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MIT EINEM SCHIFF, DAS IN ALDEIGJÜBORG Pelze, Honig, Wachs und Bernstein geladen hatte, kam ein Mann in die Stadt, der schon dadurch Aufsehen erregte, daß er, obwohl allem Anschein nach von hohem Stand, nur von einem Jüngling begleitet wurde. Seine schlanke Gestalt war, bis auf die ringgeschmückten Hände und das braune Gesicht mit den tiefliegenden Augen und dem schwarzen Bart, ganz in weiße Seide gehüllt.
Einige weitgereiste Händler meinten, wenn er auch jetzt von Osten käme, sei an seiner Kleidung unschwer zu erkennen, daß er aus Ländern stamme, die in der entgegengesetzten Richtung lägen. Es seien dies Länder von sagenhaftem Reichtum, und man täte gut daran, den Fremden zuvorkommend zu behandeln. Ihre Versuche, mit ihm ins Geschäft zu kommen, schlugen jedoch fehl. Der Jüngling bat sie, von derlei Belästigungen abzusehen; sein Herr habe die Stadt nicht aufgesucht, um Handel zu treiben.
Dies brachte den Fremden nun erst recht ins Gerede, und bald kam das Gerücht auf, er sei vom Kaiser geschickt worden, um die Stadt und ihre Verteidigungsanlagen auszukundschaften. Wir wissen nicht, ob der Fremde von den Verdächtigungen erfuhr, aber wenn es so war, trug er es mit Würde. Er schritt erhobenen Hauptes durch die Straßen und nahm es wie selbstverständlich hin, daß die Leute vor ihm auswichen. Außer mit dem Jüngling sprach er mit niemandem, doch seinen Augen schien nichts zu entgehen, und sein Begleiter überschüttete die Stadtbewohner mit Fragen. Dies gab dem Gerücht weiteren Auftrieb, und es steht zu vermuten, daß der Fremde ein Opfer seiner Wißbegier geworden wäre, hätte ihm Gilli der Russe nicht Gastfreundschaft gewährt. Nun mochte niemand mehr glauben, daß der geheimnisvolle Fremde mit unlauteren Absichten in die Stadt gekommen war, denn Gilli galt als ein Freund des Königs und war viel zu klug, diese einträgliche Freundschaft leichtfertig aufs Spiel zu setzen.
Durch Gillis Gesinde erfuhr die ganze Stadt, daß der Fremde ein Vertrauter des Kalifen von Cordoba sei und von diesem Auftrag erhalten habe, ihm über fremde Länder, deren Bewohner und Sitten zu berichten. Er hieß Ibrahim Ibn Ahmed At-Tartuschi und beherrschte viele Sprachen, aber keine von denen, die in der Stadt gesprochen wurden. Deshalb bediente er sich seines jungen Begleiters als Dolmetscher, denn dieser war der Sohn eines norwegischen Specksteinhändlers.
Als das Schiff entladen wurde, mit dem At-Tartuschi gekommen war, wurden auch mehrere eisenbeschlagene Kisten an Land gebracht, die der Araber in Gillis Haus schaffen ließ. Der Vermutung, daß sie mit Gold und Silber gefüllt seien, mochten sich die Lastträger nicht anschließen, dafür, meinten sie, seien sie zu leicht gewesen. Was wirklich in ihnen enthalten war, sollte den Stadtbewohnern jedoch nicht lange verborgen bleiben, denn wenn das Gewand, in dem sich At-Tartuschi zeigte, auch stets aus weißer Seide war, so war nicht zu übersehen, daß er jeden Tag ein anderes trug. Dies war selbst bei den Vornehmsten nicht üblich, und ebenso ungewöhnlich war, daß der Araber, wo er ging und stand, einen fremdartigen, die Sinne betörenden Duft hinterließ.
Bald sah man auch Asmund in At-Tartuschis Begleitung, und der Araber ließ es nicht an Beweisen der Zuneigung fehlen: Er schenkte ihm einen silbernen Stirnreif und Schuhe mit schnabelförmigen, nach oben gebogenen Spitzen. Manchmal fuhr er mit den Fingern durch Asmunds langes blondes Haar und kraulte ihm zärtlich den Nacken.
Asmund führte den Araber nun in der Stadt umher, er machte ihn mit Skallagrim dem Heulenden bekannt, und mit Poppos Hilfe gelang es ihm sogar, Bischof Horath zu bewegen, einem Anhänger Mohammeds das Betreten der Kirche zu erlauben. Asmund erzählte, Poppo und At-Tartuschi hätten sich ohne Dolmetscher miteinander verständigt, und es sei ihm so vorgekommen, als ob sich der Priester und der Araber an diesem Tag nicht zum ersten Mal begegnet seien.
At-Tartuschi kam auch in das Haus des Kammmachers. Er raffte sein seidenes Gewand, als er über die Schwelle trat, und Björn sah, daß er schmale Goldreifen an den Fußgelenken trug.
»Du wirst es kaum glauben, daß er mein Bruder ist«, sagte Asmund, indem er auf Björn zeigte. »Aber sieh dir seine Kämme an, und du wirst mir zustimmen, daß es des Guten zuviel wäre, wenn einer, der solche schönen Dinge macht, auch noch ein schöner Mann wäre.«
Der Sohn des Specksteinhändlers übersetzte Asmunds Worte, und At-Tartuschi schmunzelte beifällig. Er wählte einen Kamm aus, legte einige arabische Silbermünzen auf die Werkbank und ließ Björn durch den Dolmetscher fragen, ob er die Geliebte Bues des Dicken kenne, von der es heiße, daß sie die Tochter des Kalifen von Cordoba sei. Björn fühlte, wie ihm das Blut in die Wangen schoß. Dies schien dem Araber als Antwort zu genügen, er lächelte und sagte einige Worte, die der junge Mann so übersetzte: »Gib ihr den Kamm und richte ihr aus, Ibrahim Ibn Ahmed At-Tartuschi würde bei seinem Herrn in Ungnade fallen, wenn er es versäume, ihr die väterlichen Grüße des Kalifen zu übermitteln.«
Da der König sein Haus für sich selbst und sein zahlreiches Gefolge beanspruchte, wohnte Bue mit seinen Frauen und dem Gesinde im Nachbarhaus. Nanna war fülliger geworden, sie hatte ihre Wangen mit roter Farbe bemalt, wie es früher nur Huren zu tun pflegten, neuerdings aber auch unter vornehmen Frauen üblich war, und ihre Augen schienen etwas von ihrer Tiefe verloren zu haben. Doch Björn fand, daß sie noch immer sehr schön war.
Nanna rang nach Atem, als er ihr At-Tartuschis Worte übermittelte, und ihre Freude war so groß, daß sie Björn beinahe vor aller Augen umarmt hätte. Aber schon im nächsten Augenblick hatte sie sich wieder in der Gewalt, kniff ihre Lider argwöhnisch zusammen und sagte: »Ich habe gehört, daß er sich für einen Vertrauten meines Vaters ausgibt. Woher soll ich wissen, ob er die Wahrheit spricht?«
»Für die Tochter des Kalifen sollte es ein leichtes sein, das herauszufinden«, antwortete Björn mit ernsthafter Miene.
Nanna dachte eine Weile nach, dann sagte sie: »Ich werde zu ihm in Gillis Haus kommen, und dort will ich allein mit ihm sein. Aber du sollst dich in der Nähe aufhalten, Björn Hasenscharte. Denn es ist möglich, daß die Feinde meines Vaters ihn geschickt haben, mich aus dem Weg zu räumen.«
»Mein Bruder Tryn wäre besser geeignet, dich zu beschützen«, gab Björn zu bedenken. Doch Nanna schüttelte den Kopf.
Einige Tage später suchten Nanna und Björn den Araber in Gillis Haus auf. At-Tartuschi kniete vor ihr nieder und küßte ihre Fußspitzen. Mit solch unterwürfiger Begrüßung schien Nanna nicht gerechnet zu haben; sie blickte Björn überrascht an und bedeutete ihm mit einer Kopfbewegung, sich in einen Nebenraum zu begeben.
Was At-Tartuschi und Nanna miteinander besprachen, blieb Björn verborgen, denn sie redeten in einer ihm unbekannten Sprache. Aber am Klang ihrer Worte hörte er, daß ihr Gespräch zu beider Zufriedenheit verlief, und als er schließlich, von Nanna herbeigerufen, den Raum betrat, fand er sie in aufgeräumter Stimmung: Nannas Augen glänzten, und auf dem Gesicht des Arabers lag der Anflug eines spitzbübischen Lächelns.
»Bald wird niemand mehr bezweifeln, daß ich die Tochter des Kalifen von Cordoba bin«, rief Nanna ihm entgegen. »Denn At-Tartuschi, der Vertraute meines Vaters, wird es vor aller Welt bezeugen!«
Am nächsten Abend kam der Araber abermals in Björns Werkstatt. Diesmal war er allein. Er ging schweigend auf und ab, und Björn schien es, daß er jemanden erwarte. Kurze Zeit später schlüpfte Poppo zur Tür herein. Er hatte die Kapuze über seinen Kopf gezogen, und erst nachdem er sich vergewissert hatte, daß außer Björn und At-Tartuschi niemand in der Werkstatt war, entblößte er sein rotes Gesicht.
»Aus einem Mitwisser wird selten ein guter Freund«, sagte der Priester zu Björn. »Wenn du also das Angebot meiner Freundschaft nicht für zu gering erachtest, dann vergiß, daß At-Tartuschi und ich in deiner Werkstatt waren, vergiß weiterhin, daß ich dich gebeten habe, ein Feuer in der Esse zu entfachen, und wenn du dies getan und wieder vergessen hast, dann kriech zu Gerlög ins Bett und zieh euch beiden die Decke über die Köpfe, denn es wäre wahrlich zuviel verlangt, auch das übrige noch zu vergessen.« Und nachdem er eine Weile gewartet hatte, damit Björn hinter den Sinn seiner Worte gelange, fügte er lächelnd hinzu: »Wollen wir Freunde sein, mein Sohn?«
»Es fördert meine Vergeßlichkeit ungemein, daß sie der Preis für deine Freundschaft ist, Poppo«, entgegnete Björn augenzwinkernd.
Gemeinsam räumten sie nun das Gerümpel von der Esse fort, die noch aus der Zeit stammte, als Swain neben dem Handwerk des Kammachers auch das eines Schmieds betrieben hatte, und bald erhellte der flackernde Schein eines Feuers den Raum. Der Araber hatte unterdessen eine Anzahl kleiner irdener Gefäße auf der Werkbank nebeneinander aufgereiht, deren Inhalt in eine flache Schale entleert und durch eifriges Rühren vermengt.
»Nun laß uns allein«, sagte Poppo zu Björn, während er Holzkohle in die Esse schüttete. »Und vergiß nie, daß unsere Freundschaft auf dem Vergessen beruht.« Und wieder lächelte der Priester, doch diesmal verlor sich das Lächeln in seinem Gesicht, bevor es die Augen erreichte.
Gerlög schnarchte mit weit geöffnetem Mund, als er sich zu ihr in das Bett legte. Viel zu erregt, um schlafen zu können, dachte er darüber nach, was die beiden verschiedenartigen Männer in seiner Werkstatt zusammengeführt haben mochte. Ihr vertrauter Umgang bestätigte Asmunds Vermutung, daß der Araber und der Priester sich schon früher begegnet sein mußten; wahrscheinlich reichten die Anfänge ihrer Bekanntschaft sogar in Poppos dunkle Vergangenheit zurück. War At-Tartuschi als Bote jener finsteren Mächte in die Stadt gekommen, denen Poppo einst gedient hatte? Oder fand nebenan der Wettstreit zweier Zauberer statt, um auszumachen, welcher von ihnen der bessere sei?
Die beiden Männer wechselten kein Wort miteinander. Björn hörte nur das Fauchen des Blasebalgs und das Knistern der Holzkohle. Nach einer Weile stieg ihm der Geruch versengten Haars in die Nase, und nun hielt es ihn nicht länger im Bett; er schlich zur Tür und spähte durch eine der Ritzen in die Werkstatt.
Die Arme bis zu den Ellbogen entblößt, steht Poppo vor der Esse. Er wendet seine Hände über dem Feuer; Schweißtropfen triefen von seinem Gesicht und verpuffen zischend in der Glut. At-Tartuschi tritt zu ihm, nimmt Poppos Hände, betrachtet jeden Finger, dann die Handflächen, nickt zufrieden und beginnt nun, Poppos Hände von den Gelenken bis zu den Fingerspitzen mit der Salbe einzureiben, die er in der flachen Schale angerührt hat. Er reibt sie sorgfältig ein, dann knetet er Poppos Hände, knetet sie lange und gründlich, und währenddessen bewegen beide murmelnd die Lippen. Was nun geschieht, läßt Björns Herzschlag stocken: At-Tartuschi nimmt ein glühendes Stück Eisen von der Esse und legt es auf Poppos Handflächen. Dünner Rauch steigt von ihnen auf, der Geruch verbrannten Fetts dringt durch die Türritzen, Björn hält in Erwartung eines gellenden Schreis den Atem an, aber der Priester gibt keinen Laut von sich, er wendet sich, das glühende Eisen wie eine Opfergabe auf seinen Händen, At-Tartuschi zu. Dieser schmunzelt unter seinem schwarzen Bart, und nun lächelt auch Poppo.
Als Björn am nächsten Morgen die Werkstatt betrat, erinnerte nichts mehr an das nächtliche Ereignis. Poppo, schien es, hatte das Seine getan, ihm das Vergessen zu erleichtern. Dennoch blieb das Geschehen jener Nacht in seinem Gedächtnis haften, zumal es bald darauf noch eine unerwartete Bedeutung erlangen sollte.
Mit Swains Werkstatt hatte Björn auch dessen Gewohnheiten übernommen: Er arbeitete von Sonnenaufgang bis zum Einbruch der Dunkelheit, er gab wenig aus, obwohl er gut verdiente, und er verließ das Haus nicht öfter, als nötig war. Eines Tages aber kam Asmund und erzählte ihm, Thormods neues Schiff, das Steinn gebaut habe, werde dem Wasser übergeben, und dieses Ereignis dürfe Björn sich nicht entgehen lassen. So gingen die beiden Brüder zum Hafen hinunter, Asmund eine schillernde Augenweide, Björn in der derben Arbeitskleidung des Handwerkers.
Um das Schiff, einen bauchigen Knorr mit genieteten Planken aus Eichenholz, hatte sich eine größere Menge Schaulustiger versammelt. Hier sah Björn auch Thormod wieder, dem er einst in Gris des Weisen Höhle begegnet war. Sein Haar war grau geworden, und auf seiner Stirn zeichneten sich die Wülste einer schlecht verheilten Narbe ab. Thormod ließ Bier und süßes Brot austeilen, während ein christlicher Priester die Steuerbordseite mit Weihwasser besprengte und Skallagrim der Heulende backbords glückbringende Strophen sang. Wenn es nach Thormod gegangen wäre, hätte er sein Schiff auch dem Schutz Allahs anvertraut, aber At-Tartuschi verweigerte dessen Anrufung, indem er sagte, sein Gott dulde es nicht, mit den Göttern der Ungläubigen auf eine Stufe gestellt zu werden.
Ein letztes Mal umschritt Steinn mit prüfendem Blick sein Werk, dann ließ er die Klötze wegschlagen, und das Schiff rollte auf Baumstämmen in das Hafenbecken. Dort wurde es von Steinns Leuten in Empfang genommen, die seine Fahrt bremsten und es an die Pier verholten.
Plötzlich hörte Björn, wie jemand seinen Namen rief. Er blickte sich um und sah eine junge Frau hinter sich stehen. Sie hatte rötliches Haar und graue Augen, und Björn fand, daß sie gut anzusehen war, wenngleich sie bei weitem nicht so schön war wie Nanna.
»Erkennst du mich nicht wieder?« fragte sie. Sie preßte ihre Lippen auf seine, und nun wußte Björn, daß es Thordis war, Steinns Tochter.
»Du hast eine eigenwillige Art, Erinnerungen heraufzubeschwören«, schmunzelte Björn. »Schickt es sich für Steinns Tochter, einen fremden Mann vor aller Augen zu liebkosen?«
»Mir wäre lieber, du würdest ernsthaft mit mir reden«, sagte sie. »Denn seit jener Nacht quält mich der Gedanke, daß ich für immer in deiner Schuld stehe.«
»Steinn hat mich mehr als großzügig belohnt«, entgegnete Björn verwundert. »Es kann also keine Rede davon sein, daß du mir etwas schuldest, Thordis.«
»Mein Vater hat dir seinen Dank abgestattet, ich dir meinen nicht!« sagte sie und stampfte mit dem Fuß auf. »Du hast mich vor Schlimmerem als dem Tod bewahrt, und das ist nicht mit Geld aufzuwiegen. Es gibt nur eines, mit dem ich meine Schuld begleichen könnte, das bin ich selbst.«
Björn sieht Tränen in ihren Augen, und vielleicht sind sie es, die das Verlangen in ihm wecken, sie an sich zu ziehen, seine Arme um sie zu legen, ihr Gesicht zu streicheln. Je länger er sie ansieht, desto begehrenswerter erscheint sie ihm, und auf einmal hört er sich sagen: »Willst du meine Frau werden, Thordis?«
»Ja, das will ich«, antwortet sie.
Steinn hörte sich schweigend an, was Björn und Thordis ihm zu sagen hatten. Er schwieg noch, als sie längst verstummt waren. Dann sagte er zu Björn: »Ich zweifle nicht daran, daß du eines Tages ein reicher Mann sein wirst. Aber du mußt noch viele Kämme schnitzen, bis dein Wohlstand sich mit meinem messen kann, und ich habe mir in den Kopf gesetzt, daß Thordis keinen Mann bekommen soll, bei dem sie es schlechter hat als bei mir.«
»Und ich will Björn Kinder gebären, Vater«, sagte Thordis. »Soll ich damit warten, bis ich alt und grau bin?«
»Ich habe dir oft nachgegeben, vielleicht öfter, als gut für dich war«, wandte sich Steinn an seine Tochter. »Doch in diesem Punkt lasse ich nicht mit mir handeln. Ich will sehen, daß Björn ein Haus baut, das so groß ist wie meines, ich will sehen, daß dich nicht weniger Mägde bedienen, als du es gewohnt bist, und ich will sehen, ob er dich ebenso großzügig mit Kleidern und Schmuck beschenkt wie ich. Wenn ich all dies gesehen habe und es mich zufriedenstellt, sollst du seine Frau werden, keinen Tag früher.« Und zu Björn sagte er: »Dies ist meine Bedingung, und du sollst wissen, daß ich sie dir auch zu deinem eigenen Vorteil stelle. Denn wenn du sie nicht erfüllst, wird dir mancher Verdruß erspart bleiben.«
Björn beriet sich mit Poppo. Der Priester meinte, Steinn sei ein besonnener Mann, und daß er ihm diese Bedingung gestellt habe, sollte Anlaß zu gründlichem Nachdenken geben. »So sehr sich die Frauen auch durch ihr Äußeres unterscheiden mögen«, sagte Poppo, »so sehr gleichen sie einander im Wesen. Da nun das eine vergänglich, das andere aber beständig ist, macht es keinen großen Unterschied, ob du dein Leben mit dieser oder jener teilst. Andererseits weiß ich, daß ich tauben Ohren predige, denn diese absonderliche Form der Trunkenheit, die man Liebe nennt, pflegt den Verstand zu trüben. Wenn du also Thordis haben willst, sie und keine andere, dann sollst du sie in Gottes Namen bekommen.«
»Wirst du mit Steinn reden?« fragte Björn, Hoffnung schöpfend.
»O nein, das werde ich nicht!« rief Poppo. »Es ist leichter, ein Schiff gegen den Wind zu segeln, als Steinn umzustimmen. Ich werde Gott auch nicht um ein Wunder bitten, falls du mir dies nahelegen möchtest, dafür wäre der Anlaß denn doch zu nichtig. Aber ich will darüber nachdenken, wie du das Geld beschaffen kannst, das du brauchst, um Steinns Bedingung zu erfüllen.« Er legt eine Hand auf Björns Schulter und runzelte die rosige Stirn: »Sieh darin einen Beweis meiner Freundschaft, mein Sohn. Denn mit nichts anderem werde ich mich dereinst vor Gott rechtfertigen können, wenn er mich fragt, weshalb ich der Vermehrung Ungetaufter Vorschub geleistet habe.«
Tags darauf betrat Asmund, prächtiger herausgeputzt denn je, Björns Werkstatt und gab schon durch die Art, wie er seine Worte wählte, zu erkennen, daß er nicht als Bruder, sondern als Bote seines Herrn kam. »Ibrahim Ibn Ahmed At-Tartuschi, der Wesir des Kalifen von Cordoba«, sagte er, »erweist dir die Ehre, dich um eine Gefälligkeit zu bitten.« Er griff mit spitzen Fingern nach Björns Hand und legte einen Ring hinein, der ringsum mit grünen, kunstvoll geschliffenen Steinen besetzt war. »Gib diesen Ring der Tochter des Kalifen und sag ihr, er sei ein Geschenk meines Herrn.«
»Warum gibt er ihn ihr nicht selbst?« fragte Björn.
Asmund kraulte eine Weile seinen Bart und schürzte wichtigtuerisch die Lippen, bevor er antwortete: »Als At-Tartuschis Freund und Diener bin ich zur Verschwiegenheit verpflichtet, Bruder. Deshalb wirst du von mir nur soviel erfahren, daß der König meinen Herrn an seiner Tafel zu sehen wünscht und daß es kein Geringerer als Bue der Dicke war, der ihm die Einladung überbrachte. Nun reime dir, wenn du willst, das übrige zusammen.« Damit raffte er würdevoll sein Gewand und schritt über die Schwelle.
Noch am selben Abend ging Björn zu Nanna und brachte ihr den Ring. Er traf sie allein an; die anderen Frauen waren im Haus des Königs, um es für das Fest zu schmücken. Nanna streifte den Ring über ihren kleinen Finger und ergötzte sich am Funkeln der Steine.
»Du hast mir Glück gebracht, Björn Hasenscharte«, sagte sie. »Dafür darfst du dir etwas wünschen.« Björn versank in ihren Augen, und wie von weither hörte er Nanna sagen: »Bue wird uns beide töten, wenn er uns überrascht.« Sie legte ihren Schmuck ab, löste die Fibel, die ihr Kleid über der Schulter zusammenhielt: »Ist es dir das wert?«
»Ja«, sagte Björn, und seine Stimme kam ihm seltsam fremd vor.