Nachwort

Ist es nicht erstaunlich, dass sich seit 2008 nichts verändert hat, als die erste Version der Kurzgeschichte entstand?

Ganz im Gegenteil, es wurde schlimmer, was die Intensität der Ströme und den Umgang damit angeht.

Die Problematik der Flüchtlinge aus den ärmeren Ländern im Osten und aus afrikanischen Staaten ist nicht neu, und doch tut man überrascht.

Nun wundern sie sich, die Politiker.

Sie wundern sich, dass Menschen aus Not, Elend und Armut flüchten.

Und sie wundern sich, dass sie dieses Risiko auf sich nehmen, in Nussschalen überzusetzen und ihr Leben zu wagen.

Ich wundere mich nicht.

Jeder Mensch, der normal denkt, kann sich ansatzweise in die Lage der Verzweifelten versetzen.

Sogar aus unserer reichen Gesellschaft setzen sich jedes Jahr 25.000 Menschen ab, wie in der aktuellen Studie des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (2015) zu lesen ist.

Sie suchen ihr Glück woanders, manchmal auch ohne Wissen, ohne Geld, ohne Vorbereitung. Ohne die Sprache zu beherrschen. Die meisten davon sind aber Akademiker und gut ausgebildete Kräfte. Und nicht alle haben Erfolg dort, wo sie neu anfangen wollen.

Bei uns nennt man das Auswanderer, eine andere Version des Flüchtlings.

Zwischen 2009 und 2013 wurden rund 710.000 Fortzüge registriert, rund 1,5 Millionen Deutsche haben zwischen 2004 und 2013 ihrer Heimat den Rücken gekehrt.

Wohin gehen sie?

Das „mit Abstand wichtigste Zielland“ ist die Schweiz, in zehn Jahren wanderten mehr als 200.000 Bundesbürger dorthin ab, danach folgen die USA und Österreich. Das führte übrigens dazu, dass deutsche Arbeitskräfte in der Schweiz nicht gut gelitten sind. Weil sie die Arbeit wegnehmen. Die Parallele springt einem ins Auge.

Ein anderes Beispiel ist Mallorca mit 30.049 offiziellen Deutschen auf den Balearen (Stand 2013); zählt man die Zweitwohnungs- und Fincabesitzer hinzu, sind es etwa 70.000 Deutsche – bei etwa 876.000 Bewohnern der Insel. Auch das finden nicht alle Mallorquiner gut.

Und warum gehen die Deutschen? Hinter dem Wunsch, neue Lebenserfahrungen zu machen, werden am zweithäufigsten berufliche Gründe genannt, knapp dahinter folgt der Wunsch nach einem höheren Einkommen oder Lebensstandard. Mehr als 40 Prozent der Auswanderer treibt die Unzufriedenheit mit dem Leben in Deutschland in die Ferne.

Wohlgemerkt: Wir reden vom beschaulichen, ruhigen Deutschland, das man verlässt. Sind das nicht ebenso „Wirtschaftsflüchtlinge“?

Wie kann man es anderen Menschen verdenken, das Gleiche zu wollen, die in schlechteren Umständen leben müssen?

Und ist dann noch das eigene Leben in Gefahr – was würde mich halten?

Eben: nichts.

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