12. Selbst Bücher anbieten!
Der Gedanke ist verlockend, und Tausende machen es bereits vor: Man könnte doch selbst mal ein eBook anbieten. Oder doch nicht?
Oh ja, natürlich kann man. Die Vorteile sind gewaltig. Die große Hürde, von einem Verlag angenommen zu werden, fällt ersatzlos weg. Auch bekommt man nicht nur zwischen 5 und maximal 12 Prozent des Netto-Umsatzes als Verkaufsprovision, sondern – abhängig vom Tarifmodell – kann man bis zu 70 Prozent des Verkaufspreises behalten. Großartig. Noch besser: Man hat keinen Verlag, der einem reinredet. Wirklich künstlerische Freiheit haben nämlich nur ein paar wenige Kassenmagnete, all die anderen verlagsgebundenen Autoren müssen nicht selten um Umfang oder Inhalt feilschen… und in den meisten Fällen ihr Werk den Wünschen des Verlages entsprechend nachbessern.
Außerdem stellt das Herausgeben eines eBooks kein großes finanzielles Risiko dar. Man muss keine gedruckte Auflage vorfinanzieren, man muss sich nicht um den Vertrieb kümmern, kein Lager bereitstellen und noch nicht einmal eine ISBN anmelden. Man muss eben nur etwas Zeit investieren. Da aber viele Menschen sowieso sehr gern in ihrer Freizeit schreiben, werden sie das nicht als allzu große Hürde empfinden.
Genaugenommen muss man sein Buch nicht einmal mit der Intention schreiben, viele Käufer zu finden, geschweige denn einen nennenswerten finanziellen Gewinn damit zu machen. Es kann sich ja auch um ein privates Fotoalbum handeln oder eine Familienchronik – beides ist dann für Familienmitglieder oder gute Freunde rund um den Globus verfügbar. Früher musste man das aufwendig drucken lassen, heute kann man sich darauf verlassen, dass wohl jeder, wenn schon keinen Kindle, dann auf jeden Fall ein Endgerät hat, auf dem die Kindle-App lauffähig ist. Auch eine Autobiographie, einfach um sein Leben und seine Erfahrungen für die Nachwelt festzuhalten, könnte eine nachvollziehbare Motivation für ein eigenes Buchprojekt sein. Andererseits… wenn man schon ein Buch schreibt, warum nicht gleich Nägel mit Köpfen machen?
Amazon macht neuen Autoren eine Veröffentlichung sehr leicht. Die Formatierung muss einigermaßen stimmen, die Copyright-Verhältnisse müssen geklärt sein, der Text sollte nicht zu viele Rechtschreibfehler enthalten, und natürlich darf es sich nicht um den Versuch handeln, irgendwelchen Spam unters Volk zu bringen.
Da ja jeder irgendetwas zu sagen hat (oder das zumindest glaubt), steht dem eigenen Buch scheinbar nichts mehr im Weg. Wer muss dafür büßen? Zunächst einmal die Leser, die möglicherweise auf eine Leseprobe verzichtet haben. Vielleicht auch der Autor selbst, wenn sein Text beleidigend war oder er zum Beispiel die Impressumspflicht übersehen hat. Im ersten Fall könnte eine Klage folgen, im zweiten Fall immer noch eine Abmahnung. Und irgendwann könnte auch Amazon büßen, wenn schlechte eBooks Überhand nehmen, sodass viele Leser sich entnervt wieder reinen Verlagspublikationen zuwenden – denn niemand möchte sich gern durch 30 Leseproben quälen, um endlich mal wieder ein gutes Buch zu entdecken. Spätestens wenn dieser Fall eintritt, wird Amazon reagieren. Vielleicht indem man dort einige Lektoren einstellt, die jedes Buch vor der Veröffentlichung prüfen und die Messlatte ähnlich hoch legen, wie es derzeit die großen Verlage tun.
Wir wollen aber unabhängige Autoren. Nicht nur wir, die wir unabhängige Autoren sind, sondern genauso wir Leser. Denn ohne unabhängige Autoren bleibt die Preisgestaltung von Büchern und eBooks bei den großen Verlagen. Und durch die steinzeitliche Politik des Börsenvereins des deutschen Buchhandels (Buchpreisbindung) wird dann auch niemand ändern können, dass diese weiterhin Phantasiepreise ansetzen, die ursprünglich nur durch hohe Druck-, Material-, Transport- und Lagerkosten überhaupt zu rechtfertigen waren; alles Faktoren, die beim eBook keine Rolle mehr spielen.
Wer also mit dem Gedanken spielt, ein eigenes eBook für den Kindle zu veröffentlichen, der sollte sich der Tatsache bewusst sein, dass dies einigen Aufwand bedeutet. Hierzu müssen wir unterscheiden zwischen der sprachlichen und erzählerischen Komponente auf der einen und dann der technischen Umsetzung auf der anderen Seite.
Die technische Umsetzung ist nicht übermäßig schwierig. Über grundlegende HTML-Kenntnisse sollte man für ein professionell gemachtes Buch schon verfügen, einfach weil die Ergebnisse der verfügbaren Konvertierungsprogramme bis dato alle noch etwas nachträgliche Handarbeit brauchen, um wirklich gute Ergebnisse hervorzubringen. Alles andere kann man sich schnell anlesen. Die technische Komponente ist auch nicht der wichtigste Teil, Leser kommen eher mit einer nicht so optimalen Formatierung zurecht als mit einem wenig ansprechenden Text.
Was jetzt eben diesen Text betrifft… zunächst sollte man sich als angehender eBook-Autor von der Vorstellung verabschieden, ein Kindle-Buch müsse nicht so gut sein wie die Bücher eines Printverlages. Genau das Gegenteil ist der Fall: Das Kindle-Buch muss besser sein – auch wenn das zugegebenermaßen derzeit noch sehr oft anders gehandhabt wird. Sicher ist das einer der Gründe, warum bisher mit eBooks so erstaunlich wenig Geld verdient wird.
Warum muss das Kindle-Buch besser sein? Mit einem Wort: Vertrauen! Wenn wir ein Buch eines großen Verlages kaufen oder aus der Feder eines bekannten Autors, dann gehen wir davon aus, dass es zumindest nicht schlecht ist; wahrscheinlich sogar ziemlich gut. Mit solchen Vorschusslorbeeren muss schon einiges passieren, bis man diese Vorstellung aufgibt und einsieht, dass man hier eine Gurke erwischt hat. Bei Kindle-Büchern unbekannter und unabhängiger Autoren läuft es genau anders herum: Zunächst einmal erwirbt man natürlich nur die Leseprobe. Und nach den vielen schlechten bis grottenschlechten Leseproben, durch die man sich schon gequält hat, geht man eigentlich davon aus, auch hier nicht gerade auf Gold zu stoßen. Um den Leser trotzdem zu packen, ihn zu überzeugen, ihm zu beweisen, dass er hier gerade eine der wenigen Perlen entdeckt hat, bedarf es schon einiger Qualität – sowohl was die Geschichte, als auch was die Sprache betrifft.
Wenn du also einen Roman schreiben willst, dann solltest du vorher lernen, wie das geht. Die Regeln für das Schreiben guter Geschichten sind Tausende von Jahren alt. Sie gehen größtenteils auf Aristoteles zurück, aber auch der wird sie kaum selbst alle so aufgestellt haben. Wer diese Regeln nicht kennt, wird nur sehr selten einen guten Roman zustande bringen.
Wie bitte? Regeln? Man ist doch Künstler, sollte man sich da nicht gerade von den Zwängen aller Regeln frei machen? Kommt drauf an. Will man sich selbst verwirklichen und gelesen werden oder will man sich selbst verwirklichen und nicht gelesen werden?
Regeln sind keine Vorschriften! Ich selbst schreibe Romane und – wie du ja offensichtlich weißt – auch Sachbücher. Ganz sicher würde ich mich dabei an keine Vorschriften halten. Aber an einige Regeln schon. Denn Schreiben ist eine Dienstleistung. Der Text ist nicht für den Autor, sondern für den Leser.
Viele Sachbuchautoren glauben, ihre Aufgabe wäre, möglichst viele möglichst komplexe Fakten zusammenzutragen, um so ein umfassendes Gesamtbild zu präsentieren. Ich hingegen meine, ein Sachbuchautor muss alle diese komplexen Fakten zwar recherchieren, daraus aber dann eine Präsentation basteln, die nicht nur leicht verständlich, sondern darüber hinaus auch noch – zumindest einigermaßen – unterhaltsam ist. Genau diese Aufbereitung ist die Aufgabe des Sachbuchautors.
Romanautoren hingegen hängen nicht an Sachzwängen. Aber sie glauben nur allzu oft, die Geschichte sei eine Plattform, mit der sie dem Leser ihre eigene Genialität vor Augen führen könnten. Aber kaum ein Leser interessiert sich für die – vorhandene oder nicht vorhandene – Genialität des Autors. Der Leser will einfach eine Geschichte lesen, die ihn in ihren Bann zieht, die ihm vielleicht ein Körnchen Weisheit vermittelt, vielmehr aber noch ihm für einige Stunden eine Auszeit aus der Realität seines Lebens ermöglicht.
Wenn du also selbst ein Buch veröffentlichen willst, tu dir selbst und deinen zukünftigen Lesern den Gefallen und lerne vorher wie das geht. Hierfür gibt es zahlreiche Anleitungen in Buchform oder im Internet, und einige davon sind sogar recht gut. Wenn du dann weißt, worauf du achten musst, geht es ans Üben. Üben. Üben. Scheiben ist ein Handwerk. Man muss es trainieren. Niemand kann Tennis spielen, nur weil er ein Buch darüber gelesen hat, wie das geht. Beim Schreiben ist es genauso. Die Theorie ist wichtig, dann aber muss ganz viel Praxis folgen.
Wenn dann Ergebnisse vorliegen, gib sie nicht Freunden oder Verwandten. Schließlich brauchst du niemanden, der dir schmeichelt. Was du brauchst, ist Kritik. Mehr noch: Du brauchst negative Kritik, denn aus positiver Kritik – selbst wenn sie nicht durch Zuneigung gefärbt ist – lernst du nichts.
Such dir einen Schreibclub oder ein Forum mit vielen engagierten Autoren. Dort wirst du Leute finden, die kritisch auf deine Arbeiten schauen… und sich mit etwas Glück auch nicht scheuen, das zu äußern. Ebenso kannst du die Texte anderer überprüfen… und auch dort gerade aus Fehlern der Anderen selbst etwas dazu lernen.
Schreiben ist eine wundervolle Tätigkeit. Damit man darin allerdings gut und immer besser wird, darf man keine Angst vor Kritik haben. Ganz im Gegenteil: Kritik ist der beste Freund des Autors. Nur wer bereit ist, sich dieser Kritik zu stellen und immer weiter an sich zu arbeiten, sollte ein eigenes Buch herausbringen. Denn wer veröffentlicht, der möchte ja irgendwo auch den Erfolg – auch dann, wenn es eigentlich um die Sache und nicht ums Geld geht.