Rochefort: Memoiren
Sechzehn

Ich stotterte den ersten Einwand, der mir in den Sinn kam, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen.

»Man könnte mir hierher gefolgt sein. Wenn man mich in Eurer Gegenwart gesehen hat, Mylord, wird Fludd glauben, dass ich ihn verraten habe.«

Cecil wedelte ungeduldig mit der Hand. »Ihr werdet Euch schon eine passende Lüge für ihn ausdenken, Master Rochefort, denn das ist Euer Beruf.«

Was auch immer ich mir an Vorteilen bei Monsieur Minister erarbeitet haben sollte, sie wären augenblicklich verloren, sollte ich darauf bestehen, dass es in London ein Spionagenetz gab, das es mit seinem aufnehmen konnte. Für einen Engländer war er (wenigstens hatte Messire de Sully das gedacht) in Bezug auf seinen Stolz fast genauso empfindlich wie ein Franzose.

Eine passende Lüge für Fludd? Ich wünschte, ich hätte eine! Die Barke knarrte unter meinen Stiefeln. Seide und Goldbeschlag für Tausende Pfund, welche die Barke zierten, zeigten keinerlei Wirkung auf mich.

»Wir müssen einander von Nutzen sein, ›Monsieur Herault‹«, sagte Cecil, »wenn ich Euch Informationen aus Frankreich anvertrauen soll.«

Ich atmete tief durch. »Mylord, Ihr kennt die Gerüchte, dass ich wüsste, wer hinter Ravaillacs Tat steckt. Ich habe gute Gründe dafür, dass niemand von meiner Anwesenheit in London erfährt, da man mich ansonsten töten würde.«

»Ein solches Risiko geht mit Eurer Profession einher.« Er nickte ernst. »Solange Ihr mir zu Diensten seid, werde ich Monsieur Rosnys Mann natürlich meinen Schutz gewähren.«

Ich verneigte mich. Er will glühende Kohlen auf Messire de Sullys Kopf schaufeln. Nun, vielleicht würde ich ja davon profitieren. Doch wenn Cecil schon nicht an Fludds Männer glaubt, werden das seine Leute auch nicht tun …

So ruhig, als spräche er mit einem seiner englischen Informanten, fügte Robert Cecil hinzu: »Ich weiß durchaus zu schätzen, dass Ihr mir über die Verschwörung dieses Doktor Fludd berichtet habt. Als Verschwörung ist sie vielleicht nur dem Fieberwahn eines einzigen Mannes entsprungen, vielleicht aber auch nicht. Ihr werdet für mich arbeiten, Master Rochefort, und alles herausfinden, was es herauszufinden gibt.«

Cecil nahm die Papiere, legte eine Hand auf die Stuhllehne und glitt vom Sitz hinunter auf den teuren Teppich. Ich stand auf und verneigte mich zum Abschied.

»Falls Master Saburo nicht zur Verfügung stehen sollte«, fügte Cecil hinzu, als er sich abwandte, »werdet Ihr diesen jungen Mann benutzen, der bei Euch wohnt. Er soll als Page verkleidet Nachrichten zwischen uns hin und her transportieren. Ich werde sein Gesicht erkennen.«

Ich unterdrückte das Verlangen, mir selbst mit den Fäusten gegen den Kopf zu schlagen.

Allein kehrte ich nach Southwark zurück und überließ Saburo dem Sekretär. Es würde noch viel geredet werden, bevor man ihn in die Nähe von James Stuart lassen würde; doch die Entscheidung, dass dies geschehen würde, war bereits gefallen. Selbst Messire de Sullys kurze Reise im Jahre 1603 hatte uns mehrere Monate gekostet, und der nihonesische Infanteriehauptmann war kein anerkannter Ratgeber des französischen Königs.

Ist das wirklich ein so schlechter Handel?, fragte ich mich, als mein Boot die Barke verließ und schließlich an der Bankside wieder anlegte.

Ich musste einfach nur eine lokale Verschwörung beobachten und würde dafür die besten Informationen aus Paris bekommen, auf die ein Fremder Zugriff hatte, nur … nur …!

Nur dass Messire Cecil glaubte, mir nun Befehle erteilen zu können, wie er wollte. Und wie passte das mit der Königin und Regentin Maria di Medici und meinen Plänen zusammen?

Ich blieb mitten auf der Straße stehen. Menschen gingen ohne ein Wort um mich herum. Eine Frau mit einem Bauchladen stieß gegen meinen Ellbogen und warf mir einen giftigen Blick zu. Dann lächelte sie und entblößte die Lücken zwischen ihren Zähnen, als ich ihr ein paar Münzen gab. Ich nahm an, dass ich von der Frau mehr hätte haben können als nur eine Hand voll Schleifen, die sie in ihrem Bauchladen spazieren trug, aber ich ging rasch davon.

Kein schlechtes Geschäft, nur dass ich nun Doktor Fludd einen Vorschlag darbringen muss, wie man den König töten kann!

Kein schlechtes Geschäft, nur dass Doktor Fludd … nicht gerade schlecht informiert ist.

Falls Fludd wirklich die Zukunft voraussagen konnte, dann wusste er auch, dass ich seine Verschwörung verraten hatte. Er würde es wissen, wenn er mich wieder traf. Aber warum hatte er es mir dann überhaupt erst erzählt?

Frust ließ mich beim Gehen die Fäuste ballen. Was sollte ich anderes tun, als zum Dead Man's Place zurückzukehren und sinnlose Pläne zu entwerfen, wie man den König ermorden konnte?

Und dazu kommt, dass ich in England und nicht in Paris bin, und meine einzigen Unterhaltungsmöglichkeiten sind unkultivierte Huren, unkultiviertes Theater oder Tieren zuzusehen, die sich gegenseitig in Stücke reißen. Gütiger Gott, Zaton würde hier untergehen, weil es einfach nicht genug Edelleute gibt, die das Etablissement hätten besuchen können!

Die Mittagsstunde war noch nicht lange vorüber. Beim Gedanken an Zaton kamen mir eine ganze Reihe von Dingen in den Sinn. Eine ordentliche Mahlzeit. Die Kameraden, die ich dort zurückgelassen hatte, und die Möglichkeit, dass ich mich nie wieder würde zu ihnen gesellen können. Ein Glücksspiel, um den Inhalt meiner Börse zu vervielfachen, denn in Southwark ließ sich keine einzige Lokalität finden, wo nicht mit gezinkten Würfeln gespielt wurde. Und als natürliche Folge dieser Gedanken – ein Umstand, über den ich gar nicht weiter nachdenken wollte – wandten sich meine Überlegungen Mademoiselle Dariole zu.

Die ich seit vier Stunden nicht mehr gesehen habe, weshalb ich wohl davon ausgehen kann, dass sie irgendwo für Chaos sorgt …

Für einen Fremden war Saburo ein verantwortungsvoller Mann, und ich war in meinem Beruf erfahren; nur sie … sie, die sie so gut wie nichts über Heinrichs Ermordung wusste, konnte alles mit einem im Rausch gesprochenen Wort oder einer jugendlichen Prahlerei verderben.

Ich vermochte nicht zu sagen, warum ich in meinem Frust und meiner schlechten Laune sofort an das Mannweib dachte. Vielleicht nagten ihre Weiblichkeit und damit verbunden die Tatsache, dass sie mich besiegt hatte, noch immer an mir. Auch wenn ich mir immer wieder einredete, dass mein Instinkt sie schon immer als weiblich erkannt und ich mich dementsprechend zurückgehalten hatte … Ich war mir damals dessen nicht bewusst gewesen.

Aber es ist durchaus möglich, gestand ich mir ein, dass ich es wirklich nicht gewusst habe.

Menschenleere Gassen erregten meine Aufmerksamkeit, als ich an ihnen vorüberkam, ebenso wie leere Schuppen und Verschläge neben Tavernen und Hurenhäusern, bis mir schließlich klar wurde, dass ich mir immer vorgestellt hatte, eine Konfrontation zwischen mir und Dariole würde im Geheimen ablaufen, unbemerkt von allen anderen.

Wie in dem Stall in Ivry.

Das ließ mich fluchen. Ich spie in den Rinnstein und marschierte, die linke Hand auf meinem Rapier, einfach weiter. Mir war egal, ob meine nach hinten herausragende Waffe irgendeinen Bürger auf der Suche nach einer Hure in den Bauch stechen würde. Die Gewaltbereitschaft, die mich im Augenblick durchströmte, hätte ein Gefecht willkommen geheißen.

Ich bog in eine Straße ein, die mich an mehreren Etablissements vorbeiführte, wo Fechtmeister Schüler in ihrer Kunst unterwiesen. Ich glaubte nicht, hier einen Schüler zu finden, der in der Lage war, mir genügend Paroli zu bieten, als dass ich mir an ihm mein Gemüt hätte kühlen können – die guten Lehrer waren zweifelsohne in der City und nicht in den Vorstädten. Trotzdem: Entweder das, oder ich musste mir einen Kampf in einer Taverne suchen …

Ich werde aber nicht unnötig das Blut eines Mannes an meinen Händen haben.

Ich ging in mehrere Schulen hinein, um die Schüler bei ihren Übungen zu beobachten. Ich hätte mit Rapier, Breitschwert und Buckler oder Glaive kämpfen können; überall fand mein frustriertes Auge jedoch Mängel, und ich zog wieder weiter. Erst als ich die Eichentreppe in einem schmalen Hang hinaufstieg und einen salle des armes betrat, hörte ich eine Stimme, die mir nur allzu vertraut war – und ich wusste ebenso sofort, an was es mir gefehlt hatte.

»Oh, gütiger Gott, mein! Primo, nicht secondo! Von hier könnte ich Euren Ellbogen treffen. Und Euren Bauch! Zieht ihn ein!«

Das war der vertraute, raue Ton eines heranwachsenden Jünglings.

Gut ein Dutzend Männer standen in dem langen Raum und waren mehr schlecht als recht in die abgelegten Kleider irgendwelcher Edelleute gehüllt. Es waren Schauspieler, wie ich rasch bemerkte. Vermutlich gehören sie einem der Schauspielhäuser an, die Mademoiselle Dariole in letzter Zeit so häufig besucht hat. Und die mittelgroße Gestalt, die mit der Schulter einem Mann in grünem Wams zugewandt war, beide mit einem Florett in der Hand, war niemand anderes als Dariole höchstpersönlich.

Stahl traf auf Stahl. Ich verschränkte die Arme, lehnte mich an einen Pfeiler der Galerie unmittelbar neben der Tür und beobachtete Dariole, wie sie jeden Knopf auf dem Wams des Schauspielers benannte und dann auch berührte, obwohl dieser sich redlich bemühte, sie daran zu hindern.

»Ja, du könntest ihn töten«, rief ein dürrer, großer Kerl mit schwarzem Haar und pockennarbigem Gesicht herüber. »Aber kannst du ihn den Trick auch so lehren, dass die Lords in den Logen ihn auch mitbekommen?«

»Den Leuten unten im Saal würde er besser gefallen!« Darioles Akzent war ein wenig besser als noch vor ein paar Tagen, als sie sich vor dem Haus ihres Vetters zum Narren gemacht hatte. Ihre neuen Schauspielerfreunde schienen das gar nicht zu bemerken. Schauspieler, Huren und Soldaten, alle waren sie wesentlich toleranter als die guten Bürger in ihren teuren Stadthäusern.

Der dünne, pockennarbige Mann protestierte: »Die unten werfen aber keine Goldmünzen, wenn ihnen ein Duell gefällt!«

Dariole grinste ihn an. »Ich dachte, du wärst ein Poet. Seit wann kümmert es dich, wer wie viel bezahlt?«

In grimmigem Tonfall antwortete der Mann: »Seit ich ein Poet geworden bin!«

Der Fechtmeister, ein alter Engländer mit kurzgeschorenem grauen Haar, nahm mich zur Seite, um mir ein paar notwendige Fragen zu stellen, wie ich sie auch aus einem Pariser salle des armes kannte, während er mich mit einer breiten Klinge ausstattete. Ich bewegte das Handgelenk und spürte, wie die Spitze sich nach unten neigte.

»So fechtet Ihr?« Ich nickte zu dem kleinen Stoffsack voll Sand, der fest um die Spitze gebunden war. »Nur die Spitze? Keine Klinge?«

Der englische Fechtmeister grunzte etwas vor sich hin und tauschte meine Waffe gegen eine andere, kürzere, deren Spitze ebenfalls mit einem Sandsack geschützt war, nur dass hier auch die Schneide stumpf geschliffen war. Wie nicht anders zu erwarten, stimmte die Balance hinten und vorn nicht.

Gefolgt von einer lauten und langen Schmährede der Versammelten kam Dariole herüber. Ich hatte keine Zeit nachzudenken, bevor sie mich im Schatten entdeckte. Ihre Augen begannen plötzlich zu leuchten.

»Dariole.«

Ich verzichtete auf eine förmliche Anrede, um nicht versehentlich Mademoiselle und Monsieur zu verwechseln. Dem Funkeln in ihren Augen nach zu urteilen, sah sie das jedoch anders.

»Messire! Genau der richtige Mann zum Üben. Fast eine Herausforderung …«

Sie hatte sich ein neues Wams aus gebleichtem Leinen besorgt – mit meinem Geld! Es war ihr ein wenig zu groß, wie ich bemerkte, und die helle Farbe bildete einen starken Kontrast zu ihrer holzkohlefarbenen Hose. Die Falten des kleinen Kragens drückten ihr unters Kinn, und sie hatte ihren hohen Hut gegen eine Samthaube getauscht, flach wie ein Kuchen und mit einer Fasanenfeder daran.

Derart ausstaffiert hätte sie der Zwilling von Fludds Pagen sein können, der mich am Whitehall-Palast zur Umkehr gezwungen hatte. Ihr Gesichtsausdruck war der des jungen Mannes bei Zaton.

»Ihr seid vollkommen belanglos«, sagte ich, zog meine Stiefel aus, wie es der Brauch ist, und trat auf den Fechtboden hinaus, »um nicht zu sagen überflüssig. Ist Euch nie der Gedanke gekommen, Welpe, dass Euer Vetter nicht der einzige Mann ist, der Euch ins Körbchen werfen kann, wo Ihr hingehört?«

Lachen folgte diesen Worten, und Dariole errötete. Mit mehr als nur Scham dachte ich: Als hätte ich etwas verraten, was ein Kamerad geheim halten würde.

Der pockennarbige Mann und einige der Schauspieler brachen ihre Bühnenduelle ab, um uns zuzusehen. Ich vermutete, dass Dariole auf typisch jünglinghafte Art Freundschaft mit ihnen geschlossen hatte. Sie warf einen Blick über die Schulter zurück. »Jetzt schaut gut zu, wie ich ihm etwas beibringe!«

Das war alles an Einleitung. Wir fingen an. Der Fechtboden wurde frei gemacht. Ich wagte drei, vier plötzliche und kräftige Attacken – und jedes Mal verkürzte ich meinen Arm, nahm den Ellbogen zurück, aber so unauffällig, dass sie es nicht sehen würde. Die Muskeln in meinem verletzten Arm kribbelten und beruhigten sich dann wieder. Kurz dachte ich: Das … Nein, das wird nicht so sein, wie gegen Monsieur Fludd zu kämpfen …

Dariole trat vor, und ihre Füße glitten sicher über den Eichenboden. Sie stieß zu.

Ich wich aus und sprang sofort vor.

Mit dem Zurückhalten meines Arms hatte ich sie getäuscht; nun befand sie sich gut eine Handspanne in meiner Reichweite. Ich stieß unter ihrem Arm hindurch und in die Lücke zwischen Wams und Ärmel, wo das Hemd weiß hervorlugte.

Die gepolsterte Spitze fand ihr Ziel.

Ich traf sie mit genügend Kraft, dass die Klinge sich durchbog, und stieß sie so zurück. Sie würde wohl einen blauen Fleck bekommen, soviel stand fest, und wenn ich noch zielen konnte, würde dieser Fleck sich zwischen vierter und fünfter Rippe befinden, dem Eingang zum Herzen.

»Hurensohn!« Sie keuchte, entweder aus Schmerz, vor Überraschung oder vor beidem. Sie hob die Spitze wieder zur Verteidigung und funkelte mich an, während ihre Wangen erröteten, als die Zuschauer mir applaudierten.

»Wie unvorsichtig …« Fast hätte ich hinzugefügt, ›Mademoiselle‹, was wiederum unvorsichtig von mir gewesen wäre. Dariole war das Bild von einem wütenden, jungen Mann. Zu jung für einen Bart, aber nicht zu jung, um seine Ehre zu verteidigen.

»Putain Ihr Akzent kam deutlicher zum Tragen, und sie fiel in ihre Muttersprache zurück. »Du arschleckender Sohn einer Hure!«

Es gefiel mir, dass sie mich voller Temperament beleidigte, denn ohne Ironie war das ein Zeichen für den Verlust ihrer Selbstbeherrschung. Und das wird zu meinem lang verdienten Sieg führen.

Ich lächelte. »Ich glaube, Ihr seid tot.«

»Geh, und fick deine Mutter!«

»Ach, wisst Ihr«, ich blickte mit all der Selbstzufriedenheit auf sie hinunter, die ich aufbringen konnte, »dazu fehlen mir die Möglichkeiten. Das würde nämlich mindestens der Nekromantie bedürfen. Wenn ich allerdings an Eurer Stelle wäre, würde ich wirklich hoffen, dass es eine Möglichkeit gibt, die Toten ins Leben zurückzuholen …«

Sie hatte Französisch gesprochen, ich Englisch, und deshalb war ich es, der für seine Worte Applaus von den schlecht gekleideten Schülern erntete. Ein im Streit ausgetragenes Gefecht erregt immer die Aufmerksamkeit anderer.

Und sie helfen mir durch ihre Gegenwart, dachte ich. Die Zeit ist sicherlich reif dafür, dass ›Monsieur‹ Dariole in der Öffentlichkeit gedemütigt wird. Bedauerlicherweise kann ich sie in diesem Gefecht jedoch nicht töten; aber ich kann ihr Schmerzen bereiten und sie bestrafen.

Kraft strömte durch mich hindurch. Ich salutierte kurz, bot dem jungen ›Mann‹ meine Schulter an und stieß sofort zu, um Dariole wieder in die Defensive zurückzudrängen. Jeder einzelne meiner Angriffe kam nahe genug, um nach dem Herzen zu zielen. Schweigen umgab uns. Außer unseren Schritten und dem gedämpften Aufeinanderschlagen der Übungsschwerter war nichts zu hören. Das Sonnenlicht fiel in Streifen auf die Bodenbretter am Fenster, und ich trieb sie so weit, bis weißes Licht ihr Gesicht erhellte. Ich machte einen Stoß, der ihre Waffe mit meiner verkeilte, und schickte mich an, diese mit aller Kraft aus ihrem Griff zu winden …

Sie ließ die Klinge fallen, um das zu vermeiden.

Ich stieß erneut zu, fest entschlossen, sie zu treffen, solange sie ungeschützt war – und sie fing das fallende Schwert mit der linken Hand auf, schob ihre Finger verkehrt herum in die Parierstange und parierte mich auf eine Art, die eigentlich hätte unmöglich sein sollen. Und das mit einem Schwert, das noch nicht einmal ihr eigenes ist!

Sie stieß die Spitze der Übungsklinge an meinem Arm vorbei und in mein Kinn, wobei sie meinen Unterkiefer so hart gegen den Oberkiefer schlug, dass die Zähne krachten.

Der Schmerz, den ich spürte, überraschte mich. Ich habe mir auf die Zunge gebissen, bemerkte ich. Ein Lichtstahl flog in mein Sichtfeld, und ich erkannte, dass es ihre Klinge war, die auf mein Gesicht zuraste.

Instinktiv wich ich aus, aber ungeschickt; ich hörte einen Mann lachen.

»Also gut!« Ich spie Blut auf den Boden, nahm mir einen stumpfen Dolch von einem der Waffenständer an der Wand, und schob dank besserem Timing ihre Waffe mit der kleineren Klinge weg. »So kämpfe ich, Rochefort …«

Ich schlug mit dem Rapier zu, das an ihrer Verteidigung vorbeitauchte und dann mit der stumpfen Schneide voll auf ihrer Brust landete.

Sie verzog das Gesicht vor Schmerz, schrie aus vollem Herzen auf und taumelte einen Schritt zurück. Ich allein weiß warum.

Ich trat vor, hob meinen Dolch und nahm ihr das Schwert aus der unsicheren linken Hand. Dann warf ich die Waffe klirrend auf den Boden. Im selben Augenblick drehte ich mein Rapier und versetzte ihr mit dem Knauf einen kräftigen Schlag in den Bauch. Zufrieden sah ich, wie sie immer weiter zurücktaumelte, bis sie schließlich mit dem Rücken zur Wand stand und nach Luft schnappte.

Jeder erfahrene Mann – oder auch jeder junge Mann – hätte an diesem Punkt seine Niederlage eingeräumt. Dariole stieß sich jedoch von der Wand ab, nahm wieder Kampfhaltung ein, bevor ich zustoßen konnte, und stellte sich mir, nur mit ihrem Dolch bewaffnet.

»Dolch gegen Rapier und Dolch?« Ich lächelte und ließ ihr einen Augenblick Zeit, um wieder zu Atem zu kommen – das würde den nächsten Moment nur umso süßer machen. »Du hast eine hohe Meinung von deinem Können, Junge.«

Ein Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. »Ja. Und meine Meinung ist gerechtfertigt!«

Sie warf den Dolch nach meinem Gesicht.

Das hatte ich nicht erwartet, nicht von ihr. Es fiel mir jedoch nicht sonderlich schwer, die Klinge zu heben und die Waffe einfach beiseite zu schlagen – doch Dariole nutzte die Zeit, um an mir vorbeizulaufen und sich ihr eigenes Rapier zu schnappen, das unter dem Fenster lag. Sofort ging sie wieder zum Angriff über.

Ich trat notwendigerweise einen Schritt zurück, um zu parieren …

Und sie hob auch noch geschickt ihren Dolch auf.

»So! Jetzt!« Sie grinste, warf das kurze Haar zurück, atmete schwer, und ihre Wangen waren rosig. Ich versuchte, sie zu treffen, während sie sprach. Sie bewegte sich rückwärts. Fehlerfrei glitten ihre Füße über den Boden, und sie parierte meine Hiebe mit Rapier und Dolch, ohne sich davon in ihrer Rede beeinträchtigen zu lassen. »Messire, ich werde Euch den Arsch versohlen!«

Ich vergaß, dass ich gepolsterte Übungsschwerter in den Händen hielt, obwohl meine Hand das Ungleichgewicht ständig korrigierte. Ich vergaß, dass wir uns in einer Fechtschule befanden und dass das, was ich tat, als übelstes Benehmen in einem salle des armes galt.

Ich begann zu kämpfen, als wollte ich sie töten.

Schwer atmend trieb ich sie über den Boden vom Fenster bis zur Treppe des langen Raums und wieder zurück. Schüler sprangen uns aus dem Weg, duckten sich hinter die Eichenpfeiler und grölten …

Sie feuerten Dariole an, die Schwächere.

Die Ungerechtigkeit dessen – wieder einmal! – trieb mich dazu, all mein Können auszuspielen: Wir stießen und parierten mit Dolch und Schwert zugleich, wichen aus, hieben, droschen, duckten uns. Sie tauchte vor meinem Angriff zur Seite. Ja, auf einen Ringkampf solltest du es nicht ankommen lassen, Mädchen …

Dabei verlor sie kurz das Gleichgewicht und tat einen Fehltritt.

Ich schlug mit meinem gepolsterten Rapier hart genug auf ihren Unterarm, dass sie den Dolch fällen ließ. Wäre die Schneide scharf gewesen, hätte ich ihr den Arm durchtrennt. Ich grinste wölfisch ob der Spuren, die das bei ihr hinterlassen musste.

»Blas dir doch selbst einen!«, brüllte sie und bewegte die leeren Finger.

Ich konnte nichts weiter tun, als zu lachen und meinen Angriff fortzusetzen. Jetzt habe ich sie. Die Klingen reflektierten das Sonnenlicht vom anderen Ende des Saals. Darioles Brust hob und senkte sich. Ich habe eine Ausdauer, über die ein junger Mann – oder eine junge Frau – einfach nicht verfügt.

Werde ich sie zur Kapitulation zwingen? Oder besser noch: Werde ich ›ihn‹ dazu zwingen zu gestehen, eine Frau zu sein, und aus diesem Grunde Gnade zu erflehen? Das wäre eine noch weit größere Demütigung, als durch meine Hand zu sterben. Doch hier kann sie nicht sterben …

Ich hörte meine eigenen Gedanken: … kann sie nicht sterben …

Meine Parade kam zu spät. Ihre gepolsterte Spitze streifte meine Schulter.

Ich machte keine Riposte.

Der Gedanke vervollständigte sich in meinem Kopf: Ich kann sie hier nicht töten – aber dafür bin ich hierher gekommen.