Scrabble

 

 

 

Schleunigst machten wir uns auf den Weg durch das dunkle und stille Huppenbroich, um noch vor dem Zapfenstreich in der Dorfgaststätte „Zur alten Post“ anzukommen. Nur beiläufig, aber doch zu meiner Verwunderung, berichtete mir Böhnke, dass im Straßenverkehrsamt für den Kreis Düren rund fünfzig rote VW Golf registriert seien. Er hatte also meiner Beobachtung doch mehr Aufmerksamkeit geschenkt, als er zu erkennen gegeben hatte.

„Und noch was“, fuhr er ruhig fort. „In dem Pornoheftchen von Renate Leder fehlen Seiten. Jemand hat das Doppelblatt in der Mitte aus der Heftung gebröselt.“ Er schmunzelte. „Ich muss schon sagen, meine Assistenten sind sehr aufmerksam gewesen.“ Ob mich dieses Wissen weiterbringen würde, wagte ich doch sehr zu bezweifeln. Ich kickte einen Stein von der Fahrbahn, der im fahlen Licht einer Straßenlaterne zu erkennen war, und konnte froh sein, dass mein unkontrollierter Schuss knapp an einem abgestellten Auto vorbeiflog.

 

 

Der Wirt schaute nicht gerade begeistert drein, als wir zu relativ später Stunde kurz vor seinem nächtlichen Feierabend in das Lokal eintraten. Doch hellte sich seine Miene sofort auf, als er Böhnke erkannte. Das Bier sei schon in Arbeit, meinte er freundlich zur Begrüßung, ohne auf unsere Bestellung zu warten, und bot uns am Tresen zwei Hocker an.

Ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wann ich das letzte Mal an einer Theke ein Bier geschlürft hatte. Aber heute war mir alles egal, wenn ich bloß nicht mehr in die vermaledeiten Bücher von Fleischmann hineinzuschauen brauchte.

Böhnke war ebenso wie ich nicht sonderlich gesprächig. Bis auf ein knappes „Prost!“ saß er schweigend neben mir und schaute dem Wirt zu, der umsatzfördernd mit den wenigen anderen Gästen über die drastisch steigenden Abwassergebühren diskutierte und dabei gehörig auf den Regierungspräsidenten in Köln schimpfte.

Uns nahmen die Stammtischler und Thekensteher nicht übermäßig zur Kenntnis. Manch einer hatte dem Kommissar andeutungsweise zum Gruße zugenickt und sich dann wieder abgewandt. Offenbar ließ man uns in Ruhe, weil wir nicht zu ihnen gehörten und wir keine Anzeichen machten, uns an der geselligen Runde zu beteiligen.

Ich empfand die Atmosphäre dennoch als angenehm, man ließ uns gewähren, wie wir wollten, ohne uns zu etwas zu nötigen.

Nach langen, schweigsamen Minuten fragte Böhnke nahezu nebensächlich: „Und was haben Sie heute den ganzen Nachmittag über getrieben?“

Langsam griff ich zum Bierglas und nippte kurz an dem Pils. Ich hatte keine Eile mit der Antwort. „Gelesen“, sagte ich bedächtig, mehr fiel mir einfach nicht ein.

„Und was?“ Böhnke ging mein langsames Tempo mit. Wie ich beobachtete er ununterbrochen den agilen Wirt. Seine Fragen und meine Antworten waren scheinbar unerhebliche Randnotizen. „Fleischmanns Romane.“ Mir selbst kam diese Antwort nichts sagend vor, aber ich wusste nichts anderes zu sagen. „Alle sechs“, fügte ich dann doch noch hinzu. „Und?“

Lange schwieg ich wieder. „Nichts.“

„Gar nichts?“, hakte der Kommissar provozierend gelangweilt nach. „Fast gar nichts.“

Die nächste Frage war programmiert. Ich überlegte mir schon die Antwort, bevor Böhnke sie stellte. „Was ist fast gar nichts?“

Ich richtete mich auf, stellte das Bierglas ab und rieb mir die Augen. „Fast gar nichts, es handelt sich um fünf unbedeutende Fehler, die beim Redigieren eines Textes immer wieder einmal vorkommen können.“

„Was?“ Böhnke sah mich ungläubig an. „Was ist Ihnen aufgefallen, das mir entgangen sein soll?“ Anscheinend hatte ich durch meine Behauptung, Fehler entdeckt zu haben, die er offenbar übersehen hatte, einen unehrenhaften Angriff auf seine Kriminalistenehre gestartet.

Es sei nichts Besonderes, meinte ich beschwichtigend, die Fehler seien nicht der Rede wert und würden wahrscheinlich den wenigsten Lesern überhaupt auffallen, wenn schon der Autor und seine Lektorin sowie ein gewiefter Kommissar sie nicht bemerken würden.

Das kurze Flackern in Böhnkes Augen zeigte mir, dass ich ihn mit meiner Bemerkung gekitzelt hatte. „Ich will wissen, was Sie gefunden haben“, knurrte er, „machen Sie es nicht so umständlich, verdammt noch mal!“

Ich verstand seine grantige Reaktion nicht. Sie konnte wohl nur damit zusammenhängen, dass er wie ich zu wenig Schlaf und zu viel Arbeit hatte. „Na gut“, meinte ich besänftigend und bat den Wirt um einen Block und einen Kugelschreiber.

Nach kurzem Überlegen hatte ich die fünf kleinen Fehler wieder zusammen: das überflüssige „H“, das fehlende „A“, das strittige „E“, das übersehene „R“ und das nicht geschriebene „F“. „In jedem Buch gibt es einen Aussetzer, nur im sechsten nicht. Das Werk ist astrein von der ersten bis zur letzten Zeile“, erklärte ich Böhnke, der sinnierend den Block mit meinen Anmerkungen in die Hand nahm.

Sein erster Kommentar war nicht gerade aufmunternd. Ich hätte eine Sauklaue, beurteilte er meine Handschrift, dann schüttelte er den Kopf und legte den Block vor sich auf die Theke. „Können Sie etwas damit anfangen?“, fragte er mich als deutlichen Hinweis darauf, dass ihm zu diesen Fehlern nichts einfiel.

,Warum sollte ich?’, fragte ich mich. „Keine Ahnung.“ Ich grinste. Wir könnten uns allenfalls ein Scrabble aus den Buchstaben machen, schlug ich vor. Dann hätten wir wenigstens etwas zu tun. „Wer die wenigsten Wörter zusammensetzt, bezahlt die Zeche.“

 

 

Der Kommissar ging bereitwillig auf mein Spiel ein, grübelnd saßen wir wenige Augenblicke später vor unseren Biergläsern. „Harfe“, „Hafer“, „fahre“, mehr fiel mir beim besten Willen zu dieser späten Stunde und beim dritten, ungewohnten Bier nicht mehr ein. Ich resignierte schnell. „Die Zeit ist um“, sagte ich, „oder brauchen Sie noch Bedenkzeit?“

Böhnke hörte mir gar nicht zu. Er stierte auf seinen Zettel und dachte angestrengt nach. Neugierig lugte ich hinüber und erkannte zu meiner Freude, dass der Kommissar nicht über ein Wort hinausgekommen war. Er hatte lediglich „Hafer“ notiert. „Was ist? Sind Sie eingeschlafen oder wollen Sie nicht mehr mit mir spielen?“, fragte ich scherzhaft.

Sehr langsam drehte sich Böhnke zu mir und blickte mich mit großen Augen an. „Ich frage mich, wer das größere Genie ist, Fleischmann oder Sie?“

Dass ich nichts verstand, nahm mir Böhnke augenblicklich ab. „Im Zweifel für den Angeklagten“, sagte ich ohne jeden Zusammenhang, aber etwas anderes konnte ich nicht sagen. Mich als Genie zu bezeichnen, war zwar schmeichelhaft, brachte mir aber nichts ein, außer einem gelegentlichen Schulterklopfen aller möglichen Menschen und den Rüffeln meiner Liebsten, die immer meinte, mich auf den Boden der Tatsachen zurückholen zu müssen.

„Was ist denn für Sie das Geniale?“, wollte ich interessiert wissen.

Böhnke zeigte auf seinen Zettel und das Wort. „Hafer“, sagte er bewundernd, „einfach genial. Das ist die Lösung, mein Freund. Hafer ist der Hinweis, der uns, beziehungsweise Ihnen, fehlt.“

Ich bremste den Kommissar. Bevor er mir seine Interpretation gab, wieso er zu dieser Behauptung gekommen war, wollte ich mir meine eigenen Gedanken machen. Bei „Hafer“ fiel mir zunächst Pferdefutter ein und damit Reiten und in der weiteren Folge das Aachener Reitturnier. „Stimmt’s?“

Aber Böhnke schüttelte verneinend den Kopf. „Das ist es nicht.“

Diese Kette wäre auch für einen Krimiautor zu durchsichtig gewesen, gestand ich mir ein. Hafer, Roggen, Gerste, Weizen, so knüpfte ich die nächste Kette, die mich weiter zu einer Bäckerei und über Lebensmittel zum Metzger aus dem letzten Manuskript führte.

„Jetzt gehen Sie aber zu weit, mein Freund“, holte mich der Kommissar aus der Fantasie zurück. Er lächelte selbstzufrieden und ich wollte ihm den Erfolg gönnen. Ich hatte die Fehler gefunden und er daraus die Lösung konstruiert. Das war eine perfekte Zusammenarbeit.

Böhnke orderte eine neue Runde und sah mich dann ernst an. „Bekanntlich ist Hafer eine Getreidesorte“, erklärte er, ohne Widerspruch erwarten zu müssen, „ebenso wie Roggen, Gerste, Weizen.“

Damit verriet mir Böhnke keine Geheimnisse. So weit war ich auch schon gekommen, gab ich ihm zu verstehen.

Er nickte mitleidsvoll. „Dann haben Sie den falschen Weg eingeschlagen. Sie hätten bei den Getreidesorten bleiben müssen und wären dann bei der Gerste gestolpert.“

„Wieso?“ Ich wusste nicht viel über Gerste. Ich kannte allenfalls das Gerstenkorn, das mich in meiner Jugendzeit eine Zeitlang am Auge gepiesackt hatte. Ich griff nach meinem Bierglas, nahm einen kräftigen Schluck und verschluckte mich, als mir urplötzlich klar wurde, was oder wen Böhnke und auch Fleischmann gemeint hatten.

Ich brauchte lange, bis ich nach den kräftigen Schlägen von Böhnke auf mein Kreuz und dem gewaltigen Husten wieder durchatmen konnte.

 

 

„Gerstenkorn, das ist die Lösung“, krächzte ich begeistert und entsetzt zugleich. „Gerstenkorn wollte uns Fleischmann mitteilen.“

Der Kommissar stimmte mir ohne zu zögern zu. „So ist es, mein Freund. Fleischmann hat in seinen Romanen einen ganz bestimmten Bürgermeister im Visier gehabt. Bürgermeister Walter Gerstenkorn aus einer Kommune im Kreis Düren.“

Langsam dämmerte es mir. Gerstenkorn war immer schon eine schillernde Gestalt in der Politik gewesen mit vielen Schlagzeilen und wenig Skrupeln, wenn es darum gegangen war, politische Macht zu erlangen oder zu erhalten. Er war vor Jahren als Gewerkschaftsfunktionär schon ehrenamtlicher Bürgermeister geworden und vor knapp zwei Jahren zum ersten hauptamtlichen Bürgermeister seiner Kommune gewählt worden, nachdem er keine Gelegenheit ausgelassen hatte, um seine Konkurrenten in geschmacklosen Schlammschlachten auszustechen. Hemmungen waren ihm anscheinend fremd.

„Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass der Kerl Dreck am Stecken hat“, meinte ich zu Böhnke, der spontan zustimmte. „Dem Typen traue ich die krummen Sachen zu, die Fleischmann beschrieben hat. Ich würde mich nicht wundern, wenn sich die beschriebenen Ereignisse tatsächlich in dieser Form ereignet hätten und Gerstenkorn der große Absahner hinter den Kulissen ist.“

„Was wollen Sie tun?“ Mit einem Mal war ich hellwach und aufgeregt. „Wollen Sie den Kerl schnappen?“

„Heute bestimmt nicht mehr“, beruhigte mich der Kommissar mit einem Blick auf die Uhr. „Der liegt im Bett und schläft den Schlaf der Gerechten, während wir total übermüdet hier herumsitzen.“ Schwerfällig schob er sich von seinem Hocker und langte in die Gesäßtasche nach seiner Geldbörse. „Das nächste Mal bezahlen Sie.“

 

 

Nachdenklich gingen wir durch das dunkle, kalte und menschenleere Huppenbroich zurück zum umgebauten Hühnerstall.

Für mich gäbe es noch zwei Dinge zu klären, sagte ich Böhnke, obwohl es eigentlich sogar drei waren. Aber das Dritte wollte ich noch für mich behalten. Irgendwie traute ich dem Kommissar nicht über den Weg.

„Hat Fleischmann auch in seinem sechsten Roman über Gerstenkorn einen Hinweis versteckt, und wenn ja, wo? Zweitens: Warum handelt das letzte Manuskript nicht von Gerstenkorn?“

„Wahrscheinlich gibt es über Gerstenkorn nichts mehr zu schreiben“, gab mir der Kommissar zunächst eine Antwort auf meine zweite Frage. Es sei auch für den Laien erkennbar, dass dieses letzte Werk stilistisch und von der Gliederung her völlig anders sei, als die Reihe über Gerstenkorn. „Fleischmann hat sich ein neues Opfer gesucht.“

 

 

Ich ließ die Behauptung im Raum stehen. Vieles sprach dafür, dass Böhnkes Annahme zutraf. Wobei ich mich selbst fragte, ob Fleischmann Opfer dieses zweiten Opfers geworden war oder Opfer seines ersten Opfers?

Das sei in der Tat eine noch ungeklärte Frage, bestätigte mir Böhnke. „Wir sind zwar weiter als heute Morgen, aber wir haben längst noch nicht unser Ziel erreicht.“ Schnell beendete er seinen Satz, wohlwissend, dass sein Ziel nicht unbedingt das meinige war. Für ihn war wahrscheinlich immer noch der Maulwurf das Größte aller Probleme.

„Was ist mit Gerstenkorn? Was ist mit dem sechsten Roman?“ Ich kam wieder auf meinen ersten Fragenkomplex zurück.

Wir standen schon vor der Tür zu unserem Quartier und ich beobachtete Böhnke bei seinem Bemühen, das klemmende Schloss zu öffnen. Ich ließ mir den Inhalt des Romans durch den Kopf gehen. Als der Kommissar endlich die Tür geöffnet hatte, stürzte ich an ihm vorbei ins Wohnzimmer und langte nach dem angeblich fehlerfreien Buch.

Es hatte in der Tat keinen Fehler, aber es enthielt ebenfalls einen Hinweis, wie mir plötzlich sonnenklar geworden war. Nach kurzem Blättern hatte ich ihn gefunden.

„Hier ist er“, erklärte ich Böhnke stolz und zeigte ihm die Summe der Subventionen, die für die Ansiedlung des Unternehmens in Gerstenkorns Kommune geflossen waren. „Diese 7.791.987,- DM haben garantiert etwas zu bedeuten.“ Ich klappte das Buch wieder zusammen. „Wenn Sie mich fragen würden, würde ich sagen, dass ist die tatsächliche oder verschlüsselte Nummer eines Kontos, auf dem Gerstenkorn seinen Reibach deponiert hat.“

Böhnke wusste nicht sonderlich viel mit meiner Überlegung anzufangen. „Woher wollen Sie das wissen?“ Dann winkte er entschuldigend ab. „Nein, wenn ich unterstelle, Sie haben Recht, woher hat Fleischmann die Nummer gewusst?“

Ich konnte Böhnke verständlicherweise keine Antwort geben. „Lassen Sie uns zunächst einmal versuchen, meine Überlegung zu bestätigen. Wenn sie zutrifft, kommen wir garantiert zu weiteren Erklärungen. Wenn sie falsch ist, stehen wir auch nicht viel schlechter als jetzt da.“

Der Kommissar rieb sich gähnend die Augen. „Von mir aus kann sein, was will. Ich mache es wie alle redlichen Zeitgenossen, ich gehe schlafen.“

Lange lag ich noch wach in meinem Bett. Es gab immer mehr Probleme und Fragen, auf die ich Antworten brauchte. Ich machte mir einige Notizen zu drei Komplexen, die zwar alle durch die Person Fleischmanns zusammenhingen, die aber auch ein Eigenleben führten. Wie ich weiter vorgehen sollte, war mir nicht klar. Nur eines schien unvermeidbar: Ich kam nicht umhin, das elend lange Manuskript über den Metzger Schranz und seinen Freund Willibald zu lesen. Und noch etwas war zwangsläufig: Ich musste noch einmal die Romane über Gerstenkorn lesen. Falls der Typ Fleischmann auf dem Gewissen hatte, sollte er büßen. Aber auch für den Fall, dass Gerstenkorn nicht an der Ermordung Fleischmanns beteiligt war, sollten wenigstens seine unlauteren Machenschaften gesühnt werden.

 

 

Meine Gedanken steuerten erneut auf Renate Leder zu. Welche Rolle spielte sie in diesem merkwürdigen Hickhack, das Fleischmann in Szene gesetzt hat? Wusste sie Bescheid? Hatte Fleischmann sie in die Hintergründe eingeweiht? Stöhnend suchte ich wieder Renates Zeichnung auf der Nachtkonsole. Oder war sie dem Autor auf die Schliche gekommen, hatte sie seine Botschaften entschlüsselt? Wie passten die Buchstaben und Striche auf dem Zettel zusammen? Passten sie überhaupt zusammen und passten sie in Fleischmanns real-fiktive Romanwelt?

Manchmal glaubte ich, einige Verbindungen zu erkennen, etwa eine Verbindung zwischen „F“ und „L“, was Fleischmann und Leder bedeuten konnte, aber dann passte die Beziehung „F“ und „W“ für Fleischmann und Wagner nicht zusammen, weil es keine einzige Verbindung zwischen „L“ und „W“ gab, obwohl Leder und Wagner beruflich miteinander zu tun hatten. Daraus konnte ich schließen, dass mit den Buchstaben andere Personen gemeint waren.

Vieles passte in dem Soziogramm nicht zusammen, mir fehlten einfach noch einige Namen. Für mich hatte die Rechnung zu viele Unbekannte. Langsam kamen in mir sogar Zweifel auf, ob Renate mit „F“ überhaupt Fleischmann meinte. Ich war davon überzeugt, dass die Kombination von „D“ und „S“ ausschlaggebend war. Aber ich hatte noch keinen blassen Schimmer, wer hinter diesen Buchstaben stecken konnte. Ich wollte das Rätsel lösen, das in Renates Zeichnung verborgen war. Vielleicht konnte ich der Lektorin so helfen.

Schließlich blieb auch noch meine mich verunsichernde Überlegung bezüglich Böhnke. Wieso wollte er mir glaubhaft machen, er sei erst durch das Scrabble auf den Namen Gerstenkorn gestoßen? Er hatte mir vor wenigen Tagen noch von den heiklen Ermittlungen gegen den Bürgermeister und den ehemaligen Stadtdirektor berichtet. Und jetzt tat der Kommissar so, als habe er eine vollkommen neue Erkenntnis gewonnen. Ich würde ihn nicht nach dieser merkwürdigen Begebenheit fragen. Mir kam nur eine Vermutung. Wenn Böhnke sein Spiel mit mir spielte, würde ich mein Spiel mit ihm spielen.

Schläfrig wälzte ich mich in dem schmalen Bett auf die anderen Seite. ,Warum machst du das alles?’, fragte ich mich. ,Warum steigst du nicht einfach aus?’ Doch dann tauchte schon wieder Doktor Renate Leder vor meinem geistigen Auge auf. Sie lachte mich an und war, auch wenn ich es mit wenig Begeisterung registrierte, immerhin noch meine von Böhnke aufgezwungene Mandantin, und es schien, als sei sie selbst zum bedauernswerten Opfer geworden in dem mörderischen Spiel um Renatus Fleischmann.