13. Die Zukunft des Buches!
Das Buch ist tot. Nein, das ist keine Ironie. Das Buch hat verloren. Gegen das Radio konnte es sich noch behaupten. Auch noch gegen den Film, denn man kann unmöglich jeden Tag ins Kino gehen. Dann aber kam das Fernsehen und läutete den Untergang des Buches ein. Bald kamen Videospiele dazu, das Buch wurde auch dann überflüssig, wenn es mal nichts im Fernsehen gab. Das Internet schließlich gab dem Buch den Todesstoß. Vorbei!
Ich bin fest überzeugt, wären Bücher nicht so ein beliebtes Geschenk – man gibt sich selbst als Leser aus und zollt dem Beschenkten Respekt, indem man ihn auch als solchen betrachtet – dann hätte nur etwa eine von zehn heute noch vorhandenen Buchhandlungen überleben können.
Natürlich gibt es nach wie vor Leser. Aber eben nicht viele. Über 50 Prozent aller verkauften Bücher sind als Geschenk gedacht. Und von zehn verkauften Büchern wird nur eins ganz durchgelesen. Man sollte sich nichts vormachen, es gibt jede Menge Bücher, aber das Medium selbst ist tot.
Und genau jetzt erhält es seine zweite Chance. Durch eBooks. Durch technisch ausgereifte Lesegeräte wie den Kindle. Gerade junge Menschen wissen es zu schätzen, dass sie etwas so Antiquiertes wie Bücher nun auf einem trendigen neuen Lifestyle-Gadget konsumieren können. Und immer etwas zum Lesen dabei haben zu können, ohne sich die Taschen auszubeulen, hilft sicher auch.
Bleibt nur ein Problem: der Preis! Verlage wollen sich – wie schon erwähnt – gegen unabhängige Autoren wehren. Das können sie nur, indem sie die Printausgaben am Leben erhalten. Und das wiederum gelingt nur durch grotesk hohe eBook-Preise. Derzeit funktioniert das noch, weil große Verlage meist auch die bekannten Autoren unter Vertrag haben. Aber viele dieser Autoren sind schon jetzt mit ihrem Verlag unzufrieden. Und sie haben wenig Verständnis dafür, dass sie nur 10 Prozent der Umsätze erhalten, die der Verlag mit ihren Büchern macht, während unabhängige Autoren 70 Prozent bekommen.
Dann gibt es da noch den Börsenverein des deutschen Buchhandels. Da versucht man uns weiszumachen, dass die Buchpreisbindung im Sinne des Verbrauchers wäre, weil… also, ehrlich gesagt, als Begründung habe ich schon die hanebüchensten Theorien gehört. Gerade vor ein paar Tagen stand im Netz, ohne die Buchpreisbindung würden die Bücher immer teurer werden. Ja, klar. Dabei sagt es ja schon der Name. Börsenverein des DEUTSCHEN BUCHHANDELS. Die Händler will man schützen. Alle Händler, inzwischen sogar Apotheken, müssen sich dem Konkurrenzkampf des Marktes stellen, nur die Buchhändler bitte nicht, weil… naja, das mit den absurden Theorien hatten wir ja schon.
Dabei kann man den Börsenverein schon verstehen… in der Tat, Buchhandlungen, so wie sie heute existieren, haben wohl kaum eine Überlebenschance. Zugegeben, das sagte man bereits, als die ersten Internetbuchhandlungen auf den Platz traten. Aber damals hatten lokale Buchhandlungen eben doch noch Vorteile. Man konnte dort ein Buch sofort mitnehmen und musste nicht darauf warten. Man konnte in verschiedenen Büchern schmökern. Man konnte den Verkäufer nach interessanten Neuerscheinungen fragen. Aber heute?
eBooks kann man ebenfalls sofort haben. Der Download dauert nur eine Minute. Schmökern kann man in der Leseprobe, die mit satten 10 Prozent des Inhalts einen verlässlichen Eindruck des Gesamtwerks ermöglicht. Und Leserrezensionen sind um ein Vielfaches aussagekräftiger als die fachkundige Meinung eines Buchhändlers – zumal der heutzutage meist gar nicht mehr so fachkundig ist.
Gerade in den letzten Tagen wurde ein neues Produkt für lokale Buchhandlungen vorgestellt: Die Gutscheinkarte fürs eBook. Die Idee ist, dass Bücher ja – wir hatten das gerade – nun mal gerne verschenkt werden. So gibt es jetzt hübsch gemachte und mit dem passenden Buch-Cover versehene Gutscheinkarten. Der Schenker kauft sie im Buchladen, der Beschenkte kann sich damit von zu Hause aus das entsprechende eBook herunterladen.
Aber auch das wird die Buchhandlungen nicht retten. Gutscheine kann man sich nämlich auch selbst herunterladen. Zwar muss man sie dann noch ausdrucken, allerdings ist diese Hürde nicht allzu groß. Außerdem können diese Gutscheinkarten auch in Supermärkten verkauft werden, ebenso in Schreibwarenläden und eigentlich auch überall sonst. Wenn diese Geschäfte die Dinger überhaupt wollen, man kann ja nicht mal mehr in ihnen stöbern, warum sollte irgendjemand noch den Weg ins Geschäft auf sich nehmen. Vielleicht könnten eBook-Gutscheinkarten ein Mitbringsel werden, wenn Menschen eh gerade irgendwo sind, wo es sie gibt. Aber das wird kaum reichen, um eine ganze Branche zu retten.
Ja, die lokalen Buchhandlungen werden untergehen. Nur wenige große Ketten können überleben. Und ja, das ist die Schuld des eBooks. Aber ist das wirklich schlecht? Letztlich ist es nur eine Veränderung, so wie viele andere auch. Das Automobil hat den Herstellern von Pferdekutschen arg zugesetzt. Eine Branche wurde durch eine andere ersetzt. Supermärkte ersetzten die „Tante-Emma-Läden“, Filmpaläste ersetzten diese kleinen Kinos, die man immer über eine bessere Feuerleiter durch den Hinterhof verlassen musste. Und eBook-Anbieter werden eben lokale Buchhandlungen ersetzen. So what?
Auch bei der Einführung des Personal Computers dachten die Menschen, es gingen Millionen von Arbeitsplätzen verloren. Das stimmte auch, genauso wurden aber auch neue geschaffen. Alles ist im Wandel, und das wird – zum Glück – auch niemals aufhören.
Natürlich ist das für die Menschen wenig erquicklich, die Buchhändler gelernt haben und auch als solche arbeiten. Jede Veränderung hat Verlierer und Gewinner. Die Verlierer sind einige Händler und – über kurz oder lang – sicher auch einige Verlage. Aber werfen wir einen Blick auf die Gewinner:
Natürlich könnte man jetzt den Kunden anführen, der Bücher besser und preisgünstiger lesen kann. Man könnte die Industriezweige erwähnen, die eBook-Reader oder Zubehör dafür anbieten. Autoren, die wieder mehr Bücher verkaufen, wenn wieder mehr Menschen lesen. Unsere Jugend, die durch eBook-Reader vielleicht weniger Zeit vor dem Fernseher oder mit Videospielen verbringt. Oder – etwas abstrakter – das Lesen selbst, das hier eine zweite Chance bekommt. Aber all das ist so naheliegend, dass es eigentlich gar keiner Erwähnung bedarf. Stattdessen möchte ich hier nur den folgenden Punkt etwas näher ausführen:
Seit Jahren sprechen die Menschen (auch ich) von einer Demokratisierung des Wissens durch das Internet. Jetzt, mit eBooks, fällt dabei auch die letzte Hürde. Die Initiative „One Laptop Per Child“ ist von der Idee her eine großartige Sache, hat aber seit jeher damit zu kämpfen, dass Computer technisch recht aufwendig (und somit teuer) sind und schnell veralten. Bei eBook-Readern ist das anders. Ein 100-Dollar-Laptop? Wie wäre es stattdessen mit einem 20-Dollar-eBook-Reader?! Jedes Kind auf der Welt könnte jedes Schulbuch kostenlos erhalten. Wenn das DRM der Schulbücher sie zwangsläufig an die 20-Dollar-eBook-Reader bindet, und wenn die eBook-Reader eine Funktion haben, mit der jeder Reader seine Bücher an den anderen weitergeben kann, dann hat – finanzierbar und ohne Verbreitungsprobleme – plötzlich jedes Kind dieser Welt die Möglichkeit, sich unbegrenzt fortzubilden.
Und wenn die Verlage sich weigern sollten, ihre Schulbücher kostenlos an Bedürftige abzugeben? Zum einen werden Schulbehörden hoffentlich dann solche Verlage bevorzugen, die sich eben nicht weigern. Zum anderen zeigen Projekte wie Wikipedia, dass es genug Menschen gibt, die Initiative zeigen und sich im Interesse des Gemeinwohls einbringen. Nichts spricht dagegen, dass Privatpersonen zusammen an der Entwicklung neuer Schulbücher arbeiten, die dann in möglichst viele Sprachen übersetzt und weltweit kostenlos als eBooks verbreitet werden können.
Wenn wir also von den Verlierern der eBook-Entwicklung reden, dann mag es sich dabei um tragische Einzelschicksale handeln. Die wird es aber immer geben. Und selbst wenn man wollte, man kann die Entwicklung nicht mehr umdrehen oder aufhalten. Dem gegenüber steht aber der Nutzen – und das ist ein ganz unglaublicher. Durch eBook-Reader können Schulbücher in unbegrenzter Auflage und ohne Kosten verbreitet werden. Sogar Bücher, mit denen ein Kind sich selbst das Lesen beibringen kann, sind auf eBook-Readern ohne Weiteres möglich. Dabei bringen die Reader fast den gleichen Nutzen wie ein Notebook, ohne allerdings so viel zu kosten und so schnell zu veralten.
Wie also sieht sie aus, die Zukunft des Buches? Es wird wohl noch einige Turbulenzen geben, aber generell können wir durchaus optimistisch in die Zukunft schauen. Buchhandlungen – so wie sie jetzt aussehen – werden kaum überleben können. Das Medium Buch aber sieht einer neuen Blütezeit entgegen. Jedenfalls wenn das Preis-Dilemma behoben wird.
Warum darf eigentlich ein Börsenverein des Deutschen Buchhandels, also eine Organisation, die private Händler repräsentiert, Einfluss auf deutsche Gesetze nehmen? Es ist dringend an der Zeit, dass die Regierung sich hier nicht mehr in ihre Kompetenzen hereinreden lässt und den Buchmarkt genauso frei gestaltet, wie auch sämtliche anderen Märkte. Dann erst fallen die Schranken und das eBook kann endlich seinen Siegeszug antreten.
Zum Abschluss dieses letzten Kapitels möchte ich dir noch sagen, was mir persönlich an eBooks so gut gefällt, ich meine außer all den Vorteilen, die schon erwähnt wurden: Das eBook gibt mir die Möglichkeit, meine Bücher zu behalten, ohne deshalb ein schlechtes Gewissen zu haben. Um das kurz zu erläutern: In der Regel liest man ein Buch nur einmal. Vielleicht schaut man in den einen oder anderen Klassiker öfter mal rein, vielleicht hat man auch ein paar Lieblingsbücher, die man mehrmals liest, generell aber heißt es: Einmal lesen, und dann ab ins Regal. Sieht ja auch hübsch aus. Aber was kostet so ein Quadratmeter, der durch Buchrücken optisch ansprechend gestaltet ist? Vermutlich ziemlich viel für so eine doch eher mittelmäßige Deko.
Dann sind da noch die Probleme mit dem Hausputz oder hier und da einem Umzug. Und so viel Aufwand und gebundenes Geld für Bücher, die man sowieso niemals wieder lesen wird? Irgendwie fühle ich mich dabei nicht wohl. Klar: Bücher sind Schätze, die man liebt… aber müsste man sie nicht gerade deshalb wieder verkaufen oder verschenken, damit auch andere in den Genuss kommen? Denn ein Buch, das im Regal steht, erfüllt definitiv nicht mehr den Zweck, für den es gemacht wurde.
eBooks kann man nicht mehr verkaufen. Man kann sie auch nicht verschenken. Man muss sie nicht sauber halten oder beim Umzug transportieren. Sie vergammeln nicht und werden nicht beschädigt. Und wenn erst einmal faire Preise in den eBook-Markt Einzug gehalten haben, dann binden sie auch nicht mehr so viel Geld. Nur noch die faire Gebühr, die man doch gerne entrichtet, um sie lesen zu dürfen. Unter diesen Voraussetzungen kann man seine eBooks behalten. Voller Besitzerstolz und ganz ohne schlechtes Gewissen.