2. KAPITEL
Verdammter Mistkerl!, dachte Isobel erneut, als sie Leandros eine Viertelstunde später im Konferenzraum seines Konzerns gegenüberstand. Die letzten drei Jahre schienen spurlos an ihm vorbeigegangen zu sein, denn mit seinen einsneunzig war er jeder Zoll der Herzensbrecher. Er trug einen grauen Designeranzug, ein weißes Hemd und eine graue Krawatte. Sein Gesicht hatte weder den dunklen Teint noch den Ausdruck der Entschlossenheit eingebüßt, und das wellige Haar war immer noch so nachtschwarz, wie sie es in Erinnerung hatte. Die dunklen Augen und der sinnliche Mund strahlten die unerschütterliche Selbstsicherheit eines Mannes aus, der um seine verheerende Wirkung auf Frauen wusste.
Zur Begrüßung hätte sie ihm am liebsten eine schallende Ohrfeige verabreicht. Ihre Wut und Entrüstung waren so maßlos, als hätte sie ihn nicht vor drei Jahren, sondern erst gestern verlassen. Ausgerechnet Diantha Christophoros, dachte Isobel in Erinnerung an ihre Rivalin, die man in größter Eile außer Landes gebracht hatte, als sie damals auf der Bildfläche erschienen war.
Für wie dumm hielt er sie eigentlich? Ihm musste doch klar sein, dass seine intrigante kleine Schwester ihr in höchsten Tönen von dem engelsgleichen Wesen vorgeschwärmt hatte, dem Leandros den Laufpass gegeben hatte, um ein liebestolles Weibsbild zu heiraten. Allerdings hatte er sich von seiner Geliebten offenbar nicht ganz trennen wollen. Zumindest hatte Chloe sie jedes Mal genüsslich informiert, wenn Leandros eine Dienstreise für einen Besuch in Washington nutzte.
Vor lauter Hass auf ihren Ehemann brachte Isobel kein Wort heraus. Und für Takis Konstantindou hatte sie ebenso wenig einen Blick wie für ihren Anwalt.
Die Feindseligkeit in Isobels Blick entfachte seine Wut in einer Weise, die Leandros selbst überraschte.
Bis vor wenigen Stunden hatte er in der Angst gelebt, die lebenslustige und unbekümmerte junge Frau, die er vor vier Jahren geheiratet hatte, könnte an den Rollstuhl gefesselt sein. Die Erleichterung darüber, dass sich diese Befürchtung nicht bewahrheitet hatte, war jedoch nur von kurzer Dauer gewesen. Silvia Cunningham hatte ein solches Los noch viel weniger verdient. Der Gedanke, dass diese einst so energiegeladene Frau möglicherweise nie wieder würde laufen können, war ihm schlicht unerträglich.
Umso mehr fühlte er sich in seiner Absicht bestärkt, im Zuge der Scheidung dafür zu sorgen, dass es seiner Schwiegermutter zumindest finanziell an nichts fehlte. Alle anderen Punkte des Vorschlags, den er Isobel unterbreiten wollte, hatte er aber in aller Eile ändern müssen. Denn zu seinem Leidwesen hatte er inzwischen nicht nur erfahren, dass sie auf eigenen Beinen stehen konnte. Und eine schamlose Ehebrecherin großzügig abzufinden war das Letzte, wonach ihm der Sinn stand.
Das Wissen, dass sie ihn längst durch einen anderen ersetzt hatte, war schlimm. Noch schlimmer war die Tatsache, dass sie seinen Nachfolger nach Athen mitgebracht hatte. War sie ihm so verfallen, dass sie es nicht einmal zwei Tage ohne diesen Bodybuilder aushielt, der vor Muskeln kaum laufen konnte?
Wie ihr Äußeres bewies, war ihr das Wort Zurückhaltung nach wie vor unbekannt. Denn auch wenn sie das Haar fast züchtig hochgesteckt hatte, wirkte sie in dem Lederkostüm schamlos aufreizend – nur dass sie ihre sexuellen Lüste und Fantasien inzwischen mit einem anderen auslebte. Die Rolle ihres Ehemannes beschränkte sich darauf, ihr jeden Monat das Geld zu überweisen, das ihr den ausschweifenden Lebenswandel ermöglichte.
“Du hast dich verspätet”, begrüßte er sie scharf und wagte endlich, ihr ins Gesicht zu sehen. Im selben Moment musste er sich eingestehen, dass sie in den vergangenen drei Jahren noch schöner geworden war. Das rote Haar schien noch mehr zu leuchten als damals, und die großen grünen Augen zogen seinen Blick ebenso magnetisch an wie die gerade Nase und der unendlich sinnliche Mund.
Die Vorstellung, dass der blonde Hüne diese Lippen küssen durfte, drohte ihm den Verstand zu rauben. Und an alles andere, was er sich ausmalte, seit er die beiden im Foyer des Apollo beobachtet hatte, wollte Leandros lieber nicht denken.
Natürlich war es ein Fehler gewesen, zu ihrem Hotel zu fahren, doch die Angst, dass Isobel an den Rollstuhl gefesselt sein könnte, hatte ihm keine Ruhe gelassen. So aber hatte er ohnmächtig mit ansehen müssen, wie sie sich einem Mann an den Hals warf, dessen Gesichtszüge fast brutal wirkten.
“Wir sind im Berufsverkehr stecken geblieben”, entschuldigte sich Isobel mit gesenktem Blick. Sein schroffer Tonfall hatte sie sichtlich eingeschüchtert.
“Dann hättest du eben eher losfahren müssen”, wandte Leandros abfällig ein. “Schließlich bist du nicht zum ersten Mal in Athen. Und jetzt lass uns endlich Platz nehmen. Je eher wir anfangen, desto früher sind wir fertig.”
Unter Takis’ befremdetem Blick setzte er sich an den Konferenztisch. Unterdessen bemühte sich Isobels Anwalt, keine Regung zu zeigen. Doch selbst in seiner Rage meinte Leandros zu erkennen, dass der junge Mann mit der Situation völlig überfordert war.
Mir soll es recht sein, dachte er gleichgültig. Isobel kannte Takis gut genug, um zu wissen, dass sie mit einem Anwalt, der noch grün hinter den Ohren war, auf verlorenem Posten stand. Daran konnten auch der tadellos sitzende Anzug und sein hübsches, fast knabenhaftes Gesicht nichts ändern.
Der Gedanke, dass Isobel den Mann genau deshalb engagiert hatte, drängte sich Leandros förmlich auf. An seinen Fähigkeiten als Jurist war sie möglicherweise gar nicht so sehr interessiert. Vielleicht war der Bodybuilder nicht der Einzige, dem sie sich hingab.
Die Aufmachung, in der sie sich dem Tisch näherte, bestärkte ihn in seiner Annahme. Bei jedem Schritt spannte sich der Rock ihres Kostüms über den Hüften, und unter der eng anliegenden Jacke zeichneten sich ihre perfekt geformten Brüste deutlich ab.
Was trägt sie wohl darunter?, fragte sich Leandros unwillkürlich, als sie sich mit betont reservierter Miene ihm gegenüber setzte und ihre Handtasche abstellte. Dabei glitt sein Blick unwillkürlich über ihr anmutiges Profil zu jenem Punkt unter ihrem Ohrläppchen, um dessen besondere Empfindlichkeit er allzu gut wusste. Auch jetzt würde eine leise Berührung mit der Zunge genügen, um Isobels Reserviertheit wie Schnee in der Sonne schmelzen zu lassen.
Ihren Körper kannte er sicher besser als sie selbst. Schließlich war er es gewesen, der sie in die Geheimnisse der Liebe eingeweiht hatte. Er wusste genau, wo und wie er sie berühren musste, um sie willenlos zu machen. Mehr als zwei Minuten würde es nicht dauern, bis sie förmlich darum bettelte, dass er sie auszog und ihre geheimsten Sehnsüchte und Wünsche erfüllte.
Als Lester Miles neben Isobel Platz nahm und seine Aktentasche auf den Tisch legte, wurde Leandros jäh aus seinen Fantasien gerissen. Die Frau, mit der er noch immer verheiratet war, schenkte ihrem Anwalt ein aufmunterndes Lächeln, als würde es nicht um ihre, sondern um seine Scheidung gehen.
Dir wird das Lachen gleich vergehen, dachte er. Die Schlacht konnte jeden Augenblick beginnen. Doch wer als Sieger aus ihr hervorgehen würde, stand schon jetzt fest.
“Dann können wir jetzt wohl anfangen”, sagte Takis und setzte sich neben Leandros. “Als Erstes möchte ich dir, Isobel, versichern, dass uns sehr daran gelegen ist, eine Lösung zu finden, die beiden Seiten gerecht wird.”
“Das freut mich”, erwiderte Isobel und lehnte sich entspannt zurück. “Aber willst du mir nicht erst Guten Tag sagen, Onkel Takis?”
Wenn sie es darauf angelegt hatte, dem erfahrenen und mit allen Wassern gewaschenen Anwalt den Wind aus den Segeln zu nehmen, so war es ihr auf beeindruckende Weise gelungen.
“Habe ich das denn noch nicht getan?”, fragte er verlegen, und Leandros meinte erkennen zu können, dass der weltgewandte Mann ein wenig rot wurde. “Dann entschuldige ich mich hiermit in aller Form”, ergänzte Takis und stand auf, um seinen Worten mit einer Verbeugung Nachdruck zu verleihen.
“Ich werde es überleben”, erwiderte Isobel gleichgültig und ignorierte seine ausgestreckte Hand.
Leandros musste einsehen, dass er seine Frau maßlos unterschätzt hatte. Offenbar war sie immer noch in der Lage, ihren verdammten Dickkopf durchzusetzen – notfalls auch mit unlauteren Mitteln, wie ihm klar wurde, als er ihre grellrot lackierten Fingernägel sah.
“Wo war ich stehen geblieben?” Takis war so verunsichert, dass er den Faden verloren hatte. Selbst als er wieder Platz genommen hatte, dauerte es einen Moment, bis er sich auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren konnte. “Im Auftrag meines Klienten habe ich einen Vertrag aufgesetzt, der eine schnelle und gütliche Einigung erlauben sollte”, sagte er schließlich förmlich, ehe er eine Mappe aus seiner Aktentasche nahm und sie Isobel reichen wollte.
Doch sie ignorierte ihn erneut und überließ es lieber ihrem Anwalt, die Papiere entgegenzunehmen und einer kritischen Prüfung zu unterziehen.
“Wie Sie unschwer bemerken werden, sind die Vorschläge meines Mandanten überaus fair”, fuhr Takis leicht irritiert fort. “In Anbetracht der Fakten scheint mir vor allem die finanzielle Regelung mehr als großzügig.”
“An welche Fakten denken Sie?”, fragte Lester skeptisch.
“In erster Linie meine ich damit die Tatsache, dass unsere Klienten seit drei Jahren getrennt leben”, erwiderte Takis.
Seit drei Jahren, einem Monat und vierundzwanzig Tagen, verbesserte Isobel ihn in Gedanken und sah unwillkürlich zu Leandros. Dessen feindseliger Blick bewies ihr, dass er es kaum erwarten konnte, sie aus seinem Leben zu verbannen.
Nach allem, was er ihr angetan hatte, sollte sie sich wenigstens in diesem Punkt mit ihm einig sein. Doch zu ihrem Leidwesen wollte es ihr einfach nicht gelingen. Dafür schmerzte die offene Ablehnung zu sehr, die ihr entgegenschlug, seit sie den Raum betreten hatte. Leandros hatte sie von Kopf bis Fuß gemustert, und sein Gesichtsausdruck hatte Bände gesprochen. Offenbar war es ihm ein Rätsel, wie er eine Frau, die sich derartig geschmacklos kleidete, je hatte begehren können.
Unterdessen hatte Takis begonnen, die Liste Punkt für Punkt durchzugehen und Lester zu erklären, was es mit den jeweiligen Regelungen auf sich hatte.
Am liebsten hätte Isobel laut aufgeschrien und dem Spuk ein Ende gemacht. Nahm irgendjemand in diesem Raum ernsthaft an, dass materielle Dinge sie auch nur im Geringsten interessierten? Dachte Leandros wirklich so schlecht von ihr, dass er meinte, sich freikaufen zu können?
“Glaubst du wirklich, ich wäre auf dein verdammtes Geld aus?”, fragte sie ihn, ohne nachzudenken.
“Aus welchem Grund solltest du sonst gekommen sein?”, erwiderte er abfällig.
Ehe Isobel ihrer Empörung Luft machen konnte, riss Takis das Gespräch wieder an sich. “Da beide Parteien grundsätzlich in die Scheidung eingewilligt haben, macht es wenig Sinn, sich mit der Schuldfrage zu beschäftigen”, erklärte er nachdrücklich.
“Ich bin ganz Ihrer Meinung”, stimmte Lester ihm zu.
Einzig sie war entschieden anderer Auffassung. Ungläubig sah sie den Mann an, der sie einst dreiundzwanzig Stunden am Tag ignoriert und so getan hatte, als würde sie nicht existieren. Die Ausnahme von der Regel war jene eine Stunde vor dem Einschlafen gewesen, in der er sich plötzlich daran erinnerte, dass er verheiratet war. Und wehe, sie hatte es gewagt, ihm das Recht zu versagen, das er aus dieser Tatsache ableitete.
Im Grunde hatte er sie nur geheiratet, um mit ihr schlafen zu können, wann immer es ihm beliebte. Natürlich hatte auch sie den ebenso leidenschaftlichen wie hemmungslosen Sex genossen, und die beglückenden Erfahrungen, die sie dabei hatte machen dürfen, wollte sie um keinen Preis missen. Doch sehr bald musste Leandros feststellen, dass guter Sex allein noch keine gute Ehe ausmachte. Von da an bereute er die überstürzte Heirat und zog sich immer mehr zurück. Endgültig wandte er sich ab, als sie ihn nach einem knappen Jahr Ehe damit konfrontierte, dass sie schwanger war.
Jeden griechischen Mann hätte die Nachricht, dass er Vater wurde, mit Stolz erfüllt. Aber auch in dieser Hinsicht war Leandros eine Ausnahme, denn er reagierte mit unverhohlenem Entsetzen. “Was hast du dir bloß dabei gedacht?”, fragte er außer sich vor Wut. “Haben wir denn nicht schon genug Probleme am Hals?”
In der zehnten Schwangerschaftswoche hatte sie eine Fehlgeburt erlitten. Nie zuvor hatte sie Leandros so erleichtert erlebt wie in jenem Moment, in dem sie ihm davon berichtet hatte. Und dafür hasste sie ihn noch heute.
“Ihre Klientin hat ihren Mann aus freien Stücken verlassen”, sagte Takis ausgerechnet in diesem Augenblick. “Seither hat sie nicht versucht, wieder mit ihm in Kontakt zu treten.”
Das hättest du schon machen müssen, du Mistkerl, dachte Isobel und konnte nicht verhindern, dass ihre Augen sich mit Tränen füllten. Leandros hätte sich wenigstens danach erkundigen können, wie es ihr ging. Schließlich hatte sie sein Kind verloren. Doch auf einen Anruf oder einen Brief von ihm hatte sie vergeblich gewartet.
“Ob mein Mandant unterhaltspflichtig war, möchte ich deshalb zumindest bezweifeln”, fuhr Takis fort. “Ungeachtet dessen hat er Mrs. Petronades großzügig unterstützt und ihr monatlich eine beträchtliche Summe zukommen lassen.”
“Darum hat dich niemand gebeten!”, platzte Isobel jetzt heraus. “Übrigens habe ich von deinem verdammten Geld nicht einen Penny angerührt.”
“Ich wüsste nicht, was mich das angeht”, erwiderte Leandros gereizt und warf ihr einen verächtlichen Blick zu. Offensichtlich war er es leid, sich mit einer Vergangenheit auseinanderzusetzen, die er am liebsten aus seinem Gedächtnis gestrichen hätte. Und dass sie den Tränen nahe war, schien ihn in diesem Wunsch noch zu bestärken.
“Der nächste Punkt betrifft das Haus in Hampshire”, sagte Takis sichtlich irritiert. “Um seinen guten Willen zu unterstreichen, verpflichtet sich mein Mandant, es Mrs. Petronades zu über…”
“Dein Haus will ich genauso wenig wie dein Geld”, fiel Isobel ihm entrüstet ins Wort.
“Mrs. Petronades, warum …?”
“Du bekommst das Haus, und damit basta”, unterbrach Leandros seinen Anwalt.
“Du scheinst ja ein ziemlich schlechtes Gewissen zu haben”, bemerkte sie sarkastisch. “Aber so leicht werde ich dir es nicht …”
“Mein Gewissen ist rein”, fiel er ihr ins Wort. “Und wer im Glashaus sitzt, sollte bekanntlich nicht mit Steinen werfen”, fügte er abfällig hinzu.
“Bitte, Leandros! Ich glaube kaum, dass uns das jetzt weiter…”
“Dein Haus kannst du behalten”, ignorierte sie Takis’ Einwand. “Und alles, was sonst noch auf der Liste steht, auch.”
“Was willst du denn von mir?”, fragte Leandros überrascht, und zum ersten Mal geriet seine Selbstbeherrschung leicht ins Wanken.
“Nichts”, teilte Isobel ihm mit, ohne die Genugtuung zu verbergen, die sie dabei empfand.
“Jedenfalls nichts von dem, was auf der Liste steht”, ergänzte Lester Miles. “Wir alle wissen, dass es keinen Ehevertrag gibt, so dass Mrs. Petronades die Hälfte des Eigentums ihres Mannes zusteht. Davon ist auf der Liste nirgends die Rede. Deshalb schlage ich vor …”
“Sie hat niemand gefragt”, unterbrach Leandros ihn schroff, ehe er wieder Isobel ansah. “Sag mir endlich, was du von mir willst”, forderte er sie auf.
Die Feindseligkeit, die die ganze Zeit unter der Oberfläche gebrodelt hatte, war längst offen zutage getreten. Sie saßen sich gegenüber und warfen sich hasserfüllte Blicke zu.
Doch hatte sie, Isobel, nicht allen Grund, Leandros zu hassen? Er hatte ihr alles genommen, was sie je besessen hatte: ihre Jugend, ihre Unschuld und ihre Lebensfreude. Für ihren Wunsch, Mutter zu werden, hatte sie sich verhöhnen lassen müssen, und ihr gemeinsames Kind hatte er abgelehnt, noch ehe es auf der Welt war. Das bisschen Stolz und Selbstwertgefühl, das ihr noch geblieben war, hatte er mit Füßen getreten, als er ihren Entschluss, ihn zu verlassen, erleichtert zur Kenntnis nahm.
Mehr konnte ein Mann eine Frau nicht demütigen, und so war sie in der Hoffnung nach Athen gekommen, mit der Scheidung ein für alle Mal mit der Vergangenheit abschließen und hoch erhobenen Hauptes nach England zurückkehren zu können. Nun wusste sie, wie hoffnungslos naiv sie gewesen war, als sie die Rechnung ohne Diantha Christophoros gemacht hatte. Allein der Name bereitete ihr körperliches Unwohlsein, und aus Angst, verrückt zu werden, verdrängte sie jeden weiteren Gedanken an diese schamlose Person.
Schließlich saß ihr der Hauptschuldige direkt gegenüber, und um ihm klarzumachen, was sie von ihm hielt, hätte sie ihm am liebsten die Augen ausgekratzt.
“Ich will gar nichts von dir”, beließ Isobel es bei Worten. “Im Gegenteil, ich möchte dir etwas zurückgeben.” Kaum hatte sie den Satz beendet, zog sie den Ehering vom Finger und warf ihn achtlos auf den Tisch.
Ehe Leandros wusste, wie ihm geschah, bückte sie sich und nahm einen verschlossenen braunen Briefumschlag aus ihrer Handtasche. “In dem Umschlag befinden sich der Schlüssel für ein Schließfach einer Athener Bank und eine Vollmacht, die dich befugt, es ohne mein Beisein zu öffnen”, fuhr sie bitter fort und legte den Umschlag zu dem Ehering. “Du wirst darin den Familienschmuck finden, den du mir damals geschenkt hast. Ich könnte mir vorstellen, dass du inzwischen eine bessere Verwendung dafür hast. Vielleicht gibst du ihn einfach an deine nächste Frau weiter.”
Mit jedem Wort, das sie sprach, verfinsterte sich seine Miene. “Ich frage dich jetzt zum letzten Mal”, sagte er drohend. “Warum bist du gekommen?”
“Um mich von dir scheiden zu lassen”, erwiderte Isobel unter Tränen. “Und weißt du auch, warum? Weil ich dich und alles, was zwischen uns gewesen ist, endlich vergessen will.”
Als sie seinen hasserfüllten Blick sah, wusste sie, wie aussichtslos es war, auf sein Verständnis zu hoffen. Gänzlich unvorbereitet traf sie hingegen die Rücksichtslosigkeit, mit der er es ihr zu verstehen gab.
“Dein schauspielerisches Talent in Ehren”, antwortete er sarkastisch, “aber ich schlage vor, dass wir bei der Wahrheit bleiben. Warum gibst du nicht einfach zu, dass du mich loswerden willst, weil mein Nachfolger schon Gewehr bei Fuß steht? Ich hätte dir allerdings einen besseren Geschmack zugetraut. Der Bodybuilder dürfte kaum deinen Ansprüchen genügen.”
Es dauerte eine Weile, bis Isobel begriff, was Leandros meinte. Umso größer war ihr Entsetzen, als ihr endlich klar wurde, was er ihr unterstellte. “Hast du mich etwa heimlich beobachtet?”, fragte sie entgeistert.
“Allerdings”, gab er unumwunden zu. “Und was ich gesehen habe, spricht nicht unbedingt für dich. Ehebruch ist kein Kavaliersdelikt, und ich könnte mir gut vorstellen, dass ein Scheidungsrichter zu derselben Auffassung gelangt. Wenn du darauf bestehst, können wir diese Unterhaltung auch vor Gericht fortsetzen. Ich fürchte allerdings, dass du dann leer ausgehen würdest. Überleg dir also gut, was du tust.”
“Das habe ich bereits”, erwiderte Isobel und stand auf. “Ich wüsste nicht, was ich mit dir noch zu besprechen hätte”, fügte sie hinzu, ehe sie ihre Handtasche an sich nahm. “Und dein verdammtes Geld kannst du dir sonst wohin stecken.”
Ohne Leandros noch einmal anzusehen, drehte sie sich um und ging auf direktem Weg in Richtung Ausgang.
“Sei doch vernünftig, Isobel”, rief Takis ihr nach, als sie schon fast die Tür erreicht hatte.
“Bitte, Mrs. Petronades”, sprang Lester Miles seinem Kollegen bei.
“Hier geblieben, Isobel!”, befahl Leandros über die Köpfe der beiden Männer hinweg. “Wenn du noch einen Schritt machst, wirst du es bereuen. Und ihr beide verlasst augenblicklich den Raum”, forderte er die Anwälte unmissverständlich auf.
Die Drohung schüchterte Isobel so sehr ein, dass sie unwillkürlich stehen blieb. Erst jetzt merkte sie, dass ihr vor Aufregung die Knie zitterten. Insgeheim hoffte sie inständig, dass die beiden anderen Männer Leandros Einhalt gebieten würden.
Doch um sich seinen Anordnungen zu widersetzen, fehlte ihnen offensichtlich der Schneid. Leandros war ihnen in jeder Hinsicht überlegen, und das unterstrichen sie, indem sie das Zimmer verließen.
Als sich die Tür hinter ihnen schloss, nahm Isobel ihren ganzen Mut zusammen und wandte sich zu Leandros um. “Weißt du, was du bist?”, fragte sie voller Abscheu. “Ein widerlicher Tyrann.”
“Interessant”, erwiderte er eisig. “Vor allem wenn ein Unschuldsengel wie du das sagt, Schätzchen.”
Was wie ein Kosename klang, war die schlimmste Beleidigung, die er ihr antun konnte. “Schätzchen” hatte er sie immer dann genannt, wenn seine Wut überzuschäumen drohte, weil sie in seinen Augen etwas falsch gemacht hatte.
Deshalb ließ sie sich von der Gelassenheit, die er auszustrahlen versuchte, nicht täuschen. Hinter der Fassade lauerte ein ausgehungertes Raubtier, das jeden Moment zum Sprung auf sein Opfer ansetzen konnte.
Leandros bestätigte es schneller, als ihr lieb sein konnte. “Was will dieser Clive Sanders von dir?”, fragte er, und das bedrohliche Funkeln in seinen dunklen Augen verriet, wie es in seinem Innern aussah.
Als ihr der Grund für seine Wut klar wurde, musste Isobel lachen. Woher nahm dieser Mensch nur die Stirn, eine Erklärung von ihr zu verlangen, nachdem er sich drei Jahre nicht im Geringsten für sie interessiert hatte?
Na warte!, dachte sie verbittert. Dann ging sie zurück zum Tisch, stützte sich mit beiden Händen auf und sah Leandros lange an, ehe sie zum Gegenschlag ausholte.
“Sex”, sagte sie ihm direkt ins Gesicht. “Was soll er sonst wollen? Und wie du dich vielleicht erinnerst, bin ich im Bett ziemlich gut. Clive ist derselben Auffassung. Er …”
Weiter kam sie nicht, weil das Raubtier in Leandros erwacht war und zum Sprung angesetzt hatte. Ehe sie wusste, wie ihr geschah, lag sie mit dem Rücken auf der Tischplatte und musste wehrlos erleben, wie Leandros sich über sie beugte und ihr so nah kam, dass sie seinen Atem im Gesicht spürte.
Die intime Nähe löste Gefühle in ihr aus, derer sie sich regelrecht schämte. Doch das Gewicht seines Körpers und sein markantes Gesicht riefen ihr unwillkürlich Stunden der Erfüllung in Erinnerung, in denen sie Lust und Leidenschaft miteinander geteilt hatten, ohne sich irgendwelche Hemmungen aufzuerlegen.
“Sag das noch einmal – wenn du dich jetzt noch traust”, forderte Leandros sie auf.
“Lass mich sofort los!” In ihrer Verzweiflung legte sie ihm die Hände auf die Schultern und versuchte, ihn wegzudrängen. Aber selbst durch das Jackett hindurch meinte sie das zärtliche Versprechen zu spüren, das sein athletischer Körper verhieß.
“Erst will ich wissen, ob du mit ihm geschlafen hast.”
“Das geht dich nichts an”, erwiderte sie wutentbrannt. “Ich bin dir schon lange keine Rechenschaft mehr schuldig.”
“Rechenschaft vielleicht nicht”, sagte Leandros ungerührt, “aber etwas anderes.”
Spätestens als er die Hüften gegen ihre presste, wurde Isobel klar, was er meinte. Der Schock darüber wurde einzig von der beschämenden Einsicht übertroffen, dass sie sich ihm instinktiv entgegendrängte.
Wie sein triumphierendes Lächeln bewies, war es Leandros nicht verborgen geblieben. Mit sichtlicher Genugtuung zog er ihr den Kamm aus dem Haar.
“So erinnerst du mich schon eher an das liebestolle kleine Ding, das ich damals geheiratet habe”, sagte er heiser und löste das feuerrote Haar, bis die Strähnen wie kleine Flammen auf der hölzernen Tischplatte lagen. “Mal sehen, ob du immer noch so temperamentvoll bist”, fügte er hinzu, ehe er nach dem Reißverschluss ihrer Kostümjacke tastete und ihn öffnete.
Dass sie eine hochgeschlossene Bluse trug, schien ihn regelrecht zu schockieren. Den Grund dafür begriff sie jedoch erst, als er sie ansah, als hätte sie sich an ihm versündigt.
“Was soll der Quatsch?”, fragte er verärgert. “Warum trägst du zu einem derartig aufreizenden Lederkostüm eine Bluse, die selbst meine Mutter nicht anziehen würde? Willst du mir damit irgendetwas beweisen? Oder hat dein neuer Liebhaber es gern, wenn es ein wenig länger dauert, bis er dich ausgezogen hat?”
“Richtig geraten”, erwiderte Isobel in ihrer Empörung. “Je länger es dauert, desto erfüllender ist es, wenn wir uns lieben. Dir konnte es doch gar nicht schnell genug gehen, bis ich endlich nackt im Bett lag und du deine Lust an mir stillen konntest.”
Noch ehe sie diese Worte ausgesprochen hatte, wusste sie, dass sie Leandros tief in seinem Stolz verletzt hatte. Zurücknehmen konnte sie die Worte allerdings nicht mehr, und instinktiv wusste sie, dass er sie nicht ungestraft davonkommen lassen würde.
“Du miese kleine Schlampe”, beschimpfte er sie prompt.
In ihrer Panik wollte Isobel bereits um Hilfe rufen, als er den Mund auf ihren presste. Was dann folgte, ließ sich nur mit der Verzweiflung eines Mannes erklären, der vergeblich gegen die Wut ankämpfte, die sie mit ihrer unbedachten Äußerung ausgelöst hatte. Ehe sie wusste, wie ihr geschah, begann er ein erotisches Spiel mit der Zunge.
Leandros wusste genau, was er tun musste, um sie gefügig zu machen, und auch dieses Mal verfehlte der Anschlag auf ihre Sinne nicht seine Wirkung. Denn kaum hatte sie ihm die Hände um den Nacken gelegt und damit schweigend ihr Einverständnis signalisiert, ließ er die Hand von ihrem Haar über den Hals abwärts gleiten. Als er ihr mit den Knöcheln sanft über die Brüste strich, drängte sie sich ihm unwillkürlich entgegen, um die Berührung noch intensiver zu spüren.
In ihrer Erregung hatte sie nicht gemerkt, dass Leandros mit der anderen Hand ihre Bluse geöffnet hatte. Als er die Finger unter ihren dünnen BH gleiten ließ und die Spitzen rieb, glaubte sie, vergehen zu müssen. Trotzdem gelang es ihr, die Hände zu heben und ihm durchs Haar zu streichen, damit er nicht aufhörte.
Wie tief war sie nur gesunken, dass sie sich dem Mann willenlos hingab, den zu hassen sie allen Grund hatte? Doch ihr Verlangen war bereits zu stark. Je kühner seine Liebkosungen wurden, desto dringender wurde ihr Wunsch, dass er endlich die Hand unter ihren Rock gleiten ließ und sich davon überzeugte, wie sehnlich sie ihn bereits erwartete.
Umso größer war ihr Schock, als Leandros sich unvermittelt zurückzog. Nie zuvor hatte sie sich derartig erniedrigt und gedemütigt gefühlt. Das Schlimmste war allerdings die unerschütterliche Gewissheit, dass er es genau darauf angelegt hatte.
Beschämt und empört zugleich richtete Isobel sich auf. Zu ihrem Erstaunen trugen ihre Beine sie, als sie vorsichtig vom Schreibtisch stieg. “Ich hasse dich, Leandros”, stieß sie hervor, als sich ihre Blicke begegneten. “Du bist und bleibst ein Tier.”
“Wenn du deinen Liebhaber zu Hause gelassen hättest, wäre das nicht passiert”, erwiderte er unversöhnlich. “Aber offensichtlich wolltest du es nicht anders.”
Isobel reagierte, ohne sich lange zu besinnen. Mit einer Ohrfeige ist er viel zu glimpflich weggekommen, dachte sie, als sie ihre Handtasche aufhob und auf die Tür zuging. Irgendwie gelang es ihr, den Reißverschluss ihrer Jacke hochzuziehen. Das Haar fiel ihr jedoch lose über die Schultern und ließ erahnen, was vor wenigen Augenblicken geschehen war.
Deshalb überraschte es Isobel nicht, dass die beiden Anwälte sie befremdet ansahen, als sie die Tür zum Nebenzimmer aufriss.
“Willigen Sie in alles ein, was er verlangt”, beauftragte sie Lester Miles, ohne stehen zu bleiben. “Ich unterschreibe später im Hotel.”
Noch ehe Isobel die Chefetage seines Konzerns verlassen hatte, wurde sich Leandros darüber klar, dass er zu weit gegangen war. Was immer er ihr auch vorzuwerfen hatte – als Schlampe bezeichnet und behandelt zu werden, hatte sie wahrlich nicht verdient.
Zu seiner Entschuldigung konnte er lediglich vorbringen, dass ihr Geständnis, sie hätte einen Liebhaber, auch nach drei Jahren wie ein rotes Tuch auf ihn gewirkt hatte. Dabei hatte es ihn im Grunde nicht überrascht. Isobel war jung, unbekümmert, bildschön und begehrenswert. Dass sie mit anderen Männern schlief, war das Natürlichste von der Welt. Damit hatte er sich abzufinden, auch wenn er mit ihr verheiratet war.
Ich will mich aber nicht damit abfinden!, musste er sich eingestehen. Natürlich bestand die Ehe nur noch auf dem Papier. Trotzdem war er altmodisch genug, um von Isobel zu erwarten, dass sie sich an ihren Treueschwur hielt.
Wie dumm das war, wusste er mittlerweile selbst. Doch auch diese Einsicht konnte die Bitterkeit, die er empfand, nicht mildern.
“Sie scheint ja ziemlich hart zugeschlagen zu haben.” Takis erkannte schon von weitem, was sich zugetragen hatte. “Ich nehme an, du hast dir die Ohrfeige redlich verdient.”
Das kann man wohl sagen, dachte Leandros verbittert und schenkte sich einen doppelten Whisky ein. “Ist Isobel schon gegangen?”, erkundigte er sich.
“Ich würde es eher geflohen nennen”, erwiderte sein Anwalt.
“Hat sie noch etwas gesagt?”
“Nur, dass sie mit allem einverstanden ist”, berichtete Takis. “Wir sollen die Papiere aufsetzen und ihr ins Hotel bringen, damit sie unterschreiben kann. Wenn du klug bist, solltest du dich beeilen. Sonst ändert sie ihre Meinung noch und macht dir mehr Schwierigkeiten, als dir lieb sein kann.”
“Sie hat zugegeben, dass sie mit dem Dreckskerl ins Bett geht!”, platzte Leandros verzweifelt heraus.
“Das kann dir nur recht sein”, meinte Takis wenig einfühlsam. “Umso weniger Recht hat sie, irgendwelche Forderungen zu stellen. Dass du dich scheiden lassen willst, um eine andere zu heiraten …”
“Wer hat dir das denn erzählt?”, unterbrach Leandros ihn wütend.
“Die Spatzen pfeifen es doch von den Dächern”, erwiderte Takis ausweichend.
“Das sind nichts als Gerüchte”, entgegnete Leandros. Aber wer mochte sie in die Welt gesetzt haben? Seine Mutter? Chloe? Oder sollte Diantha selbst …?
Nein, verwarf er den Gedanken. Diantha würde nie zu Klatsch und Tratsch beitragen. “Zum Glück bleibt Isobel nicht lange in Athen. Die Gerüchte dürften also kaum bis zu ihr dringen”, sagte er mehr zu sich selbst als zu Takis.
“Sie weiß es bereits”, lautete die niederschmetternde Antwort. “Ihr Anwalt hat mich auf Diantha Christophoros angesprochen, bevor er Isobel gefolgt ist.”
Einen Moment fürchtete Leandros, den Glauben an sich selbst zu verlieren. Sie kann es gar nicht wissen, versuchte er sich einzureden. Schließlich habe ich mit niemandem darüber gesprochen!
“Der Kerl ist besser informiert, als uns lieb sein kann”, fuhr Takis nicht ohne Respekt für den jungen Kollegen fort. “Zum Beispiel weiß er, dass Diantha dich auf deiner Yacht besucht hat. Er hat unverhohlen damit gedroht, sie als Zeugin zu laden, falls es zu einer Gerichtsverhandlung kommen sollte. Welchen Skandal das auslösen würde, brauche ich dir nicht zu sagen.”
Leandros hörte kaum zu, weil er viel zu sehr damit beschäftigt war, sich den Gesichtsausdruck in Erinnerung zu rufen, mit dem Isobel das Konferenzzimmer betreten hatte. Wie konnte ich nur so blind sein?, fragte er sich. Die unbändige Wut auf ihn, der Hass, der verzweifelte Wunsch, ihn in Stücke zu reißen – all das hatte ihr doch im Gesicht geschrieben gestanden.
Auch die Gründe dafür waren ihm plötzlich klar. Wenn Isobel sich ungerecht behandelt fühlte, erwachte die Kämpferin in ihr, und auf Verletzungen reagierte sie instinktiv damit, dass sie die Krallen ausfuhr. Nun schien sie anzunehmen, dass er sich scheiden lassen wollte, weil sie ihm als Ehefrau nicht gut genug war. Und das war die denkbar größte Beleidigung, die man ihr antun konnte. So gesehen, war ihre Reaktion noch überaus harmlos ausgefallen.
“Rückblickend ist es mehr als unklug, dass ihr damals keinen Ehevertrag abgeschlossen habt”, sagte Takis, ohne zu merken, dass ihm niemand zuhörte.
Denn um sich keine falschen Hoffnungen zu machen, suchte Leandros verzweifelt nach Gründen, die seine Annahme bekräftigen konnten. Erst als sein Blick auf den Ehering an seiner rechten Hand fiel, erinnerte er sich daran, dass die Beweise noch immer auf seinem Schreibtisch lagen.
Selbst von der Bar aus konnte er den Ehering und den Umschlag erkennen, die Isobel dort zurückgelassen hatte. Auch wenn sie seit drei Jahren getrennt lebten, hatte Isobel den Ring bis zum heutigen Tag getragen. Hieß das nicht auch, dass ihre Ehe ihr immer noch etwas bedeutete? Oder war der Ring für sie mittlerweile ein beliebiges Schmuckstück, der sie nicht daran hinderte, sich einen Liebhaber zu angeln?
Nicht allein der Gedanke an ihren muskelbepackten Freund ließ ihn erheblich an ihrer Zurechnungsfähigkeit zweifeln. Was hatte sie nur mit dem Familienschmuck gemeint, den sie in einem Banktresor hinterlegt haben wollte? Etwas Derartiges besaß seine Familie nicht.
“Wir sollten uns schnellstmöglich eine Strategie überlegen”, riet Takis ihm nachdrücklich. “Sonst …”
“Später”, erwiderte Leandros geistesabwesend.
“Dann könnte es zu spät sein”, wandte sein Anwalt ein. “Wenn du wirklich eine unkomplizierte Scheidung willst, musst du sofort etwas unternehmen.”
Ich will aber keine Scheidung, sondern meine Frau zurückhaben, dachte Leandros. So einfach ist das.