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VON WESTEN KAM EIN SCHIFF über das Meer und ging in einer Bucht nahe der Mündung des Limfjords vor Anker. Es war ein Knorr von jener klobigen, nicht sonderlich seetüchtigen Bauart, wie ihn Händler für ihre Reisen entlang der Küste benutzten. Um so überraschter waren die Bewohner der umliegenden Gehöfte, als zwei Männer über Bord sprangen und an Land wateten, von denen sich der kleinere als König Haralds Sohn zu erkennen gab. Dies löste unter den Bauern einen Streit darüber aus, wem die Ehre zuteil werden solle, Sven Gabelbart bei sich aufzunehmen. Doch bevor sie sich einigen konnten, hatte Sven zwei Pferde gekauft und war mit seinem Gefährten in südlicher Richtung davongeritten.

Harald lag mit seinem Heer in der Nähe von Aarhus, als ihm gemeldet wurde, daß Sven zurückgekehrt sei und sich im Zelt des Goden Odinkar aufhalte. Der König war darüber sehr ungehalten und ließ ihm durch Björn ausrichten, daß er ihn unverzüglich zu sehen wünsche. Sven hörte Björn schweigend an, dann stand er auf und trat vor ihn hin. Ihre Augen befanden sich in gleicher Höhe, und Sven schien es zu gefallen, einem erwachsenen Mann gegenüberzustehen, der nicht größer war als er selbst. Svens Gesicht war schmal geworden, scharfe Falten zogen sich von den Nasenflügeln zu den Mundwinkeln hinab und endeten in dem zweigeteilten, zu dünnen Zöpfen geflochtenen Bart. Manche vermuten, er habe diese ungewöhnliche Bartform gewählt, um zu verhindern, daß man seinen Beinamen von zwei anderen Merkmalen ableite: seiner zwergenhaften Gestalt oder den vorstehenden, kalten, das Gesicht beherrschenden Augen.

»Daß mein Vater dich schickt, mir seine Befehle zu übermitteln, läßt zwei unterschiedliche Deutungen zu, Björn Hasenscharte«, sagte Sven. »Entweder bist du inzwischen zu hohen Würden gelangt, oder er will mich kränken.«

»Weder das eine noch das andere«, antwortete Björn. »Aber es ehrt mich, daß du meinen Namen kennst.«

»Ich war lange fort und dürste nach Neuigkeiten, so erfuhr ich auch von dir«, erwiderte Sven. »Man sagt, du stündest meinem Vater am nächsten.«

»Das müßte mich, wenn es zuträfe, mit Stolz erfüllen«, sagte Björn. »Aber wahr ist daran lediglich, daß der König mich gern in seiner Nähe hat.«

»Du sollst immer bei ihm sein, Tag und Nacht.«

»Das gilt für meinen Bruder, nicht für mich.«

»Dein Bruder Tryn ist ein hirnloser Kraftprotz«, sagte Sven barsch. »Du hingegen, wird mir berichtet, seist ein kluger Mann. Meinst du nicht, du könntest deinen Verstand noch zu anderem nutzen, als dem alten Mann Geschichten zu erzählen?«

»Da der Verstand bekanntlich im Kopf sitzt, sollte man sich seiner vor allem dazu bedienen, diesen zu behalten, Sven Haraldsson«, antwortete Björn verschmitzt. »Darf ich dem König melden, daß du kommst?«

»Es wundert mich, daß es ihn so dringend nach mir verlangt«, schmunzelte Sven. »Sonst zeigte er Ungeduld eher darin, mich loszuwerden.«

Bald darauf trat Sven, von Skarthi gefolgt, in Haralds Purpurzelt. Der König ging ihm entgegen und schloß ihn in seine Arme, was nicht nur Sven überraschte, sondern auch jene, die Harald eben noch über das ungebührliche Benehmen seines Sohnes hatten zetern hören. Nun hieß ihn der König mit freundlichen Worten willkommen, tätschelte ihm die Wange und betrachtete ihn mit väterlichem Wohlwollen. Sven dagegen verharrte eine Weile reglos in steifer Haltung, die kugelig hervortretenden Augen auf Haralds Gesicht gerichtet. Doch dann erwies er sich seinem Vater als ebenbürtig in der Kunst der Verstellung: Er kniete vor ihm nieder und küßte seine Hand. Dies verblüffte den König so sehr, daß er sich an seinem Speichel verschluckte und hustend nach Atem rang.

»Steh auf, Sohn«, sagte er dann. »Hierzulande ist es nicht üblich, daß sich der Sohn dem Vater zu Füßen wirft. Wo hast du dir die fremde Sitte angeeignet?«

Sven erhob sich und klopfte den Staub von seinen Kleidern: »Bei den Pikten, Vater. Dort pflegt man seinen Vater auf diese Weise zu begrüßen, wenn man ihn lange hat entbehren müssen.«

»Du warst bei den Pikten?«

»Mein Freund Skarthi und ich befanden uns auf der Reise nach Norwegen, als uns ein heftiger Oststurm zwang, den Kurs zu ändern«, antwortete Sven. »So gelangten wir gegen unseren Willen in das Land der Pikten.«

»Ist es wahr, daß sie ihre eigenen Kinder essen?« fragte Harald. Er bot Sven den Platz zu seiner Rechten an, und Skarthi setzte sich an das andere Ende der Tafel, zwischen Wichmann und Ivar von Skaneyrr.

»Man darf nicht alles glauben, was über weit entfernt lebende Völker erzählt wird«, entgegnete Sven. »Ihre Weiber sind sehr fruchtbar, und da sie in einer öden Bergwelt wohnen, ersticken sie in Zeiten der Not ihre neugeborenen Kinder zwischen den Brüsten, damit sie nicht allesamt verhungern müssen. Spricht dies eher für ihre Vernunft, so steht doch außer Zweifel, daß sie ein wildes und grausames Volk sind. Die Engländer fürchten sie mehr noch als uns, und manches ihrer Gebete enthält die Bitte, daß Gott sie vor den Pikten bewahren möge. Dies vorausgeschickt, wird König Aethelred nun bald beklagen, daß die Gebete nicht erhört worden seien.«

»Mein Gefühl sagt mir, daß du daran nicht ganz unschuldig bist, Sohn. Ich hoffe, es trügt mich.«

»Ich fand in den Pikten aufmerksame Zuhörer, als ich ihnen von Aethelreds reichen Dörfern und Städten erzählte.«

»Du hast diese Wilden gegen einen Verwandten aufgewiegelt?« rief Harald und vergewisserte sich durch einen raschen Blick in die Runde, daß seine Entrüstung von vielen geteilt wurde.

»Sie dürften schon über den Großen Wall nach Süden vorgedrungen sein«, erwiderte Sven. »Jetzt wird es nicht mehr lange dauern, bis Aethelred dich um Hilfe bittet, Vater. Allein kann er sich der Pikten nicht erwehren.«

Harald schlug die Faust so heftig auf die Tischplatte, daß die Bierkrüge emporsprangen: »Was kümmert mich Aethelred, wo ich den Feind im eigenen Land habe?«

»Darf man einem Verwandten die Hilfe verweigern, wenn er darum bittet?« ermahnte ihn Sven mit sanfter Stimme.

»Es gibt nur einen, der verpflichtet wäre, Aethelred Hilfe zu leisten, das bist du selbst«, sagte Harald. »Denn du hast ihm die Pikten auf den Hals geschickt.«

»Wie viele Männer gibst du mir?«

»Keinen!« schrie Harald. »Und hätte ich hundert mal tausend, ich würde dir nicht einen einzigen geben!«

»Ich denke, daß fünfhundert fürs erste genügen müßten«, entgegnete Sven ruhig. »Wenn wir die Pikten in die Berge zurückgetrieben haben, brauche ich allerdings mehr.«

»Jetzt sprichst du in Rätseln, Sven«, sagte Wichmann. »Weshalb brauchst du mehr Männer, wenn die Schlacht geschlagen ist?«

»Aus Bundesgenossen werden in der Regel Feinde, sobald man sich des gemeinsamen Gegners entledigt hat«, antwortete Sven.

»Ich will nichts mehr davon hören!« brüllte König Harald. »Ein Wort noch, und ich lasse dich auspeitschen, du Zwerg!«

Björn sah, wie alle Farbe aus Svens Gesicht wich. Dann verließ er mit kleinen schnellen Schritten das Königszelt. Es war für lange Zeit das letzte Mal, daß sie miteinander sprachen.

Wenige Tage später traf eine Gesandtschaft König Aethelreds im Lager ein. Sie wurde von Torkel Wurmfraß angeführt, einem Norweger aus Nidaros, um den sich schon zu seinen Lebzeiten Legenden rankten. Harald nahm die Abgesandten freundlich auf, erwies vor allem Torkel die einem berühmten Mann gebührende Achtung, zeigte sich jedoch nicht geneigt, König Aethelred im Kampf gegen die Pikten Beistand zu leisten, solange der Sachsenkaiser einen Teil Dänemarks besetzt hielt. Nach dieser Unterredung kam Torkel mißgelaunt aus dem Purpurzelt, aber als nun Skarthi zu ihm trat und ihn beiseite nahm, hellte sich seine Miene auf. Für die nächste Zeit fand Aethelreds Gesandtschaft in Odinkars Zelt Unterkunft, und man sah dort etliche von Haralds Gefolgsleuten ein und aus gehen. Als dies dem König hinterbracht wurde, ließ er Aethelreds Abgesandte mit bewaffnetem Geleit zu ihrem Schiff bringen und rief seine Gefolgsleute zu sich. Mit zornigen Worten erinnerte er sie daran, daß sie ihm den Treueeid geschworen hatten, doch es zeigte sich, daß etliche bereits Svens Überredungskunst erlegen waren. Als ihr Sprecher trug Odinkar dem König vor, daß es die Kampfeslust seines Heeres sicherlich fördere, wenn es andernorts Siege errungen hätte, bevor es sich den Rittern des Sachsenkaisers zur Schlacht stelle. Außerdem könne man unter den stammverwandten Angelsachsen kampferprobte Männer anwerben, wodurch Haralds Heer beträchtlich an Schlagkraft gewönne. Im übrigen rege sich in manchem der Verdacht, daß der König nur deshalb gegen eine solch erfolgversprechende Unternehmung sei, weil der Plan von Sven stamme.

Noch während Odinkar sprach, hatte Harald stoßweise zu atmen begonnen. Jetzt aber geriet er dermaßen in Wut, daß ihm die Stimme versagte und er ihr nicht anders als durch eine Anzahl seltsamer Verrenkungen Ausdruck verschaffen konnte. Es war einer jener maßlosen Tobsuchtsanfälle, die den Wütenden als ein Zerrbild seiner selbst erscheinen lassen, und wenn solches schon bei gewöhnlichen Menschen lächerlich wirkt, so im besonderen bei einem Mann, der die Macht verkörpert. Reglos standen sie vor Harald und verbargen hinter gleichmütigen Mienen ihre Verachtung. Als er sie beschimpfte und des Verrats bezichtigte, nahmen sie dies ebenso gefaßt hin wie seine Drohung, er werde jeden köpfen lassen, der sich ohne seine Erlaubnis aus dem Lager entferne. Nur Odinkar trat noch einmal vor und sagte: »Dein Berserker wird viel zu tun haben, wenn er uns allen die Köpfe abschlagen soll, Harald.«

Der König packte seinen Trinkbecher und warf ihn nach Odinkar; er traf ihn zwischen den Augen. Der Gode wischte sich das Bier aus dem Gesicht und musterte Harald mit einem mitleidigen Blick. »Solcher Ermunterung bedarf ich nicht mehr, mich Sven Gabelbart anzuschließen.« Damit ging er, und die meisten der Männer folgten ihm.

Eine stattliche Zahl von Häuptlingen versammelte sich vor Svens Zelt. Von diesen war Odinkar der vornehmste, auch gebot er allein über mehr als vierhundert Bewaffnete. Die übrigen, zu denen Sigurd, Ulf der Ungewaschene, Ivar von Skaneyrr und Skjalm Hvides Söhne zählten, brachten es zusammen auf sechshundert Mann, so daß Sven eine weitaus größere Streitmacht zur Verfügung stand, als er von Harald gefordert hatte. Der Königssohn trat in klirrender Rüstung aus seinem Zelt, er trug einen Brustpanzer nach römischer Art und einen spitz zulaufenden, goldschimmernden Helm. In seinen Händen hielt er ein prächtiges Schwert, und als er es vor sich aufstellte und die Versammelten mit durchdringendem Blick musterte, war mancher versucht, ihn zum König auszurufen.

Währenddessen bot Harald ein Bild des Jammers. Von dem Wutanfall erschöpft, kauerte er auf seinem Lager. Bisweilen entwich ihm ein Stöhnen, als leide er unter starken Schmerzen, dann wieder ein von tiefer Verzweiflung kündendes Seufzen. Er aß nichts von den Speisen, die man, damit ihr verführerischer Duft seinen Appetit wecke, neben seine Lagerstatt gestellt hatte, und gleichfalls verschmähte er, was seinen Zustand vollends besorgniserregend erscheinen ließ, Met und Bier.

Außer Styrbjörn und einigen anderen waren auch Bue der Dicke und Wichmann bei ihm geblieben. Was letztere dazu bewogen haben mochte, können wir allenfalls vermuten. Wahrscheinlich entsprach es der Spielernatur eines Wichmann, gerade dort auf Gewinn zu hoffen, wo er nach vernünftiger Einschätzung am wenigsten zu erwarten war, während Bue den einzigen Platz an Svens Seite, der ihm erstrebenswert erschien, den des einflußreichen Ratgebers, durch Skarthi besetzt sah. Ob es aber diese Gründe waren oder andere: Daß Bue der Dicke und Wichmann sich für ihn entschieden hatten, dürfte König Harald als einen mageren Trost empfunden haben.

Die Meldung, daß sich jener Teil des Heeres, der mit Sven nach England ziehen wollte, außerhalb des Lagers sammle, schreckte den König aus seinem Trübsinn. Er befahl Styrbjörn, Sven festzunehmen oder ihn, falls er sich widersetze, auf der Stelle zu erschlagen, desgleichen alle, die nicht unverzüglich in das Lager zurückzukehren gewillt seien. Doch Styrbjörn wiegte mißbilligend den Kopf und sagte: »Willst du das wirklich, Herr? Willst du mich zum Mörder deines Sohnes machen, da du so gut weißt wie ich, daß er sich wehren wird?«

Während sich der König und Styrbjörn schweigend ansahen, warf Bue rasch ein, daß die anderen einer Festnahme kaum tatenlos zusehen würden und er gewisse Zweifel hege, ob Styrbjörns Männer mit der nötigen Entschlossenheit darangingen, jenen, mit denen sie soeben noch beim Bier gesessen hätten, die Schädel zu spalten.

»Meine Männer tun, was ich ihnen befehle«, entgegnete der Jomswikinger. »Aber ich«, fuhr er wieder an den König gewandt fort, »wie kann ich dir noch in die Augen sehen, wenn ich vor dich hintrete und sage: Herr, ich habe deinen Sohn getötet?«

»Es wäre ein Befehl wie jeder andere«, erwiderte König Harald. Dabei blickte er abwesend vor sich hin, so daß es schien, als gingen seine Gedanken schon in eine andere Richtung.

»Dann wiederhole den Befehl vor allen hier, und ich werde ihn ausführen«, sagte Styrbjörn.

Harald nahm ein Stück Fleisch vom Teller, führte es zum Mund, biß aber nicht hinein, sondern warf es seinen Hunden zu. »Ich werde keinen daran hindern, mit Sven Haraldsson nach England zu gehen«, sagte er. »Wie sollte ich auch, da mir die einen offen, die anderen mit fadenscheinigen Gründen den Gehorsam verweigern? Und jetzt geht. Laßt mich allein.« Björn aber hielt er zurück, als dieser mit den anderen das Zelt verlassen wollte.

»Letzte Nacht«, sagte er, »erschien mir mein Vater Gorm im Traum. Er gab mir einen Apfel, es war der prächtigste Apfel, den ich je gesehen hatte, doch als ich ihn herumdrehte, bemerkte ich ein kleines Loch. ›Noch ist das Fleisch des Apfels schmackhaft und fest«, sagte Gorm, ›aber in Kürze wird er faul sein, wenn du ihn nicht aufbrichst und den Wurm zertrittst, der in seinem Innern sitzt.« Nach allem, was geschehen ist, fällt es mir nicht schwer, den Traum zu deuten: Der Apfel ist mein Reich und der Wurm mein Sohn. Ich muß mein Reich vor ihm retten, sonst verfault es von innen her. Mir ist die Pflicht auferlegt, meinen eigenen Sohn zu töten. Meine Hände werden befleckt sein mit seinem Blut, und wer immer die Tat ausführt, er wird keine Schuld auf sich laden, da er nach meinem Willen handelt. Nun höre, daß ich dich dazu ausersehen habe, Björn Bosison, und sieh darin eine Auszeichnung besonderer Art, daß ich das Schicksal des Landes in deine Hände lege.« Mit diesen Worten zog er einen Dolch unter seinem Kopfkissen hervor, dessen Klinge in ein schmieriges Tuch gewickelt war. »Es genügt, wenn du ihm damit die Haut ritzt«, sagte er. »Das Gift wirkt so rasch, daß er nach wenigen Herzschlägen tot ist.«

»Warum ich, Herr?« fragte Björn, starr vor Entsetzen. »Weshalb willst du, daß ich es tue, wo unter deinen Leuten etliche sind, die sich um die Ehre reißen würden, dir diesen Dienst zu leisten?«

Der König hob die Brauen und bedachte die Namen, die Björn hastig hervorstammelte, mit wegwerfenden Gebärden. Dann sagte er: »Sven ist auch darin ein Zwerg, daß er in allem Böses wittert. Doch nicht einmal er würde vermuten, daß ich dir, einem Kammmacher und Geschichtenerzähler, den Auftrag gab, ihn zu töten. Geh also zu ihm und sag dich vor ihm und allen von mir los. Er wird dich mit offenen Armen empfangen. Aber erwarte nicht, daß er dir Vertrauen schenkt, er vertraut niemandem. Deshalb sei vorsichtig bei allem, was du sagst und tust, und nutze nicht die erstbeste Gelegenheit, denn diese könnte eine Falle sein.«

»Gelänge es mir, Sven mit diesem Messer zu ritzen: Wie könnte ich darauf hoffen, daß du, Herr, seinen Tod ungesühnt ließest?«

»Du vergißt, daß ich getauft bin«, antwortete der König mit ernster Miene. »Für einen Christen gehört die Blutrache zu den schwersten Sünden. Statt Gleiches mit Gleichem zu vergelten, gebietet der Allmächtige, dem Mörder zu vergeben. Ist es somit Gottes Wille, dir den Mord an meinem Sohn nicht nachzutragen, will ich noch ein übriges tun und dich reichlich belohnen, sei es mit Geld oder, wenn dir dies lieber ist, indem ich dir zu einem hohen Amt verhelfe.«

»Gibst du mir Bedenkzeit, Herr?«

»Wozu?« fragte der König. »Ich habe dir einen Auftrag erteilt, und da dir keine andere Wahl bleibt, als ihn auszuführen: Was willst du noch bedenken?« Er legte den Dolch in Björns Hand und zog ihn so nahe an sich heran, daß Björn seinen fauligen Atem roch.

»Ich weiß, du liebst mich nicht«, fuhr der König fort. »Das wundert mich um so weniger, als ich selbst an mir nichts Liebenswertes entdecken kann. Du hingegen hast es verstanden, meine Zuneigung zu gewinnen. Deshalb vergiß nie, daß du mein Mann bist. Es wäre sehr schmerzlich für mich, wenn du es vergäßest. Weil ich dich dann umbringen lassen müßte, Björn Bosison.« Dabei lächelte er, und wenn Björn später von diesem Gespräch erzählte, versäumte er nie, Haralds Lächeln zu erwähnen, das, statt zu besänftigen, die Entschlossenheit habe ahnen lassen, mit der der König seine Drohung in die Tat umsetzen würde.

Am nächsten Tag ließ sich Björn bei Sven Gabelbart melden. Dieser empfing ihn mit merklicher Ungeduld, denn sein Heer befand sich im Aufbruch. Als Björn bat, mit ihm nach England fahren zu dürfen, gab Sven durch ein unwilliges Stirnrunzeln zu verstehen, daß dies der falsche Zeitpunkt sei, ihn mit einer Nichtigkeit zu behelligen. Enttäuscht über den kühlen Empfang schickte Björn sich an, das Zelt zu verlassen, doch da trat Skarthi ihm in den Weg und führte ihn vor Svens Tisch.

»Björn Bosison bietet dir seine Dienste an«, sagte Skarthi. »Du solltest ihm eine Antwort geben.«

»Was sagt mein Vater dazu?« fragte Sven. »Kann er seinen Glücksbringer entbehren?«

»Er hat mich einen Abtrünnigen und Verräter genannt, als ich den Wunsch äußerte, dich nach England zu begleiten«, erwiderte Björn, den Blick fest in Svens Froschaugen gerichtet. »Nun nehme ich mir das Recht des freien Mannes zu gehen, wohin und mit wem es mir gefällt.«

»Wie ich meinen Vater kenne, wird er alles daransetzen, mir in den Rücken zu fallen«, sagte Sven. »Deshalb wäre mir lieber, du bliebest bei ihm und hieltest mich über seine Pläne auf dem laufenden.«

»Ich könnte mir denken, daß Björn ein solches Ansinnen für beleidigend hält«, warf Skarthi ein.

»So ist es«, sagte Björn. »Daß der König mich einen Verräter schimpfte, kann ich verwinden, denn er sprach im Zorn und verbittert über das treulose Verhalten anderer. Wenn aber ein besonnener Mann wie du mich auffordert, ihm als Spitzel zu dienen, ist das eine schlimme Kränkung, Sven Haraldsson.«

»Und was nun, Björn Hasenscharte?« schmunzelte Sven. »Willst du mich zum Holmgang fordern?« Svens Gefolgsleute lachten, nur Skarthi blieb ernst und sagte: »Wie könnte ein Mann von einfacher Herkunft den Sohn des Königs zum Zweikampf fordern?«

»Sei froh, daß wir nicht gleichen Standes sind«, wandte sich Sven an Björn. »Denn das ist gewiß: Ich würde dich kurzerhand in Stücke hauen!«

»Ich könnte dir von manchem Zweikampf erzählen, aus dem ich, obwohl das Gegenteil zu erwarten war, als Sieger hervorging«, sagte Björn. »Aber du wirst meine Geschichten nicht zu hören bekommen.« Damit wandte er sich zum Gehen.

»Du bleibst, Björn Hasenscharte!« rief Sven.

»Sag deinen Leuten, sie sollen mir den Weg freigeben«, erwiderte Björn, während er sich zwischen zwei stämmigen Leibwächtern hindurchzuzwängen suchte.

»Von jetzt an stehst du in Sven Gabelbarts Diensten«, sagte Skarthi. »Tu also, was er dir befiehlt.«

»Ich wollte dich nicht kränken, Björn Bosison«, sagte Sven. »Da es nun aber einmal geschehen ist, schulde ich dir Genugtuung.« Er schenkte ihm einen Rappen mit silberbeschlagenem Zaumzeug und einen Dolch. Als Björn diesen in seinen Gürtel steckte, fiel Skarthis Blick auf jenen, den Harald ihm gegeben hatte. Björn bedeckte ihn hastig mit seinem Mantel, aber als er in Skarthis Augen sah, lag in ihnen ein rätselhaftes Lächeln.