stürzten sie mit unfaßbarer Geschwindigkeit durch den Raum, schneller als das Licht selbst…

Bart hatte ein eigentümlich kribbelndes, unangenehmes Gefühl tief unter seiner Haut. Man konnte es fast als ein Jucken oder Brennen in seinen Knochen bezeichnen.

Der Körper der Lhari unterscheidet sich nicht von unserem…

Durch die Sichtluke erblickte er nun ein anderes All als das, was er kannte; es war ein phantastisches, unheimliches Höllenspektakel. Die Lichtspuren der Gestirne wurden immer länger, sie wechselten die Farbe, bis das gesamte Sichtfenster von grauschimmernden Strahlenmustern erfüllt war. Die ungeheuerliche Stoßkraft des Delta-Antriebs schleuderte sie durch das All, schneller als das Licht der sie umgebenden Gestirne, unvorstellbar für den menschlichen Geist…

Das Licht im Kommandoraum verdüsterte sich… oder war es ein Ohnmachtsanfall? Das Brennen in seinem Körper wurde zu reißendem Schmerz.

Briscoe hatte es überlebt…

Behaupten sie.

Die tanzenden Lichtspuren der Sterne vernebelten sich, ringelten sich zusammen, wurden zu farblosen Lichtwürmern, verliefen in einem einzigen verschwommenen Fleck. Undeutlich bemerkte Bart noch, wie der alte Rugel unter leisem Stöhnen nach vorn sackte und seinen kahlen Kopf auf die geäderten Unterarme bettete. Dann versank er in Finsternis; und er dachte: das ist der Tod. Und das letzte, was er verspürte, war nur noch ein Gefühl betäubenden, bedauerlichen Versagens. Ich habe versagt. Wir werden immer wieder versagen. Die Lhari hatten von jeher recht.

Aber zumindest haben wir es versucht! Herrgott, wir haben es versucht!

»Bartol?« Eine sanfte Hand mit eingezogenen Krallen legte sich auf seine Schulter. Ringg beugte sich über ihn. Ein wohlmeinender Vorwurf war in seiner Stimme. »Warum hast du uns nicht gesagt, daß du Schwierigkeiten hast, und dir für diese Schicht nicht freigenommen?« wollte er wissen. »Sieh dir das an! Der arme alte Rugel hat auch wieder das Bewußtsein verloren. Er will einfach nicht zugeben, daß er es nicht verträgt – aber ein Idiot pro Schicht reicht völlig! Manche Leute haben eben einfach das Gefühl, als sei der Boden aus dem Raumschiff gefallen – da kann man nichts machen.«

Bart hob mit Anstrengung den Kopf, wobei er gegen eine Welle brennender Übelkeit ankämpfte. In seinen Knochen kribbelte es, und er fühlte sich ganz scheußlich, aber er war am Leben. Er gab einen unbestimmten Laut von sich, durch den er herausfand, daß ihm Lippen und Zunge, wenn auch etwas steif, gehorchen würden. »Ich bin – wieder in Ordnung.«

»Genauso siehst du aus«, meinte Ringg spöttisch. »Fühlst du dich besser? Glaubst du, daß du mir helfen kannst, Rugel in seine Kabine zu schaffen?«

Bart quälte sich auf die Füße und stellte fest, daß es ihm im Stehen besser ging. »Mann!« brummelte er, bevor er seinen Mund wieder zuklappte. Er sollte doch ein erfahrener Mann sein, ein raumgeprüfter Lhari. »Wie lange war ich weggetreten?« fragte er, noch leicht benebelt.

»Die übliche Zeit«, erklärte Ringg munter, »ungefähr drei Sekunden – genau auf dem Höhepunkt der Delta-Phase. Kommt einem länger vor, wie man manchmal so hört. Ist schon komisch, das mit der Zeit, wenn man die Lichtgeschwindigkeit überschreitet. In der Medizin heißt es, es sei eine rein psychologische Angelegenheit. Ich bin mir da nicht so sicher. Mich juckt’s, verdammt noch mal!« Er wand sich in den Schultern und beugte sich dann über den stöhnenden, halb bewußtlosen Rugel. »Nimm seine Füße, Bartol. Ja, so. Hieven wir ihn aus seinem Sitz. Ich glaube, wir brauchen diesmal nicht den Arzt zu rufen. Meinst du, du schaffst es, ihn mit mir zusammen aufs Mannschaftsdeck hinunterzutragen?«

»Klar«, versicherte Bart, der seine Standfestigkeit und seine Stimme wiedergefunden hatte. Er fühlte sich besser, als sie sich den Gang entlangbewegten, die schlaffe, brabbelnde Gestalt des alten Lhari quasi bewußtlos in ihren Armen. Sie gelangten zum Offiziersdeck, bugsierten Rugel in seine Kabine und in seine Koje, befreiten ihn von Cape und Stiefeln und zogen eine Decke über ihn; als sie das Licht gelöscht hatten, schüttelte Ringg den Kopf.

»Und Captain Vorongil sagt man nach, daß er ein Rauhbein sei!«

Bart brummte verständnislos.

»Also, sieh mal«, meinte Ringg. »Er weiß, daß sich der alte Rugel elend und überflüssig vorkäme, wenn er ihn für jede Delta-Phase in seine Koje beordern und narkotisieren lassen würde wie die Mentorianer. Deshalb machen wir bei jedem Delta-Sprung das gleiche mit!« Er klang verärgert und entrüstet, aber in seinen Bewegungen war eine widerborstige, jungenhafte Sanftheit, als er den kahlköpfigen alten Lhari zudeckte. Beinahe schüchtern sah er auf.

»Fühlst du dich besser, Bartol? Brauchst du einen Arzt?«

»Mir geht’s prima«, erwiderte Bart, und diesmal meinte er es auch so. Durch die Erkenntnis, daß auch die Lhari gelegentlich unter Unwohlsein und schmerzhaften Reaktionen während der Delta-Phase litten, schienen die Übelkeit und das Kribbeln bei ihm selbst nicht mehr so gravierend zu sein.

»Vielen Dank für deine Hilfe mit dem alten Glatzkopf. Im allgemeinen versuchen wir, ihn wegzuschaffen, bevor Vorongil offiziell davon Notiz nimmt. Natürlich tut er so, als würde er nichts bemerken«, verriet ihm Ringg, und beide lachten auf dem Rückweg zum Kommandoraum. Bart ertappte sich bei dem Gedanken, daß Ringg ein guter Kumpel sei. Entsetzt verdrängte er diese absurde Idee.

Er hatte die Delta-Phase überlebt! Dann hatten also die Lhari tatsächlich die ganze Zeit gelogen; mit Hilfe einer böswilligen Lüge war es ihnen gelungen, ihr Würgegriff-Monopol im Bereich der interstellaren Raumfahrt aufrechtzuerhalten! Sein kurzes Gefühl des Einklangs mit ihnen verschwand. Jetzt war er wieder ihr Feind, der Spion in ihren eigenen Mauern, derjenige, der überleben und davon Kunde geben mußte – der sich nicht wie Briscoe einfangen und umbringen lassen, sondern allen die Botschaft verkünden würde, laut und vernehmlich: Die Lhari haben gelogen! Die Sternenwelten gehören uns allen!

Als er den Kommandoraum betrat, sah er, daß der Nebel hinter der Sichtluke verschwunden war; die Spuren der Gestirne glichen wieder klar gezeichneten Kometen, deren Schweife sich stetig verkürzten, deren Farben immer deutlicher in Erscheinung traten. Die Diensthabenden im Kommandoraum warteten offensichtlich jeden Moment auf das Ende dieses Verwandlungsprozesses. Einige beugten sich über ihre Instrumente, andere standen vor dem Quarzitfenster und betrachteten das eigentümliche Panorama der Lichtspuren, und vier oder fünf von ihnen schüttelten und kratzten sich und jammerten über die »Raumflöhe«, wie sie das charakteristische Jucken bezeichneten, das sich in ihren Knochen als keinesfalls außergewöhnliche Reaktion auf die Überschreitung der Lichtgeschwindigkeit bemerkbar gemacht hatte.

Bart kontrollierte seine eigenen Computerdaten, stellte Zeitpunkt und Position des Wiedereintritts in die normale Beschleunigungsstufe fest und trat neben die Sichtluke. Die Gestirne zeigten sich wieder, sie schienen sich zu stabilisieren und aufzulodern in verhüllter Pracht, umgeben von leuchtenden Staubschleiern. Sie züngelten nach ihm mit riesigen Flammenzungen, und einen Augenblick lang vergaß er wieder seine Mission, verlor sich im Reichtum des feurigen Lichts. Tief beeindruckt holte er Atem. Es lohnte sich allein schon, um das alles hier zu sehen! Als er sich umdrehte, stand Ringg schweigend an seiner Schulter.

»Mir geht’s genauso«, bekannte Ringg, beinahe im Flüsterton. »Aber erzähl’s nicht weiter, daß ich so ein flaumschopfiges Küken bin. Unter uns gesagt: Ich glaube, daß jeder einzelne auf dem Schiff ähnlich empfindet. Nur gibt es keiner zu. Vermutlich haben sie Angst, ausgelacht zu werden.« Seine Schlitzaugen erhaschten kurz Barts Blick und sahen wieder weg. »Aber – es ist einfach wunderbar. Mir ist gleich, was du darüber denkst; ich finde es wunderbar!«

Zwei Stunden später überprüfte Bart sein Instrumentenbord und entdeckte, daß sie sich bereits innerhalb des Aldebaran-Systems bewegten. Er machte eine offizielle Meldung, was zur Folge hatte, daß der Arzt beauftragt wurde, die Mentorianer aus der Bewußtlosigkeit zurückzurufen. Die Sterne erstrahlten wieder in ihrer gewohnten Farbe.

Mit unvorstellbarer Geschwindigkeit raste die Swiftwing von Stern zu Stern. Der Aldebaran wurde abgelöst von einem Stern, den Bart in der Sprache der Menschen nicht benennen konnte; weitere folgten. Eine Delta-Phase schloß sich der anderen an, die Sternensysteme wechselten, und in Barts Gedächtnis sammelten sich bereits zahlreiche Koordinatendaten, obwohl ihm bekannt war, daß sie erst nach einem Zwischenstop auf Antares Kurs auf die Welt nehmen würden, die ihn interessierte, weil nämlich dort das Raumschiff mit Treibstoff versorgt werden sollte. Einige der Landeplaneten waren von Menschen bewohnt. Dort erhoben sich die Lhari-Raumhäfen fremd und arrogant in den Himmel, und überall bedachten die Menschen die Lhari mit unwilligen Blicken; sie verfluchten diese Rasse, die ihnen die Sterne vorenthielt. Bart bewegte sich in ihrer Mitte, ein Lhari, der die Augen seiner eigenen Brüder voller Haß auf sich ruhen fühlte und mit beinahe tröstlichem Selbstmitleid dachte:

Ich tue es für euch. Eines Tages, wenn ich euch die Sterne geschenkt habe, werdet ihr es erfahren…

Immer neues Frachtgut durchlief den Laderaum der Swiftwing. Beladen und Entladen, Landungen auf Monden ohne Atmosphäre, auf denen alle Arbeiten von robotergesteuerten Maschinen verrichtet wurden, oder auf verlassenen Welten, die niemals ein Mensch betreten hatte – das alles wurde zur Routine. Bart langweilte sich zwar nicht, aber er gewöhnte sich an das Außergewöhnliche. Oft dachte er tagelang nicht einmal ein einziges Wort in der Sprache der Menschen.

Während jeder Delta-Phase verlor er immer einige Augenblicke lang das Bewußtsein. Vorongil hatte ihm die Möglichkeit geboten, sich krank zu melden, aber nachdem diese kurzfristige Bewußtlosigkeit seine dienstlichen Fähigkeiten nicht beeinträchtigte, hatte Bart darauf verzichtet. Rugel hatte ihm erklärt, daß es sich um jenen Augenblick handelte, in dem sie den Höhepunkt der Beschleunigungskurve in ihrem überlichtschnellen Flug erreichten.

»Möglicherweise ist das der absolute Höhepunkt, über den keine Geschwindigkeit je hinausgehen wird«, meinte Vorongil und legte eine polierte Klauenhand auf die Computer-Aufzeichnungen. Rugels narbiger Mund verzog sich zu einem dünnen Lächeln.

»Vielleicht gibt es überhaupt keine Geschwindigkeitsgrenzen, Captain. Eines Tages werden wir eine Ebene wahrer Simultaneität erreicht haben. Wir werden in die Delta-Phase eintreten und gleichzeitig dort, wo wir hin wollen, wieder herauskommen, höchstens nach dem Bruchteil einer Sekunde. Man könnte das dann auch nicht mehr als Fortbewegung bezeichnen, sondern als reine Verlagerung von Materie.«

Ringg zog ihn auf: »Nehmen wir einmal an, es ginge sogar so weit, daß man aus der Delta-Phase austritt, bevor man sich hineinbegibt. Was wäre dann, Ehrwürdiger Kahlkopf?«

Rugel lachte nur, ohne darauf zu antworten. Vorongil hob lächelnd den Kopf, und Bart sah weg. Es war gar nicht so leicht, ¦auf seinem Haß gegen die Lhari zu beharren…

Eines Tages bemerkte Bart bei Dienstbeginn um sich herum lauter angespannte, besorgte Gesichter. Als Ringg, gefolgt von seiner Wartungsmannschaft, den Kommandoraum betrat, stellten alle ihre Hebel und Meßeinrichtungen auf Automatik um und versammelten sich mit bedenklich wiegenden Schöpfen und fragenden Blicken um seine zirpenden Apparaturen. Es herrschte eine eigenartige Spannung, und sogar der freundliche alte Rugel murrte. Vorongil schien Funken zu sprühen, als er Ringg anraunzte: »Hast du das entdeckt?«

»Ja, ich hab’s entdeckt«, bestätigte Ringg, »in der Verkleidung.«

Vorongil benutzte einige Worte, die nicht in Barts Vokabular enthalten waren, bis Ringg protestierend eine Hand hob. »Captain«, beschwichtigte er, »ich verursache die Metallmüdigkeit nicht – ich lokalisiere sie bloß.«

Die Furchen in Vorongils blassem, faltigem Gesicht erschienen tiefer als gewöhnlich. »Es ist nicht zu ändern«, entschied er. »Wir müssen irgendwo runter, um Reparaturen vorzunehmen. Wieviel Zeit verbleibt uns noch, Ringg?«

»Nach meiner Berechnung ergibt sich ein Sicherheitsfaktor von – « Er haspelte eine Zahlenreihe herunter, die Vorongil für seine Leute interpretierte.

»Das bedeutet, wir müssen innerhalb von dreißig Stunden irgendwo runter, um die Reparaturen durchzuführen, sonst laufen wir Gefahr, daß das Schiff an den Nähten auseinanderbirst. Bartol, wie heißt der nächste registrierte Raumhafen?«

Bart fischte nach Handbüchern, Programminformationen und vergleichenden Positionstabellen. Die Besatzung schob sich in seine Richtung, und als er die Details in den Computer eingab, umstanden die Lhari – einschließlich sämtlicher Bordoffiziere – in Dreierreihen seinen Platz. Vorongil stand direkt neben seiner Schulter, als Bart die Kopfhörer aufsetzte und mit der Dekodierung der Lochstreifen begann, die die Antwort des Computers enthielten.

»Der nächste Raumhafen ist Cottmann Vier. Er ist beinahe auf die Minute dreißig Stunden entfernt.«

»Ich möchte es nicht so genau darauf ankommen lassen«, sagte Vorongil; die Furchen in seinem Gesicht gruben sich noch tiefer ein. Mit einem Ruck wandte er sich dem jungen Weißschopf zu, der als Chef des Wartungsteams fungierte. »Brauchen wir Ersatzteile? Oder handelt es sich um normale Reparaturarbeiten?«

»Ich würde sagen – normale Reparaturen, Sir«, erwiderte der Lhari. »Wir haben jede Menge von diesem Stabilisierungsmaterial. Es ist zeitraubend, durch die Hülle zu stoßen. Aber es gibt nichts, was wir nicht reparieren könnten.«

Voller Nervosität öffnete und schloß Vorongil seine Klauenhände. »Cottmann ist also dreißig Stunden entfernt. Ringg, du bist der Experte für Materialmüdigkeit. Überprüfe das Ganze noch einmal, und sag mir, was du davon hältst. Schaffen wir es bis dahin?«

Ringg sah blaß aus und hatte jede Spur seiner gewohnten jugendlichen Schalkhaftigkeit verloren, als er erklärte: »Captain Vorongil, ich versichere Ihnen, daß ich es nicht bis Cottmann riskieren würde. Hier im All ist es unmöglich, durch die Verkleidung zu stoßen, und wenn sie aufreißt, haben wir nicht die geringste Chance, durchzukommen. Bei unserem letzten Zwischenstop war noch alles in Ordnung, aber Sie wissen so gut wie ich, wie verheerend sich die Kristallbildung auswirkt.«

Vorongils zusammengezogene Brauen bildeten eine gerade Linie, aber er sagte nur: »Damit ist es also entschieden. Bartol, suche uns den nächstmöglichen Landepunkt – mit oder ohne Raumhafen.«

Unvermittelt begannen Barts Hände vor Panik zu zittern. Es war schon eine riesengroße Verantwortung, einen nicht in den Karten verzeichneten Landepunkt für sie zu finden, abseits der üblichen Lhari-Linien. Er las sämtliche Skalenwerte ab, die zu ihrer Positionsbestimmung vonnöten waren, speicherte sie im Computer, wartete, kontrollierte während der Wartezeit alles noch einmal, benetzte schließlich seine Lippen und zog beherzt den Streifen aus dem Computer.

»Da ist so ein kleiner Stern, Meristem. Er ist – « Heftig biß er sich auf die Lippen; in seiner Aufregung hätte er beinahe »grün« gesagt. »Er gehört zum Typ Q, null Komma vier, besitzt zwei Planeten mit brauchbarer Atmosphäre und ist laut den Handbüchern völlig unbewohnt.«

»Wem gehört er?« wollte Vorongil wissen.

»Der Computer hat darüber keine Information, Sir«, erklärte Bart, und Vorongil begab sich hinüber zu der Mentorianerin. Der Abstand zwischen Menschen und Lhari auf solchen Schiffen war so groß, daß Bart bis jetzt nicht einmal ihren Namen kannte. »Schlagen Sie nach, was unter einem Stern namens Meristem zu finden ist.« Die Mentorianerin eilte davon. Einen Augenblick später kam sie mit der Information zurück und meldete mit sanfter Stimme, daß er als unerforscht galt und sich im Besitz der Föderation menschlicher Welten befand.

Vorongil blickte finster drein. »Wir haben keine Wahl«, sagte er. »Er ist nur acht Stunden entfernt, Cottmann dagegen dreißig, und wir können nicht riskieren, so lange zu warten. Bartol, programmiere uns eine Delta-Phase, die uns innerhalb acht Stunden in dieses Sternensystem befördert, und zwar auf den inneren der beiden Planeten. Wenn es ein grüner Stern ist, wie sie ihn bezeichnen, dann bedeutet das schwache Lichtintensität und keine Quecksilberdampf-Niederschläge; wir werden bei gedämpfter Beleuchtung arbeiten müssen und werden alles Licht brauchen, dessen wir habhaft werden können.«

Es war das erste Mal, daß Bart die Verantwortung übertragen wurde, auf sich allein gestellt eine Delta-Phase zu programmieren. Dreifach überprüfte er die Koordinaten, bis er das Gefühl hatte, sie mit flammenden Lettern in sein Gehirn eingebrannt zu haben. Erst dann gab er sie an Vorongil weiter. Trotz allem hatte er noch während des Eintritts in die Delta-Phase ein bohrendes Angstgefühl. Sollte ich mich verkalkuliert haben, dann würden wir irgendwo in diesem verrückten Weltraum auftauchen, und wüßten niemals, wo…

Aber als sich die Sterne wieder beruhigt und ihre alte Farbe angenommen hatten, war das Sichtfenster erfüllt vom beständigen Glanz einer kleinen grünen Sonne.

»Meristem«, sagte Vorongil, der nun selbst mit sicherer Hand die Steuerung übernahm. »Wir gehen runter ohne Hilfe eines Kontrollturms und an einem Ort ohne eigenen Wartungsdienst, Jungs. Wollen wir hoffen, daß der Planet wirklich so unbewohnt ist, wie es die Handbücher darstellen. Es wäre weniger witzig, in einer Stadt niederzugehen oder ein harmloses Stammesdorf zu verbrennen; aber für Cottmann ist es jetzt sowieso zu spät. Dann hoffen wir also, daß uns das Glück noch eine Weile treu bleibt!«

Bart, der winzigste Erschütterungen aus dem Schiffsinnern verspürte – Einbildung, schalt er sich, Metallermüdung in der Verkleidung der Schiffswand läßt sich gar nicht wahrnehmen –, wiederholte in Gedanken diesen Wunsch.

Er konnte noch nicht erahnen, welch unwahrscheinliches Glück ihn nach Meristem geführt hatte. Es sollte noch lange dauern, bis er wußte, daß er hier am Ende seiner Suche angelangt war.