»Aaaaaaahhhhhhh«, schrien sie gleichzeitig. Senta umklammerte die Eisenstäbe hinter ihrem Kopf, der Gurt über ihrem Bauch schnitt sie in der Mitte durch, das Gesicht ihrer Tochter gegenüber in einem wild staunenden Schrei eingefroren, auch sie hielt sich am Gitter fest, so schrien sie sich an, im kreisenden Gefängnis, das sie kopfüber und hintenrum und vorwärts und wieder nachobenuntenrüber durch den milden, dämmrigdunklen Berliner Frühherbsthimmel wirbelte. Die Jungs schrien nicht, sie waren offenkundig gefangen in dem künstlichen Taumel, ihre Gesichter hatten den Ausdruck, als seien sie in einen vollendeten Genuß versunken.
Es tat gut, sich so anzuschreien, fand Senta. Sie schrie sonst nie, bei keinem Essensgenörgel, anderen Widerworten oder auch nicht, um Katarinas nicht enden wollendes Klavierspiel zu unterbrechen. Es hatte Senta zu beunruhigen begonnen, da ihre Tochter keine Nachbarskinder mehr traf, keinem Sport mehr nachging, nicht mehr mit ihren Brüdern im Garten oder Haus spielte.
Außerdem konnte sie den Schreck des morgendlichen Besuchs auf diese Weise loswerden. Einfach nur die Seele aus der Brust schreien, ohne erkennbare Gründe, wie gut das tat.
Senta hatte der sie dominierenden Gemütslage folgen müssen: Abstand vom Haus, heute. Als stehe sie unter Beobachtung, als überprüfe ein Unsichtbarer ihr Tun. Die Jungs waren aufgesprungen und losgelaufen. Ja, Rummel, los. Katjuscha hatte Zu Hause bleiben wollen.
Sie übte keine Fingerläufe oder Tonleitern, sie beschäftigte sich nicht wirklich mit den Noten oder der Frage, was eine Subdominante war. Sie spielte einfach alles nach, was sie hörte. Und wenn sie vergaß, wie das Stück weiterging, improvisierte sie ein Ende. Seitdem Michael den Beschluß gefaßt hatte, daß sie das Land verlassen würden, um im Süden Europas ein Leben in Wohlstand, Sorglosigkeit und Wärme zu genießen – wozu er alle fünf Kinder in Internaten anmelden, seine Kanzlei um eine Dependance erweitern und eine Fachkraft hier in seinem Namen die Geschäfte weiterführen lassen würde –, seit diesem Beschluß durchzog das Berliner Eckhaus ein Echo dieses Basta, das Michael ausgesprochen hatte. Seitdem spielte Katjuscha fast Tag und Nacht, so Sentas Eindruck.
Das Unwiderrufliche von Michaels Machtwort lag ihr wie ein Stein im Magen. Alle vier Jungs hatten sich geweigert, Berlin zu verlassen, Michael hatte auch da durch seine Recherchen Fakten geschaffen. Schleswig-Holstein und Bayern, die Namen der Institutionen hatte sie schon wieder vergessen, wie sie überhaupt hoffte, daß Michael seinen Entschluß wieder vergessen könnte. Katarina hatte nichts weiter eingewendet, außer darum zu bitten, daß sie in ein Internat kommt, in dem mehr als ein Klavier für alle existierte.
Senta war, als müßten sie Rauch an den Mündern haben, so fröstelte es sie im Haus, und alle Nachfragen, Diskussionen, mögliche Antworten verflüchtigten sich in der Winteratmosphäre, in der einem zu kalt war, um lange zu reden.
»Neeeeiiiiiinnnn«, schrie Katarina. »Jaaaaa«, schrie Senta, als sie nach einer schwerelosen Schrecksekundenpause erneut kopfüber durchgeschleudert wurden. Aus Glühbirnenbändern wurden bunte Spiralnebel, blinkende Buchstaben in einem Neonworthimmel, dann stürzte die Gondel in die Tiefe, wobei Sentas Magen einfach oben hängenblieb.
Katarina wollte nicht in die Nähe der Bude der Wahrsagerin kommen, aber Senta folgte einem Impuls, der sie antrieb, nachdem sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Sie ging auf die Rundbogentür des Wohnwagens zu. Eine Girlande aus Plastikefeu umwucherte das Rund, darüber ein handgemaltes Holzschild. Die Mutter der Wahrheit ist der Tod. Das viel zu nahe Beieinandersein dieser überdimensionalen Wörter stieß sie ab, dennoch öffnete sie das alte Drehschloß, schaute sich nach ihrer Tochter um, die auf einer abseits stehenden Bierbank saß, eine Tüte Schmalzgebäck in der Hand, einen Gartenstuhl vor sich, den Senta lieber weggeräumt hätte, er wirkte wie eine Einladung, sich zu ihrer Tochter zu setzen. Die Jungs waren weiter zum Autoskooter gegangen. »Ich bin gleich wieder da«, rief sie, ihre Tochter nickte mit vollem Mund und abwesendem Blick gen halogenfarbenen Himmel. Die Rundbogentür des Wohnwagens wurde von innen geöffnet, die Hand einer Frau, viel zu spitz gefeilte Nägel in Türkis und wie Pfennigmünzen klimpernde Armreife. Senta ließ sich am Handgelenk ziehen, sah, wie die andere Hand die Tür für sie öffnete, die Frau stand im Halbdunkel, hinter ihr das Licht einer Küchenneonröhre. »Fertig«, sagte die Frau mit Strichfalten über den Lippen, ein blondierter Damenbart, grün umrandete Augen. Alles in allem ein mütterliches Gesicht. Senta konnte ihr Handgelenk nicht mehr aus dem Griff lösen.
Sie wußte nicht warum, aber in dem Moment wollte sie umkehren und gehen. Die Jungs brauchten ihren sichernden Blick. Katarina war allein da draußen. Noch nie hatte sie ihre Kinder irgendwo warten lassen, schon gar nicht im Halbdunkel der Abenddämmerung, an einem Ort, wo in jedem Fahrgeschäft für ein bis zwei Mark Gefahr gekauft werden konnte.
»Es gibt kein Glück«, sagte die Frau, »nur unsere Sehnsucht. Aber ein bißchen Erkenntnis können wir alle gebrauchen.«
Ein silbriger Strickpullover, der ihr bis zu den Knien reichte, türkisfarbene Leggings, die ihren stämmigen Beinen eine sportliche Note verliehen. Ihre Haare, fedrig geworden vom jahrelangen Blondieren, trug sie mit einem Ausdruck von Gelassenheit, fast Würde, als machte sie sich aus den mangelnden Vorgaben der Natur nichts und plante auch nicht, dem Wenigen etwas hinzuzufügen.
Senta stand, wie sie fand, etwas zu nah neben der Alten, die immer noch ihr Handgelenk umfaßt hielt. Sie löste sich aus dem Griff, bemerkte auf dem Sitzeckentisch unter dem Neonlichtbalken einen aufgeschnittenen Kastenkuchen, zur Hälfte gegessen, zwei Tassen Tee, neben denen die Beutel wie kleine Rucksäcke hockten. Die Alte schob Senta in die andere Richtung, weg vom Kuchen, vom Tee, in die dunkle Ecke des Wohnwagens. Es roch nach staubigem Schlingenteppich, fauligen Kartoffeln und so etwas wie einem chemischen Klo. Nur die Umrisse konnte Senta erkennen. Dort saß ein Mensch auf dem Boden, hinter einem niedrigen Tisch, seltsam tief, als habe er keine Beine, die er unter sich einzuschlagen brauchte. Um ihn herum Kissen, lederne Sitzhocker, ein Teppich mit indianischen Mustern, gewebte Augen, Kreuze, so was in der Art. Das Neonlicht ging mit einem Klicken aus, nach ein paar Sekunden Dunkelheit leuchtete ein Streichholz auf, die Hand des Mannes, seine Gestalt, der niedrige Tisch, er hielt das Streichholz an einen Docht, pustete es aus und schaute Senta an der Kerze vorbei an. Seine Stirn war glatt und jung, seine Haare fast schwarz und in einer weichen Welle zurückgekämmt. Seine Augenbrauen dicht und gebogen, seine Augen ähnelten denen der alten Frau. Heiter, selbstgewiß. Erst auf seiner Wange begann das Geschwür, ein blutroter Schwamm in der Form eines Tieres, fest an den Wirt gekrallt, den ganzen Hals hinunter, die Mundwinkel mit überwuchert. Senta versuchte, ihm nur in die Augen zu sehen, mußte aber immer wieder auf diese Belagerung schauen, die sein Gesicht war. Er schien zu lächeln.
»Aus der Hand lesen«, sagte er leise durch den offenstehenden Spalt, der sein Mund war, und tupfte sich dann sehr ruhig die Lippen mit einem Taschentuch ab.
»Nein«, sagte Senta leise, angestiftet vom Flüstern des Mannes. »Ich will nur wissen, wo jemand ist.«
»Ist das die Wahrheit«, plauderte er im Flüsterton weiter, »so simpler Pragmatismus ist bei mir nicht zu bekommen.« Er griff unter den Tisch, hielt einen Stapel Karten wie einen spitzen Gegenstand zwischen den Fingern.
»Aber finden werden wir schon was«, grinste er. Draußen wieherte ein Pferd, dahinter klirrte die Musik eines Fahrgeschäfts. Unbeirrbar ruhig zeigte der Mann mit einer einladenden Hand auf den ledernen Sitzsack, Senta erkannte im Kerzenlicht neben ihm eine Stehlampe mit gedrehten Trotteln am Schirm, ein Schalterknipsen, und sie hätte die Tiefe des Raumes hinter ihm sehen können. Aber alles blieb so dunkel, wie es war. Etwas in ihr knickte ein.
»Ich sag immer das, was ich eigentlich nicht sagen will«, sagte sie leise, »ich verstehe es nicht, wie es kommt. Ich will ja sagen und sage nein, ohne eine Absicht, es kommt einfach dazu, als käme mir das richtige Wort grad nicht in den Sinn. Ich will nein sagen, gerade zu meinem Mann, er kann nicht einfach so über uns entscheiden, mir meine Aufgabe wegnehmen, wenn er die Kinder in diese Schulen gibt, was soll ich dann machen? Und ich sag wieder ja statt nein, es ist wie ausradiert, als hätte ich vergessen, daß ich das Wort kenne. Deshalb sage ich am liebsten nichts, ja, es ist so viel einfacher, statt ständig das Falsche zu sagen, verstehen Sie, was ich meine?«
Er mischte nur seine Karten in einem mechanischen, höchst eleganten Schwung, ein papiernes Schnalzen nach dem nächsten, so klackte er die Karten in Kreuzform auf den Tisch. Akkurat, mit ihren rätselhaften Motiven, das Kreuz wuchs sich zum Feld aus, wie Hefte in der Auslage eines Kiosks, dann war es still, der Mann studierte mit einem Gesicht, das auf der unversehrten Seite fast zufrieden wirkte, und sagte: »Schon deine Mutter war eine sehr einsame Frau.«
»Oh, nicht die alten Geschichten«, sagte Senta.
Er schaute sie nicht an, er schnalzte nur in bedächtigem Tempo eine nach der nächsten Karte in die freien Flecken des Feldes, darunter einen Gehängten. Senta spürte sofort, wie sie sich verschloß, daneben las sie auf dem Kopf den Tod, den Einsiedler, die Hohepriesterin, lächerlich, diese Figuren konnten auf dem Tisch liegen und was erzählen, aber glauben – letzten Endes glauben würde sie nichts.
»Hier ist ein Mann.« Sein rundgefeilter, gepflegter Fingernagel punktierte den Tod.
»Nein«, sagte Senta, »der, den ich meine, lebt noch. Da bin ich sicher.«
»Sicher«, er lachte verhalten, was eher einem Gurgeln glich, »sicher ist nur eines. Sommer, Herbst und Winter. Dann kommt der Frühling. Entspannen Sie sich.« Er lächelte einseitig, Senta starrte auf die Seite des Schwammes. Sie hatte es plötzlich ganz satt, immer dieses Gerede von Entspannung. Wenn ich mich entspanne, hätte sie dem Versehrten gern gesagt, fall ich auseinander in tausend Partikel. Da kann man mir erzählen, das sei nur eine Einbildung, für mich ist es real. Ich bin nicht mehr existent, wenn ich stillstehe, wenn ich nichts tue, ich bin nur noch so ein Teilchenhaufen, mehr nicht, ich hab fünf Kinder, ich kann kein Teilchenhaufen sein, ich muß da sein und funktionieren. Na, das können Sie sich vorstellen, vielleicht auch nicht. »Ich zerfalle, wenn ich nicht tüchtig bin«, sagte sie nur.
»Ich dachte, wir hätten eine Existenzberechtigung, auch ohne unseren fleißigen Fleiß«, bemerkte der Versehrte lapidar. »Aber dieser Mann ist weg«, wieder das Tippen mit dem geordneten Fingernagel, und in fließender Beiläufigkeit wurde das Feld am Rand weiter ausgelegt.
»Halt«, sagte Senta, »Sie brauchen nicht weitermachen.«
»Aber tüchtig mach ich weiter! Sie gehen auf eine Reise, unverhofft. Wie alle Ihre Reisen, so scheint’s, nur parallel zur Realität.« Er drehte den Wagen vom Kopf auf die Füße. »Wenn es keine Zügel gibt am Wagen, also das Bewußtsein fehlt, daß nur du die Richtung ändern kannst ...«, ein spitzer Finger zog die Liebenden aus der letzten Reihe, schnalzte sie abseits, eine Karte dazu, die Ränder der Karten rauh und verbraucht, als hätten sie schon zu oft etwas aus ihrer Flachheit quetschen müssen. »Kein Wunder. Dein Vater. Der Einsiedler auf dem Kopf. Er fürchtet sich, mein Gott, fürchtet der sich, dabei würde er gerne glauben, aber er weiß nicht, an was.«
»Wovor fürchtet er sich?« Der Tisch, ein schwarzes Becken, die Karten Flöße, alles trieb im fahlen Licht der Trottellampe, und Senta hob die Hand, war auf dem Weg, aufzustehen, ihr Brustkorb, eine Enge, als hätte sie zu schnell ein großes Glas Wasser getrunken. »Wovor du dich fürchtest, immer das Gleiche.« Der Sitzsack knarrte, und Senta versuchte aufzustehen, aber er kam ihr zuvor, griff nach ihrer Hand. »Bezahlt wird bei meiner Mutter. Du verpaßt aber dein Fortune, dein Glücksrad, willst du das?«
Senta sank zurück auf den Sitzsack, rollte sich auf ihm ein, sah ihre Tochter vor sich, wie sie draußen auf der Bierbank saß, das Schmalzgebäck in der Tüte, und wie die Jungs eine um die andere Kurve im Autoskooter drehten, darauf bedacht, möglichst frontal gegeneinanderzustoßen. Sie verliehen ihr das Gefühl von Lebendigkeit. Sie brachten sie in den Zustand äußerster Zerstreuung, förderten mit all ihren Bedürfnissen, Wünschen, Forderungen ihre Abwesenheit von sich selbst, sie war so sehr in den Kindern aufgegangen, daß sie kaum noch einen blassen Schimmer davon hatte, was sie war, was sie wollte, was ihr Glück war, woraus ihre Ängste bestanden. Vor allem hatte sie durch die Kinder gelernt, daß es nie einfache Lösungen gab, daß das Gewirr aus allen fünf Leben ein Knäuel war, nicht so einfach zu entwirren wie Wolle, daß ihre Charaktere miteinander verwoben waren, sich bedingten, umspannten, und um dieses Tohuwabohu nur ansatzweise zu verstehen, hatte sie jedes Lämpchen ihrer Aufmerksamkeit anschalten müssen, kein Licht für sich selbst übrig, kein Gefühl mehr, nichts, woran sie glaubte, wofür sie Zeit hatte, außer heraneilendes Unglück in Form von Fahrradstürzen oder ähnlichem zu vermeiden, grundlegende Bedürfnisse zu befriedigen, Wünsche, die sie immer als Forderungen verstand und daher lieber sofort als etwas später erfüllte. Sie hatte bemerkt, wie in letzter Zeit immer mal wieder, immer öfter auch, etwas aus ihr herausgebrochen war, eine wütende Kraft, die sie an einen alternden Diktator denken ließ, der spürte, wie ihm die Gefolgschaft aufgekündigt wurde. Es fiel ihr schwer, sich das einzugestehen, aber es war so: Sie hatte tyrannische Züge. Sie wollte in diesen Augenblicken mit jeder Zelle ihres Körpers, daß die Dinge so liefen, wie sie es sich wünschte. Sie kannte keine Alternativen mehr. Sie sah nur das vor sich, was sie erreichen wollte: den Kindern die Wintersachen anziehen, sie pünktlich zur Schule bringen, alle gegeneinanderlaufenden Möglichkeiten unter einen Hut bringen. Sie wollte in diesen Augenblicken so sehr, daß alle das machten, was sie sich von ihnen wünschte. Wenn das nicht passierte, und das war natürlich immer der Fall, ging ihr die Langmut verloren. Ihre Ruhe, ihre Toleranz, schmolz ein auf Erbsengröße, und diese Diktatorstimme brach aus ihr heraus. Nur vor den Kindern, nie vor Michael. Wenn Michael im Raum war, gab es etwas, das sie beherrschte. Wenn er nicht da war, stand mit einem Mal diese andere Hälfte einen Schritt vor ihr. Keiner der Anwesenden richtete sich nach dem hysterischen Kommandeur, das war ihr völlig klar, im Gegenteil, das Zusammenzucken der Kinder war nur eine Reaktion auf ihre tiefere Stimmlage. Sie fingen an, sich zu ducken und ihren Weg zu gehen. Nie wünschte Senta sehnlicher, die Zeit zurückdrehen zu können, als nach jedem dieser Ausbrüche, und zwar sofort, als hätte es ihn nie gegeben. Nie fühlte sie sich einsamer, von allen guten Geistern verlassen. Wirklich, ja, verlassen.
Sie merkte, wie ihr von sich selbst das Bild blieb, mehr nur noch eine Hülle zu sein, die den eigentlich so nährenden Namen Mutter trug. Ja, nach viel mehr fühlte sie sich nicht an. Wie war das passiert, ohne daß sie es recht gemerkt hatte?
Der Mann sortierte das Feld um, schob eine Karte mit einem Wesen, das eine Mischung zwischen Hund und Pferd war, in Sentas Richtung und lächelte einseitig wissend, ein wenig theatralisch, aber nicht arrogant. »Die Natur macht keine Sprünge. Sie liebt die Gleichförmigkeit, die Wiederholung. Auch zwischen den Generationen, da glauben wir gern was anderes, aber wir stehen nur eine Stufe weiter oben oder unten, je nachdem wie das Rad sich dreht. Dein Schicksal, dein Glücksrad, hier, das ist die letzte Karte, oh, ich würde sagen, gutes Zeichen, Madame, gutes Zeichen.« Drei Affen auf dem Rad, das sah Senta. Gregor, Michael und sie, dachte sie und mußte unwillkürlich grinsen. Der Versehrte schob mit einem präzisen Zucken das gefaltete Taschentuch zur Seite. »Spring durch den brennenden Reifen der Welt, endlich. Hier, der Herkules sagt, du kannst Herausforderungen mit Beharrlichkeit meistern. Mach dich beharrlich auf die Suche.«
»Wonach?«
»Nach deinen Gefühlen.«
»Aber vielleicht sind sie nicht mehr auffindbar. Vielleicht sind sie schon zu weit weg, abhanden gekommen.«
Er lächelte halbseitig. »Es gibt solche und solche Menschen. Einige können ihr Herz öffnen, andere können es nicht. Du gehörst zu denen, das sehe ich dir an, die das können, wenn sie nur wollen.«
Er hob die Hand wie ein Mann, der einen Eid zu leisten plante. Ein Torso war er, ging es ihr durch den Kopf, ein Torso, der an allen Rändern ausbricht wie ein Stern, keine Stelle, die dich nicht sieht. »Und was passiert, wenn man es öffnet?«
»Man wird gesund.«