27. Kapitel
»Scheiße!«
Garrett Holt verlor langsam die Fassung. Er lief vor uns im Kreis, rieb sich die Schläfen und behielt mit einem Auge Brian im Blick, der immer noch kurz davor war, auf ihn loszugehen.
Garrett zeigte auf mich. »Glory hat behauptet, dass die Standhaften planen, Santa Barbara anzugreifen. Korrekt?«
»Das wird der Auslöser sein.«
»Ich muss die Polizei in Santa Barbara benachrichtigen.«
Brian drehte sich weg und marschierte auf meinen Wagen zu.
»Delaney! Was glauben Sie, wo Sie hingehen?«
»Meinen Sohn und seine Mutter finden.«
»Das werden Sie nicht.«
Brian ignorierte ihn. »Scheiße!« Garrett lief mit hochrotem, verbissenem Gesicht hinter ihm her. Ich folgte ihm und hörte, wie er »Verdammter Pilotengott« murmelte. Brians Spruch, dass er ein jämmerlicher Möchtegernpilot war, musste ihn tief getroffen haben.
»Lassen Sie ihn gehen«, sagte ich.
Er schaute mich böse an. »Gehen lassen? Ich hab mit Ihnen beiden noch nicht mal angefangen.«
»Ich weiß, dass Sie wütend sind. Aber Sie wissen auch, dass Sie uns nicht verhaften können.«
»Das wollen wir doch mal sehen.«
»Sie werden uns ohnehin wieder freilassen müssen. Also tun Sie es jetzt, wo wir noch Einfluss nehmen können …«
Er starrte mich an. »Halten Sie mich wirklich für so dumm? Sie werden sich nur noch tiefer in diesen Schlamassel verstricken.«
»Ach, kommen Sie, ich hab immer noch etwas gut bei Ihnen. Durch mich konnten Sie eine Menge Informationen über die Standhaften sammeln.«
»So funktioniert das aber nicht, Evan. FBI und NCIS arbeiten nicht so, dass sie Gefallen erwidern.«
»Wir verschwenden hier bloß kostbare Zeit. Die Polizei kann nicht ganz Santa Barbara durchkämmen. Brian und ich wären zwei zusätzliche Helfer. Wir werden die Standhaften schon nicht zum Kampf herausfordern, wir haben ja nicht mal Waffen.«
Er drehte sich zur Scheune und zur Sidewinder-Rakete um.
»Garrett«, sagte ich, »zwingen Sie uns jetzt nicht dazu, uns einem Verhör zu unterziehen. Wir kommen ein anderes Mal, das verspreche ich. Morgen. Luke ist doch alles, was Brian im Leben hat!« Ich blickte in seine meergrünen Augen und schluckte alles hinunter – meine Wut, meine Abneigung und meinen Stolz. »Bitte.«
Er betrachtete mich lange. Schließlich sagte er zum letzten Mal »Scheiße«. Und dann: »Wo werden Sie sein? Tabithas Haus?«
»Wahrscheinlich.«
»Nicht wahrscheinlich, ich muss wissen, wo Sie sich aufhalten, dann kann ich es an die Polizei von Santa Barbara weitergeben, damit die sie nicht aus Versehen erschießen. Und ich möchte, dass Sie und Ihr Bruder morgen um Punkt neun Uhr auf die Basis zum NCIS kommen. Keine Ausreden. Verstanden?«
»Verstanden.«
»Und jetzt ab mit Ihnen, bevor ich es mir anders überlege.«
Eine Minute später donnerten wir über den Highway Richtung China Lake. »Mit dem Wagen nach Santa Barbara zu fahren, kostet zu viel Zeit«, meinte Brian. »Fahr zum Flughafen.«
Wenig später hatte er uns eine zweimotorige Piper gemietet und flog uns über die Tehachapis auf den gleißenden Ozean zu. Der Wind schleuderte das Flugzeug durch die Gegend wie eine Flipperkugel. Ich klammerte mich am Sitz fest, aber Brian wirkte völlig unbeeindruckt. Turbulenzen waren für ihn in etwa so alltäglich wie Zähne putzen. Nach einer steilen Kurve ging er in den Landeanflug über. Offen und angreifbar lag die Stadt unter uns.
Nikki und Carl Vincent trafen uns am Flughafen. Nikki umarmte mich und hielt mir die Morgenzeitung entgegen, die wie eine Fahne im Wind flatterte. Die Schlagzeile von Sally Shimadas Artikel lautete Sekte bedroht Schulen.
Carl zeigte über den Parkplatz auf seinen Jeep Grand Cherokee. »Ich kann mit Ihnen kommen. Ich habe Allradantrieb und einen vollen Tank.«
Er wirkte zu allem entschlossen, wie er da stand in seinem weißen Buttown-down-Hemd, seiner Khakihose und seiner dicken Brille. Ich war ihm unendlich dankbar, aber das war nichts für ihn.
»Danke, Carl. Aber ihr solltet zusehen, dass ihr die Stadt verlasst. Fahrt für einen Tag nach Los Angeles.« Er wollte schon widersprechen, aber ich fiel ihm ins Wort. »Die Standhaften wissen, wo ihr wohnt. Versteckt euch.«
Er blickte Nikki fragend an, übergab mir aber schließlich seine Autoschlüssel. Dann legte er mir die Hand auf die Schulter und sagte voller Überzeugung: »Fürchtet Euch nicht.«
Für einen Moment war ich ganz erfüllt von der Kraft seiner Stimme, doch dann griff Brian nach den Schlüsseln, bedankte sich im Gehen und zog mich zum Jeep.
Wir rasten in Richtung von Tabithas Haus, über den San Marcos Pass und die Serpentinen am West Camino Cielo entlang. Ich fragte mich, wo Paxton war und ob er Chenille Wyoming bereits Bescheid gegeben hatte, dass sie die Lunte zünden sollte.
Brian riss das Lenkrad herum und bog in Tabithas furchendurchzogene Einfahrt ab. Bis zum Haus gab er Vollgas und kam dann schlitternd zum Stehen. Er langte auf den Rücksitz, öffnete seinen Rucksack und zog eine Pistole heraus.
»Wo kommt die denn auf einmal her?«
Er zog den Schlitten zurück. »Das ist Marcs Pistole. Die Beamten haben sie ihm zurückgegeben. Jetzt hab ich sie.« Er öffnete die Wagentür. »Bleib hinter mir.«
Wir liefen auf die Eingangstür zu. Mein Herz hämmerte. Brian holte tief Luft, hob die Pistole und drehte den Türknopf. Die Stille, die uns im Haus empfing, stand in herbem Kontrast zu dem heulenden Wind vor der Tür. Er verharrte kurz, lauschte und stürmte dann ins Wohnzimmer.
Dort blieb er schlagartig stehen. Die Wände waren übersät mit grässlichen Schwarz-Weiß-Zeichnungen. Tabithas Endzeit-Galerie hatte sich inzwischen auf jeden verfügbaren Zentimeter an Wandfläche ausgedehnt. Brian starrte auf eine Zeichnung, die den Antichrist mit einer Axt im Kopf zeigte.
»Großer Gott.« Die Waffe zitterte in seiner Hand.
Ich ging an ihm vorbei, schaute ins Schlafzimmer, ins Bad, in die Küche. Nichts zu sehen. Auch die Garage war leer. Die Vorräte, die Jesse bemerkt hatte, waren verschwunden. Die einzige Hinterlassenschaft war ein mit Reißzwecken befestigter Zettel an der Wand, der im Wind flatterte. Die Checkliste der Offenbarung. Als ich den Zettel glatt strich, erkannte ich, dass alle Posten abgehakt waren.
Es war alles bereit für den Weltuntergang.
Hinter dem Haus traf ich auf Brian, der am Rand der Rasenfläche stand. Unter ihm breiteten sich Sandstein und Manzanita-Bäume über den Abhang aus.
Brian konnte seine Ratlosigkeit kaum verbergen. »Du warst in letzter Zeit öfter hier als ich. Hatte sie irgendwo einen Werkzeugschuppen oder eine Gartenhütte? Haben die Standhaften dort unten vielleicht noch einen Schießstand gebaut?«
»Ich weiß es nicht.«
»Denk nach, Ev.«
Ich dachte nach. Tabitha hatte im Atombunker schon einmal eine Botschaft hinterlassen, vielleicht gab es auch hier eine Nachricht für uns. Ich stürzte zurück ins Haus. Vielleicht an den Wohnzimmerwänden unter all den grässlichen Fratzen? Aber es waren Dutzende von Zeichnungen. Selbst wenn es eine Botschaft gab, wie sollte ich sie erkennen?
Was hatte Jesses Aufmerksamkeit auf die Nachricht an der Bunkertür gelenkt? Der Kontrast natürlich: schwarz-weiße Zeichnungen inmitten grellbunter Farben. Ich suchte die Wände nach etwas Auffälligem ab, nach etwas, das nicht zum Rest passte. Ich suchte und suchte, bis mir plötzlich bei einer Zeichnung über dem Kamin ein rotes Band auffiel. Bei näherer Betrachtung entpuppte es sich als Drache, der mit seinem Schweif die Sterne vom Himmel fegte. Offenbarung 12. Die Sterne hinterließen eine lange Spur und stürzten auf einen Bergabhang. Und es war genau dieser Bergabhang, an dem wir uns befanden, es war dieses Haus und die Gegend drum herum.
Ich hetzte nach draußen. Ein paar Meter weiter im Gestrüpp fand ich ein paar Felsen und kletterte hinauf. Jetzt konnte ich es sehen: Nahezu parallel zu Tabithas Einfahrt führte ein fast völlig zugewachsener Weg den Abhang hinunter. Ich schrie Brian zu, dass er den Jeep holen und mir folgen solle, dann zwängte ich mich durch die Büsche, bis ich bei dem Weg angelangt war. Als Brian mich eingeholt hatte, sprang ich in den Wagen. Wir kämpften uns ein paar hundert Meter durch den wuchernden Steineichenwald voran, bis wir bei einer Lichtung ankamen und die baufällige Hütte vorfanden, die der Zeichnung an Tabithas Wohnzimmerwand entsprach.
An der Vorderseite gab es eine windschiefe Veranda und ein großes dreckverkrustetes Aussichtsfenster. Links davon stand eine Garage, an deren Tür ein schweres Schloss hing. Beide Gebäude wurden von Virginia-Eichen eingerahmt, deren schwere Äste über die Dächer hingen. Das Nachmittagslicht bahnte sich mühevoll seinen Weg durch das Blätterdach. Ein Makler aus Santa Barbara hätte das Gebäude mühelos für 350 000 Dollar an den Mann bringen können, wenn es nicht einen Haken gehabt hätte: den riesigen sabbernden Hund, der am Verandageländer angekettet war. Das gelbäugige schmutzige Tier senkte seinen Kopf und begann zu knurren, als sich der Jeep näherte.
»Das ist ein Coydog«, sagte ich. »Einer von Curt Smolleks Tollwut-Überträgern.«
»Warte hier.«
Brian stieg aus. Der Hund schnappte nach ihm und bellte wütend. Brian ging auf das Tier zu, hob die Pistole und feuerte. Der Hund brach zusammen. Brian schritt ungerührt weiter, beachtete den Hund nicht einmal und betrat die Veranda. Plötzlich wusste ich, was Tabitha damit gemeint hatte, als sie sagte, dass Brian den Tod in seinem Herzen trug.
Die Tür gab nicht nach, als er sie öffnen wollte. Er rammte sie krachend mit der Schulter auf, dann verschwand er in der Hütte. Ich sprang aus dem Jeep und rannte auf den Eingang zu. Drinnen war es so düster, dass ich nur Umrisse erkennen konnte.
Dann hörte ich Brian aufschluchzen.
Meine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt. Brian kniete auf dem Boden und wiegte Lukes kleinen Körper in den Armen. Luke gab keinen Laut von sich. Hinter Brian erkannte ich Tabitha. Man hatte sie geknebelt und mit beiden Händen hinter dem Rücken an einen eisernen Ofen gefesselt. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie ins Leere. Mir ging die Luft aus. Doch plötzlich bewegte sie sich. Ich sah, wie Brian Lukes Hände von den Fesseln befreite. Seine kleinen Finger streckten sich und krallten sich in Brians Ärmel. Seine Augen waren schreckgeweitet. Vorsichtig zog Brian das Klebeband von Lukes Mund.
»Daddy, du hast aber lange gebraucht, bis du uns gefunden hast.«
Brian schloss ihn erneut in die Arme.
Mit wackligen Knien ging ich auf Tabitha zu und nahm ihr den Knebel aus dem Mund. »Ich kann nicht glauben, dass du gekommen bist«, sagte sie.
»Ich hab deine Nachricht gefunden.« Ich begann sie loszubinden.
»Sie haben mir gesagt, dass sie euch umbringen werden. Sie wollten euch opfern, nachdem sie die Rakete von euch bekommen hatten.«
»Der Plan ging wohl nicht ganz auf«, stellte Brian fest und fuhr sich übers Gesicht.
Von den Fesseln befreit, setzte sie sich auf und krabbelte zu Luke, der sich an Brians Brust zusammengekauert hatte. »Ich hab dir doch gesagt, dass es klappen wird, wenn du auf mich hörst.«
Luke nickte. Sie streichelte ihm die Wange. »Ich hab ihm gesagt, dass er absolut nichts ohne meine Erlaubnis tun darf. Hinsetzen, aufstehen, sprechen – alles durfte er nur tun, nachdem ich ihn dazu aufgefordert hatte.«
»Sogar pinkeln«, fügte Luke nachdrücklich hinzu.
»Er musste von meinem Teller essen und aus meinem Glas trinken.« Sie schaute Brian an. »Das ist mir eingefallen, nachdem mich Ice zu dir ins Gefängnis gebracht hatte. Damit Luke überhaupt etwas tat, mussten sie mich in seiner Nähe behalten, um ihm Anweisungen zu geben, sie durften uns nicht trennen. Ich habe Luke gesagt, dass wir so beide gefunden werden würden, wenn Hilfe käme.«
Brian warf ihr einen Blick zu wie in alten Zeiten. »Das war sehr klug, Tabby. Und auch sehr mutig.«
Sie wurde ganz rot. Ob es an dem Kompliment lag oder daran, dass sie der Meinung war, er hätte ihr diese Wertschätzung schon viel früher entgegenbringen müssen, ließ sich nicht sagen.
»Können wir jetzt nach Hause?«, fragte Luke.
»Auf jeden Fall. Sehen wir zu, dass wir hier rauskommen.«
Brian streckte Tabitha die Hand entgegen. Sie zögerte einen Moment, dann griff sie zu.
»Hast du den Stuhl mitgebracht?«, fragte sie mich.
»Den Stuhl?«
»Den Rollstuhl.«
Ich betrachtete ihre Beine. Für mich wirkte sie nicht so geschwächt, dass sie nicht bis zum Jeep hätte laufen können. Dann kapierte ich endlich, was sie gemeint hatte. Meine Finger gruben sich in ihren Arm. »Jesse?«
»Er ist in der Garage.«
 
An der Garagentür hing ein Vorhängeschloss. Ich fand einen Wagenheber im Jeep, mit dem ich das Schloss aufbrechen konnte. Holz splitterte, rostige Nägel spritzten davon, dann konnte ich die Tür aufziehen.
Drinnen saß Jesse im Dreck. Er blinzelte, als plötzlich Licht in sein Verließ fiel. »Hey, Raquel, was ist eigentlich aus deinem Fellbikini geworden?«
Sein Versuch zu grinsen ging in seinem Stoppelbart unter. Seine Augen glänzten fiebrig, die Hände hatte man ihm an einen Stützbalken gebunden. Ich blieb im Türrahmen stehen.
»Willkommen im Blockhaus der Vernichtung«, sagte er. »Komm bloß nicht näher.«
Die Garage war ein einziges Waffenarsenal. Überall um ihn herum, auf dem Boden und auf sich biegenden Regalen lagerten Sturmgewehre, Handfeuerwaffen, Bajonette, Packungen mit Munition und Kisten voll mattgrüner Handgranaten.
»Ironischerweise versuchen die mich hier zu Tode zu langweilen. Es gibt kein Fernsehen und kein Radio, als einzige Unterhaltung blieb mir nur die Masturbation.« Er blickte über die Schulter auf seine Hände, die mit Nylonschnur an den Stützbalken gebunden waren. »Aber dann haben sie mich auch noch gefesselt, damit ich nicht blind werde.« Er seufzte. »Chenille hat an alles gedacht und vorgesorgt, falls ich doch nicht vor Langeweile sterbe. Sie hat mir in der Kiste da drüben ein bisschen Gesellschaft hinterlassen – eine Bombe.«
»Jesse …« Ich machte einen Schritt auf ihn zu.
»Vorsicht. Sie haben auch Zeug unter dem Boden gelagert. Er könnte vermint sein.«
Ich betrachtete den Boden, die Umrisse einer Falltür zeichneten sich im Sand vor mir ab.
»Hast du beobachtet, wie sie Minen oder Kabel da unten verlegt haben?«
»Nein. Aber ich war auch nicht die ganze Zeit so richtig bei mir. Mal war ich bei Bewusstsein, mal nicht.« Er schluckte trocken. »Ich weiß nur eines: Chenille hat mir glaubhaft versichert, dass diese Waffen niemals den Behörden in die Hände fallen werden. Die Bombe ist so eingestellt, dass sie hochgeht, wenn sie nicht von ihr entschärft wird.«
Er ließ den Kopf gegen den Balken zurücksinken. »Das ist der reinste Selbstzerstörungsschuppen hier.«
Ich blickte mich prüfend um. In der Tür waren keine Stolperdrähte zu erkennen, auch keine Überwachungskameras oder Bewegungsmelder. Ich rannte los.
Jesse zog reflexartig den Kopf ein, dann stieß er die Luft aus.
»Mensch, Delaney. Du setzt aber wirklich alles auf eine Karte.«
Ich band ihn los. Er streckte die Schultern und rieb sich die Handgelenke.
»Tja. Schätze, das bedeutet, dass ich dich heiraten werde«, sagte ich beiläufig.
»Wirklich?«
»Wirklich.« Dann trat ich zu der Bombe.
Verdammt, das Ding sah wirklich ganz genau so aus, wie Bomben im Film immer aussehen: zwei Stäbe Dynamit, Drähte und Auslösekapseln – Chenilles Zündschlüssel für die Reise ins Jenseits. Angeschlossen daran waren ein Digitalwecker und ein Tastenfeld, wie es benutzt wird, um eine Heim-Alarmanlage zu aktivieren. Auf dem Wecker lief der Countdown: Die rote LED-Anzeige flackerte – 9:54. 9:53. 9:52.
Mit zittriger Stimme fragte ich Brian: »Wenn du dich aufrichten kannst, wird dein gesundes Bein dein Gewicht tragen können?«
Er schüttelte den Kopf. Selbst zu seinen besten Zeiten war gesundes Bein stark übertrieben. Jetzt war es geradezu hoffnungslos. Fieber und Erschöpfung zeigten sich auf seinem Gesicht. »Ich habe kein gesundes Bein. Ich habe im Moment überhaupt kein Bein.«
»Warte.« Ich schlang mir seinen Arm über die Schulter und begann zu ziehen. Er zuckte zurück und unterdrückte einen Schmerzensschrei. Ich gab auf. »Brian!«
Jesse kniff die Augen zu und biss die Zähne zusammen. Ich schrie noch einmal nach Brian und redete weiter auf Jesse ein.
Er öffnete seine Augen. »Ev, diese Waffen wurden aus China Lake gestohlen.«
»Darüber können wir uns später noch Gedanken machen.«
»Aber jemand hat sie angeliefert. Er war im Bunker, es ist jemand, der dich kennt. Ich hab gehört, wie er von dir sprach -«
»Später, Jesse.«
»Nein, denk doch mal nach. Wer weiß davon, dass du hier bist?«
»Die Polizei.« Ich stand auf, drehte mich zum Eingang und brüllte noch einmal: »Brian!«
Doch nicht Brian erschien in der Tür. Sondern Herr und Frau Weltuntergang, Seite an Seite: Chenille Wyoming und Isaiah Paxton. Paxton hielt Weltuntergang junior in den Händen, sein Jagdgewehr. Es war genau auf mein Gesicht gerichtet.