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Dienstag, 28. Juli 1992

Wie Phobien entstehen

Megan 5, Ken 12, Jake 10

 

Ein einziges Mal noch nach dem „Wasserunfall“ erwischten Jake und seine Bande sie alleine. Sieben Wochen nachdem sie aus dem Krankenhaus entlassen wurde, wo sie wegen ihrer Lungenentzündung behandelt worden war.

Sie spielte mit ein paar der anderen Kinder auf dem Spielplatz, wartete auf Kenny, der mittwochs bis zum späten Nachmittag Schulunterricht hatte.

Sie schaukelte, dachte darüber nach, was sie Kenny vom heutigen Tag erzählen konnte – denn das tat sie immer zuallererst, bevor er ihr versuchte das Lesen beizubringen. Sie kannte bereits alle Buchstaben, sie wollte, dass er stolz auf sie war und das veranlasste sie dazu möglichst schnell zu lernen und möglichst viel zuhause zu üben.

Er war ihr in den letzten Wochen sehr ans Herz gewachsen, er war so etwas wie ihr großer Bruder geworden, er war schon zwölf Jahre alt und wusste viel. Sie konnte ihm stundenlang zuhören. Und ihm gefiel es, dass er sie beschützen und ihr so vieles beibringen konnte.

Vom heutigen Tag konnte sie ihm nur erzählen, dass sie nach dem Kindergarten schnell nachhause gelaufen war – denn heute war der Tag an dem Kennys Bruder früher Schulschluss hatte, das wusste sie, weil Kenny ihr Jakes Stundenplan abgeschrieben hatte, nur zur Vorsicht, damit sie ihm aus dem Weg gehen konnte.

Ihre Mutter hatte Rosenkohl mit Reis und Hühnchen gekocht und nachdem sie den Rosenkohl durch einen Spalt im Fenster des Wohnwagens losgeworden war, als ihre Mutter sich umgedreht hatte, war sie zum Spielplatz gelaufen, wo sie den Rest des Nachmittags auf der Schaukel verbracht hatte.

Sie liebte es zu schaukeln. Sobald die Schaukel frei wurde, rannte sie hin und kam meist den Rest des Nachmittags nicht mehr herunter. Die Schaukel neben ihr wechselte hin und wieder den Besitzer – seit Kenny an ihrer Seite war, wollten alle anderen in Megans Alter wissen, wie er so war, was sie die Nachmittage über bei ihm machten und ob sie auch mal mitkommen dürften, wenn sie bei Joey‘s Burger und Fritten aßen und Lieder aus der Jukebox anhörten – und Megan genoss die ungewohnte Aufmerksamkeit und das neu gewonnene Interesse an ihrer Person und blieb auf ihrer Schaukel, bis Kenny sie abholte.

Sie war zum heimlichen Star geworden, seit Kenny seine Zeit mit ihr verbrachte. Plötzlich wollten die anderen Kinder nicht mehr von ihrer Seite weichen und sahen zu ihr auf – zu dem Mädchen, das plötzlich mit einem der älteren Kids abhängen durfte.

Megan fühlte sich geschmeichelt, aber sie versuchte, nicht damit anzugeben. Es gefiel ihr im Mittelpunkt zu stehen, aber sie hatte Angst, dass Kenny eines Tages genug von ihr hatte. Genauso, wie ihr Vater eines Tages genug von ihrer Mutter gehabt hatte.

 

Sie sah Jake und zwei der anderen Jungs bevor sie Megan entdeckt hatten.

Sie wusste sofort, dass sie nach ihr Ausschau hielten, an dem gefährlichen Blitzen in Jakes Augen.

Sie erschrak so heftig, dass sie fast von der Schaukel fiel, die sich gerade im höchsten Schwung befand.

Es dauerte nur wenige Sekunden, bevor Jake böse grinsend zu ihr hinüber sah.

Sie versuchte langsamer zu werden, sodass sie abspringen könnte, doch Jake und seine Jungs waren bereits bei ihr, bevor sie die Schaukel stoppen konnte.

Die anderen Kinder verschwanden augenblicklich. Niemand wollte die Bande auf sich aufmerksam machen.

Megan dachte nur daran, wie froh sie war, dass kein Wasser in der Nähe war. Sie hatte in den letzten sieben Wochen einen großen Bogen um den Fluss und die Seen in der Nähe gemacht.

Hier auf dem Spielplatz musste sie wahrscheinlich einfach wieder eine Handvoll Sand essen und würde dann von ihnen in Ruhe gelassen werden.

 

Doch Jake hatte anderes im Sinn.

Er stellte sich hinter sie und begann sie anzuschupsen.

Megan hielt die Luft an, ihr war sofort klar, dass er nicht damit aufhören würde, bevor etwas Schlimmes passiert war.

Er schubste sie am Rücken an, immer wieder, immer fester und seine Jungs lachten und halfen ihm. Erst als sie so hoch schwang, dass sie über die Baumkrone hinüber zum Trailer Park sehen konnte, begann sie zu wimmern. Nicht mehr lange und sie würde sich überschlagen.

Sie krallte sich rechts und links an den Ketten fest, die die Schaukeln hielten und versuchte so starr wie möglich auf der Schaukel sitzen zu bleiben, doch sie hatte das Gefühl, sie würde an Halt verlieren, jedes Mal, wenn Jake sie in den Rücken stieß.

Sie wurde immer höher gestoßen, flog immer weiter. Und dann passierte alles ganz schnell und dennoch wie in Zeitlupe.

Sie überschlug sich, doch in dem Moment, in dem die Schaukel ihren höchsten Punkt erreicht hatte und Megan sich kopfüber direkt über dem dicken Balken befand, ließ der Schwung nach. Megan spürte, wie sie fiel und obwohl sie sich mit aller Kraft an der Schaukel festhielt, verlor sie an Halt und stürzte.

Sie hatte Glück im Unglück, sie hatte dort oben in der Luft keinerlei Orientierung mehr, fürchtete mit dem Kopf auf den Balken zu knallen und hatte im Moment des Fallens das Gefühl, dass das ihr letzter Atemzug war.

Sie schlug mit dem Ellenbogen gegen den Holzbalken, spürte, wie das Gelenk zertrümmert wurde und der Schmerz ihr vom Arm durch den ganzen Körper fuhr.

Dann prallte ihr kleiner Körper auf dem Boden auf. Sie schrie vor Schmerzen, sah die Jungs durch ihren Tränenvorhang hindurch davonrennen und war einerseits erleichtert, dass es vorbei war, aber andererseits gelähmt vor Schmerzen.

Sie hörte, wie ihre Schreie durch den Wald hallten und dann sah sie wie ihre Mutter angerannt kam, die ihr Geschrei bis zum Wohnwagen gehört haben musste.

Das war das letzte Mal, dass Megan auf einer Schaukel gesessen war.

Bis zum heutigen Tag.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

                                         

 

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Freitag, 16.Juli 2010

So nah und so unerreichbar

Megan 23, Ken 30, Jake 27

 

Eine Woche später war sie nicht nur bereits soweit eine Bahn alleine zu schwimmen, sie war sogar bereit sich auf dem Rücken im Wasser treiben zu lassen, nur leicht unterstützt von seinen Armen unter ihrem Körper.

Es war der größte Vertrauensbeweis, den er je von einem Menschen entgegen gebracht bekommen hatte. Er war schließlich derjenige gewesen, der sie damals unter Wasser gedrückt hatte, der sie fast umgebracht hätte, derjenige, dem sie diese Angst verdankte.

Und nun lag sie vor ihm im Wasser, nur gehalten von seinen Armen, die ihre Haut kaum mehr berührten, mit geschlossenen Augen und einem leichten Lächeln auf den Lippen und schien sich keine Gedanken darüber zu machen, dass er sie jederzeit wieder unter Wasser drücken könnte.

Nach dem Tag, an dem er sie aus dem Pool zurück ins Haus getragen und dann – obwohl er sich so danach sehnte – dennoch ihren Kuss verwehrt hatte, waren genau sieben Tage vergangen.

Sieben Tage, an denen sie beide nicht schnell genug von der Arbeit heimkommen und im Pool verschwinden konnten.

Nur am Samstag hatten sie aussetzen müssen, da an diesem Tag alle außer Thommy frei hatten und bei ihnen im Garten und im Haus herumlungerten. Megan hatte sich um ihre Gemüsebeete gekümmert, während sich die Jungs abwechselnd in der Sonne geaalt und im Pool abgekühlt hatten.

Am Sonntag hatten Megan und Jake erst auch nicht damit gerechnet für sich zu sein und zu üben, da an diesem Tag ebenfalls alle frei hatten.

Doch als die Jungs beschlossen in die Bar zu gehen, bemerkte Megan Jakes Augen auf ihr ruhen.

 

Sie hatten warten müssen, bis die Jungs endlich aufbrachen um etwas trinken zu gehen und dabei ein Footballspiel zu sehen.

Jake hatte Übelkeit vorgetäuscht um nicht mit zu müssen und Megan sagte, sie wolle noch ein paar Dinge im Haus erledigen. Sie hatte nicht fassen können, dass er tatsächlich wegen ihr das Spiel und den Abend mit den Jungs sausen ließ. Bis zuletzt hatte sie angenommen, dass ihm wirklich übel war.

Doch die Jungs brachen auf, Jake wartete hinter der Gardine, bis die Autos losgefahren und um die nächste Ecke verschwunden waren, dann drehte er sich um und fragte „können wir?“

„Du willst das Spiel wirklich nicht sehen?“ fragte Megan. Jake hatte aufgelacht, weil Megan fast entsetzt gewirkt hatte.

 

Sie waren also bis auf letzten Samstag täglich im Pool gewesen und sie hatte nach und nach mehr Vertrauen zu ihm aufgebaut. Jake hatte sich täglich zusammenreißen müssen um nicht über sie herzufallen. Nicht nur einmal hatte er ein paar Minuten länger als sie im Pool bleiben müssen um ihre Wirkung auf ihn zu verstecken, was sie – nachdem ihr der Grund klar wurde – mit einem Grinsen quittierte.

Auch heute hielt er es kaum aus sie in seinen Armen zu halten, so nah, und sich dennoch auf das Wesentliche zu konzentrieren.

Der Versuch ihr nicht auf die Brüste zu starren, die sich deutlich unter ihrem Bikini abzeichneten, scheiterte kläglich.

Als sie die Augen öffnete, ertappte sie ihn dabei, wie er ihr engelsgleiches Gesicht betrachtete. Er löste die Hand, die er zur Unterstützung unter ihren Oberschenkeln gehalten hatte und wischte ihr damit eine Strähne aus dem Gesicht. Für einen Moment verharrte er mit seiner Hand an ihrer Wange, beobachtete die Wassertropfen, die er an ihrer Wange abperlten und versuchte ihren Blick zu deuten, der von Tag zu Tag intensiver wurde und somit schwerer für ihn zu widerstehen.

Er ließ die Unwirklichkeit dieser Situation auf sich wirken, wie sie hier im kühlen Wasser standen und es kaum schafften die Finger voneinander zu lassen und einen klaren Gedanken zu fassen. Seit sie die Leidenschaft zwischen sich einmal entfesselt und entdeckt hatten, dass eine derartige Lust überhaupt existierte, wurde es immer schwerer sie zu unterdrücken, nicht daran zu denken und sich diese Nacht nicht zurück zu wünschen.

Megan stellte sich auf, ließ sich von ihm rückwärts zum Rand des Pools schieben, ihre Gesichter ganz nah voreinander.

Megan spürte die Wand des Pools an ihrem Rücken, Jake drängte sich eng an sie, doch sie spürte wie er zugleich mit sich kämpfte. Als sie seine Erregung an ihrem Oberschenkel spürte, steigerte dies ihre eigene.

Er sah sie lange an. Einen Augenblick lang fragte sie sich, ob er mit ihr spielte, mit ihrer Verletzlichkeit und ihren Gefühlen ihm gegenüber, die so offensichtlich waren, doch wenn sie genau hinsah, hinter seine Fassade, dann konnte sie ihm ansehen, dass es ihm nicht anders ging. Die letzten Tage und Wochen hatten hin und wieder erkennen lassen, was auch er für sie empfand und in seinen Augen sah sie das Verlangen.

Sie wussten beide, dass sie diese Annäherungen unterlassen sollten. Ken war Jakes Bruder. Selbst wenn Megan sich von ihm trennte, konnten sie sich dennoch nicht ihren Gefühlen hingeben. Ken hatte in den letzten Jahren nie wirklich durchblicken lassen, dass ihm noch etwas an Megan lag, doch das änderte nichts an der Tatsache, dass Freundinnen oder Exfreundinnen eines Freundes oder gar des eigenen Bruders tabu waren.

Sie waren bereits viel zu weit gegangen.

Auch wenn er sich bereits für Megan und somit gegen seinen Bruder entschieden hatte, wusste er dennoch, dass Megan sich nicht wohl fühlte, allein schon beim Gedanken daran, Ken zu hintergehen.

Auch wenn er sie schon lange nicht mehr liebevoll behandelte, so hatte er sie doch vor so vielem gerettet. Vor Jake um genau zu sein.

Und sie mit schlechtem Gewissen leiden zu sehen, war schlimmer für Jake als sich selbst Gedanken darüber zu machen.

 

Heute lösten sie sich beide fast gleichzeitig voneinander, als hätten sie beide diesen Gedanken geteilt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Samstag, 17. Juli 2010

Nicht heute

Megan 23, Ken 30, Jake 27

 

Sonst nahm sich Megan die Schimpftiraden ihres Freundes sehr zu Herzen, selten verteidigte sie sich oder meckerte zurück, meist dachte sie einfach darüber nach, zog sich zurück, weinte hin und wieder, wenn Ken etwas besonders Schlimmes gesagt hatte.

Heute wischte sie eine einsame Träne beiseite, nur Jake hatte sie gesehen, aber das war ihr in diesem Moment mehr als egal.

Heute wollte sie sich nicht von Ken herunterziehen lassen, heute würde er es nicht schaffen.

Sie saß auf dem Beifahrersitz neben Jake, der mal wieder fuhr weil er am wenigsten von allen getrunken hatte. Sie begann still vor sich hinzulächeln, sie zwang sich regelrecht dazu, weil sie es so leid war, dass Ken ständig für ihre Stimmung verantwortlich war. Sie bemerkte einen Seitenblick von Jake und sah aus den Augenwinkeln, dass er ebenfalls lächelte, als er ihr Lächeln sah, als wolle er ihr Mut machen.

Ken bekam nichts von alldem mit.

Er hatte sich so in sein Gebrüll hinein gesteigert und war dermaßen betrunken, dass er nur noch sich selbst wahrnahm.

Megan suchte im Handschuhfach von Kens Auto, fand die CD, die sie hören wollte und legte sie ein. No Monkey von Wally Warning.

Megan drehte laut auf. So laut, dass sie Ken kaum noch hörte.

Sie begann zum Bass auf ihrem Sitz hin und her zu rutschen, ihr Kopf folgte nach ein paar weiteren Takten. Erst bewegte sie sich nur langsam, als Jake jedoch begann ebenfalls zu den fröhlichen Reggae Tönen zu tanzen, wurde auch sie mutiger. Ihr Lächeln wurde breiter, sie begann ihre Beine in der gleichen Art kreisen zu lassen wie Jake und bewegte ihre Hände passend zur Musik, was er ihr wiederum nachmachte.

Ken hörte auf zu schimpfen, schien müde zu sein. Ein Blick in den Rückspiegel zeigte ihnen, dass er langsam einschlief, trotz der lauten Musik.

Je länger der Song lief, desto aufgedrehter und wilder tanzten Megan und Jake dazu.

Megan lachte ausgelassen auf, sah ihm in die Augen, er sah sie ebenfalls an, so lange, bis er gezwungen war auf die Straße zu sehen, weil er um die Ecke biegen musste.

Alles war so viel einfacher, seit sie sich gut verstanden. Sie war nicht mehr allein mit ihren Sorgen, sondern hatte jemanden, der ihr dabei half sich davon abzulenken, von Ken - von seiner dunklen Seite, wenn er getrunken hatte und von seinem Desinteresse, das sie ebenfalls deprimierte. Jake war endlich jemand, der sie verstand, der wusste, wie schwer es für sie war, wenn Ken so auf sie einschimpfte.

Sie wollte es Jake nicht noch schwerer machen als er es in ihrer Nähe sowieso schon hatte, aber sie konnte es nicht sein lassen ihn anzusehen, mit tiefen Blicken, mit verliebten Blicken.

Sie wusste es war nicht fair ihm gegenüber. Er versuchte es ja. Er versuchte sie zu behandeln wie eine gute Freundin, ihr nicht zu nahe zu kommen, sie nicht zu küssen, zu berühren. Und sie machte es ihm nicht leicht.

 

“Me don't want no monkey to stop my show, Me don't want no monkey to bring me down” sie sang zur Musik und bewegte sich mit so seltsamen Tanzbewegungen zur Musik, dass Jake laut auflachte.

Me don't want no monkey to stop my show, Me don't want no monkey to make me frown” er stimmte mit ein, sang und lachte abwechselnd. Er konnte nicht aufhören sie anzusehen und zu lachen.

Als sie an der nächsten Ampel halten mussten, tanzte er wieder mit und sang aus voller Kehle Music is my true true destiny, With my music... whoihoi... I'm feeling free, I know some people will disagree, But I don't care at all, I must be me!”

Und tatsächlich, so losgelöst, so frei und so glücklich wie in diesem Augenblick hatte sie ihn noch nie zuvor gesehen. Eine Welle von Glück überkam sie und gleichzeitig drehte der Schmerz ihr fast den Magen um, denn ihr wurde bewusst; auch sie war nie zuvor so glücklich gewesen, wie in diesem Moment, in diesem Auto, an dieser Ampel. Mit ihm. Sie fühlte sich in diesem Augenblick so sehr mit Jake verbunden wie noch nie zuvor in ihrem Leben und doch wusste sie, dass es nicht sein durfte.

“Look at how the people them are having fun, Look at how the people are jumping around, Ringdingading me want to do my thing, Ringdingading people come and swing” sangen sie gemeinsam und tanzten wild dazu.

Bestimmt wackelte Kens Auto wie verrückt. Bei jeder neuen seltsamen Tanzbewegung die sie machte, lachte Jake mehr, schaffte es kaum noch zu singen, hörte sich an wie ein Erstickender und als sie das nächste Mal in seine Richtung blickte, sah sie, dass er Tränen lachte.

In dem Moment, in dem er vor Lachen völlig zusammenbrach, sich auf den Schenkel klopfte und schließlich am Lenkrad festklammerte, entdeckte Megan das Auto, das neben ihrem parkte. Molly saß auf dem Beifahrersitz ihrer Mutter und starrte sie geradewegs an, hasserfüllt.

Sie erschrak, für einen kurzen Moment raubte dieser Blick ihr völlig den Atem, war von der Kälte überrascht, die ihr entgegen schlug, nie hatte jemand sie so beneidet. Sie hatte sich immer gewünscht, eine von den Mädels zu sein, die Jake berühren durften, mit denen er flirtete, die er küsste. Hatte sie seine Freundinnen bisher auch so angesehen? Sie war sich sicher sie hatte ihre Emotionen besser im Griff als Molly.

Molly wollte geradezu, dass Megan sah, wie sehr sie diese Vereinigung missbilligte.

Megan widmete sich wieder Jake und dem Song, der so laut aus den Boxen schallte, dass sie garantiert die ganze Nachbarschaft unterhielten. Natürlich war es riskant, was sie da taten. Ein Blick in dieses Auto würde einige Gerüchte aufbringen und sie zogen die Aufmerksamkeit durch diese Lautstärke ja geradzu auf sich.

Molly beobachtete Jake, wie er die Stirn ans Lenkrad lehnte und kein Wort mehr herausbrachte, weil er Tränen lachte, Megan, die ihre Hand auf seiner Schulter ruhen hatte, ihr Blick wanderte nach hinten, wo Ken besinnungslos gesoffen auf dem Rücksitz lag, dann sah sie wieder nach vorne auf die Straße, regungslos, starr.

Als die Ampel endlich grün wurde, gab Jake Gas und bog ab, auch er hatte Molly entdeckt, sie jedoch ignoriert.

Er wischte sich mit dem Ärmel über die Augen und versuchte sich wieder auf die Straße zu konzentrieren, als der Song zuende war, doch sein Grinsen war ihm wie ins Gesicht tättowiert.

Als Megan sich vorbeugte um den Song noch einmal zu spielen, winselte Jake auf „Oh nein, bitte hab Mitleid mit mir!“

„Sind doch eh nur noch zwei Minuten bis zum Haus.“ Verteidigte Megan ihren Gute-Laune-Song lachend.

Während sie schützend ihre Hände vor die Knöpfe des CD-Players hielt, versuchte Jake zum nächsten Song umzuschalten. Sie schlug ihm auf die Hände, während er vor Lachen kaum noch das Auto in der Spur behalten konnte.

Um ihn abzulenken, piekste Megan ihm in die Hüfte, versuchte ihn zu kitzeln und Jake lachte laut mit seiner tiefen Stimme auf und zuckte zusammen, versuchte sich von ihr loszukämpfen.

Aufs Fahren konnte er sich schon gar nicht mehr konzentrieren. Er bremste und gab Gas gleichzeitig, das Auto stoppte, heulte auf, fuhr ein paar Meter weiter und stoppte wieder.

Zum Glück fuhren sie auf einer einsamen und selten befahrenen Straße.

Jake schaffte es schließlich und schaltete um und genau in dem Moment hielt Megan es nicht mehr aus. Die letzten Tage ohne ihn hatten sich so leer und trostlos angefühlt, irgendwie überflüssig. Sie hatte sich nonstop Gedanken gemacht, über ihn, über sie beide, darüber was er dachte, wo er war. Und in diesem Moment, genau in diesem Augenblick, in dem sie lachten wie verrückt, miteinander Spaß hatten, sangen und miteinander rangelten, liebte sie ihn so sehr wie niemals zuvor. So sehr, wie sie niemanden sonst liebte oder jemals geliebt hatte. Sie nahm sein Gesicht in beide Hände, beugte sich zu ihm hinüber und küsste ihn zärtlich.

Sie erschrak selbst, in dem Moment, in dem sich ihre Lippen berührten, in dem Moment, in dem ihr bewusst wurde, was sie da tat. Vielleicht auch, weil Jake so sehr erschrak, dass er das Auto abwürgte und darüber hinaus die Musik vergaß.

Sie riss die Augen erschrocken auf, schlug eine Hand vor den Mund und auch Jake hielt inne. Vorsichtig sahen sie fast gleichzeitig auf die Rückbank, wo Ken gerade aufwachte. Schnell drehte Megan sich wieder nach vorne, schloss bittend die Augen.

Jake warf ihr einen Blick zu, den sie nicht deuten konnte, den sie nur spürte, von der Seite.

Entweder wollte er ihr damit klar machen, wie gerne auch er sie küssen würde, dass nur die Umstände es einfach nicht zuließen oder aber sein Blick bedeutete „was zum Teufel tust du da, du hast dich doch eindeutig gegen mich entschieden und dein Freund, welcher zudem auch noch mein Bruder ist, liegt keinen halben Meter von uns entfernt auf der Rückbank!“

Wie gesagt, sie war noch nie gut darin gewesen, ihn und seine Gedanken zu deuten.

„Was tust du da, verdammt nochmal?“ brauste Ken hinter ihnen auf.

Jake atmete tief durch, sie konnte sehen wie seine Wangenmuskeln zuckten.

Hatte Ken den flüchtigen Kuss gesehen? Megan sah Jake mit großen Augen an. Sie wusste, es wäre besser gewesen in eine andere Richtung zu sehen, aber sie konnte den Blick nicht vom Bruder ihres Freundes abwenden, von seinen grauen Augen, die nach vorne auf die Straße starrten, von seinen starken Händen, die sie so oft schon berührt hatten in den letzten Wochen und doch nicht oft genug und die jetzt das Lenkrad umklammert hielten.

Langsam drehte Jake sich zu ihm um, sah ihm direkt in die Augen. Megan schluckte die Nervosität hinunter.

„Hast du im Knast das Fahren verlernt?“ Wäre er nicht betrunken gewesen, hätte er es nur als Witz gemeint, aber jetzt war er einfach nur wütend aus dem Schlaf gerissen worden zu sein.

Megan konnte regelrecht die Erleichterung in Jakes Gesicht sehen, dass es nur darum ging. Auch Megan war erleichtert. Wie hatte sie sich so gehen lassen können, sie hatte Ken auf dem Rücksitz völlig ausgeblendet, überhaupt nicht mehr an ihn gedacht.

„Halt verdammt nochmal die Fresse, du versoffener Sack.“ Sagte Jake plötzlich mit so viel Wut in der Stimme, dass Megan ihn schockiert ansah. Warum rastete er plötzlich so aus? Er sah aus, als hätte sich wochen- oder sogar monatelang etwas in ihm angestaut, das jetzt endlich zum Vorschein kam und förmlich in ihm explodierte. Sie beobachte seine zuckenden Wangen, seine blitzenden Augen und die Venen in seinen Armen, die stärker hervortraten als sonst, seine Hände zu Fäusten geballt.

Ken setzte sich langsam auf, versuchte es zumindest.

„Ach ja?“ Er ließ sich nicht gerne etwas von seinem Bruder gefallen, sofort war er hellwach. „Was ist dein Problem, Mann?!“

Jake atmete einmal tief durch, sie sah, wie er mit sich kämpfte, wie es in ihm arbeitete. Seine Knöchel, die das Lenkrad festhielten, traten weiß hervor, so fest war sein Griff. Doch Jake war immer schon eher aggressiv gewesen als besonnen. Der Moment, in dem er sich zusammenreißen wollte, verging so schnell wie er gekommen war. Unkontrollierbar brach es aus ihm hervor.

„Mein Problem ist, Ken, dass du der glücklichste Mann sein solltest, dass du vor Glück zerspringen müsstest, weil du alles hast, was man sich in dieser traurigen Welt wünschen kann. Und du hast nicht einmal den Hauch einer Ahnung, was du verpasst, während du all das ignorierst! Du weißt nicht, was es bedeutet diese…Möglichkeiten zu haben, die du hast und nicht nutzt. Du hast keinen Schimmer, wie gut es dir geht und wen du hier eigentlich an deiner Seite hast. Und das ist nicht einmal das Schlimmste an der ganzen Sache…“ Jake hatte sich richtig in Rage geredet.

Megan sah ihn mit jedem seiner Worte schockierter an, mit weit aufgerissenen Augen und erst in diesem Augenblick, als Jake ihren Blick bemerkte, ihre vor Schreck geweiteten Augen, wurde ihm klar, dass er sich gerade verraten hatte, doch er konnte nicht aufhören.

„Das Schlimmste daran ist, dass du das Beste in deinem Leben selbst zerstörst und herunter machst und es andere gibt, die alles dafür gäben, alles, um genau das zu haben. Aber du lässt dich einfach nur vollaufen und…“ Er brach ab.

Seine Stimme war so tief und heißer und zitterte ein wenig. Er wich ihrem Blick aus, konzentrierte sich ganz auf seinen Bruder, starrte ihm geradewegs in die Augen, doch sie wusste, dass es hier gerade nur um sie ging.

Am liebsten hätte sie ihn in den Arm genommen und nie wieder losgelassen.

Und ganz plötzlich, als Megan gerade annahm, dass Ken nun zuschlagen würde, weil er genau wusste worum es hier ging, in diesem Moment riss er die Autotüre auf und übergab sich. Mehrere Male spuckte er einen Schwall auf die Straße, das meiste davon Alkohol, er hatte kaum etwas gegessen heute.

Fast erleichtert sank Megan in ihren Sitz zurück und schloss die Augen. Erst als sie ausatmete, fiel ihr auf, dass sie die Luft angehalten hatte.

„Es tut mir leid.“ Flüsterte sie fast tonlos, wobei sie nicht recht wusste, wofür sie sich entschuldigte. Bevor Jake antworten konnte, schlug Ken die Türe hinter sich zu.

„Fahr einfach nachhause.“ Wimmerte er, völlig blass im Gesicht.

Die letzten zwei Minuten Fahrt waren die längsten zwei Minuten ihres Lebens. Die CD spielte Can‘t help falling in love with you in der Version von den Eels.

 

Shall I stay, would it be a sin

If I can’t help falling in love with you.

 

Megan konnte nicht glauben, dass dieses Lied gerade jetzt gespielt wurde.

 

Like a river flows surely tot he sea

Darling so it goes, some things are meant to be.

 

Auch Jake schien dem Text zu folgen, schüttelte ungläubig den Kopf und lachte einmal humorlos auf, als verfluche er seine eigenen Gefühle.

 

Take my hand, take my whole life too

For I can’t help falling in love with you.

 

Als sie zuhause ankamen, stieg sie aus dem Auto bevor Jake es überhaupt zum Halten gebracht hatte, gerade als die letzten Töne des Songs aus den Boxen tönten. Eilig lief sie ins Haus. Sie konnte Ken jetzt nicht in die Augen sehen, momentan fühlte sie sich nicht stark genug um ihm etwas vorzuspielen.

Das Haus war dunkel, die anderen Jungs waren entweder noch in der Bar oder auf dem Heimweg zu sich nachhause. Megan schaltete das Licht ein, kickte ihre Schuhe von sich und lief nach oben. So schnell hatte sie sich noch nie gewaschen und umgezogen. Als Ken nach oben stolperte, lag sie bereits im Bett.

„Kommt nicht in Frage, dass du heute Nacht mit mir im selben Bett schläfst.“ Fuhr Megan ihn an.

„Wer hat dich nach deiner Meinung gefragt!“ fuhr er sie an.

„Das ist mein Bett! Und du wirst hier nicht mehr schlafen! Schlaf deinen Rausch auf der Couch aus.“ Megan war sich sicher, dass er sie noch nie so wütend angesehen hatte. Sein Bruder hatte ihn gerade im Auto heraus gefordert und er war unfähig gewesen sich ihm entgegen zu setzen. Jetzt aber, da er sich wieder zusammen reißen konnte, stieg die Wut erneut in ihm hoch. Natürlich wusste Megan, dass sie nun das Fass zum Überlaufen brachte, doch sie starrte selbstsicher zurück.

Als er schließlich reagierte, hatte Megan mit einer komplett anderen Reaktion gerechnet, hatte sich sogar darauf vorbereitet, dass er heute Abend im Stande war auf sie loszugehen. Doch er schloss kurz die Augen, als müsse er sich in Erinnerung rufen, dass Megan mit Recht so reagierte. Er atmete hörbar aus.

„Okay!“ Er hob entwaffnend die Arme. „Dann schlaf ich wohl unten auf der Couch.“

Er machte kehrt, wirkte sogar geknickt. Megan tat es schon fast wieder leid, dass sie so hart reagiert hatte.

„Kenny?“

„Hm?“ er drehte sich hoffnungsvoll zu ihr um.

„Was ist denn nur mit uns passiert? Es war doch mal ganz anders…“

Er zuckte nur mit den Schultern, wirkte geknickt, fast hilflos.

Sie wusste, dass er so betrunken war, dass er sich morgen früh bestimmt an kein Wort mehr erinnern würde, das sie hier sprachen.

Dennoch wagte sie einen letzen Versuch.

„Gibt es irgendetwas, das ich tun könnte? Um es zu ändern? Um dich glücklich zu machen? Ich meine, du trinkst so viel und du wirkst so bedrückt…“ Ihr standen die Tränen in den Augen.

Er stand auf der Türschwelle und sah sie lange an.

„Du willst mich glücklich machen?“ fragte er dann. „Du könntest mir öfter mal einen blasen.“ Er fing an zu lachen, seine betrunkene, dreckige Lache. Er machte kehrt und ging nach unten, während sie ihren Tränen freien Lauf ließ.

 

Etwas zehn Minuten später schlich Jake sich in ihr Schlafzimmer. Er legte sich hinter sie, zog sie in seine Umarmung, ganz fest und doch so zärtlich und beruhigte mit seiner bloßen Anwesenheit so sehr, dass sie nach wenigen Minuten aufhörte zu weinen.

„Du hast es gehört…“ schluchzte sie.

Er nickte.

„Es war das Schönste, was du je gesagt hast über mich. Vorhin. Im Auto.“

„Nein.“ Sagte er leise und sie meinte ihn lächeln zu hören. „Ich habe noch viel schönere Dinge über dich gesagt. Nur warst du da nie dabei.“

Megan drehte sich auf den Rücken, um ihn anzusehen und er stützte sich auf seinen Ellbogen, war nur wenige Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt. Sie konnte sich vorstellen, dass er mit Hank und Charlie über sie sprach, sonst gab es nicht wirklich jemanden, dem er sich hätte anvertrauen können, ohne dass Ken davon Wind bekäme.

Er strich ihr zärtlich und nachdenklich durchs Haar.

„Ich liebe dich, Megan.“ Flüsterte er heißer.

Sie schluckte, doch als sie den Mund öffnete um ihm etwas zu entgegnen, legte er seinen Zeigefinger auf ihre Lippen. Er küsste ihre Wange, strich weiterhin durch ihr Haar, bis sie immer müder wurde.

Die Müdigkeit ließ ihre Augen immer schwerer werden. Sie spürte noch, wie er sie fest in den Arm nahm und ihr einen letzten Kuss auf die Wange gab, bevor er nach unten ins Wohnzimmer ging um seinem Bruder Gesellschaft zu leisten.

Und bevor sie einschlief, war ihr letzter Gedanke, wie unmöglich es war, dass sie ihn schon jetzt vermisste, kaum dass er das Zimmer verlassen hatte und wie sehr sie sich nach ihm sehnte, nach seinen Armen, seinen Küssen, nach seiner Stimme und seinem Geruch.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Montag, 19.Juli 2010

Vergebung

Megan 23, Ken 30, Jake 27

 

Als Megan und Jake an diesem Tag von der Arbeit nachhause fuhren, freute sie sich wie ein kleines Kind darauf mit ihm in den Pool zu gehen.

Mittlerweile fühlte sie sich fast wohl im Wasser und der Gedanke, dass sie die anderen Jungs irgendwann damit überraschen würde, wenn sie mal wieder an den See gingen, spornte sie zu Höchstleistungen an.

 

Jake hatte gestern und am heutigen Tag nicht viel mit ihr gesprochen, zum einen weil sie kaum Gelegenheit dazu gehabt hatten, es gab so viel zu tun auf der Ranch, zum anderen war plötzlich eine Anspannung und Schüchternheit zwischen ihnen aufgekommen, nachdem er ihr Samstagnacht seine Liebe gestanden hatte.

Sie waren nur abends für kurze Zeit ungestört gewesen bevor einer der anderen Jungs vorbeikam und diese Zeit hatten sie genutzt um Megan das Schwimmen beizubringen.

Bei der Arbeit warfen sie sich hin und wieder Blicke zu, aber Jake war dort zurückhaltend, als müsse er aufpassen, wer sie zusammen sah. Und an den Tagen, an denen er ihr eindeutige Blicke zuwarf, war sie generell die Stärkere und ignorierte ihn.

Auch wenn sie in den letzten Tagen vorgaben freundschaftlich miteinander umzugehen, so wussten sie beide dennoch, dass eine reine Freundschaft zwischen ihnen niemals möglich sein würde. Zu groß war die Anziehungskraft zwischen ihnen. Auch wenn sie sich momentan gewissermaßen selbst belogen und es vorgaben, wenn sie alleine waren. Aber sie wussten es doch beide. Und gerade letzten Samstag hatten sie ja gesehen, wie wenig sie sich zurückhalten konnten, was ihre Gefühle anging.

 

Wenn sie jedoch zuhause waren, in Gesellschaft der anderen Jungs, verhielt Jake sich fast wie eh und je.

Fast. Er warf mit bösen Kommentaren um sich, aber zwinkerte ihr anschließend in einem unbemerkten Moment zu. Er lachte verächtlich auf, wenn sie etwas sagte, aber berührte kurz darauf hinter dem Rücken der anderen zärtlich ihren Arm.

Sie wusste, dass er sich nur so verhielt, damit die anderen keinen Verdacht schöpften. Insgeheim hatte sich alles verändert und sie war so gelassen und so glücklich wie nie zuvor. Sie verbrachte die Tage auf der Ranch damit ihm hinterher zu sehen, ihn zu beobachten, sie wollte ihm nahe sein, so nah wie möglich. Sie hatte fast vergessen wie sich dieses Gefühl tausender Schmetterlinge im Bauch anfühlte.

 

Als sie aus dem Auto stiegen und die Einfahrt entlang liefen, war sie schon so voller Vorfreude darauf in ihren Bikini zu schlüpfen und ins Wasser zu springen, dass Jake lachen musste. Er wartete jedoch den Zeitpunkt ab, in dem Charlie und Hank um die Ecke bogen.

Megan öffnete die Haustüre und blieb abrupt stehen. Dort standen Kens Schuhe.

Sie kniff Jake leicht in den Unterarm und gab ihm zu verstehen, dass er aufhören sollte zu lachen und sie zu berühren.

Beklemmt betrat sie das Wohnzimmer und hoffte inständig Ken hätte ihr Geschäker in der Einfahrt nicht mitbekommen.

Ihr Herz pochte bis zum Hals, Hitze stieg ihr ins Gesicht.

Sie ging ins Wohnzimmer, Jake wartete einen Moment im Eingang, damit sie nicht gemeinsam das Haus betraten und noch mehr Anreiz zu Spekulationen gaben.

Megan atmete erleichtert aus, als sie Ken auf der Veranda stehen sah. Er konnte von dort nicht mitbekommen haben, was sich vor dem Haus abgespielt hatte.

David und Big John saßen auf umherstehenden Gartenstühlen und unterhielten sich, aber Ken nahm nicht an ihrer Konversation teil.

Er sah nachdenklich aus, starrte in den Garten.

„Wird heute wohl nichts mit schwimmen.“ Flüsterte Jake und ging an ihr vorbei auf die Veranda, um die anderen zu begrüßen.

Megan brachte die Reste des Abendessens in die Küche und begann sie für die Jungs aufzuwärmen.

 

Als das Essen fertig war, rief sie nach David, der sie freudig mit einem Küsschen begrüßte und ihr half die Teller auf die Veranda zu tragen.

Es war ein schöner Abend, lau und sonnig, mit frischen Brisen. Immer wieder erwischte Megan sich dabei, wie sie hinüber zum Pool sah, während die Jungs sich über ihr Abendessen hermachten.

Jake folgte ihrem Blick und lächelte. Sie sah ihm an, dass auch er diesen Abend gerne damit verbracht hätte ihr schwimmen beizubringen.

„Warum seid ihr schon zuhause?“ fragte er die anderen.

„Nichts zu tun.“ Antwortete Ken ohne von seinem Essen aufzublicken. „Die merken wahrscheinlich nicht mal, dass ich schon weg bin.“

Er schien sich wirklich nicht mehr daran zu erinnern, wie Jake sich im Auto mit ihm angelegt hatte. Am Sonntagmorgen hatte er unter einem schweren Kater gelitten, aber auch als es ihm anschließend besser gegangen war, hatte er den Streit mit keinem Wort erwähnt. Und Jake glücklicherweise auch nicht.

 

Kaum hatte Ken aufgegessen, sah er Megan direkt an. „Können wir reden?“

Megan war zu überrascht um zu reagieren, niemals hatte sie damit gerechnet, dass Ken von sich aus wieder mit ihr sprach. Die vergangenen Wochen waren kräftezehrend für sie gewesen.

Sie nickte.

Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Jake die Luft anhielt und wie er ihnen angespannt nachsah, als sie nebeneinander durch den Garten schlenderten. Bestimmt spukte der gleiche Gedanke durch seinen Kopf wie durch ihren: hatte Ken doch gesehen, wie sie seinen Bruder geküsst hatte?

Als sie am hinteren Tor angekommen waren, setzten sie sich auf die alte Steinbank.

Sofort stieg ihr die Kälte in die Glieder und ließ sie erzittern, obwohl es Mitte Juli war und die Sonne gerade erst begann unterzugehen. Der ganze Himmel war rot und orange eingefärbt und stieß immer noch eine Hitze ab, die ihre Hemden dunkel verfärbte vom Schweiß. Das Zittern lag nicht am Wetter. Sie versteckte ihre Hände hinter ihrem Rücken, weil sie selbst dann keine Kontrolle darüber bekam, wenn sie sich darauf konzentrierte sie still zu halten.

„Ich will mich nicht mit dir streiten, Meg. Ich will, dass wir uns verstehen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich dir das geben kann, was du dir wünschst, erst recht nicht nach unserem letzten Streit, aber ich will es wirklich versuchen.“

Megan blickte ihn sein zerknirschtes Gesicht, seine flehenden Augen und spürte einen Anflug von Liebe in sich aufsteigen.

„Wir sind schon eine ganze Weile zusammen, da ist es klar, dass sich irgendwann ein wenig Alltag einschleicht, aber wir sollten wenigstens versuchen dem anderen gegenüber respektvoll zu begegnen, auch wenn man sich mal unverstanden fühlt.“ Sie spielte damit auf seine Beleidigungen an, an dem Tag, als er sie schon einmal um Verzeihung gebeten hatte und nicht gleich das bekam, was er wollte.

„Ich weiß. Und du hast wirklich meinen vollen Respekt, ich weiß selbst nicht, was da mit mir los war. Was generell mit mir los gewesen ist in den letzten Wochen. Ich werde versuchen das in Zukunft zu ändern.“ Er griff nach ihrer Hand und sie ließ es geschehen, dass er mit ihren Fingern spielte.

„Das hast du schon so oft gesagt.“ Murmelte sie. Doch dann riss sie sich zusammen. „Es ist schön, dass du von selbst auf mich zu kommst. Ich habe mir diesmal geschworen, dass ich nicht auf dich zukomme, sondern dass du die Initiative ergreifen und dich entschuldigen musst. Und glaub mir, noch eine Woche länger und du hättest mich ein für allemal losgehabt.“

„Sag doch so was nicht.“

„Aber es ist wahr. Ich wäre gegangen, ich hätte dich verlassen.“ Sie sah ihm fest in die Augen.

„Ich liebe dich, Meg. Ich will nur dich, das wollte ich immer.“

„Bist du glücklich mit mir?“ Sie sah ihn stirnrunzelnd an.

„Ja, das bin ich. Wirklich.“ Er blickte ihr tief in die Augen, als könne sie darin die Wahrheit entdecken.

„Es macht nicht immer den Anschein, weißt du? Manche der anderen Jungs behandeln mich sogar besser als du.“ Sofort dachte sie an Jake und schimpfte sich selbst, dass sie so etwas zu Ken sagte.

„Ich weiß, ich werde es ändern.“ Versprach er.

Sie war berauscht davon, dass er erstmals den ersten Schritt gewagt hatte und dass er trotz ihrer Vorwürfe und Skepsis nicht einfach aufgestanden und davon gegangen war, wie er es für gewöhnlich tat.

Er saß da und hörte sich an, was sie zu sagen hatte.

Sie hatte bereits nachgegeben. Sie ließ es zu, dass er sich zu ihr beugte und sie küsste, zärtlich und liebevoll, wie sie es nicht mehr von ihm gekannt hatte.

 

Die letzten Wochen waren ihr wie ein Ringen zwischen ihnen vorgekommen, das sie viel Kraft und Nerven gekostet hatte. Nur Jake hatte sie davon abgelenkt. Jake! Es fuhr ihr durch den Kopf wie ein Blitz.

Langsam löste sie sich von Ken und wendete sich zum Haus. Sie sah Jake gerade noch ins Haus verschwinden.

„Alles wieder okay?“ hakte Ken noch einmal nach.

„Ich hoffe es.“ Murmelte Megan.