11. Jailbreak und andere Hacks!
Um ehrlich zu sein, ich bin ein Fan von technischen Spielereien. Ich finde es großartig, wenn Leute Linux auf einer Spielkonsole installieren oder Wege finden, gesperrte Funktionen eines Geräts nachträglich freizuschalten. Vor diesem Hintergrund empfinde ich es auch als äußerst unterhaltsam, wenn die Möglichkeiten des Kindle durch sogenannte „Hacks“ erweitert werden.
Unterhaltsam – ja. Praxisrelevant – nein. Aber gehen wir noch einmal einen Schritt zurück: Der Kindle hat ein – wie man sagt – geschlossenes System. Das bedeutet, es ist ein Betriebssystem darauf installiert, das von niemandem geändert oder gar ausgewechselt werden kann – außer vom Anbieter selbst. Es ist beispielsweise nicht möglich, darauf ein Programm zu installieren, wenn Amazon es nicht vorher möglich macht.
An dieser Stelle kommen Hacks ins Spiel, denn viele Tüftler empfinden geschlossene Systeme als eine Art sportliche Herausforderung. Dieses „Wollen-wir-doch-mal-sehen“-Denken beschert dem Verbraucher mal mehr mal weniger sinnvolle Hacks, die es dann ermöglichen, ein Gerät anders zu verwenden, als der Hersteller das vorgesehen hat. So geschehen dann auch beim Amazon Kindle.
Am Anfang steht immer der „Jailbreak“, das bedeutet „Gefängnisausbruch“. Ein Jailbreak öffnet sozusagen die Tür, er ermöglicht, dass man so auf das Betriebssystem zugreifen kann, dass weitergehende Änderungen möglich werden. „Über Root-Rechte verfügen“ nennt man das. Ist der Jailbreak einmal geschafft, ist das Tor weit offen. Man könnte sogar ein komplett neues Betriebssystem installieren, wenn die Hardware-Basis das sinnvoll erscheinen lässt. Meist nutzt man die Root-Rechte aber nur, um kleinere Veränderungen vorzunehmen. Zum Beispiel die Möglichkeit, bei einem Handy den Simlock zu entfernen. Und bevor der Kindle Touch in Deutschland eingeführt wurde, war hier einer der wertvollsten Hacks, bei Import-Geräten ein deutsches Sprachpaket zu installieren.
Ein besonders spektakuläres Beispiel für das Wettrennen zwischen Schutzmaßnahmen des Herstellers und immer neuen Hacks meist jugendlicher Tüftler war bei den iPhone-Modellen 3G und 3GS zu beobachten. Am Ende behielten die Hacker die Oberhand, allerdings hat Apple es den Jungs wirklich schwer gemacht.
Jedenfalls: Beim iPhone Jailbreak und Unlock war das Procedere für den Endanwender… unkompliziert. So ist es beim Kindle nicht. Und damit sich wir auch gleich beim nächsten Punkt: Ich glaube nämlich nicht, dass Hacks ein Thema für ein Buch wie dieses sind. Jedenfalls nicht beim Kindle. Denn der Nutzen ist gering, der Aufwand und das Risiko hingegen hoch.
Wer an seinem Gerät einen Jailbreak durchführt – von weitergehenden Hacks ganz zu schweigen –, der verliert seine komplette Garantie. Und es verhält sich nicht nur so, dass man dann ein Gerät mit Jailbreak hat, für das im Schadensfall keine Garantie besteht, sondern vielmehr könnte das Gerät sogar gerade durch einen winzigen Fehler beim Jailbreak unwiderruflich zerstört werden. Daher: Mit einem Garantieverlust leben ist eine Sache, aber ein Verfahren anwenden, das bei einem kleinen Fehler das Gerät sogar selbst zerstört, ist noch eine andere.
Bei den iPhone-Modellen war der Jailbreak deutlich einfacher. Aber vor allem hatte er auch einen echten Nutzen. Nach dem Jailbreak konnte man einen Unlock durchführen, man konnte das Gerät also auch mit anderen Providern verwenden als nur mit der Deutschen Telekom. Selbst wer keine Abneigung gegen die Deutsche Telekom hatte, war wenig begeistert, wenn er bei Urlauben oder Geschäftsreisen im Ausland mit der deutschen Sim-Karte für horrende Gebühren telefonieren musste, anstatt sich einfach eine günstige Vor-Ort-Pre-Paid-Card kaufen zu können.
Aber wo liegt der Sinn beim Kindle? Wie gesagt, der wohl sinnvollste Kindle-Hack besteht in der Implementierung eines deutschen Sprachpakets bei ausländischen Geräten. Sicher kann man auch die Funktion als Bildbetrachter etwas aufbohren oder andere Bilder für den Bildschirmschoner aufspielen. Ebenso ließe sich ein Programm installieren, das aus dem Kindle ein Diktiergerät macht… oder man könnte die Bildschirmtastatur vergrößern und intelligenter gestalten. Aber ist es das wert? Einen echten Vorteil brächte sicher ein Druckertreiber, allerdings würde man damit nicht nur an seinem Gerät rumpfuschen, sondern sich auch wegen der Umgehung des Copyright-Schutzes in einer rechtlichen Grauzone bewegen.
Für normale Anwender sind die Kindle-Hacks nicht interessant, das Risiko ist hoch und der Nutzen vergleichsweise gering. Wer sich hingegen für die technischen Aspekte dieser Spielerei interessiert, der ist bei tagesaktuellen Berichten im Internet wesentlich besser aufgehoben als in einem Buch. Denn auch hier muss häufig schon für kleine Systemaktualisierungen ein neuer Jailbreak gefunden werden. Wer den Kindle als Lesegerät nutzen möchte, muss ihn nicht jailbreaken. Noch nicht einmal für ein deutsches Sprachpaket bei englischsprachigen Geräten, denn die Prozedur des Jailbreaks ist sicher deutlich aufwendiger, als sich die Bedeutung von einigen wenigen Menüpunkten zu merken – selbst dann, wenn man kein Englisch versteht.
Wenn du dennoch einen Jailbreak mit deinem Kindle durchführen möchtest, musst du eben die Risiken tragen. Beachte dabei aber, dass Systemaktualisierungen auf deinem Gerät dann möglicherweise nicht mehr aufspielbar sind – besonders zu nennen sei hier KF8, die nächste Version des Amazon-Betriebssystems, die den eBook-Anbietern deutlich verbesserte Gestaltungsmöglichkeiten bietet.
Trotzdem noch interessiert? In diesem Fall solltest du dir aus dem Internet (Google ist dein Freund) die aktuellste Quelle für die Jailbreak-Anleitung heraussuchen, die du finden kannst, denn wenn du einen veralteten Jailbreak auf einem upgedateten System probierst, kann das übel enden. Andererseits musst du vielleicht gerade nach einem älteren Jailbreak suchen, wenn dein Kindle vielleicht noch aus einer frühen Produktionsserie stammt. Achte unbedingt darauf, dass du wirklich den Jailbreak wählst, der zu deiner Version des Betriebssystems passt.