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Freitag, 09. Juli  2010

Die Mühe zu Vertrauen

Megan 23, Ken 30, Jake 27

 

Zwei Tage später befanden sie sich etwa in derselben Situation. Jake hatte das Gefühl ein Déja Vu zu erleben, außer dass Megan einen weißen Bikini mit Volants am Oberteil trug und nicht den roten von vorgestern.

In den letzten Tagen war sie es gewesen, die ihm aus dem Weg ging und seinen Blicken auswich. Er spürte, dass ihr schlechtes Gewissen gegenüber Ken sie plagte.

Wieder saß sie auf der zweiten Stufe von oben im Pool und wieder wirkte sie angespannt.

Heute war es noch heißer. Die Sonne brannte gnadenlos vom Himmel, ließ Megans Garten verdorrt aussehen, obwohl sie sich fast täglich darum kümmerte.

Sie ließ Jake ein paar Bahnen ziehen, doch er wusste, dass sie die Frage stellen würde noch bevor sie sich selbst darüber im Klaren war.

„Was hattest du denn vor?“

„Vorgestern?“

Sie nickte.

Langsam kam Jake näher. „Dir klarmachen, dass ich dir nichts tue. Vertrauen aufbauen.“ Gab er ehrlich zu. Sie wusste es sowieso, wieso also verschweigen.

„Und dann?“

„Komm her, gib mir deine Hand.“

Sie zögerte einen Moment, dann griff sie danach. Seine Hand fühlte sich warm an gegen ihre, obwohl er schon länger im Wasser war. Langsam zog er sie in seine Richtung, die Stufen hinunter, gab ihre einen Moment Zeit, damit sie auch den Rest ihres Körpers an das kühle Wasser gewöhnen konnte, zog sie dann die letzte Stufe hinunter, sodass sie auf dem Boden des Pools direkt neben ihm stand. Das Wasser reichte ihr bis über die Brust. Sie stand auf Zehenspitzen, zitternd, hielt seine Hand fest umschlossen. Er blieb mit ihr am Rand des Beckens stehen, wartete.

„Kann ich wieder raus?“ fragte sie plötzlich. Sie zitterte am ganzen Körper und ärgerte sich zugleich, dass sie es zuließ, dass er sie so ängstlich erlebte.

„Wann immer du willst.“

Sie sah entschuldigend zu ihm auf und ließ sich von ihm zurückführen.

Sie atmete laut aus, als sie die Stufen erreichten, hatte die Luft angehalten, ohne sich dessen bewusst zu sein.

So würdevoll wie es die Situation zuließ, stieg sie aus dem Pool und ging zurück zu ihrem Liegestuhl, wo sie sich auf den Rücken legte und die Augen schloss.

 

Hin und wieder sah er zu ihr herüber, konnte regelrecht sehen, wie es in ihr arbeitete.

Er wusste, dass sie nicht so bald aufgeben würde. Er kannte sie. So zurückhaltend sie sich sonst auch gab, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, wollte sie es erledigt wissen und ruhte nicht eher, bevor nicht die letzte Hürde genommen war, auch wenn es bedeutete ihre Angst zu überwinden.

Und er hatte Recht.

Keine zehn Minuten vergingen, bevor sie wieder an der Treppe stand. Langsam ging sie die Stufen hinab, hielt sich am Rand des Beckens fest, ging einen Schritt weiter und dann noch einen und stand schließlich an derselben Stelle, wo er sie zuvor hingeführt hatte.

Sie wartete bis er angeschwommen kam.

„Okay.“ Sagte sie mit krächzender Stimme.

 

Er verbarg seit zwei Tagen das Entsetzen darüber, wie schwer ihr dieser Schritt fiel, begriff erst jetzt die Ausmaße dessen, was er ihr da vor so vielen Jahren angetan hatte.

„Okay“ sagte sie wieder, als wolle sie sich damit selbst Mut zusprechen.

„Okay.“ Sagte auch er. „Wenn es dir zu irgendeinem Zeitpunkt zuviel wird, gehst du einfach wieder raus. Du kannst hier überall stehen.“ Sagte er mit beruhigender Stimme.

Er ließ sie ein paar Schritte näher kommen, ließ sie selbst die Nähe zu ihm bestimmen indem er ganz ruhig stehen blieb.

Sein Innerstes jedoch war alles andere als ruhig. Sein Magen fühlte sich verdreht an, zugeschnürt, sein Herz raste. Megan, mit ihrer zarten, gebräunten Haut, in einem knappen Bikini, kam ihm näher und näher, zitterte leicht, sah unsicher und mit großen Augen zu ihm aufsah.

Dieser Augenaufschlag! Wie sehr er sich immer gewünscht hatte, sie würde ihn einmal so ansehen!

Sie war auch zuvor in seiner Nähe unsicher gewesen. Fast immer eigentlich, wenn er genauer darüber nachdachte. Aber jetzt, da er endlich versuchte sich so zu verhalten wie es ihr gebührte – zumindest wenn sie allein waren – jetzt wusste sie erst recht nicht, was sie davon halten sollte und ob es nicht wieder einer seiner Versuche war sie zu peinigen, zu quälen, zu erniedrigen. Und er konnte es ihr nicht verdenken.

„Ich weiß, du hast nicht den geringsten Grund mir zu vertrauen…“

„….ich werde es versuchen.“ Unterbrach sie ihn.

Sie war so einfach im Umgang, sie hatte ihm nie etwas nachgetragen, stets versucht gute Miene zum bösen Spiel zu machen.

„Halt dich fest.“ Er hielt ihr eine Hand hin, sie legte ihre Fingerspitzen hinein, sehr darauf bedacht ihn nicht zu sehr zu berühren, nicht einmal mit ihrer Hand.

Doch als er sie langsam vom Rand weg und zur Mitte des Pools zog, klammerte sie sich an seinem Oberarm fest.

„Reich ihnen die Hand und sie nehmen den ganzen Arm…“ witzelte er und sie lachte nervös auf.

In der Mitte blieb er stehen. Sie drängte sich an seine Seite, er spürte ihren Bauch an seiner Hüfte, ihre Brust an seinem Oberarm. Ihr Griff war härter geworden, je weiter er mit ihr ins Wasser gegangen war.

„Versuch dich ein wenig zu entspannen.“

Nach und nach entspannte sie sich tatsächlich. Nicht völlig, aber immerhin war es ein Anfang. Sie ließ ihn nicht los, aber ihr Griff entspannte sich merklich.

„Wenn du deine Angst vor dem Wasser verlieren und schwimmen lernen willst, musst du dir von Anfang an im Klaren darüber sein, dass du dabei auch mal mit dem Kopf unter Wasser kommst und Wasser schluckst. Aber ich werde immer in deiner Nähe sein und du kannst dich an mir festhalten.“

„Okay.“ Sagte sie wieder.

„Komm her.“ Er hielt beide Arme vor sich. Einen Moment wartete sie darauf, dass er vielleicht seine Meinung ändern könnte, dann atmete sie tief ein und ließ sich von ihm auf den Arm nehmen.

Ihre Arme klammerten sich um seinen Hals, ihr Gesicht ganz nah an seinem.

Kaum waren ihre Beine nicht mehr auf dem Boden, stieg sofort Panik in ihren Augen auf.

Als Jake sah, wie sehr sie mit sich kämpfte, dass sie die Luft anhielt und vor Panik fast weinte, befahl er ihr sich wieder hinzustellen. Sie atmete erleichtert aus, als sie den Grund unter den Füßen spürte. Einen Moment brauchte sie um sich zu sammeln, dann lächelte sie ihr unwiderstehliches Lächeln. „Und jetzt?“

„Lass uns morgen weiter machen.“

„Warum? Das war doch gut, oder?“

Er wollte protestieren, ihr sagen, dass das alles andere als gut war und ihr zeigen, wie sehr es ihn frustrierte, wie heftig ihre Panik war. Doch er wusste, dass er sie damit nicht motivierte sondern möglicherweise ganz stagnieren lassen würde.

„Das war super. Aber die anderen kommen bald heim.“ Sagte er deshalb nur.

Dachte sie wirklich, er nähme ihre Anspannung nicht wahr? Für einen Moment vergaß sie, dass sie sich im Wasser gegenüber standen, ihre Schultern sackten herab vor Enttäuschung.

„Gib mich nicht auf, ich gebe wirklich alles.“

„Ich weiß, das sehe ich. Lass uns trotzdem morgen weiter machen. Nicht zuviel auf einmal.“ Sie nickte.

Zu seiner Überraschung legte sie ihre Arme wieder um seinen Hals und hob die Beine an, sodass er sie erneut auf den Arm nehmen musste. Diesmal zwang sie sich etwas lockerer zu bleiben.

Er watete langsam mit ihr durch das Wasser zurück zur Treppe, stieg die Stufen hinauf und ließ sie auch dort nicht von seinem Arm. Sie schmiegte ihr Gesicht in seine Halskuhle, er fühlte ihre Lippen an seinen Hals gepresst, heiß auf seiner nassen, kalten Haut.

Er trug sie bis zur Veranda und ließ sie erst vor der Glasschiebetür herunter.

Sie sah zu ihm auf, abwartend.

Er erinnerte sich an ihr Verhalten vor ein paar Tagen, was sie zu ihm gesagt hatte, ihre Entscheidung, von der er wusste, dass sie ihr nicht leicht gefallen war. Dennoch sah er ihr Gesicht wie in Zeitlupe näher kommen. Er drehte seinen Kopf zur Seite und öffnete die Verandatüre kurz bevor sich ihre Lippen trafen.

Als er hinein ging, hörte er sie enttäuscht ausatmen.

Nur weil sie heute einen schwachen Tag hatte und sich nach seiner Nähe sehnte, hieß das nicht, dass sie es später nicht wieder bereuen würde, wenn er sie jetzt küsste. Und er wollte auf keinen Fall, dass das passierte. Niemals sollte sie einen Kuss oder eine Nacht mit ihm mehr bereuen.

Dazu war ihm all das viel zu wichtig. Außerdem hatte sie sich gegen ihn entschieden und sie sollte sehen, dass sie nicht so mit ihm spielen konnte, wie sie wollte.

Sie folgte ihm ins Haus.

Sie wickelte sich in ihr Handtuch, zog ihren Bikini darunter aus und ging in die Küche um das Abendessen vorzubereiten.

Ließ sie ihren Bikini absichtlich auf dem Treppengeländer hängen um ihn zu ärgern? Er musste schmunzeln, sah ihr einige Minuten dabei zu, wie sie nur mit ihrem Handtuch bekleidet in der Küche herum hantierte und hin und wieder einen schnellen Blick in seine Richtung warf, um ihn zu beobachten. Dachte sie wirklich, dass sie sich unauffällig verhielt? Sein Grinsen wurde breiter.

„Was?“ fragte sie plötzlich und sah ihn verunsichert und verärgert zugleich an.

„Denk nicht zu viel nach, Süße. Sonst kriegst du noch Falten.“ Er zeigte auf seine Stirn, wie zur Erklärung und sie veränderte ihren Gesichtsausdruck.

„Essen ist in 15 Minuten fertig.“ Sagte sie kurz angebunden und widmete sich wieder der Essensvorbereitung.

Sein Lächeln verschwand.

„Ist ja nicht so als hätte ich diese Entscheidung getroffen.“ Sagte er leise zu sich selbst. Sie konnte es unmöglich gehört haben, aber ihr Körper spannte sich augenblicklich an und er konnte förmlich spüren wie sie die Augen schloss und tief ausatmete, obwohl sie von ihm abgewandt stand.