NACHBEMERKUNG

In diesem Buch bin ich lockerer als bisher mit den realen Vorgaben der Geografie von Seattle umgegangen. In Wahrheit ist der Untergrund fast überall abgeriegelt. Außer einigen Kanalarbeitern und den Mietern der Gebäude, die darüber errichtet wurden, darf normalerweise niemand den Untergrund betreten. Wenn man nicht an der Underground Tour teilnimmt oder in einen der Keller gelassen wird, kann man diese Stadt unter der Stadt nicht betreten, ohne ein Gesetz zu brechen. Doch die Vorstellung von einer Welt im Untergrund samt Monstern gefiel mir so gut, dass ich die realen Gegebenheiten ignorierte und mich einfach auf das Thema stürzte.
Trotzdem habe ich versucht, so viel wie möglich an der Realität auszurichten. Rick Boetel, der leitende Historiker von Bill Speidel’s Underground Tour, hat mir sehr bei der Geschichte Seattles und dem Lageplan der Gegend geholfen. Ich habe sowohl die Historie als auch die städtebaulichen Gegebenheiten des Untergrunds so realistisch wie möglich abgebildet. So stieg zum Beispiel das Wasser in den Toiletten bei Flut tatsächlich an, ehe man die Straßen nach oben verlegte. Es gab wirklich mehrere Todesfälle bei denen Leute von der Straße in die untere Ebene stürzten. Ein Schamane hat tatsächlich an der Ecke Yesler Way und First Avenue unterirdisch indianische Geister exorziert. Und natürlich gab es in den düsteren Gängen unter den Straßen bis in die 1970er Jahre Prostitution, Verbrechen und Lasterhöhlen. Auch ein Roy Olmstead existierte (allerdings hoffentlich kein Albert Frye), der sowohl Polizist als auch Schmuggler war. Auch die Müllhalde in der Nähe der Kreuzung von Occidental Avenue und Royal Brougham wurde lange Zeit von den Anwohnern benutzt.
Ohne Ricks Hilfe wäre mein Vorhaben nie gelungen. Aber ich habe auch aus Büchern und von Webseiten Informationen zusammengetragen. Überraschenderweise stellte sich dabei Distant Corner von Jeffrey Karl Ochsner und Dennis Alan Anderson als besonders informativ heraus. Es handelt sich dabei um eine Architekturabhandlung der University of Washington Press über den Einfluss des Architekten H. H. Richardson (kein Verwandter!) auf den Wiederaufbau von Seattle nach dem großen Feuer. In diesem Buch findet man alle Gebäude im Detail erklärt. Man erfährt, wer sie wann und wo erbaut hat, woraus sie bestehen und welchem Zweck sie ursprünglich dienen sollten. Außerdem habe ich so auch erfahren, was früher an der Stelle bestimmter Gebäude gestanden hatte. In diesem Buch finden sich zudem zahlreiche Fotografien, Zeichnungen und Lagepläne, und man erfährt außerdem, was aus einigen der Häuser in späteren Jahren wurde. Hier lernte ich auch, welche Gebäude während des Wiederaufbaus zusammengestürzt sind und welche beim Erdbeben im Jahr 1949 zu Schaden kamen. Das Buch stellte sich übrigens auch als überraschend unterhaltsames Lesevergnügen heraus.
Nachdem ich mir ein Bild von der Geschichte und Geografie des Untergrunds gemacht hatte, brauchte ich nur noch ein geeignetes Monster. Es ist schwieriger als man vielleicht annimmt, ein überzeugendes, menschenfressendes Ungeheuer zu finden, das sich außerdem seine Stoßzähne nicht bereits in einem halben Dutzend Fernsehserien, Filmen oder Romanreihen abgerieben hat. Nach mehreren erfolglosen Anläufen entschied ich mich schließlich für das sagenumwobene Monster Sisiutl der indianischen Stämme im amerikanischen Nordwesten, auch wenn sich sowohl mein Agent als auch meine Redakteurin über mich lustig machten. Sie meinten, dass niemand ein Monster mit einem derart komischen Namen ernst nehmen würde. Starrsinnig wie ich nun mal bin, schwor ich ihnen, dass es funktionieren würde. Und ich hoffe, das tut es auch! Jedenfalls hat mich die Diskussion zu dem Gespräch zwischen Harper, Quinton und Fish auf ihrer Rückfahrt vom Tulalip-Reservat angeregt. Ich habe unseren Disput zwar nicht wortwörtlich übernommen, aber ich fand ihn doch anregend genug, um ihn in mein Buch aufzunehmen.
Wie bei vielen Legenden sind auch die Geschichten um Sisiutl manchmal widersprüchlich und ändern sich je nach Version oder Erzähler. Ich habe für meinen Roman die Eigenschaften gewählt, die zu dem Monster in meiner Geschichte passen, und hoffe, trotzdem dem wahren Wesen der Kreatur gerecht geworden zu sein. Die Mythologie und die Legenden der Küsten-Salish sind sehr vielfältig und eigen. Ich habe zahlreiche Details aus den Büchern in der Bibliothek von Seattle übernommen, zu denen auch die Neuauflage der Mythology of Southern Puget Sound: Legends Shared by Tribal Elders gehört, in der die Legenden von dem Historiker Arthur Ballard zusammengetragen und aus dem Lushootseed übersetzt wurden. Es ist ein eindrucksvolles Buch, das einen wunderbaren Einblick in die Kultur der örtlichen Stämme zu dieser Zeit bietet. Au ßerdem fand ich einige Audioaufnahmen von Lushootseed online auf der Seattle Times-Webseite (seattletimes.nw- source.com/news/local/seattle_history/about_audio).
Während ich dabei war, meinen Roman zu verfassen, erlebte Seattle einen der kältesten Winter in seiner Geschichte. In der Nacht sanken die Temperaturen bis zu Minus zwanzig Grad und kälter. Das ungewöhnliche Wetter hatte für mich etwas Unwiderstehliches. Ich musste es einfach in mein Buch einbauen! Es war tatsächlich außerordentlich kalt.
Natürlich gibt es noch viele weitere Quellen, auf die ich zurückgegriffen habe, um den richtigen Rahmen für meinen Roman zu schaffen. Ich hoffe, alles gut verarbeitet oder zumindest keinen der Autoren durch meinen ungeschickten Umgang mit diesen Informationen verärgert zu haben. Ich habe mich sehr darum bemüht, weder ein Plagiat zu kreieren noch etwas total falsch darzustellen, sondern ein Bild von einem recht fantastischen Seattle zu entwerfen, das gleichzeitig so realistisch wie möglich bleiben sollte. Trotzdem handelt es sich natürlich um Fiktion und soll auch nichts anderes sein. Wenn ich die historischen Gegebenheiten, bestimmte Fakten oder die Geographie verändert oder verdreht habe, so geschah das allein aus künstlerischen Gründen. Ich wollte damit niemanden verletzen und möchte meine Geschichte auch nicht als Tatsachenbericht verstanden wissen. Sollte es dennoch Fehler geben, so sind sie allein meine Schuld.