7. KAPITEL

Turai ist schon öfter vom Chaos heimgesucht worden. Wir haben Revolten überstanden, die Seuche, magische Angriffe und Dürren, ganz zu schweigen von den Unruhen, die regelmäßig ausbrechen, wenn die Wahlen bevorstehen. In den letzten zwei Jahren ist die Verbrechensquote geradezu explodiert, und zwar in demselben Ausmaß, wie sich der Genuss von Boah verbreitet hat. Diese gefährliche Droge hält die Stadt in ihren Klauen und trägt das ihre zu dem allgemeinen Tumult bei. Aber die Stadt ist nur sehr selten von einem derartigen Fieber erfasst worden wie jetzt.

Präfekten sind in der Schlacht gestorben, oder an Krankheiten, aber niemand kann sich daran erinnern, dass jemals einer an Gift verschieden wäre. Calvinius war ein sehr wichtiger Präfekt und rangierte, was seine Bedeutung anging, beinahe ebenso hoch wie die Prätoren. In mancherlei Hinsicht war er sogar einflussreicher als sie, wenn man den Wohlstand seiner Wähler in Betracht zieht. Der Mord an ihm schockiert die Bevölkerung wie ein Schlag ins Gesicht. Es dauert nun auch nicht mehr lange, bis die Wahrheit für den Grund der Konferenz ans Licht dringt. Schon bald weiß die ganze Stadt, dass der Konsul seine Bonzen versammelt hatte, um Pläne für die Verteidigung Turais gegen die Orks zu schmieden. Allgemeine Panik bricht aus. Die Nachrichtenpapyri können kaum entscheiden, welcher schrecklichen Nachricht die größere Bedeutung zukommt. Auf den Straßen rotten sich Menschen zusammen, und die allgemeine Meinung ist sich darin einig, dass dies das Ende der uns bekannten Welt ist. Was durchaus sein kann.

Nach zehn Stunden wurde mir erlaubt, die Büroflucht des Konsuls zu verlassen. Obwohl ich eine Menge Routinefragen beantworten musste, bin ich zum ersten Mal in meinem Leben nicht der übliche Verdächtige. Das alles ist vor drei Tagen passiert, und seitdem beschäftige ich mich damit, die Aquädukte zu überprüfen. Ich halte es für vollkommen sinnlos, gutes Bier schal werden zu lassen, wenn ohnehin das Ende der Welt bevorsteht. Also erstatte ich Präfekt Drinius kurz Bericht, bevor ich mich auf den Heimweg in die Rächende Axt mache. Es war ein anstrengender Tag, und es wird allmählich kälter. Mich kann nur der Gedanke an die Flasche Kleeh in meinen Gemächern aufheitern.

Dort wartet auch Makri auf mich. Und zwar in Gesellschaft von acht weiteren Frauen, einem Haufen Schriftrollen und wabernden Duftwolken von Thazis.

»Wir sind gerade fertig«, erklärt Makri hastig.

»Fertig? Was macht ihr überhaupt hier?«

»Wir lesen.«

»Wie kommt ihr dazu, in meinem Büro zu lesen! Habe ich dir nicht gesagt, dass dies nicht wieder vorkommen soll?«

»Die Bäckerei ist noch besetzt.«

Ich informiere diese Weiberversammlung, dass es mir ganz wurst ist, ob die Bäckerei voll ist, und füge hinzu, dass sie mein Büro nicht mehr für ihren Lesezirkel benutzen können. Mitten in meiner Schimpftirade fällt mein Blick auf die leere Kleehflasche auf dem Tisch.

»Ist das mein Kleeh? Habt ihr meinen Kleeh getrunken?«

Makri denkt gar nicht daran, sich zu entschuldigen.

»Ich war nur gastfreundlich.«

»Mit meinem Kleeh? Hattest du die Absicht, dafür zu bezahlen? Wo ist mein Gebäck? Hast du das auch aufgefressen?« Ich bemerke, dass mich die Frauen missbilligend anschauen.

Morixa, die Bäckerin, wendet sich an mich. Ihr Blick ist ziemlich streng. »Die Frauen von Zwölf Seen sind nicht nur dafür da, um Euch mit Backwerk zu versorgen, Detektiv. Wir haben unsere eigenen Ziele. Und wir werden diese Ziele auch trotz Eurer fortgesetzten Störaktionen verfolgen.«

»Störaktionen? Ich bin derjenige, der hier gestört…!«

»Er erinnert mich sehr an meinen Vater«, verrät eine junge Prostituierte ihrer Gefährtin. »Er hat meine Mutter früh ins Grab gebracht. Makri, wenn dieser Mann dich irgendwie bedroht, lass es mich wissen. Ich werde meine Gewerbevertretung sofort zu deinem Schutz auf die Straße holen.«

Die Frauen sammeln ihre Habseligkeiten auf und marschieren eine nach der anderen hoch erhobenen Hauptes aus meinem Büro. Makri verabschiedet sich höflich von jeder einzelnen und schließt dann die Tür.

»Wurde ich gerade von einer Angehörigen des Prostituiertengewerbes bedroht?«

»Ich glaube schon. Du solltest lieber aufpassen, denn sie verstehen es, ihre Interessen wahrzunehmen.«

»Makri, das hört auf. Ich verlange von dir, dass du diese Frauen nie wieder in meinem Büro im Lesen unterrichtest.«

Makri zuckt mit den Schultern. »Gut. Dann gehen wir eben irgendwo anders hin. Aber eine so große Belastung ist das nun wirklich nicht. Du könntest uns ruhig ein bisschen unterstützen. Du weißt genau, dass ich das Geld brauche. Ich denke, dass ich als Kellnerin viel mehr verdient hätte, wenn ich dir nicht immer bei deinen Ermittlungen behilflich gewesen wäre. Außerdem hat es auch viel Geld gekostet, meine Axt schärfen zu lassen, nachdem sie stumpf geworden ist, als ich dich …«

Ich hebe die Hand. »Erspare mir diese moralische Erpressung. Such dir einfach einen anderen Platz. Ich brauche Ruhe, wenn ich den ganzen Tag Aquädukte inspiziert habe.«

Makri zündet sich noch eine Thazisrolle an. Die Luft in meinem Büro ist zum Schneiden dick von dem Qualm.

»Ich dachte, du wärst damit beschäftigt, den Mord an dem Präfekten aufzuklären.«

»Niemand hat mich darum gebeten.«

»Aber du warst doch dabei.«

Makri kapiert immer noch nicht, dass ich nicht zum Spaß ermittle. Ich lebe davon.

»Niemand wird mich engagieren, den Tod von Calvinius aufzuklären. Der Sicherheitsdienst des Palastes und die Zivilgarde haben den Fall übernommen.«

»Es verwirrt mich immer noch, dass es zwei Calviniusse gibt«, erklärt Makri. »Heißt der Präfekt von ZwölfSeen nicht auch Calvinius?«

»Das ist Drinius Calvinius. Er ist ein Cousin des Ermordeten. Diese Aristokraten sind alle über zehn Ecken miteinander verwandt. Vermutlich das Ergebnis einer langen Inzucht.«

»Alle behaupten, dass Lohdius der Täter gewesen ist. Stimmt das?«

Ich muss zugeben, dass ich es nicht weiß.

»Du hast doch gesehen, wie er Calvinius das Tablett mit dem vergifteten Gebäck angeboten hat.«

Das stimmt zwar. Aber ich weiß nicht, ob Senator Lohdius vorhatte, den Präfekten zu vergiften. Wenn ja, hätte er sich vermutlich etwas unauffälliger angestellt. Ich habe zwar normalerweise nicht viel Zutrauen zu den Fähigkeiten der Ermittler des Palastsicherheitsdienstes und auch nicht zu denen der Zivilgarde. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sie diesen Fall sehr rasch aufklären werden. Sei es auch nur, weil sie bei einem Fall von einer derartigen Größenordnung die Hilfe von allen Zauberern in Turai in Anspruch nehmen werden. Zauberer können gelegentlich in der Zeit zurückblicken, und obwohl das keine ganz einfache Angelegenheit ist, kann ich mir nicht vorstellen, dass die vereinten Bemühungen von Lisutaris, dem Alten Hasius und Lahmius keinen Schuldigen zur Strecke bringen sollten.

»Es ist jetzt drei Tage her«, meint Makri, »und sie haben noch immer niemanden verhaftet.«

»Stimmt. Ich hätte nichts dagegen, an den Ermittlungen teilzunehmen, denn es kränkt meine Berufsehre, dass jemand praktisch unter meinen Augen ermordet worden ist. Aber sie werden meine Dienste nicht in Anspruch nehmen, und damit ist der Fall gegessen.«

Im Augenblick kursieren zwei gleichermaßen beliebte Gerüchte. Das erste besagt, dass Senator Lohdius von dem jahrelangen Kampf mit den Traditionalisten ermüdet ist und sich zu einer direkteren Vorgehensweise entschieden hätte. Aber selbst der engstirnigste Anhänger der Traditionalisten sieht den Haken an dieser Sache. Lohdius ist nicht dumm. Und nur ein ziemlicher Dummkopf könnte davon ausgehen, ungeschoren davonzukommen, wenn er vor der Nase von etwa dreißig Senatoren jemandem vergiftetes Backwerk reicht.

Die andere, ebenfalls populäre Theorie sieht die Orks am Werke. Auf diese Weise sollen sie versuchen, die Stadt zu schwächen, bevor sie Turai angreifen. Das bezweifle ich ebenfalls. Orks sind zwar niedere, verachtenswerte Kreaturen, aber sie haben noch nie einen Menschenbonzen vergiftet, und ich sehe keinen Grund dafür, warum sie jetzt damit anfangen sollten.

Konsul Kahlius hat darauf bestanden, dass die Kriegsvorbereitungen mit unverminderter Anstrengung fortgesetzt werden. In diesem ganzen Durcheinander ist es schwierig, sich zu konzentrieren, und es fällt mir auch nicht mehr so leicht, meine Pflichten zu erfüllen. Die Leute waren zunächst ganz froh, dass die Stadtbeauftragten sich sichtlich um Verbesserungen bemühten. Doch seitdem die Nachricht vom bevorstehenden Angriff der Orks die Runde gemacht hat, sieht sich jeder Stadtbeauftragte, wo er auch auftaucht, schnell von einer Gruppe verängstigter Einwohner umringt, die ihn nach Neuigkeiten löchern und wissen wollen, wie viel Zeit uns noch bleibt, bis die Orks losmarschieren.

Die niedrigen Temperaturen sagen mir, dass der Wintereinbruch höchstens eine Woche entfernt ist, vielleicht sogar noch weniger. Normalerweise liegt die Stadt im Winter lahm. Diesmal müssen wir jedoch unvermindert weitermachen. Vor dem Frühling muss vieles erledigt werden. Lisutaris hat uns gewarnt, dass die Geburtsrate bei den Drachen in den letzten Jahren alarmierend gestiegen ist, was die orkischen Magier bis jetzt ebenfalls geheim halten konnten.

»Sollen sie doch auf ihren Drachen heranreiten«, verkündet Makri, als wir in den Schankraum hinuntergehen. »Solche Viecher habe ich auch schon getötet.«

»Du hast einen Drachen getötet.«

»Und? Wenn noch einer gekommen wäre, hätte ich den auch erledigt.«

»Wir haben diesen Drachen im Feenhain nicht erledigt«, erinnere ich sie.

»Das war ein ziemlich stämmiges Vieh«, gab Makri zu. »Aber ich habe ihn vertrieben.«

»Was soll das denn heißen, du hast ihn vertrieben? Ich war schließlich auch da.«

»Du hattest ja nur Augen für die Wassernymphen.«

»Sehr komisch, Makri. Ich war damit beschäftigt, eine ganze Schwadron Orks niederzumetzeln, damit du in aller Ruhe ihren Kommandeur abservieren konntest.«

Die Tür der Rächenden Axt schwingt auf, und ein Bote kommt herein. Er schleppt einen riesigen Blumenstrauß und wuchtet ihn auf den Tresen.

»Eine Lieferung für Makri.«

Der Bote verschwindet wieder. Makri wirft einen Blick auf die Karte, runzelt die Stirn und schleudert die Blumen dann zu Boden.

»Schon wieder Harm?«, erkundigt sich Ghurd, der in diesem Moment aus dem Lagerraum tritt. Makri nickt verärgert. Ghurd ist sichtlich besorgt. Da jetzt bekannt ist, dass die Orks angreifen werden, dürfte wohl kein Kaschemmenbesitzer besonders glücklich darüber sein, wenn seine Mitarbeiterinnen ständig Blumensträuße von einem ihrer Anführer erhalten. Die Leute könnten einen völlig falschen Eindruck bekommen.

»Warum schickt er dir immer wieder Blumen?«, fragt Ghurd.

Makri zuckt mit den Schultern.

»Hast du ihn irgendwie ermutigt?«

Jetzt fühlt Makri sich beleidigt. »Natürlich habe ich ihn nicht ermutigt! Thraxas, habe ich Harm den Mörderischen ermutigt, mir Blumen zu schicken?«

»Natürlich nicht. Ganz und gar nicht. Obwohl du in deinem Kettenzweiteiler in mein Büro spaziert bist, als er da war. Wenn du dich etwas mehr verhüllt hättest…«

»Aha.« Ghurd nickt. »Der Kettenhemd-Zweiteiler.«

»Der in den letzten Monaten Kettenglied um Kettenglied verloren hat…«

»Ich brauche mehr Trinkgeld!«, ruft Makri. »Ihr wisst ganz genau, wie teuer die Innungshochschule ist.«

»Da ist etwas Wahres dran. Aber es erklärt nicht ganz zufriedenstellend, warum du vor einem ausländischen Zauberer herumscharwenzelt bist, der, wenn ich mich recht entsinne, zu dieser Zeit gar keine Getränke im Schankraum bestellt hat.«

»Das ist ungeheuerlich!«, faucht Makri. »Ich bin nicht vor ihm herumscharwenzelt.«

»Weißt du«, fahre ich ungerührt fort, »dieser verrückte Halbork-Magier fristet sein ganzes Leben in den Ödlanden in Gesellschaft von steingesichtigen Trollmädchen. Wenn er dann nach Turai kommt und dich so gut wie nackt herumhüpfen sieht, muss das natürlich Eindruck auf ihn machen. Er hat dich kaum eine Minute gesehen, und schon hat er dir eine Stellung angeboten.«

Ghurd lacht. »Eine Stellung? Was für eine Stellung?«

»Als Hauptmann seiner Armeen«, erwidert Makri. Sie ist ganz und gar nicht amüsiert.

»Und er hat dich die schönste Blume von Turai genannt, wenn ich mich recht entsinne. Was vielleicht das Blumenmotiv erklärt. Vermutlich hockt er, seit er Turai verlassen hat, in seinem Bergpalast, oder wo er sich aufhält, und lechzt nach dir.«

Makri hat die Nase voll und macht auf dem Absatz kehrt. Sie ist schlecht gelaunt, bedenkt uns mit einigen deftigen Ork-Flüchen und verschwindet. Ich lasse mir von Ghurd gerade einen Krug Bier geben, als die Tür aufgeht und Tanrose hereinkommt. Ich will aufspringen und sie umarmen, was ich schon seit vielen Jahren nicht mehr getan habe, jedenfalls nicht bei einer Frau, aber Ghurd kommt mir zuvor.

Ich halte es für das Beste, die beiden sich selbst zu überlassen. Im Vorbeigehen bleibe ich nur lange genug stehen, um Tanrose mitzuteilen, dass ich wirklich gern ihre deftige Wildpastete zum Abendessen genießen würde, und vielleicht eine Zitronentorte zum Dessert, bevor ich in mein Büro nach oben gehe. Ich räume den Müll von meinem Sofa, bevor ich mich für ein kleines Nachmittagsnickerchen zur Ruhe bette. Unglücklicherweise klopft in diesem Moment ein verdammter Klient an die Tür, wie so oft, wenn ich unterwegs zum Sofa bin. Ich reiße die Tür auf und hole tief Luft, um den Besucher zu verscheuchen. Mir steht eine dickliche, sehr gut gekleidete, mittelalte Frau gegenüber, die von einem kräftigen jungen Mann begleitet wird. Seinem Äußeren nach zu urteilen ist es ihr Diener.

»Darf ich eintreten?« Die Stimme der Frau ist so geschliffen, dass sie Glas damit schneiden könnte.

»Wenn es sein muss.«

Ich bitte die beiden herein, wenn man einen finsteren Blick als Aufforderung einzutreten deuten kann, und überlasse es ihnen, sich einen Weg durch den Müll auf dem Boden zu suchen. Was will diese Senatorenfrau von mir? Sie nimmt überraschend graziös auf dem Rand des Stuhls vor meinem Schreibtisch Platz.

»Ich möchte Euch engagieren«, erklärt sie.

»Wofür? «

»Um den Namen meines Ehemannes reinzuwaschen.«

»Wessen wird er beschuldigt? «

»Des Mordes an Präfekt Calvinius.«

Ich lege eine kleine Pause ein, um das zu verdauen. »Und Euer Ehemann ist wer?«

»Senator Lohdius.«

Ich stehe auf und deute zur Tür. »Das kann ich nicht tun. Versucht Euer Glück bei der Agentur Luxius in Thamlin. Die sind für Leute aus Euren Kreisen zuständig.«

Die Frau bleibt sitzen. Sie scheint unbeeindruckt, und ich komme mir plötzlich ziemlich albern vor.

»Ihr seid doch ein Detektiv, dessen Dienste man gegen Bezahlung in Anspruch nehmen kann, hab ich Recht?«

»Allerdings. Und Euer Ehemann hat mich letztes Jahr erpresst. Und mich miesen Abschaum genannt.«

»Hat er das wirklich gesagt? Das klingt nicht nach meinem Gatten.«

Ich gebe zu, dass er nicht genau dieselben Worte benutzt hat. »Aber er hat es durchblicken lassen.«

Sie hebt unmerklich eine fein geschwungene Braue. »Oh. Verstehe. Als man mir Euch als einen fähigen Detektiv empfohlen hat und als einen Mann, der im Krieg gekämpft hat, hatte ich nicht erwartet, dass Ihr so mimosenhaft wärt.«

»Ich bin nicht mimosenhaft. Ich bin beleidigt. Und mimosenhaft obendrein. Dank Eures Ehemannes musste ich eine Räumung verhindern.«

»Eine Räumung verhindern? War sie etwa ungerechtfertigt?«

»Also …« Ich setzte mich wieder hin. »Wahrscheinlich nicht, jedenfalls vom Standpunkt der Bewohner aus betrachtet. Aber es bedeutete, dass ich mich gegen Prätor Raffius auflehnen musste, und das hat mir einen Haufen Ärger eingebracht.«

Und zwar Ärger, der immer noch nachwirkt. Diese Sache hat die Anschuldigungen wegen Feigheit vor dem Feind gegen mich ausgelöst. Es ist sehr gefährlich, sich in die Politik Turais zu mischen. Lohdius hat mich dazu gezwungen.

»Wurde er schon verhaftet?«

»Das wird sehr bald passieren. Ich habe eine entsprechende Nachricht erhalten.«

»Und Senator Lohdius hat Euch zu mir geschickt, damit Ihr mich engagiert?«

Sie schüttelt den Kopf. Sie ist offenbar nicht auf Ansinnen ihres Ehemannes hier.

»Vizekonsul Zitzerius hat Euch mir empfohlen. Er hat mir auch die Nachricht geschickt.«

Das verblüfft mich. Ich habe im letzten Jahr gute Arbeit für den Vizekonsul geleistet. Und er hat sich nie anmerken lassen, dass er meine Dienste zu schätzen gewusst hätte. Mir war nicht klar, dass ich so weit in seiner Achtung gestiegen bin, dass er mich bereits weiterempfiehlt. Und die ganze Sache ist doppelt merkwürdig, weil Zitzerius ein erbitterter Gegner von Senator Lohdius ist.

»Zitzerius? Warum sollte er Eurem Ehemann helfen?«

Sie schüttelt den Kopf. Anscheinend weiß sie das auch nicht.

»Was hat er gesagt? Versucht Euer Glück bei Thraxas, er ist ein Trunkenbold und eine Schande für die Stadt, aber er scheut nicht davor zurück, sich die Hände schmutzig zu machen?«

»Er hat diesen Sachverhalt erheblich eleganter formuliert.«

Die gefasste Fassade der Frau wankt zwar ein wenig, aber den Tränen nahe ist sie noch nicht. Die Frauen unserer Oberschicht weinen selten aus wichtigen Gründen. Das würde man als stillos betrachten. Andererseits können sie einen wahren Heulkrampf bekommen, wenn ihr Friseur sich verspätet.

Ich will diesen Fall nicht. Und zwar nicht nur, weil ich Senator Lohdius verabscheue. Ich habe im Augenblick schon genug am Hals. Außerdem ist es sehr wahrscheinlich, dass aufgrund des bevorstehenden Angriffs der Orks Turai in ein paar Monaten dem Erdboden gleichgemacht ist. Wen kümmert es dann noch, wer den Präfekten ins Jenseits befördert hat? Trotzdem gefällt es mir nicht, wenn der Mörder straffrei ausgeht. Falls der Sicherheitsdienst des Palasts und die Zivilgarde den Mörder nicht erwischen, spaziert der frei herum, und das ist nicht in Ordnung. Wenn ich den Fall übernehme und Lohdius’ Unschuld beweise, bedeutet das, dass ich vermutlich auch den wahren Mörder überführen werde. Und das wäre gut, nehme ich an. Andererseits würde ich den Unwillen der Stadtregierung und des Königs erregen, die Lohdius verabscheuen. Und das wäre schlecht. Ich versuche, die Angelegenheit abzuwägen, aber ich bin schläfrig vom Bier und dem vielen Herumgerenne durch ZwölfSeen.

»Ich habe gesehen, wie Euer Ehemann Calvinius das Gebäck reichte. Unmittelbar danach fiel der Präfekt tot um. Das sieht nicht gut für ihn aus.«

»Mein Ehemann hat den Präfekten nicht ermordet«, behauptet seine Frau leidenschaftlich. »Ganz gleich, was die Zauberer des Sicherheitsdienstes behaupten.«

»Die Zauberer sagen, er hat es getan?«

»Ich glaube, das werden sie tun. Der Haftbefehl wird ausgestellt, während wir uns hier unterhalten.«

»Dann ist Lohdius dem Untergang geweiht.«

»Mein Mann ist nicht dem Untergang geweiht.«

»Ist er wohl. Wenn die Zauberer mit ihren Stäben auf ihn deuten, ist er verloren. Tut mir Leid, Lady, aber nur weil er ein reicher Senator ist, bedeutet das nicht, dass er nicht für seine Verbrechen büßen muss.«

Die Frau sieht mich kalt an, steht auf und wendet sich an ihren Dienstboten. »Wir gehen. Dieser Mann ist nicht in der Lage, uns zu helfen. Vizekonsul Zitzerius hat uns über seine Fähigkeiten falsch informiert.« Sie dreht sich würdevoll um. »Es tut mir Leid, dass ich Eure Zeit in Anspruch genommen habe.«

Sie gehen zur Außentür und verlassen mein Büro über die Treppe zur Straße. Ich lasse sie gehen und nehme dann einen kräftigen Schluck aus meiner frischen Flasche Kleeh. Ich bin gereizt. Wenn ich einen unerwünschten Klienten abwimmele, toben sie gewöhnlich eine Weile herum und beschimpfen mich. Sie nennen mich fett oder betrunken oder feige oder noch Schlimmeres. Keinesfalls aber entschuldigen sie sich einfach dafür, dass sie meine Zeit beansprucht haben, und verlassen würdevoll mein Büro. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr ärgert mich das. Für wen hält diese Frau sich eigentlich, dass sie einfach hier hereinspaziert kommt, sich von mir beleidigen lässt, und dann hoheitsvoll davonrauscht?

Ich gehe zur Tür und reiße sie auf. Am Fuß der Treppe hilft der Dienstbote seiner Herrin gerade in ihre Kutsche.

»Wohlan, ich übernehme den verdammten Fall!«, schreie ich hinunter.

Sie schaut zu mir hoch. »Sehr gut«, erwidert sie schlicht. »Würdet Ihr mich in meinem Haus aufsuchen, damit ich Euch mehr über den Fall berichten kann? Vielleicht etwas später heute Abend?«

Ich nicke und schlage die Tür zu. Im selben Moment kommt Makri durch die andere Tür herein.

»Du übernimmst den Fall?«, erkundigt sie sich. »Ist Lohdius denn unschuldig?«

»Wieso weißt du das denn?«

»Ich habe an der Tür gelauscht. Also, ist er unschuldig?«

»Keine Ahnung. Aber jetzt muss ich es herausfinden. Verdammt, ich wollte nicht für Senator Lohdius arbeiten. Ich hasse Lohdius.«

»Warum hast du den Fall dann übernommen?«

»Seine Frau hat mich mit ihrer würdevollen Art hereingelegt. «

»Dieses berechnende Miststück«, meint Makri. »Dagegen konntest du natürlich nichts ausrichten.«

»Du sagst es. Und jetzt muss ich die Unschuld der Person beweisen, die die ganze Stadt für den Mörder von Calvinius hält. Und der wahrscheinlich von den Orks dazu angestiftet worden ist. Die Nachrichtenpapyri werden sich auf mich stürzen wie ein böser Bann. Warum kriege ich nur immer die wirklich miesen Fälle?«

Makri scheint nachzudenken. »Du lebst in einem wirklich miesen Viertel der Stadt. Vermutlich bekommen die vornehmeren Ermittler in Thamlin bessere Fälle. Und du trinkst sehr viel, was einige der respektableren Klienten abschrecken dürfte. Zudem bist du wegen deiner wirklich miesen Laune berüchtigt, die ebenfalls viele Menschen zurückzucken lässt. Dann hast du ein sehr ernstes Suchtproblem mit dem Glücksspiel, also vermute ich, dass einige Leute dich nicht für integer genug halten, um dir ihr Geld anzuvertrauen. Du bist ziemlich oft im Kerker gelandet, wurdest vom Senat öffentlich gerügt, und die Nachrichtenpapyri ziehen regelmäßig über dich her. Einschließlich eines wirklich sehr umfassenden Artikels über dich, der nicht nur haarklein schilderte, wie du vor einen Friedensrichter gezerrt wurdest, weil du einen Laib Brot gestohlen hast, sondern auch, wie du mehrmals Wein aus der Kirche im Quintessenzweg entwendet hast. Du wurdest deines Postens im Palast enthoben, deine Frau ist dir weggelaufen, und manchmal triffst du dich mit Klienten, nachdem du viel zu viel Thazis geraucht hast. Das vermittelt natürlich keinen guten Eindruck, und einmal hast du doch sogar …«

»Makri, halt endlich die Klappe! Das war eine rhetorische Frage.«

»Ich wollte dir nur erklären, warum …«

»Schön, ich bin im Bilde. Warum gehst du nicht einfach nach unten und siehst nach, ob dir dein Ork-Magier einen Blumenstrauß geschickt hat? Ich muss schlafen.«

»Und außerdem schläfst du auf dem Sofa, wenn du eigentlich arbeiten solltest.«

Makri verschwindet. Zum Teufel mit ihr. Eines Tages wird diese Frau meine Geduld überstrapazieren. Ich trinke noch ein paar Schlucke Kleeh und schlafe ein.